Entscheidungsdatum
15.06.2015Index
L82007 Bauordnung TirolNorm
BauO Tir 2011 §8 Abs1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat durch seine Richterin Dr. Doris Mair über die Beschwerde des Herrn Y, Adresse, vertreten durch RA, Adresse, gegen Spruchpunkt I. (Stellplätze) und II. (Befreiung) des Bescheides des Bürgermeisters der Marktgemeinde U vom xx.xx.xxxx, Zl ****,
zu Recht erkannt:
1. Der Beschwerde wird insofern Folge gegeben, als Spruchpunkt II. (Befreiung) gemäß § 28 Abs 5 VwGVG ersatzlos aufgehoben wird.
Im Übrigen wird die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. gemäß § 28 Abs 1 VwGVG als unbegründet abgewiesen.
2. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGVG die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen, und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Sachverhalt:
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde U vom xx.xx.xxxx, Zl ****, wurden Zu- und Umbaumaßnahmen mit teilweiser Änderung des Verwendungszwecks am bestehenden Gebäude auf Gst-Nr 2/1 KG U baubehördlich bewilligt. Vorgeschrieben wurde die Errichtung von 12 Stellplätzen.
Mit Ansuchen vom xx.xx.xxxx (eingelangt am xx.xx.xxxx) beantragte Herr Y (im Folgenden: Beschwerdeführer) die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für (teils gegenüber der Baubewilligung vom xx.xx.xxxx abweichend ausgeführte, teils neue) Baumaßnahmen, konkret für Zu- und Umbauten zum bestehenden Wohn- und Geschäftshaus mit teilweiser Änderung des Verwendungszwecks (Abstellräume zu Geschäftslokal, Wohnraum zu Büro).
Laut Stellungnahme des hochbautechnischen Sachverständigen vom xx.xx.xxxx war nach vorliegender Planung die Änderung von bisher als Geschäftsfläche genutzten Lokalen in Gastlokal, die Einbeziehung bisher als Keller genutzter Flächen in den Gastlokalbetrieb sowie die Nutzung von Nebenräumen im Erdgeschoss zur Verabreichung von Getränken und Speisen vorgesehen. Die mit Bescheid vom xx.xx.xxxx vorgeschriebenen 12 Stellplätze seien sowohl auf dem Bauplatz als auch auf Gst-Nr 2/2 angelegt und ausgewiesen. Die vorgesehene Verwendungszweckänderung von Teilen des Gebäudes in ein Gastlokal (Nutzfläche von 203,8 m2) erfordere eine erhöhte Anzahl von Abstellplätzen. Es würden sich laut geltender Stellplatzverordnung (1 Stellplatz je 6 m² Nutzfläche) 34 notwendige Stellplätze errechnen, von denen 9 als bereits bisher für die Geschäftsfläche vorgesehene Stellplätze, welche bereits im gültigen Baubescheid (Anm: vom xx.xx.xxxx) in einer Anzahl von insgesamt 12 Stellplätzen inkludiert wären, abzuziehen seien. Es ergäbe sich somit eine zusätzlich notwendige Anzahl von 25 Stellplätzen.
Mit Ansuchen vom xx.xx.xxxx beantragte der Beschwerdeführer die Befreiung von der Schaffung von 13 dieser insgesamt 25 erforderlichen Stellplätze.
Mit Vereinbarung vom xx.xx.xxxx verpflichtete sich der Beschwerdeführer gegenüber der Marktgemeinde U zur Entrichtung einer Ausgleichsabgabe für 13 der derzeit auf Gst 9/2 nachgewiesenen 25 Stellplätze, dies nämlich ab dem Zeitpunkt, ab dem die Fläche auf Gst 9/2 für die Bereithaltung der 25 Stellplätze nicht mehr zur Verfügung stünde. Hinsichtlich der restlichen 12 Stellplätze wurden gesonderte Vereinbarungen (etwa Anpachtung auf Gsten 24 und .8) getroffen.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde U vom xx.xx.xxxx, Zl ****, wurde (als maßgeblicher normativer Abspruch) für das mit xx.xx.xxxx eingereichte Bauvorhaben die baubehördliche Bewilligung erteilt und wurden nach den Vorgaben der zu diesem Zeitpunkt geltenden Garagen- und Stellplatzverordnung vom xx.xx.xxxx für das Gastlokal insgesamt 25 zusätzliche Stellplätze als erforderlich erachtet. Bezug genommen wurde ebenfalls auf die am xx.xx.xxxx getroffene Vereinbarung.
Mit Schreiben vom xx.xx.xxxx erhob der Beschwerdeführer Vorbringen zum einen gegen die Schlüssigkeit der Berechnung der mit Bescheid vom xx.xx.xxxx vorgeschriebenen 12 Stellplätze, zum anderen hinsichtlich der Richtigkeit der Berechnung von 25 Stellplätzen für den Verwendungszweck Gastronomie.
Mit ebenfalls am xx.xx.xxxx eingebrachter E-Mail ersuchte der Beschwerdeführer um Übersendung der aktuellen, da seit der Genehmigung der Parkplätze für Objekt 99 inhaltlich geänderten Stellplatzverordnung
Nach Wegfall der Nutzungsmöglichkeit auf Gst 9/2 erteilte der Bürgermeister der Markt-gemeinde U mit Bescheid vom xx.xx.xxxx, Zl ****, auf Grund des Antrages des Beschwerdeführers vom xx.xx.xxxx und der zwischen der Marktgemeinde U und dem Beschwerdeführer geschlossenen Vereinbarung vom xx.xx.xxxx gemäß § 8 Abs 6 TBO 2011 die Befreiung von der Errichtung von 13 Stellplätzen und schrieb ersatzweise eine Ausgleichsabgabe nach dem Tiroler Verkehrsaufschließungsabgabengesetz 2011 vor. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde des Beschwerdeführers vom xx.xx.xxxx wurde laut Aktenlage dem Landesverwaltungsgericht Tirol nicht vorgelegt und ist daher über diese noch nicht entschieden.
Mit Ansuchen vom xx.xx.xxxx beantragte der Beschwerdeführer die Änderung des Verwendungszwecks für den Gästeraum im Untergeschoss zwischen WC’s und Barbereich in nunmehr Durchgangsraum und zur Nutzung als Abstellflächen, verringere diese Baumaßnahme sowohl Fläche als auch Sitzplätze. Zudem wurde „so auch die Neubewertung der notwendigen Parkplätze für das X beantragt“.
Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am xx.xx.xxxx erging der Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde U vom xx.xx.xxxx, Zl ****. Im Befund wurde festgehalten, dass, bedingt durch die beabsichtige Verwendungszweckänderung einer Fläche im Ausmaß von ca 25 m2, gemäß der Garagen- und Stellplatzverordnung somit 4 Pkw-Stellplätze entfallen würden (1 Stellplatz je 6 m2). Damit reduziere sich die Anzahl der mit Baubescheid vom xx.xx.xxxx für die Gastlokale vorgeschriebenen insgesamt 25 Pkw-Stellplätze nunmehr auf 21.
Spruchgemäß wurde gemäß § 27 Abs 6 und 7 TBO 2011 „die beantragte Baubewilligung nach Maßgabe der Pläne und Projektunterlagen unter folgenden Auflagen erteilt:
I. Stellplätze
Gem § 8 Abs 1 TBO 2011 werden die mit Bescheid vom xx.xx.xxxx festgelegten 25 Pkw-Stellplätze nunmehr auf 21 Pkw-Stellplätze reduziert.
II. Befreiung
Auf Grund der zwischen der Marktgemeinde U und Herrn Y abgeschlossenen Vereinbarung vom xx.xx.xxxx wird dem Antrag des Bauwerbers Folge gegeben und für das gegenständliche Bauvorhaben für 9 Pkw-Stellplätze die Befreiung erteilt. Für die weiters erforderlichen 12 Pkw-Stellplätze wurde eine Anpachtung auf den Grundstücken 24 und .8, KG U, vereinbart.“
Begründend wurde im Bescheid unter anderem ausgeführt, dass sich die notwendige Anzahl der Stellplätze aus der Garagen- und Stellplatzverordnung der Marktgemeinde U ergäbe.
Von der Verpflichtung zur Schaffung von 9 Stellplätzen habe mangels deren wirtschaftlich vertretbarer Schaffung befreit werden müssen. Für die weiters erforderlichen 12 Stellplätze wäre eine Anpachtung vereinbart worden.
In einer am xx.xx.xxxx an die Behörde ergangenen E-Mail stellte der Beschwerdeführer die Berechnung der Stellplätze für die Wohnungsbereiche im Objekt 99 in Frage, berief sich dazu auf sein Schreiben vom xx.xx.xxxx und beanspruchte Behandlung im Sinne der geltenden Verordnungen.
In seiner Beschwerde vom xx.xx.xxxx bekämpft der Beschwerdeführer den Bescheid vom xx.xx.xxxx insoweit, als dem verfahrenseinleitenden Antrag nicht zur Gänze Folge gegeben wurde. Mit der Verwendungszweckänderung gehe die Neubewertung der erforderlichen Stellplätze nach der Garagen- und Stellplatzverordnung 2013 einher und beinhalte die veränderte Sach- und Rechtslage auch eine Neubewertung des Parkplatzbedarfs. Die seit der Errichtung der baulichen Anlage bzw seit der Vornahme der letzten baubewilligungs-pflichtigen Maßnahme erfolgte Änderung der Verordnung lasse eine neue Gesamtbetrachtung des gegebenen Bedarfs als erforderlich erscheinen. Es handle sich nicht um eine Änderung eines bereits rechtskräftig erledigten Sachverhalts, sondern um die Anwendung einer neuen Norm auf den Sachverhalt aus Anlass einer teilweisen Änderung des Verwendungszwecks, wäre hinsichtlich des meritums des Ansuchens nur die geltende Sach- und Rechtslage anzuwenden. Auf Grund der neuen Rechtslage habe der Beschwerdeführer auch um eine Verringerung der Stellplätze angesucht. Mit Bescheid vom xx.xx.xxxx wären 25 Stellplätze vorgeschrieben worden, aufgrund der beantragten Verwendungszweckänderung des (bisher) Gastraums im Untergeschoss entfalle ein Stellplatzbedarf für diese 25 m2, wäre dieser Wegfall der Stellplätze entsprechend der in Rechtskraft stehenden Garagen- und Stellplatzverordnung 2013 zu berechnen. Verfahrensgegenständlich sei die Verwendungs-zweckänderung des Gastraums im UG. Mit der zum Entscheidungszeitpunkt xx.xx.xxxx außer Kraft gestandenen Garagen- und Stellplatzverordnung (anstelle der seit xx.xx.xxxx rechtskräftigen Garagen- und Stellplatzverordnung 2013) habe sich die belangte Behörde zur Beurteilung des gegenständlichen Sachverhalts rechtswidriger Weise auf eine unrichtige Gesetzesgrundlage gestützt, sei der Bescheid damit ohne gesetzliche Grundlage ergangen. Habe die belangte Behörde der Berechnung der erforderlichen Stellplätze ein Berechnungsmaß von je 6 m2 pro Stellplatz zu Grunde gelegt, schreibe § 3 Abs 2 der Garagen- und Stellplatzverordnung 2013 demgegenüber für je angefangene 6 Sitzplätze oder 10 m2 Nutzfläche eine Abstellmöglichkeit vor. Ausgehend von der Verordnung 2013 ergäbe sich eine Berechnung derart, als für 150 m2/10 m2 somit 15 Stellplätze, abzüglich ca 3 Stellplätze für 25 m2/10 m2 (beträfe die beantragte Verwendungszweckänderung), gesamt damit 12 Stellplätze vorzuschreiben gewesen wären. Es hätte sich die Anzahl der erforderlichen Stellplätze somit von 25 auf 12, daher insgesamt um 13 Stellplätze reduziert. Zumal die Bewertung der Stellplätze in Folge einer Verwendungszweckänderung erfolgt sei, wäre auch für die insgesamt auszuweisenden Stellplätze die Garagen- und Stellplatzverordnung 2013 heranzuziehen. Es erfolge damit eine Anfechtung des Bescheides in dem Umfange, in dem an Stelle einer Festlegung von 12 Stellplätzen 21 Stellplätze bescheidmäßig vorgeschrieben worden seien, also in dem Umfang, in dem die Reduktion nicht um 13, sondern nur um 4 Stellplätze vorgenommen worden sei, also hinsichtlich der meritorischen Teilabweisung des Mehrbegehrens der Festlegung von nur 12 Stellplätzen. Hinsichtlich der Befreiung in Punkt II des angefochtenen Bescheides erfolge eine Anfechtung (nur) insoweit, als dass diese Befreiung dann nicht mehr erforderlich sei, wenn der Beschwerde in der Hauptsache Folge gegeben werde. Nur dann, wenn der Beschwerde nur zum Teil Folge gegeben werde, sei auch der Befreiungsantrag wieder erforderlich. Entsprechend formulierte Beschwerdeanträge wurden gestellt. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde beantragt, erweise sich diese nach Ansicht des Beschwerdeführers insbesondere zur Klärung von Differenzen des Sachverhalts als notwendig.
II. Rechtslage:
Es gilt folgende Bestimmung der Tiroler Bauordnung 2011 – TBO 2011, LGBl Nr 57/2011, letztmalig geändert durch das Gesetz LGBl Nr 187/2014:
„§ 8
Abstellmöglichkeiten für Kraftfahrzeuge
(1) Beim Neubau von Gebäuden und bei der Errichtung sonstiger baulicher Anlagen sind für die zu erwartenden Kraftfahrzeuge der ständigen Benützer und der Besucher der betreffenden baulichen Anlage außerhalb öffentlicher Verkehrsflächen geeignete Abstellmöglichkeiten (Stellplätze oder Garagen) in ausreichender Anzahl und Größe einschließlich der erforderlichen Zu- und Abfahrten zu schaffen. Diese Verpflichtung besteht auch bei jedem Zu- oder Umbau oder jeder sonstigen Änderung von Gebäuden, bei der Änderung des Verwendungszweckes von Gebäuden und bei der Änderung sonstiger baulicher Anlagen, soweit dadurch ein zusätzlicher Bedarf an Abstellmöglichkeiten entsteht. Die Anzahl der mindestens zu schaffenden Abstellmöglichkeiten ist in der Baubewilligung festzulegen. …
...
(4) Fällt eine nach Abs 1 erforderliche Abstellmöglichkeit nachträglich weg, so hat die Behörde dem Eigentümer der baulichen Anlage aufzutragen, innerhalb einer angemessenen Frist eine neue Abstellmöglichkeit zu schaffen, oder – außer in den Fällen des Abs 6 dritter Satz – um Befreiung nach Abs 6 erster Satz anzusuchen. …..
(5) Die Gemeinde kann durch Verordnung unter Bedachtnahme auf die örtlichen Erfordernisse für bestimmte Arten von baulichen Anlagen die Anzahl der nach Abs. 1 erster Satz erforderlichen Abstellmöglichkeiten festlegen. ….
(6) Die Behörde hat den Bauwerber bzw. den Eigentümer der baulichen Anlage auf dessen Antrag von der Verpflichtung nach Abs. 1 oder 4 ganz oder teilweise zu befreien, wenn die entsprechenden Abstellmöglichkeiten nicht oder nur mit einem wirtschaftlich nicht vertretbaren Aufwand geschaffen werden können. Dabei ist festzulegen, für welche Anzahl von Abstellmöglichkeiten die Befreiung erteilt wird. ….“
§ 3 Abs 2 der Garagen- und Stellplatzverordnung der Marktgemeinde U, in Kraft getreten am 13.04.2007, lautete:
„(2) Bei Gebäuden, die zur Ausübung eines Gastgewerbebetriebes (Jausenstationen, Raststätten, Cafés, Pubs, Buffets, udgl) verwendet werden, ..., sowie für je angefangene 6 Sitzplätze oder je 6 m2 Nutzfläche der Räume, die zur Verabreichung von Speisen und zum Ausschank von Getränken bestimmt sind, eine Abstellmöglichkeit zu entrichten. ...“.
§ 3 Abs 2 der geltenden Garagen- und Stellplatzverordnung der Marktgemeinde U (in Kraft seit 6.12.2013) lautet:
„(2) Bei Gebäuden, die zur Ausübung eines Gastgewerbebetriebes verwendet werden, ist ..., sowie für je angefangene 6 Sitzplätze oder für je 10 m2 Nutzfläche der Räume, die zur Verabreichung von Speisen und zum Ausschank von Getränken bestimmt sind, eine Abstellmöglichkeit zu errichten. ...“.
§ 68 Abs 1 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 – AVG, BGBl Nr 51/1991 idF BGBl. I Nr 161/2013 lautet:
„ § 68
Abänderung und Behebung von Amts wegen
(1) Anbringen von Beteiligten, die außer in den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, sind, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs 2 bisw 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.
…..“
III. Rechtliche Erwägungen:
Zu Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides:
Von folgendem offenkundigen entscheidungswesentlichen Sachverhalt ist auf Grund der Aktenlage auszugehen:
Der Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde U vom xx.xx.xxxx ist in Rechtskraft erwachsen. Mit diesem Bescheid wurde die Änderung des Verwendungszwecks von ehemals Geschäftsräumlichkeiten in Gastgewerberäumlichkeiten genehmigt. Der sich für diesen neuen Verwendungszweck ergebende zusätzliche Bedarf an weiteren 25 Stellplätzen, welcher in der Baubewilligung vom xx.xx.xxxx sodann verbindlich festgelegt wurde, errechnete sich auf Grundlage der zum damaligen Entscheidungszeitpunkt geltenden Garagen- und Stellplatzverordnung der Marktgemeinde U vom xx.xx.xxxx, welche für je 6 m2 Nutzfläche (oder je angefangene 6 Sitzplätze) die Schaffung eines Stellplatzes forderte. Auf den nun verfahrensgegenständlichen Gastraum im Untergeschoss im Ausmaß von ca 25 m2 entfielen dabei bei dieser Berechnung 4 Stellplätze.
Die vorliegend beantragte Verwendungszweckänderung (Nutzungsänderung) dieses Raumes im Untergeschoss von Gastraum in Lager- bzw Durchgangsraum löst für sich keinen zusätzlichen Stellplatzbedarf aus (die zwischenzeitlich neu erlassene Garagen- und Stellplatzverordnung 2013 fordert nämlich für derartige Nutzungen keine Stellplätze), vielmehr werden durch die Nutzungsänderung dieses Raumes bisher notwendige 4 Stellplätze obsolet. Die der Behörde gemäß § 8 Abs 1 dritter Satz TBO 2011 überlastete Verpflichtung zur Festlegung der mindestens zu schaffenden Anzahl an Stellplätzen in der Baubewilligung besteht nach dem klaren Sinnzusammenhang dieses Abs 1 nur für jene Arten von Bauvorhaben, die in dessen erstem und zweitem Satz genannten sind. Bezogen auf die darunter (auch) erfassten Verwendungszweckänderungen von Gebäuden besteht diese Verpflichtung zur Festlegung damit ausdrücklich nur im Hinblick auf solche Arten von Verwendungszweckänderungen, welche einen zusätzlichen Bedarf an Abstellmöglichkeiten auslösen. Erfordert der geänderte Verwendungszweck keine zusätzlichen Abstellmöglichkeiten, besteht eine derartige Festlegungsverpflichtung der Baubehörde in der Baubewilligung hingegen nicht.
Der Verpflichtung der Behörde zur Festlegung der Stellplatzanzahl steht nach dieser maßgeblichen Bestimmung des § 8 Abs 1 TBO 2011 hingegen kein subjektives Antragsrecht des Bauwerbers auf Bewilligung, Neubewertung bzw Festlegung eines durch eine Verwendungszweckänderung reduzierten Stellplatzbedarfs gegenüber. Mangels gesetzlicher Grundlage unter diesem Titel des § 8 TBO 2011 erweist sich somit aber der Antrag des Bauwerbers vom xx.xx.xxxx jedenfalls schon in jenem Umfang, in dem (auch) eine Neubewertung und damit Reduzierung der Parkplätze für den neuen Verwendungszweck Lager und Durchgangsraum des Raumes im Untergeschoß begehrt wurde, als unzulässig.
Aber auch ein, aus dem Titel eines eigenständigen Bauvorhabens im Sinne des § 21 TBO 2011 ableitbares Antragsrecht auf Neuberechnung der Stellplätze besteht nicht, lässt sich dieser Antrag auf Neuberechnung der erforderlichen Stellplätze nämlich nicht unter eines der im § 21 TBO 2011 genannten Bauvorhaben einreihen.
Wäre ein derartiger Antrag auf Neuberechnung bzw Reduzierung damit aber an sich wegen Unzulässigkeit zurückzuweisen gewesen, kann jedoch in der dennoch, in ausgesprochenem Umfang erfolgten Stattgebung des Antrags des Beschwerdeführers auf Reduzierung eine Beschwer bzw eine Verletzung von Rechten des Beschwerdeführers im Ergebnis an sich nicht erkannt werden, liegt vielmehr die Verpflichtung zur Schaffung einer nunmehr geringeren Anzahl von Stellplätzen im angestrebten Interesse des Beschwerdeführers.
Eine Berechtigung der Behörde zur ausgesprochenen Reduzierung der mit Bescheid vom xx.xx.xxxx rechtskräftig festgelegten Anzahl an Abstellplätzen bei fehlender Antragslegitimation des Beschwerdeführers könnte darüber hinaus aber auch in einer amtswegigen Vorgangsweise der Behörde in Anwendung des § 68 Abs 2 AVG (Aufhebung oder Abänderung) gesehen werden, als nämlich im Sinne der zur Regelungsintention dieser Bestimmung ergangenen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes durch die Abänderung des rechtskräftigen Bescheides vom xx.xx.xxxx durch Reduzierung der Stellplätze jedenfalls keine Verschlechterung der Rechtsstellung des Beschwerdeführers erfolgte.
Durch die verfahrensgegenständliche Verwendungszweckänderung des Gastraumes im Untergeschoß werden bescheidmäßig (Bescheid vom xx.xx.xxxx) festgelegte, bisher notwendige 4 Stellplätze obsolet. Sachlich begründet ging die belangte Behörde damit von einer freizugebenden, nach der alten Garagen- und Stellplatzverordnung errechneten Anzahl von 4 Stellplätzen aus. Das Landesverwaltungsgericht Tirol geht in diesem Zusammenhang (auch unter gebotener Zusammenschau des übrigen Beschwerdevorbringens) nicht davon aus, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers, „für die beantragte Verwendungszweckänderung wäre eine Berechnung nach der neuen Verordnung zwingend vorzunehmen“, isoliert dahingehend zu deuten beabsichtigt ist, damit lediglich eine Reduzierung von 3 Stellplätzen (ein Stellplatz pro 10 m2 nach der neuen Verordnung) anzustreben, würde derartige Auslegung doch im Ergebnis zu einem für den Beschwerdeführer nachteiligen Ergebnis führen.
Der Umstand, dass die Behörde diese Reduzierung im Bedarf durch (neuerliche) Anführung der – entsprechend um 4 Stellplätze reduzierten – Gesamtzahl der Stellplätze (damit auch unter Einbeziehung der für die nicht betroffenen übrigen Gastgewerberäumlichkeiten unveränderten rechtskräftigen Stellplatznotwendigkeiten) zum Ausdruck gebracht bzw in dieser Weise formuliert hat, kann für sich allein nicht als rechtsverletzend gesehen werden.
Soweit die Reduzierung der Stellplatzanzahl im Umfang der beantragten Verwendungszweckänderung des Gastraums im Untergeschoss erfolgte, war die Beschwerde damit aber unbegründet.
Fordert der Beschwerdeführer in seinem Beschwerdevorbringen darüber hinaus auch eine neue Berechnung (Reduzierung) des Stellplatzbedarfes im Gesamten, ist aber im Sinne obiger Ausführungen auch dieses Ansuchen schon dem Grunde nach nicht durch antragslegitimierende gesetzliche Ermächtigungen gedeckt.
Kann entgegen entsprechendem Beschwerdevorbringen eine derartige Forderung, die Stellplatzanzahl auch für den Gastbereich im Gesamten einer neuen Berechnung zu unterziehen, aus dem Wortlaut des Antrags vom xx.xx.xxxx für sich allein in dieser eindeutigen Weise zwar nicht erschlossen werden (der Antrag auf Neuberechnung wird in sachlichem Zusammenhang – „so auch die Neubewertung … beantragt“ - allein mit dem Bauvorhaben Verwendungszweckänderung Gastraum UG gestellt), kann jedoch unter Anlegung insbesondere der Inhalte der Schreiben des Beschwerdeführers vom xx.xx.xxxx, der E-Mail vom gleichen Tag sowie der E-Mail vom xx.xx.xxxx als Interpretationsmaßstab im Ergebnis (dennoch) auf ein derart umfassend gestelltes Begehren geschlossen werden.
Neben fehlender Antragslegitimation in beschriebenem Sinne müsste – beschwerdeführerseits geäußerter Argumentation entgegenhaltend – in diesem, den vorliegenden Bauantrag auf Verwendungszweckänderung überschreitenden Umfang zudem jedenfalls entschiedene Sache angenommen werden, welche – trotz zwischenzeitlich erfolgter Neuerlassung der Garagen- und Stellplatzverordnung – einer Neuaufrollung der Berechnung als Gegenstand des rechtskräftig abgeschlossenen Vorverfahrens entgegensteht. Treffen die baurechtlichen Vorschriften in der hier maßgeblichen Rechtsfrage (Bestimmungen betreffend die Schaffung von Abstellmöglichkeiten) keine Übergangsbestimmungen dahingehend, dass eine Änderung der Rechtslage bei gleichbleibendem Sachverhalt die Erlassung eines neuen Bescheides in der „entschiedenen Sache“ zulässt oder gebietet, ist bei Baubewilligungen als Bescheiden mit Dauerwirkung (Bescheide, die auf Dauer angelegte Rechte verleihen oder Pflichten begründen) davon auszugehen, dass sie auch bei Änderungen der Rechtslage weiterhin aufrecht bleiben und dass trotz der geänderten Rechtslage eine neue Entscheidung in der entschiedenen Sache nicht zulässig ist. In solchen Fällen kann daher der ansonsten geltende Grundsatz, dass die materielle Rechtskraft ausgeschaltet und die Aufhebung oder Abänderung des Bescheides zulässig wird, wenn an die Stelle der Verwaltungsvorschriften, die ihm zu Grunde gelegt wurden, neue Vorschriften getreten sind, nicht zum Tragen kommen. Vielmehr bewirkt die Umgestaltung der maßgeblichen Rechtslage nur, dass künftige Entscheidungen nach den neuen Vorschriften zu treffen sind, bestehende Bescheide aber davon unberührt weiter in Geltung bleiben (vgl hiezu auch Hengstschläger/Leeb, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, § 68 Rz 35).
Nicht erfolgreich ist jenes Vorbringen des Beschwerdeführers in seinen Eingaben vom xx.xx.xxxx und xx.xx.xxxx, welches die, den Bescheiden vom xx.xx.xxxx und xx.xx.xxxx zugrunde gelegten Berechnungen der Stellplatzanzahlen dem Grunde nach in Frage stellt, sind die diesbezüglichen bescheidmäßigen Festlegungen nämlich mangels Anfechtung in Rechtskraft erwachsen. Auch unter dem Gesichtspunkt einer entschiedenen Sache sind entsprechend höchstgerichtlicher Judikatur sowohl etwa nach Erlassung des Bescheides hervorgekommene Umstände als auch (sonstige) allfällige Mängel in der Entscheidung der Rechtssache, bedingt etwa durch ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren oder eine unvollständige oder unrichtige rechtliche Beurteilung, von der Rechtskraft des Bescheides umfasst und unterliegen damit der Beschränkung des § 68 Abs 1 AVG.
Zu Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides:
Bei der Befreiung von der Verpflichtung zur Schaffung von erforderlichen Stellplätzen im Sinne der Bestimmung des § 8 Abs 4 und 6 TBO 2011 handelt es sich um antragsbedürftige Verwaltungsakte. Eine verwaltungsbehördliche Entscheidung ohne zugrundeliegenden entsprechenden Antrag ist in Unzuständigkeit ergangen.
Der auf den Antrag vom xx.xx.xxxx (gestellt noch vor Erlassung des Bescheides vom xx.xx.xxxx nach § 8 Abs 6 TBO 2011) gestützte Befreiungsbescheid vom xx.xx.xxxx für 13 Stellplätze gemäß § 8 Abs 6 TBO 2011 (Anm: tatsächlich fielen die 25 Stellplätze iSd § 8 Abs 4 TBO 2011 erst nachträglich nach Erlassung des Bescheides vom xx.xx.xxxx sowie nach ursprünglicher tatsächlicher Bereitstellung weg) wurde mittels Beschwerde angefochten. Diese blieb jedoch bislang mangels Vorlage an das Landesverwaltungsgericht Tirol unerledigt.
Die unter Spruchpunkt II. nun erteilte Befreiung von (nunmehr) 9 Stellplätzen baut inhaltlich und rechnerisch auf diesem angefochtenen Abspruch des Bescheides vom xx.xx.xxxx auf bzw knüpft an diesen an. Der diesem Abspruch zu Grunde liegende Antrag des Beschwerdeführers vom xx.xx.xxxx liegt in Folge Anfechtung dieses Bescheides jedoch nicht mehr in der Entscheidungskompetenz der belangten Behörde.
Für die ausgesprochene Befreiung im bekämpften Bescheid nun auch unter Abstellen auf den reduzierten Bedarf durch die belangte Behörde liegt kein an die belangte Behörde gerichteter Antrag des Beschwerdeführers vor, vielmehr reduzierte die belangte Behörde die Befreiung im Ergebnis um weitere 4 Stellplätze von sich aus. Ob eine Befreiung von nunmehr (lediglich) 9 Stellplätzen oder doch weiterhin etwa von 13 Stellplätzen und damit die tatsächliche Bereitstellung von lediglich 8 Stellplätzen oder aber eine Befreiung überhaupt in anderer Anzahl gewollt ist, liegt hingegen allein im Bauwillen des Beschwerdeführers, heranzutragen an die Baubehörde durch entsprechend formulierten Antrag.
Die unter Spruchpunkt II. ausgesprochene Befreiung durch die belangte Behörde erging aus erwähnten Gründen damit antragslos in unzuständiger Weise. Mangelt es damit aber (bereits) an einem entsprechenden Antrag, vermag auch ein nachträgliches Zustimmen zur Entscheidung (wie dies unter den näher vorgebrachten Bedingungen im Beschwerdevorbringen zum Ausdruck kommt) das Antragserfordernis nicht zu ersetzen.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht Unzuständigkeit der Behörde von Amts wegen wahrzunehmen, dies auch dann, wenn sie in der Beschwerde nicht geltend gemacht wurde. Ist die Unzuständigkeit nur in Bezug auf bestimmte Teile eines (teilbaren) Bescheides gegeben, hat amtswegig eine teilweise Aufhebung zu erfolgen (arg „soweit“). Die Aufhebung wegen Unzuständigkeit war gemäß § 28 Abs 5 VwGVG auszusprechen.
Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gem § 24 Abs 4 VwGVG trotz entsprechendem Antrag des Beschwerdeführers entfallen. Die Rechtssache war ausschließlich durch Lösung von Rechtsfragen zu entscheiden, der dafür vorausgesetzte Sachverhalt war auf Grund der Aktenlage vollständig geklärt. Die Akten ließen erkennen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ. Welche Differenzen im Sachverhalt – so das Beschwerdevorbringen - der näheren Erörterung in einer mündlichen Verhandlung bedürften, legte der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde nicht dar. Eine neuerliche Berechnung der in den aufgeführten Bescheiden bereits rechtskräftig festgestellten Stellplatzanzahlen (die Richtigkeit der Berechnung wird vom Beschwerdeführer in den diversen angeführten Schreiben nachträglich in Frage gestellt) steht infolge eingetretener Rechtskraft jedenfalls nicht mehr zur Entscheidung in diesem Verfahren an. Einem Entfall der Verhandlung stand weder Art 6 Abs 1 EMRK nach Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegen.
Die mit dem bekämpften Bescheid erteilte baubehördliche Bewilligung für die beantragte Verwendungszweckänderung von Gastlokal im Untergeschoß in Lager und Durchgangsraum an sich ist mangels Einschränkung des Beschwerdegegenstandes auf Spruchpunkte I (Stellplätze) und II (Befreiung) nicht Gegenstand dieser Entscheidung.
IV. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der iSd Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Landesverwaltungsgericht Tirol
Dr. Doris Mair
(Richterin)
Schlagworte
Stellplatzbedarf, entschieden Sache, Stellplatzversagung BefreiungAnmerkung
Der Verwaltungsgerichtshof wies die gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 15.06.2015, Z LVwG-2015/39/0174-3, erhobene außerordentliche Revision mit Beschluss vom 27.03.2018, Z Ra 2015/06/0072-7, zurück.European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2015:LVwG.2015.39.0174.3Zuletzt aktualisiert am
23.04.2018