TE Vwgh Erkenntnis 2000/3/24 2000/21/0015

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Veröffentlicht am 24.03.2000
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1997 §10;
FrG 1997 §15 Abs1;
FrG 1997 §34 Abs1 Z2;
FrG 1997 §8;
ZustG §8;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des M, (geboren am 13. September 1977), in Lustenau, vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh und Dr. Hanno Lecher, Rechtsanwälte in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 14. Dezember 1999, Zl. Fr-4250b-251/98, betreffend Zurückweisung einer Berufung in Angelegenheit einer Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit Bescheid vom 25. November 1998 wies die Bezirkshauptmannschaft Dornbirn (erstinstanzliche Behörde) den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 34 Abs. 1 Z. 2 iVm den §§ 8, 10, 15, 35 und 37 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, aus dem Gebiet der Republik Österreich aus. Gegen diesen Bescheid, der zwecks Zustellung an den Beschwerdeführer gemäß § 23 Zustellgesetz ohne vorhergehenden Zustellversuch beim Postamt Lustenau am 27. November 1998 hinterlegt worden war, brachte der Beschwerdeführer am 15. März 1999 bei der genannten Bezirkshauptmannschaft Berufung ein.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 14. Dezember 1999 wies die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg (die belangte Behörde) die Berufung als verspätet zurück.

Diesen Bescheid begründete die belangte Behörde im Wesentlichen wie folgt:

Der Beschwerdeführer habe am 31. Juli 1998 bei der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn die Verlängerung seiner Niederlassungsbewilligung beantragt und eine näher bezeichnete Wohnadresse in Lustenau, St.-Straße, angeführt. Eine Unterkunftsüberprüfung habe jedoch ergeben, dass er von dort am 12. Juni 1998 abgemeldet worden sei und in Weiler, G.-Straße, wohnhaft sei. Auf Grund des Wohnsitzwechsels seien die fremdenpolizeilichen Unterlagen an die zuständige Bezirkshauptmannschaft Feldkirch übermittelt worden. Diese habe die Unterlagen am 3. November 1998 an die Bezirkshauptmannschaft Dornbirn retourniert, weil der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der beabsichtigten Aktenerledigung in Weiler polizeilich nicht gemeldet gewesen sei. Eine Erhebung der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn habe nun ergeben, dass er vom 22. Juni 1998 bis 12. August 1998 in Weiler gemeldet gewesen sei und sich anschließend nach Lustenau, St.-Straße, abgemeldet habe. Laut einem daraufhin am 11. November 1998 angeforderten "Ausdruck" der Marktgemeinde Lustenau sei der Beschwerdeführer unter dieser Adresse letztmalig vom 10. Februar 1998 bis 12. Juni 1998 polizeilich gemeldet gewesen und eine neuerliche Anmeldung dort trotz Abmeldung von Weiler nicht mehr erfolgt. Wo er sich im November 1998 tatsächlich aufgehalten habe, habe somit auch nicht mit Hilfe der Meldeämter seiner früheren Wohnsitze ermittelt werden können. Aus diesem Grund sei ihm der Ausweisungsbescheid an die von ihm angegebene Adresse in Lustenau, St.-Straße, zugestellt worden.

Der Beschwerdeführer verweise richtigerweise darauf, dass er sich am 3. Dezember 1998 beim Meldeamt Lustenau von Weiler zuziehend unter der Adresse M.-Straße polizeilich angemeldet habe. Er übersehe jedoch, dass diese Anmeldung nach der Bescheiderlassung erfolgt sei. Zuvor sei von der belangten Behörde sowohl mit dem Meldeamt Lustenau als auch dem Meldeamt Weiler Kontakt aufgenommen worden, um die aktuelle Wohnadresse des Beschwerdeführers zu erhalten, was jedoch nicht möglich gewesen sei. Wo er im November, als die Bescheidzustellung erfolgt sei, polizeilich gemeldet gewesen sei, werde vom Beschwerdeführer nicht erwähnt.

Gemäß § 8 Zustellgesetz sei eine Partei während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis habe, verpflichtet, ihre Abgabestelle der Behörde unverzüglich mitzuteilen, sofern sie diese ändere. Der Beschwerdeführer habe bei der erstinstanzlichen Behörde einen Antrag auf Verlängerung seiner Niederlassungsbewilligung eingebracht. Im Zuge dieses Verfahrens hätten sich Gründe ergeben, die zur Versagung der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels und somit zur Setzung fremdenpolizeilicher Maßnahmen geführt hätten. Dass ihm nicht mitgeteilt habe werden können, dass sein Aufenthaltstitel nicht mehr verlängert werde und eine Aufenthaltsbeendigung geplant sei, sei lediglich darauf zurückzuführen, dass er während des Verfahrens unter der von ihm bei der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn angegebenen Adresse nicht mehr gemeldet gewesen sei und keine Sorge dafür getragen habe, in irgendeiner Weise mit der Behörde in Kontakt zu bleiben bzw. seine neue Adresse bekannt zu geben. Nach den Bestimmungen des FrG werde über die Ablehnung eines Verlängerungsantrages nicht mehr mit eigenem Bescheid negativ entschieden, sondern sei sogleich eine aufenthaltsbeendende Maßnahme zu setzen (§ 15 FrG). Das Verlängerungsverfahren werde somit zwingend mit einem aufenthaltsbeendenden Bescheid (Ausweisung oder Aufenthaltsverbot) beendet. Es liege daher ein untrennbarer Zusammenhang der Verfahren vor und müsse der Beschwerdeführer nunmehr zu seinen Lasten gelten lassen, wenn ihn die erstinstanzliche Behörde über die beabsichtigte negative Entscheidung und das sich damit zwangsweise ergebende Ausweisungsverfahren nicht in Kenntnis habe setzen können. Die Zustellung des Ausweisungsbescheides sei daher zu Recht durch Hinterlegung erfolgt.

Da der Ausweisungsbescheid am 27. November 1998 an den Beschwerdeführer zugestellt worden sei und die Berufungsfrist von zwei Wochen mit diesem Tag zu laufen begonnen habe, sei die am 15. März 1999 bei der erstinstanzlichen Behörde eingelangte Berufung um Monate zu spät eingebracht worden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerde bringt vor, dass der Beschwerdeführer von der Einleitung des Ausweisungsverfahrens keine Kenntnis gehabt habe, die Voraussetzungen des § 8 Zustellgesetz für eine Zustellung ohne vorausgehenden Zustellversuch (§ 23 Zustellgesetz) nicht vorgelegen seien und eine Hinterlegung ohne vorhergehenden Zustellversuch somit nicht hätte erfolgen dürfen.

2. Mit diesen Ausführungen ist der Beschwerdeführer im Recht. Gemäß § 8 Abs. 1 Zustellgesetz hat eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen. Wird diese Mitteilung unterlassen, so ist gemäß dem Abs. 2 die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann.

Wenn die belangte Behörde in ihrer Bescheidbegründung die Ansicht vertritt, es gehe zu Lasten des Beschwerdeführers, wenn er von der beabsichtigten Ausweisung während des Verfahrens auf Grund seines Antrages vom 31. Juli 1998 auf Verlängerung seiner Niederlassungsbewilligung nicht verständigt worden sei, weil dieses Verfahren und das Ausweisungsverfahren gemäß § 15 FrG in einem untrennbaren Zusammenhang stünden und er somit dafür Sorge hätte tragen müssen, in irgendeiner Weise mit der erstinstanzlichen Behörde in Kontakt zu bleiben bzw. dieser seine neue Adresse bekannt zu geben, so verkannte sie die Rechtslage. Das im Zuge eines Verfahrens zur Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels gemäß § 15 Abs. 1 FrG eingeleitete aufenthaltsbeendigende Verfahren wird nämlich nicht bereits durch den Antrag auf Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels eingeleitet, sondern erst durch die Mitteilung der Behörde an den Fremden, dass gegen ihn eine Aufenthaltsbeendigung (§§ 33 ff FrG) beabsichtigt sei (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 1. Juli 1999, Zl. 98/21/0512).

Da der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall von der Einleitung des Ausweisungsverfahrens unbestritten keine Kenntnis hatte, bestand für ihn keine Mitteilungspflicht im Sinn des § 8 Abs. 1 Zustellgesetz, weshalb die auf § 8 Abs. 2 dieses Gesetzes gestützte Zustellung durch Hinterlegung ohne vorhergehenden Zustellversuch rechtswidrig erfolgte und den Lauf der Berufungsfrist nicht in Gang setzen konnte.

3. Gemäß § 7 Zustellgesetz (in der mit 1. Jänner 1999 in Kraft getretenen Fassung BGBl. I Nr. 158/1998) gilt die Zustellung, unterlaufen bei ihr Mängel, als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Schriftstück dem von der Behörde angegebenen Empfänger tatsächlich zugekommen ist.

Die Beschwerde bringt vor, dass der besagte Zustellmangel im Sinn dieser Gesetzesbestimmung am 3. März 1999 geheilt worden sei. Den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen ist nicht zu entnehmen, wann der besagte Ausweisungsbescheid dem Beschwerdeführer tatsächlich zugekommen ist, weshalb sie zur Beurteilung der Berufung des Beschwerdeführers als verspätet nicht ausreichen und der belangten Behörde somit als Folge ihrer unrichtigen Rechtsansicht ein wesentlicher Verfahrensmangel unterlaufen ist.

4. Dies hat zur Folge, dass der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben war.

5. Gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 und 6 VwGG konnte von der beantragten Verhandlung abgesehen werden.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 24. März 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:2000210015.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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