Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §58 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des Z in Klagenfurt, geboren am 14. September 1965, vertreten durch Dr. Friedrich Staudacher, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Alter Platz 30, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Kärnten vom 25. Jänner 1996, Zl. Fr-2058/95, betreffend Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 Fremdengesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der am 29. Oktober 1995 in das Bundesgebiet gelangte Beschwerdeführer am 8. November 1995 bei seiner Vernehmung vor dem Bundesasylamt im Wesentlichen an, er sei Christ und im Jahr 1989 für 53 Tage in Haft gewesen. Vom 29. März bis 1. Mai 1992 sei er nochmals im Gefängnis gewesen. Mangels an Beweisen sei er freigelassen worden. Vom 27. Dezember 1993 bis zum 1. Februar 1994 sei er abermals in Haft genommen und auch geschlagen worden. Man habe ihm vorgeworfen, mit der "Assyrer-Bewegung" zu sympathisieren und von der Regierung gesuchte Personen in den Norden in Sicherheit zu bringen. Von einer Misshandlung im Gefängnis habe er eine Verletzung (10 cm lange Narbe am Handrücken) davongetragen. Nach seiner Entlassung seien sechs Freunde, mit denen er im Gefängnis gewesen sei, umgebracht worden. In der Folge sei er in einem kleinen Dorf versteckt gehalten worden.
Seinen Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung in den Irak begründete er im Wesentlichen wie seinen Asylantrag und führte ergänzend aus, den Behörden dürfte bekanntgeworden sein, dass er regelmäßig seine Schwester im Norden des Irak besuche. Deren Mann sei vor etwa einem Monat getötet worden. Der Beschwerdeführer sei Sympathisant der "Assurian socialist party", einer Oppositionspartei. Im Mai 1994 sei er durch einen ehemaligen Schulfreund, der jetzt Polizist sei, vor einer Verhaftung gewarnt worden und habe nördlich von Bagdad bei Freunden untertauchen können. Im Oktober 1995 habe er sich zur Flucht aus dem Irak entschlossen, weil die Verhältnisse immer unsicherer geworden seien.
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 25. Jänner 1996 stellte die belangte Behörde gemäß § 54 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, fest, es bestünden keine stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass der Beschwerdeführer "im Irak oder in einem anderen Land, in dem Sie vor einer Abschiebung in den Irak nicht sicher sind", gemäß § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht sei.
Begründend führte die belangte Behörde aus, die Berücksichtigung der Ergebnisse des Asylverfahrens sei naheliegend und im Hinblick auf den im § 46 AVG verankerten Grundsatz der Unbeschränktheit der Beweismittel auch zulässig. Es werde daher auf die Begründung des am 24. November 1995 rechtswirksam erlassenen Asylbescheides des Bundesministers für Inneres Bedacht genommen. Aus diesem gehe hervor, dass der Beschwerdeführer nicht aus den im § 1 Z. 1 des Asylgesetzes 1991 genannten Gründen Verfolgung zu gewärtigen bzw. derzeit für den Fall einer etwaigen Rückkehr in die Heimat zu befürchten habe. Die näheren Ausführungen seien auf den Seiten 4, 5 und 6 des zitierten negativen Asylbescheides enthalten. Die belangte Behörde erhebe diese Beweiswürdigung zu der ihren und sei folglich der Auffassung, dass der Beschwerdeführer nicht habe glaubhaft zu machen vermocht, dass ihm im Fall seiner Rückkehr in den Irak die im § 37 Abs. 2 FrG genannten Gefahren drohten. Aus der Schubhaft habe er an den "Sicherheitsdirektor" einen von einem Mithäftling verfassten Brief gerichtet, demzufolge ihn im Irak die Todesstrafe erwarte. Angesichts der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens sei dieses Vorbringen unglaubwürdig und offensichtlich eine pauschale Schutzbehauptung. Im Übrigen habe der Beschwerdeführer zum Inhalt dieses Briefs keine befriedigenden Angaben zu machen vermocht. Die belangte Behörde könne insgesamt auch keine Gründe erkennen, dass dem Beschwerdeführer die im § 37 Abs. 1 FrG genannten Gefahren drohten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde im Rahmen eines Feststellungsverfahrens nach § 54 FrG das Bestehen einer aktuellen, also im Fall der Abschiebung des Fremden in den von seinem Antrag erfassten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abwendbaren Bedrohung iS des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist. Ebenso wie im Asylverfahren ist auch bei der Beurteilung des Vorliegens einer Gefahr gemäß § 37 Abs. 1 und 2 FrG im Verfahren gemäß § 54 leg. cit. die konkrete Einzelsituation in ihrer Gesamtheit, gegebenenfalls vor dem Hintergrund der allgemeinen Verhältnisse, in Form einer Prognose für den gedachten Fall der Abschiebung des Antragstellers in diesen Staat zu beurteilen. Für diese Beurteilung ist nicht unmaßgeblich, ob allenfalls gehäufte Verstöße der in § 37 Abs. 1 FrG umschriebenen Art durch den genannten Staat bekannt geworden sind. (Vgl. zum Ganzen etwa das Erkenntnis vom 5. November 1999, Zl. 97/21/0911.)
Gemäß § 58 Abs. 2 und § 60 iVm § 67 AVG haben Berufungsbescheide eine Begründung zu enthalten, in der die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen sind. In der Bescheidbegründung ist daher in einer eindeutigen, die Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichenden und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugänglichen Weise darzutun, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die Behörde zur Ansicht gelangte, dass gerade dieser Sachverhalt vorliege, und aus welchen Gründen sie die Subsumtion dieses Sachverhaltes unter einem bestimmten Tatbestand als zutreffend erachtete (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 5. November 1999, Zl. 97/21/0478).
Zum einen verwies die belangte Behörde vorliegend in an sich zulässiger Weise (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. November 1998, Zl. 96/21/0493) auf die Ergebnisse des Asylverfahrens und erhob ausdrücklich "diese Beweiswürdigung zu der ihren". Die Asylbehörde hatte im zweitinstanzlichen rechtskräftigen Bescheid vom 20. November 1995 ihrer rechtlichen Beurteilung offensichtlich die Angaben des Beschwerdeführers zugrunde gelegt. Im zitierten Ministerialbescheid wurde nämlich die Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zur christlichen Religion asylrechtlich gewertet; die Asylbehörde berücksichtigte auch die vom Beschwerdeführer behaupteten Festnahmen, wenn auch mit der Einschränkung, "sollten sie überhaupt stattgefunden haben".
Abweichend davon erachtete die belangte Behörde - wie sich aus der obigen Sachverhaltsdarstellung ergibt - das Vorbringen des Beschwerdeführers, zumindest Teile davon, als unglaubwürdig. Angesichts dieses Widerspruches, jedenfalls aber der Unklarheit darüber, welche Angaben des Beschwerdeführers konkret als glaubwürdig, welche hingegen als unglaubwürdig gewertet wurden, erweist sich die Beweiswürdigung als nicht nachvollziehbar. Dies hat zur Folge, dass für den Gerichtshof nicht erkennbar ist, welchen Sachverhalt die belangte Behörde als maßgeblich annahm und ihrer Entscheidung zu Grunde legte.
Die Relevanz dieses Verfahrensmangels ist gegeben, weil unter der Annahme der Richtigkeit der Behauptungen des Beschwerdeführers eine ihm im Fall der Abschiebung in den Irak drohende, im Sinn des § 37 FrG relevante Verfolgung nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b) und c) VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 24. März 2000
Schlagworte
Begründungspflicht Beweiswürdigung und Beweismittel Allgemein Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher VerfahrensmangelEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1996210232.X00Im RIS seit
20.11.2000