TE Bvwg Erkenntnis 2018/4/6 W250 2145017-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.04.2018
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Entscheidungsdatum

06.04.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

W250 2145017-1/17E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Michael BIEDERMANN als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX alias XXXX , geb. XXXX , StA. China, vertreten durch XXXX , p.A. XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.01.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 28.11.2017:

A)

I. beschlossen:

Das Verfahren zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wird wegen Zurückziehung der Beschwerde gemäß §§ 28 Abs. 1, 31 Abs. 1 VwGVG eingestellt.

II. zu Recht erkannt:

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. bis IV. wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin, eine chinesische Staatsangehörige, reiste am 26.04.2014 mit einem Schengenvisum (Visum Kategorie C) in das Bundesgebiet ein.

2. Am 14.12.2016 stellte die Beschwerdeführerin im Bundesgebiet den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

3. Am 15.12.2016 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung der Beschwerdeführerin statt. Dabei gab sie im Wesentlichen an, dass ihr Ehemann aufgrund seiner Drogensucht einen Kredit in Höhe von 500.00 Yuan aufgenommen habe. Da sie und ihr Ehemann diesen Betrag nicht zurückzahlen hätten können, hätten die Gläubiger sie mit dem Tod bedroht.

4. Am 28.12.2016 fand eine niederschriftliche Einvernahme der Beschwerdeführerin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) statt, bei der sie im Wesentlichen ihr Vorbringen bei der Erstbefragung wiederholte und angab, dass sie an Gebärmutterhalskrebs leide und in Österreich behandelt werden wolle. Sie könne sich die medizinische Behandlung in China nicht leisten und sie erhalte dort keine Sozialleistungen.

5. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 02.01.2017 wies das Bundesamt den Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat China (Spruchpunkt II.) ab. Der Beschwerdeführerin wurde kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, gegen sie wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerde-führerin nach China zulässig ist (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 2 Wochen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

Das Bundesamt führte begründend aus, dass die Beschwerdeführerin eine asylrelevante Verfolgung nicht habe glaubhaft machen können. Es drohe der Beschwerdeführerin auch keine Gefahr, die die Erteilung eines subsidiären Schutzes rechtfertigen würde. So seien in China entsprechende Behandlungsmöglichkeiten für eine Krebserkrankung gegeben und ihr sei der Zugang zu den urbanen Großversorgungszentren wie Peking aufgrund ihres früheren Aufenthaltes möglich. Die Beschwerdeführerin verfüge in Österreich zudem über kein schützenswertes Privat- und Familienleben, das einer Rückkehrentscheidung entgegenstehen würde.

6. Die Beschwerdeführerin erhob, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes fristgerecht Beschwerde und brachte im Wesentlichen vor, dass das Verfahren beim Bundesamt nicht den Anforderungen des amtswegigen Ermittlungsverfahrens gemäß § 18 Abs. 1 Asylgesetz 2005 - AsylG genügt habe. Dem Bundesamt sei zudem eine antizipierende Beweiswürdigung anzulasten, weil die Angaben der Beschwerdeführerin nahezu unberücksichtigt geblieben seien bzw. der Entscheidungsfindung nicht zugrunde gelegt worden seien. Bei richtiger Würdigung des maßgeblichen Sachverhaltes hätte der Beschwerdeführerin der Status der Asylberechtigten, jedenfalls aber der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt werden müssen. Darüber hinaus greife die gegenständliche Entscheidung auch in das Privatleben der Beschwerdeführerin in Österreich ein.

7. Mit Schriftsatz vom 05.07.2017 gab die Beschwerdeführerin mit Übermittlung der Vollmacht bekannt ihren nunmehr ausgewiesenen Rechtsvertreter mit der weiteren Vertretung im Verfahren bevollmächtigt zu haben und legte ein Konvolut an Unterlagen zu ihrem Gesundheitszustand vor. Sie führte aus, im Falle einer Rückkehr nach China in eine finanzielle Notlage zu geraten, zumal schon aufgrund ihrer Erkrankung nicht zu erwarten sei, dass sie einer Arbeit nachgehen könne. In Zusammenschau mit den Feststellungen zur medizinischen Versorgung in China und ihrer lebensbedrohlichen Erkrankung lägen außergewöhnliche Umstände vor, die die Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten gebieten würden.

8. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 28.11.2017 in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die Sprache Chinesisch und im Beisein des ausgewiesenen Rechtsvertreters der Beschwerdeführerin eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in welcher die Beschwerdeführerin die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides zurückzog. Ein Vertreter des Bundesamtes nahm an der Verhandlung nicht teil. Die Verhandlungsschrift wurde der belangten Behörde übermittelt.

Der Beschwerdeführerin wurde in der Verhandlung aufgetragen binnen 2 Wochen bekannt zu geben, welche Medikamente sie regelmäßig einzunehmen hat.

9. Nach einem Fristerstreckungsersuchen vom 12.12.2017 legte die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 27.11.2017, beim BVwG eingelangt am 29.12.2017, einen Befundbericht vom 04.12.2017 vor und führte aus, dass es ihr nicht möglich sei die einzunehmenden Medikamente bekanntzugeben, weil sich diese abhängig von ihrem Gesundheitszustand monatlich ändern würden.

10. Mit Parteiengehör vom 23.02.2018 wurden dem Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu China vom 14.11.2017, letzte Kurzinformation eingefügt am 05.02.2018, sowie die ACCORD-Anfragebeantwortung zu China betreffend die Voraussetzungen für eine Krankenversicherung vom 03.07.2015 mit der Möglichkeit zur Stellungnahme innerhalb einer Frist von zwei Wochen übermittelt. Nach einem Fristerstreckungsersuchen vom 12.03.2018 legte die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 26.03.2018 einen Befundbericht vom 15.03.2018 vor und zitierte einen Bericht des "Wall Street Journal" vom Mai 2013 über Probleme beim Zugang zur Gesundheitsversorgung für ältere Menschen in China sowie einen Bericht des "Economist" vom 11.05.2017 über einen Ärztemangel in China.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person der Beschwerdeführerin:

Die Beschwerdeführerin führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX . Sie ist chinesische Staatsangehörige, gehört der Volksgruppe der Han an und ist ohne religiöses Bekenntnis. Sie spricht die Landessprache ihres Herkunftsstaates als Muttersprache (AS 5; Protokoll vom 28.11.2017 - OZ 8, S. 5 f).

Die Beschwerdeführerin wurde in der Provinz Liaoning, im Kreis XXXX , in der Stadt XXXX geboren und ist dort bei ihren Eltern aufgewachsen. Sie hat zwei Jahre die Schule besucht und ihren Lebensunterhalt durch ihre Tätigkeit in der Landwirtschaft verdient (OZ 8, S. 7 f). Die Beschwerdeführerin hat danach in XXXX und daraufhin in Peking, Beijing gelebt (OZ 8, S. 8).

Die Beschwerdeführerin ist nicht verheiratet und hat zwei Kinder. Ihre erstgeborene Tochter ist ca. 28 Jahre alt und lebt seit dem Kleinkindesalter beim Ex-Lebensgefährten der Beschwerdeführerin in China. Die Beschwerdeführerin hat keinen Kontakt zu ihrer Tochter. Der Sohn der Beschwerdeführerin ist ca. 11 Jahre alt (OZ 8, S. 7).

Die Beschwerdeführerin verfügt auch über ihre Eltern in China, die ca. 80 Jahre alt sind und keiner Berufstätigkeit nachgehen (AS 6; OZ 8, S. 7). Die Beschwerdeführerin hat derzeit keinen Kontakt zu ihren Eltern (OZ 8, S. 9), könnte diesen im Falle einer Rückkehr jedoch wieder aufnehmen.

1.2. Zur maßgeblichen Situation der Beschwerdeführerin in Österreich:

Die Beschwerdeführerin ist am 26.04.2014 mit einem Schengenvisum (Visum Kategorie C), das bis zum 16.05.2014 gültig war, nach Österreich eingereist (Beilage ./C) und hält sich seitdem durchgehend in Österreich auf. Sie stellte jedoch erst am 14.12.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz (AS 6).

Die Beschwerdeführerin hat durch ihren Rechtsvertreter in der mündlichen Verhandlung die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides zurückgezogen (OZ 8, S. 5).

Die Beschwerdeführerin verfügt über keine Deutschkenntnisse. Sie besucht derzeit einen Deutsch-Integrationskurs (OZ 8, S. 8; Beilage ./A). Die Beschwerdeführerin lebt von der Grundversorgung. Sie engagiert sich weder ehrenamtlich noch ist sie Mitglied eines Vereins. Sie verfügt auch weder über Verwandte noch über sonstige enge soziale Bindungen in Österreich (OZ 8, S. 8 f).

Die Beschwerdeführerin litt an Gebärmutterhalskrebs (hochgradige Plattenepitheldysplasie, PAP IV, CIN III), weshalb am XXXX ein operativer Eingriff (Konisation LLETZ) und am XXXX die vollständige Entfernung der Gebärmutter stattgefunden hat (Totale laparoskopische Hysterektomie - TLH) (Beilage ./C). Sie muss regelmäßig Nachsorgeuntersuchungen in Anspruch nehmen, ein längerfristiger Pflege- oder Rehabilitationsbedarf besteht nicht. Bei der Beschwerdeführerin wurde eine partielle Involution (Anm. BVwG: altersbedingte Veränderung des Drüsengewebes) der Brust, ein intramammärer (Anm. BVwG: in der weiblichen Brust) Lymphknoten rechts, gemischte Mastopathie beidseitig (Anm. BVwG: gutartige Veränderung der Brust) und benigne (Anm. BVwG: gutartige) Kalkablagerungen in der Brust festgestellt, wobei festgehalten wurde, dass der Befund unauffällig ist (Klinischer Befund XXXX - Beilage ./C). Bei der Beschwerdeführerin wurde Osteochondrose (Anm.

BVwG: degenerative Erkrankung der Knochen und Gelenkknorpel, vor allem im Bereich der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule) sowie eine etwas vergrößert Leber (mäßig ausgeprägter chronisch diffuser Leberparenchymschaden - Steatosis/Fibrose, Anm. BVwG: Veränderung des Lebergewebes) diagnostiziert, jedoch sind keine fokalen Leberläsionen (Anm. BVwG: Schädigung oder Verletzung des Lebergewebes) nachweisbar (Befund XXXX - Beilage ./C).

Außerdem wurden bei der BF Ganzkörperschmerzen, Angst- und Unruhegefühl, der Verdacht auf Somatisierungsstörung (Anm. BVwG:

Beschwerden, für die keine körperlichen Ursachen gefunden werden können), Migräne mit Aura, CVS (Anm. BVwG: Cervikalsyndrom; Beschwerden der Halswirbelsäule aufgrund von degenerativen Veränderungen), multiple Arthrosen und Osteochondrosen (Anm. BVwG:

multipler Abbau von Gelenkssubstanz und degenerative Erkrankung der Knochen und Gelenkknorpel), Steatosis hepatis (Anm. BVwG: Fettleber), noduli haemmorrhoidalis (Anm. BVwG: Hämorrhoiden) und multiple Lipome (Anm. BVwG: Weichteiltumore; gutartige knotenartige Ansammlungen aus Fettgewebe, die direkt unter der Haut oder in einigen Fällen auch in den Muskeln auftreten) diagnostiziert, wobei bisherige Untersuchungen einen unauffälligen Befund gezeigt haben (Befundbericht Dr. Johanna Zrost vom 15.03.2018).

Die Beschwerdeführerin benötigt keine langfristige Medikation.

Die Beschwerdeführerin ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.3. Zur maßgeblichen Situation in China:

1.3.1. Im Folgenden werden die wesentlichen Feststellungen aus dem vom Bundes-verwaltungsgericht herangezogenen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 14.11.2017, letzte Kurzinformation eingefügt am 05.02.2018, wiedergegeben:

Sicherheitslage

Proteste auf lokaler Ebene haben in ganz China stark zugenommen. Sie richten sich vor allem gegen steigende Arbeitslosigkeit und Vorenthaltung von Löhnen, hauptsächlich von Wanderarbeitern. Bei den bäuerlichen Protesten auf dem Land geht es meistens um die (entschädigungslose oder unzureichend entschädigte) Enteignung von Land und fehlende Rechtsmittel. Auch stellen die chemische Verseuchung der Felder durch Industriebetriebe oder Umweltkatastrophen Gründe für Proteste dar. Nachdem die Anzahl sogenannter. "Massenzwischenfälle" über Jahre hinweg rasch zunahm, werden hierzu seit 2008 (mehr als 200.000 Proteste) keine Statistiken mehr veröffentlicht. Zwei Aktivisten, die seit 2013 durch eigene, über Twitter veröffentlichte Statistiken diese Lücke zu schließen versuchten, wurden im Juni 2016 verhaftet. Die lokalen Behörden verfolgen in Reaktion zumeist eine Mischstrategie aus engmaschiger Kontrolle, die ein Übergreifen nach außen verhindern soll, gepaart mit einem zumindest partiellen Eingehen auf die Anliegen (USDOS 3.3.2017; vgl. AA 15.12.2016)

Grundversorgung und Wirtschaft

China ist seit 2010 die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt nach den USA, seit 2014 nach Kaufkraft sogar die größte. Beim Bruttoinlandsprodukt pro Kopf liegt China im Jahr 2016 mit rund

8.261 USD auf Platz 75 im weltweiten Vergleich. Zudem hält China die weltweit höchsten Devisenreserven. Innerhalb des Landes gibt es enorme regionale und soziale Unterschiede (AA 4.2017b). Die chinesische Gesellschaft hat durch die soziale Dynamik, die durch die wirtschaftlichen Reformen ausgelöst wurde, in den letzten drei Jahrzehnten insgesamt an Offenheit gewonnen. Die Lebensbedingungen haben sich für die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung deutlich verbessert und erlauben im wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Bereich ein höheres Maß an persönlicher Freiheit (AA. 4.2017a).

Die Grundversorgung mit Nahrungsmitteln bzw. Gegenständen des täglichen Bedarfs ist trotz starker Disparitäten zwischen Stadt und Land bzw. Ost und West grundsätzlich gegeben. In den letzten Jahren kam es zu einem rasanten Anstieg der Immobilien- und Nahrungsmittelpreise. Viele Städte in China gehören heute im Vergleich zum Einkommen zu den teuersten Immobilienmärkten der Welt (ÖB 11.2016). Der Lebensstandard der Bevölkerung steigt im Allgemeinen kontinuierlich an, wenn auch mit unterschiedlicher Geschwindigkeit (AA 15.12.2016).

Eine andauernde Gefährdung für den sozialen Frieden in der chinesischen Gesellschaft stellt die rasche Entwicklung der chinesischen Wirtschaft und die daraus resultierende Wohlstandsverteilung dar. Besonders gravierend zeigen sich die Unterschiede im Vergleich von (vergleichsweise wohlhabender) Stadt- und (vergleichsweise armer) Landbevölkerung, regulärer Arbeit und Wanderarbeit sowie jüngerer und älterer Menschen. Nur minimal hat sich der Gini-Koeffizient - der Maßstab für die Einkommensungleichverteilung verbessert. Er ist von seinem Höchststand 2008 von 0,49 langsam aber beständig auf 0,462 in 2015 gesunken - allerdings im Jahr 2016 wieder geringfügig auf 0,465 angestiegen. Damit liegt China nach wie vor deutlich über der Grenze, die nach der Definition der Vereinten Nationen eine extreme Ungleichheit anzeigt (0,4). Noch leben mehr als 45 Prozent aller Chinesen auf dem Land, wo die grundlegenden sozialen Sicherungs- und Geldleistungen (Rente, Krankheit, Arbeitslosigkeit) wie auch erweiterte wohlfahrtspolitische Leistungen und Institutionen (Bildung, Wohnung) deutlich schlechter entwickelt sind als in den Städten (AA 4.2017b).

2016 war das durchschnittliche Haushaltsnettoeinkommen pro Kopf und Jahr in der Stadt mit 33.616 RMB (ca. 5.060 USD) 2,72-mal so hoch wie in ländlichen Gebieten mit 12.363 RMB (ca. 1.861 USD). Dabei wuchs das Einkommen der Landbevölkerung mit 8,2 Prozent etwas stärker als das der Stadtbewohner mit 7,8 Prozent (AA 4.2017b).

Laut offiziellen Angaben sind 4,1 Prozent der Chinesen mit Haushaltsregistrierung arbeitslos gemeldet. Darin nicht erfasst sind die mittlerweile ca. 275 Mio. "Wanderarbeiter", von denen ca. 168 Mio. außerhalb ihrer Heimatprovinz einer Beschäftigung nachgehen. Die Regierung will bis 2020 mit Hilfe eines entwicklungsorientierten Programms zur Armutsreduzierung in ländlichen Regionen gezielt in die soziale Infrastruktur von besonders zurückgebliebenen Schlüsselregionen investieren (AA 15.12.2016).

Trotz des laufenden Ausbaus des Sozialsystems bleibt angesichts des niedrigen Niveaus der Sozialleistungen die familiäre Solidarität in Notfällen ein entscheidender Faktor. Die meisten sozialen Leistungen sind zudem an die Wohnrechtsregistrierung ("Hukou-System") gekoppelt, befindet sich diese auf dem Land, ist mit einem noch niedrigeren Niveau an staatlicher Hilfeleistung zu rechnen. Eine Eingliederung in den Arbeitsmarkt in den ländlichen Regionen ist oft sehr schwierig (ÖB 11.2016).

Seit 2012 geht die chinesische Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter kontinuierlich zurück. Um die Finanzierbarkeit der Pensionen zu gewährleisten, plant China eine Senkung der mit 10 Prozent sehr hohen jährlichen Anpassung der Rentenhöhe und die Erhöhung des Pensionsalters (derzeit generell Männer mit 60 Jahren, Frauen mit 55 Jahren, tatsächliches durchschnittliches Renteneintrittsalter 53 Jahre) (ÖB 11.2016). Provinzen, die nicht über genügend eigene Mittel verfügen, erhalten Subventionen von der Zentralregierung (AA 4.2017b).

Chinas Basis-Krankenversicherung besteht aus einem Basis-Rentenplan für städtische Arbeiter und einem Plan für ländliche Arbeiter (Basic Pension Plan for Urban Employees and a Rural Pension Plan). Der Basis Pension Plan für Arbeiter im urbanen Umfeld deckt alle Arbeitnehmer ab. Für den Rural Pension Plan gilt: Nur wenige Regionen mit den finanziellen Kapazitäten haben einen solchen Rentenplan erlassen (IOM 8.2016).

Das chinesische Sozialsystem trifft hauptsächlich Senioren (Personen über 60 Jahre, arbeitsunfähig, ohne Einkommen, ohne Unterhaltszahlungen und Beihilfe oder deren Angehörige sie nicht unterstützen können), Kinder (Waisen ohne Verwandtschaft, ausgesetzte Babys und Kinder, deren biologische Eltern nicht auffindbar sind, profitieren von staatlicher Beihilfe, sowie Erziehung und Pflege von offiziellen Institutionen) und Minderheiten (durch die Provinzen und Städte Chinas wurden unterschiedliche Systeme zur Behandlung von Minderheiten entwickelt) (IOM 8.2016).

Das seit 2014 bestehende Programm zur Sicherung des Existenzminimums ("di bao") ähnelt der Sozialhilfe. Derzeit ist eine lokale Wohnmeldung ("Hukou-System") vorausgesetzt, weshalb die Millionen Wanderarbeiter in Städten in der Regel keinen Anspruch haben. Ein nationales Gesetz ist seit Jahren in Planung, bisher jedoch nicht verabschiedet, da unklar ist wie eine überregionale Bedarfsprüfung angesichts der Mobilität der Bevölkerung und der Größe des Landes bewerkstelligt werden kann. Die Höhe des "di bao" wird regional festgelegt und beträgt in Städten durchschnittlich 373 RMB (ca. 52 EUR) und auf dem Land 203 RMB (28 EUR). Ende 2014 gab es in den Städten lediglich 18,8 Mio. und in ländlichen Gebieten nur 52,1 Mio. Bezugsberechtigte (ÖB 11.2016).

Laut einem Beschluss des Staatsrats vom 11. Oktober 2016 sollen bis 2020 allerdings 100 Mio. Chinesen, die ohne städtischen "Hukou" (Meldeberechtigung) bereits "ständig" in Städten leben, Zugang zu sozialen Leistungen wie medizinischer Versorgung und Bildung erhalten. Bisher verfügten nur 39,9 Prozent der Stadtbewohner über einen städtischen Hukou mit Zugang zu sozialen Leistungen, dieser Prozentsatz solle in den kommenden 5 Jahren auf 45 Prozent steigen. Entsprechende Durchführungsverordnungen wurden bisher nicht erlassen. Die Maßnahmen betreffen jedoch nicht einmal die Hälfte der derzeit geschätzten 277 Mio. Wanderarbeiter (ÖB 11.2016).

Medizinische Versorgung

In China gibt es kein System niedergelassener Ärzte. Die Krankenversorgung konzentriert sich daher auf die Krankenhäuser. In den großen Städten finden sich sehr große Klinikzentren mit modernster Ausstattung, wohingegen auf dem Land die Versorgung noch sehr einfach sein kann (AA 17.8.2017). Krankenhäuser sind sowohl in großen, als auch in kleinen Städten zu finden (IOM 8.2016). Die Hygiene mag nicht europäischen Vorstellungen entsprechen (AA 17.8.2017). Elementare medizinische Dienstleistungen sind in abgelegenen ländlichen Gebieten kaum vorhanden, eine zeitnahe ärztliche Versorgung kaum möglich, und die vorhandenen Krankenhäuser sind schlecht ausgestattet (AA 15.12.2016).

Von dem neu eingeführten kooperativen medizinischen Versorgungssystem auf dem Lande wurden Ende 2013 nach Angaben des nationalen Büros für Statistik 99 Prozent der Landbevölkerung erfasst. Es handelt sich um eine Basisversorgung. Sie regelt die Teilerstattung von Kosten für die Behandlung (regional unterschiedlich definierter) schwerer Erkrankungen (AA 15.10.2014). Trotzdem herrscht im Gesundheitswesen ein gravierendes Stadt-Land-Gefälle. Obwohl die chinesische Regierung kontinuierlich immer mehr Geld in das Gesundheitswesen investiert, ist die Abdeckung für untere Einkommensschichten oder bei chronischen Krankheiten ungenügend. Für wohlhabende Chinesen gibt es in Peking, Shanghai und anderen Großstädten an der Ostküste eine wachsende Zahl teurer Privatkliniken. Der hohe formale Abdeckungsgrad in der chinesischen Krankenversicherung täuscht darüber hinweg, dass die finanzielle Absicherung im Krankheitsfall nach wie vor ungenügend ist. Obwohl 95 Prozent der Bevölkerung über Krankenversicherungsprogramme abgesichert ist, stellen für Bezieher durchschnittlicher und niedriger Einkommen Krankheiten, die intensive ärztliche und/oder therapeutische Behandlungen erfordern, eine nach wie vor enorme, häufig existenzbedrohende finanzielle Belastung dar (AA 15.12.2016; vgl. ÖB 11.2016). Auch wer in einer städtischen Krankenversicherung versichert ist, muss einen großen Teil der Behandlungskosten selbst tragen, da die Erstattungsbeträge aus der Krankenversicherung in der Regel nicht mehr als 60 Prozent betragen (AA 15.12.2016). Die meisten Versicherten erhalten eine Kostenerstattung bei jährlichen Kosten bis 1.300 RMB (179 EUR), darüber hinausgehende Kosten müssen selbst getragen werden. Allerdings erhalten Bedienstete von Staatsbetriebe nahezu kompletten Kostenersatz (ÖB 11.2016).

Der Markt für Medikamente in China ist relativ gut entwickelt. Grundsätzlich sind Medikamente im ganzen Land erhältlich. Während die Kosten für lokal hergestellte Medikamente gering sind, ist importierte Medizin mit besonderen Wirkstoffen sehr teuer (IOM 8.2016).

Frauen

Frauen genießen denselben Rechtsstatus und dieselben Rechte wie Männer (USDOS 3.3.2017). Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern ist seit 1949 erklärtes politisches Ziel der Regierung. Allerdings gibt es noch immer wenige Frauen in gehobenen Positionen, so auch in der Politik (AA 15.12.2016; vgl. USDOS 3.3.2017). Die Regierung ermutigt Frauen in den Dorfkomitees zu wählen und sich zur Wahl aufstellen zu lassen, jedoch sind nur wenige der gewählten Mitglieder Frauen. Das Wahlgesetz sieht Quoten für Frauen vor (USDOS 3.3.2017).

Reaktionen der Regierung auf diese Missstände hinsichtlich einer Gleichstellung der Geschlechter bleiben weiterhin unzureichend. Frauen sind in China einer systemisch bedingten Diskriminierung in der Hochschulausbildung und am Arbeitsplatz ebenso ausgesetzt, wie häuslicher Gewalt und sexueller Belästigung (HRW 12.1.2017).

Es gibt Gesetze zum Schutz von Frauen, dennoch kommt es zu Diskriminierung von Frauen (USDOS 3.3.2017). In der patriarchalisch veranlagten chinesischen Gesellschaft sind Frauen vor allem in ländlichen Gebieten benachteiligt (AA 15.12.2016).

Die Regierung betrachtet häusliche Gewalt gegen Frauen als ernstes Problem und ergreift Maßnahmen zur Verhinderung und Verfolgung von Straftaten. Aktivisten zufolge sind Frauen ethnischer Minderheiten häufiger häuslicher Gewalt ausgesetzt. Die Regierung unternahm Anfang März 2016 einen bedeutenden Schritt, um Frauen gesetzlich vor häuslichem Missbrauch zu schützen. Das Gesetz definiert häusliche Gewalt als Ausdruck körperlicher und geistige Gewalt zwischen Familienmitgliedern. NGOs berichten, dass infolge dieses Gesetzes mehr Frauen bereit waren, Vorfälle häuslicher Gewalt bei der Polizei zu melden. Dennoch bleibt die Umsetzung des Gesetzes im ersten Jahr uneinheitlich, was weitgehend auf mangelnde Sensibilisierung der Behörden für die Durchführungsmaßnahmen des Gesetzes zurückzuführen ist. Auch führt eine Zuordnung häuslicher Gewalt als private Angelegenheit zu Untätigkeit und folglich zu einer hohen Dunkelziffer von Fällen häuslicher Gewalt gegen Frauen (USDOS 3.3.2017; vgl. FH 1.2017a).

Berichten zufolge kommt es in mindestens einem Viertel der Familien zu häuslicher Gewalt, mehr als 85 Prozent der Opfer sind Frauen (USDOS 3.3.2017; vgl. FH 1.2017a). Die All China Women's Federation berichtete im Jahr 2013 von jährlich 70.000 Beschwerden. Laut der letzten verfügbaren Statistik aus dem Jahr 2008 gibt es landesweit bei der Polizei 12.000 spezielle Kabinen für Anzeigen von häuslicher Gewalt, 400 Schutzhäuser für Gewaltopfer und 350 medizinische Untersuchungszentren für Frauen, die Anzeige erstatten (USDOS 25.6.2015). Einige Gerichte bieten Schutz für die Opfer durch Verhängung einstweiliger Verfügungen an, welche Täter von einer Kontaktaufnahme mit dem Opfer abhalten sollen. Dennoch erreichte die offizielle Unterstützung nicht immer die Opfer. Auch wird häusliche Gewalt durch die öffentlichen Sicherheitskräfte oftmals ignoriert (USDOS 3.3.2017).

Vergewaltigung ist illegal, Strafen für Vergewaltigung reichen von drei Jahren Gefängnis bis zur Hinrichtung. Manche Fälle von Vergewaltigung werden durch private Vergleiche beendet. Von 2013 bis 2015 wurden von den Gerichten 66.736 Vergewaltigungsfälle behandelt. In 62.551 Fällen wurden die Angeklagten strafrechtlich verurteilt. Einige Personen, welche wegen Vergewaltigung verurteilt wurden, sind hingerichtet worden. Das Gesetz wird bei Vergewaltigung in der Ehe nicht angewendet (USDOS 3.3.2017).

Zwangsprostitution und Menschenhandel werden strafrechtlich verfolgt. Prostitution ist keine Straftat, aber ein Verstoß gegen die öffentliche Ordnung, der mit Administrativhaft geahndet wird. Mitte 2014 gab es 116 Umerziehungslager, in denen ca. 118.000 Frauen einsaßen und zu fabrikähnlicher Arbeit gezwungen wurden. Es gibt glaubhafte Berichte, dass lokale Behörden an Einrichtungen, in denen Prostitution ausgeübt wird, beteiligt sind. Nach dem Gesetz über den Schutz und die Rechte von Frauen ist sexuelle Belästigung von Frauen strafbar. Das Gesetz ist jedoch sehr vage formuliert, entsprechende Regelungen im Strafgesetz fehlen (AA 15.12.2016).

Rückkehr

Soweit Rückführungen aus Deutschland erfolgen, konnten die zurückgeführten Personen die Passkontrolle nach einer Identitätsüberprüfung unbehindert passieren und den Flughafen problemlos verlassen bzw. ihre Weiterreise in China antreten. Vereinzelte Nachverfolgungen von Rückführungen durch die Deutsche Botschaft Peking ergaben keinen Hinweis darauf, dass abgelehnte Personen allein deshalb politisch oder strafrechtlich verfolgt werden, weil sie im Ausland einen Asylantrag gestellt haben. Ein Asylantrag allein ist nach chinesischem Recht kein Straftatbestand. Personen, die China illegal, etwa unter Verletzung der Grenzübertritts-Bestimmungen verlassen haben, können bestraft werden. Es handelt sich aber um ein eher geringfügiges Vergehen, das - ohne Vorliegen eines davon unabhängigen besonderen Interesses - keine politisch begründeten, unmenschlichen Repressalien auslöst. Nach Art. 322 StG droht bei Vorliegen schwerwiegender Tatumstände Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr, Gewahrsam oder Überwachung und zusätzlich eine Geldstrafe. Nach bisherigen Erkenntnissen wird das Vergehen in der Praxis aber nur gelegentlich und dann mit Geldbuße geahndet (AA 15.12.2016).

Besondere Aufmerksamkeit widmet die chinesische Führung führenden Mitgliedern der Studentenbewegung von 1989, soweit sie noch im Ausland aktiv sind. Dies gilt auch für bekannte Persönlichkeiten, die eine ernst zu nehmende Medienresonanz im westlichen Ausland hervorrufen. Eine Überwachung oder sogar Gerichtsverfahren gegen diese Personen sind bei Rückkehr in die VR China nicht auszuschließen. 2016 kam es in zwei Fällen auch zu Verhaftungen von in China lebenden Familienangehörigen, um im Ausland lebende chinesische Dissidenten unter Druck zu setzen.

Aktivitäten der uigurischen Exilorganisationen stehen unter besonderer Beobachtung der chinesischen Behörden (einschließlich der Auslandvertretungen), insbesondere:

• der Weltverband der Uiguren,

• die Ostturkistanische Union in Europa e.V.,

• der Ostturkistanische (Uigurische) Nationalkongress e.V. und

• das Komitee der Allianz zwischen den Völkern Tibets, der Inneren Mongolei und Ostturkistans (AA 15.12.2016).

Oppositionelle Betätigung im Ausland kann zu Problemen führen, wenn die Behörden der Ansicht sind, dass "Verbrechen gegen die nationale Sicherheit" (etwa Verrat von Staatsgeheimnissen, Separatismus, Terrorismus) begangen wurden (ÖB 11.2016).

Mitglieder uigurischer Exilorganisationen haben bei ihrer Rückkehr nach China mit Repressionen zu rechnen (AA 15.12.2016). In den letzten Jahren kam es, vermutlich auf chinesischen Druck, immer wieder zur Abschiebung von uigurischen Asylwerbern aus Nachbarländern, zumeist aus Kambodscha, Thailand, Pakistan und Malaysia. Im Juli 2012 wurden aus Malaysia abgeschobene Uiguren zu bis zu 15 Jahren Haft wegen "separatistischer Tätigkeiten" verurteilt (ÖB 11.2016).

Die Rückkehrsituation für mittellose, kinderreiche Personen ohne Aussicht auf einen Arbeitsplatz und ohne familiäre Anbindung in China ist als schwierig zu beurteilen (ÖB 11.2016).

1.3.2. Auszug aus der ACCORD-Anfragebeantwortung zu China betreffend die Voraussetzungen für eine Krankenversicherung vom 03.07.2015 :

"[...] Voraussetzungen für eine Krankenversicherung

In einem undatierten Factsheet zu Reformen im chinesischen Gesundheitswesen erläutert die Weltgesundheitsorganisation (World Health Organization, WHO), dass die Grundkrankenversicherung für städtische ArbeitnehmerInnen ("urban employee basic medical insurance", UEBMI), die Grundkrankenversicherung für städtische BewohnerInnen ("urban residents basic medical insurance") und das neue kooperative medizinische System für die ländliche Bevölkerung ("new rural cooperative medical system", NRCMS) die wichtigsten Komponenten des chinesischen Krankenversicherungssystems darstellen würden. Private und verschiedene andere Krankenversicherungen würden als Ergänzung des Systems dienen. Im Jahr 2011 habe die Zahl der insgesamt Versicherten in Stadt und Land 1,295 Milliarden, rund 95 Prozent der chinesischen Gesamtbevölkerung, betragen. Wie die WHO anführt, spiele das Nationale System zur Finanzierung von Gesundheitsdienst-leistungen für Bedürftige ("National Poverty Health Funding System") eine wichtige Rolle bei der Subventionierung der Versicherungsbeiträge von Bedürftigen an die URBMI und das NRCMS sowie der zweiten Erstattung ("second reimbursement") von Rechnungsbeträgen bei der stationären Behandlung von Bedürftigen

[...]

Xin Wang, Ang Zheng, Xin He und Hanghang Jiang von der China Medical University in Shenyang (Provinz Liaoning) schreiben in einem im Jahr 2014 veröffentlichten wissenschaftlichen Aufsatz über das Krankenversicherungssystem in China, dass sich die neuen Gesundheitsreformen zum Ziel gesetzt hätten, das System der medizinischen Grundversorgung einzurichten und jedem, sowohl in der Stadt als auch auf dem Land, den Zugang zu grundlegenden Gesundheitsdienstleistungen zu ermöglichen. Allgemein gesprochen sei das aktuelle Krankenversicherungssystem in China in drei Kategorien aufgeteilt: die Grundkrankenversicherung für städtische ArbeitnehmerInnen (UEBMI), die Grundkrankenversicherung für städtische BewohnerInnen (URBMI) sowie das neue kooperative medizinische System für die ländliche Bevölkerung (NRCMS). Im Allgemeinen handle es sich bei der UEBMI um eine beschäftigungsbasierte Krankenversicherung, die die Abdeckung aller städtischer ArbeitnehmerInnen, sowohl in staatlichen als auch privaten Unternehmen, vorsehe. Selbstständige und Beschäftigte in der Agrarindustrie ("rural industry workers") würden von der UEBMI nicht umfasst und müssten sich in das Programm einkaufen. ArbeitnehmerInnen im Ruhestand seien von Beitragszahlungen ausgenommen, stattdessen sollten diese von ihren früheren Arbeitgebern übernommen werden.

Die URBMI sei im Juli 2007 mit dem Ziel gestartet worden, 240 Millionen städtische BewohnerInnen außerhalb der Arbeitnehmerschaft abzudecken. Zu den versicherten Personen würden vor allem Kinder, StudentInnen und WanderarbeitnehmerInnen zählen. Die URBMI werde über individuelle Versicherungsbeiträge sowie Zuschüsse der Zentralregierung und der lokalen Regierungen finanziert.

Beim NRCMS handle es sich um ein stark subventioniertes, freiwilliges Krankenversicherungsprogramm für LandbewohnerInnen. Es diene als Ersatz für das alte Dorf-basierte ländliche Krankenversicherungsprogramm und sei im Jahr 2003 gestartet worden. Das NRCMS werde über Versicherungsbeiträge sowie Zuschüsse der Zentralregierung und der lokalen Regierungen finanziert. Wie der Aufsatz weiters anführt, umfasse die Mehrheit der Leistungspakete der URBMI und des NRCMS nur stationäre Behandlungen, auch wenn eine zunehmende Zahl an chinesischen Städten und Kreisen ihre Leistungspakete um ambulante Behandlungen erweitere [...]

Barbara Darimont vom Max-Planck-Institut für Sozialrecht und Sozialpolitik in München und Dongmei Liu von der juristischen Fakultät der Universität Zhongnan (Provinz Hunan) gehen in einem im Jahr 2013 veröffentlichten wissenschaftlichen Aufsatz auf das chinesische Gesundheitssystem ein. Zur Konzeption der Gesundheitsversorgung führen die Autorinnen unter anderem folgende Informationen an:

‚Wie in vielen anderen Bereichen wird die chinesische Gesundheitsversorgung in zwei parallel bestehende Systeme aufgeteilt, nämlich in die städtische und die ländliche Versorgung (Tabelle 1). Die Zugehörigkeit eines Bürgers zu dem einen oder anderen System richtet sich nach der Einwohnermelderegistrierung. Eine ländliche Einwohnermelde-registrierung kann fast nicht in eine städtische Einwohnermelderegistrierung umgewandelt werden und wenn, dann ist diese Änderung nur mit finanziell hohen Kosten möglich. Aus diesem Grund leben viele der sogenannten Wanderarbeiter inoffiziell in den Städten und erhalten keine Sozialleistungen, da diese an den Wohnort gekoppelt sind. Seit 2009 haben sich die Verhältnisse umgekehrt und Städter können ihre Einwohnermeldung nicht mehr auf das Land verlegen. Durch die bürokratischen Hürden wird die Mobilität der Arbeitnehmer und Bürger erheblich eingeschränkt. Allerdings wird eine Reform des Systems erwogen, und in ferner Zukunft wird die Einwohnermelderegistrierung mit ihrer strikten Differenzierung zwischen Stadt- und Landbewohnern wohl aufgehoben.'

(Da rimont /Liu, 2013, S. 113)

Im Anschluss wenden sich Darimont und Liu der Grundkrankenversicherung für ArbeitnehmerInnen in Städten, der Grundkrankenversicherung für die städtischen BewohnerInnen sowie dem neuen kooperativen medizinischen System für die Landbevölkerung zu. Zur Ausgestaltung der erstgenannten Grundkrankenversicherung schreiben sie Folgendes:

‚Grundkrankenversicherung für Arbeitnehmer in Städten

[...] Alle Arbeitgeber in Städten und Gemeinden haben an der Grundkrankenversicherung teilzunehmen und ihre Arbeitnehmer obligatorisch zu versichern. Ob Betriebe in ländlichen Kreisen ihre Arbeitnehmer sowie Besitzer von Einzelbetrieben ihre Mitarbeiter in der Grundkrankenversicherung zu versichern haben, wird von den Regierungen auf Provinzebene festgelegt. Der Deckungsgrad in der Krankenversicherung liegt im Vergleich zu den anderen Sozialversicherungszweigen am höchsten und umfasst gegenwärtig 237,35 Millionen Menschen (Ministerium für Humanressourcen und soziale Sicherheit, 2011). Von dieser Sozialversicherung für Arbeitnehmer werden demzufolge nur knappe 20 Prozent der Bevölkerung erfasst, wenn man von 1,3 Milliarden Menschen in der VR China ausgeht.

Arbeitgeber und Arbeitnehmer haben die Beiträge gemeinsam zu tragen. Gegenwärtig liegt der Beitragssatz für Arbeitgeber bei 6 Prozent der Lohnsumme, der Beitragssatz der Arbeitnehmer bei 2 Prozent ihres Lohnes. [...] Die konkreten Auszahlungsstandards und die Eigenbeteiligung des Einzelnen werden von der lokalen Regierung bestimmt. Insgesamt hat sich mit den Reformen die Krankenversicherung für Arbeitnehmer verschlechtert. Die Versicherten zahlen jetzt Beiträge, aber der Erstattungsanteil der Krankenkosten ist niedriger als vorher, obwohl das ehemalige System größtenteils kostenlos war (Zhang, 2005).

Neben der Krankenversicherung für Arbeitnehmer wird eine zusätzliche betriebliche Krankenversicherung für Arbeitnehmer gefördert. Die Beamten und öffentlich Bediensteten erhalten zusätzliche Leistungen, und für Bedürftige wird ein Hilfssystem aufgebaut.' (Da rimont /Liu, 2013, S. 114-115)

Auf die Grundkrankenversicherung für städtische BewohnerInnen gehen Darimont und Liu wie folgt ein:

‚Grundkrankenversicherung für die städtischen Bewohner

Als die Krankenversicherung für die Beschäftigten in Städten eingeführt wurde, zeigte sich, dass nicht erwerbstätige Personen, wie z. B. Studenten oder behinderte Menschen, überhaupt nicht versichert waren bzw. keine Sozialversicherung für sie existierte. Erst seit 2007 wurden Pilotprojekte der Grundkrankenversicherung für die städtischen Bewohner, die nicht erwerbstätig sind, in verschiedenen Städten und Gemeinden eingeführt. Am 1.7.2007 wurden die ‚Leitlinien des Staatsrats über die Entfaltung des Pilotprojekts der Grundkrankenversicherung für die städtischen Bewohner' veröffentlicht. Seit 2009 wird die Grundkrankenversicherung für die städtischen Bewohner in allen Städten durchgeführt. Die Teilnahme ist zurzeit freiwillig.

Die Grundkrankenversicherung für städtische Bewohner wird durch Beiträge der Versicherten und Zuschüsse der Regierung finanziert. In der Pilotphase wird die Beitragshöhe von der jeweiligen Stadtregierung festgelegt. Nach dem Pilotplan von 2007 bekam der Versicherte von der Regierung mindestens 40 RMB (ungefähr 4,80 EUR) Zuschuss pro Jahr, davon übernahm die Zentralregierung einen Zuschuss von 20 RMB für Personen, die in Zentral- oder Westchina lebten. Im Jahr 2008 wurde der Zuschuss verdoppelt. Seit dem Jahr 2012 belaufen sich die Zuschüsse aus dem zentralen und lokalen Finanzbudget auf 240 RMB pro Kopf (Büro des Staatsrats, 2012). Schwerbehinderte Kinder und Schüler, arme Alte, die ihr 60. Lebensjahr überschritten haben, und Bewohner in ärmeren Gebieten erhalten zusätzliche Zuschüsse der lokalen und zentralen Regierung.

[...]

Der Krankenversicherungsfonds wird hauptsächlich für die Kosten der stationären Behandlungen und der ambulanten Behandlungen einiger chronischer Krankheiten verwendet.' (Da rimont /Liu, 2013, S. 115)

Folgende Informationen finden sich bei Darimont und Liu zur Ausgestaltung des neuen kooperativen medizinischen Systems für die Landbevölkerung:

‚Das neue kooperative medizinische System für die ländliche Bevölkerung

Unter der Planwirtschaft existierte ein ländliches kooperatives medizinisches System, das auf gegenseitiger Hilfe mit staatlicher Unterstützung basierte. Mit den Wirtschaftsreformen wurden die Volkskommunen auf dem Land durch die Dekollektivierung und die Einführung des Haushaltsverantwortungssystems aufgelöst, sodass das kooperative medizinische System zusammenbrach (Duckett, 2011). [...] Seit den 1990er-Jahren versucht die chinesische Regierung, das kooperative medizinische System in einer geänderten Fassung wieder aufzubauen. Außerdem wird seit dem Jahr 2002 mit einer sozialen Sicherung gegen das Risiko schwerer Krankheiten experimentiert. Diese wurde im Jahr 2008 landsweit eingeführt (Zentralkomitee, 2002; Gesundheitsministerium und Finanzministerium, 2008). Nach der offiziellen Statistik betrug bis Ende 2009 die Zahl der versicherten Bauern 0,83 Mrd. Personen, das sind 94 Prozent der ländlichen Bevölkerung (Statistisches Bulletin über Gesundheitswesen, 2009), und das, obwohl die Teilnahme für die Bauern freiwillig ist. Die rege Beteiligung lässt sich auf die hohen staatlichen Zuschüsse zu dem System und den Druck, den die lokalen Regierungen ausüben, um ihre Planvorgaben zu erfüllen, zurückführen. In der Realität handelt es sich daher wohl um ein obligatorisches System.

Das alte kooperative medizinische System wurde hauptsächlich durch das ländliche Kollektiv, nämlich die Gemeinde oder das Dorf, welche die unteren Verwaltungsorgane bilden, finanziert. Demgegenüber wird das neue ländliche medizinische System - obwohl es weiterhin als ‚kooperatives System' bezeichnet und vom Gesundheitsministerium verwaltet wird - im Wesentlichen durch Beiträge der Bauern und Zuschüsse der Regierungen verschiedener Ebenen finanziert. Die Unterstützung der kollektiven Wirtschaft spielt dabei nur eine untergeordnete Rolle. Die Fonds dieses Systems werden auf Kreisebene errichtet und verwaltet. Prinzipiell können nur die Gelder, die eingenommen wurden, in Form von Krankenleistungen ausgezahlt werden. Es sei denn, der Staat leistet weitere Zuschüsse. Der versicherte Bauer zahlt mindestens 20 RMB pro Jahr als Beitrag; der Staatshaushalt und der lokale Haushalt finanzieren jeweils 240 RMB pro Kopf als Zuschuss (Büro des Staatsrats, 2012); die Gemeinden und Dörfer sollen das medizinische System ebenfalls unterstützen, wenn sie Kollektivbetriebe führen. Dafür sollen die Kreisregierungen konkrete Standards festlegen. Der Fonds des ländlichen kooperativen medizinischen Systems wird hauptsächlich - wie der Fonds der Grundkrankenversicherung für die städtischen Bewohner - für die Kosten der stationären Behandlungen und der ambulanten Behandlungen von schweren Krankheiten verwendet. Der Umfang und das Niveau der Leistungen werden von der Kreisregierung festgelegt.

Die Zuschüsse aus den zentralen und lokalen Finanzbudgets für die ländliche Krankenversicherung wurden im Jahre 2006 jeweils auf 20 RMB pro Kopf (ungefähr 2,40 EUR) und im Jahre 2008 auf 40 RMB pro Person erhöht. Im Jahre 2012 wurden sie wie bei der Krankenversicherung für die städtischen Bewohner auf 240 RMB angehoben. Der Beitragssatz der Bauern wurde im Jahre 2012 auf 60 RMB pro Jahr festgesetzt.' (Da rimont /Liu, 2013, S. 116-117)

Darimont und Liu gehen auch auf das Konzept der sozialen medizinischen Hilfe für Bedürftige ein:

"Der Aufbau medizinischer Hilfe ist notwendig, da die Grundkrankenversicherung für städtische Beschäftigte nicht alle Personenkreise abdeckt und die Grundkranken-versicherung für Städter freiwillig ist. Außerdem sind die Leistungen sehr niedrig, so dass ein erheblicher Eigenanteil bei Behandlungen zu leisten ist. Demzufolge entstehen Versorgungslücken, die durch die soziale medizinische Hilfe behoben werden sollen. Seit 2003 wurden spezielle Hilfssysteme zur medizinischen Versorgung auf dem Land und in den Städten errichtet. Gemäß dem ‚Beschluss des Zentralkomitees der KP Chinas und des Staatsrates über die weitere Festigung der ländlichen medizinischen Versorgung' haben verschiedene Ministerien im Jahre 2003 die ‚Ansichten zur Durchführung der ländlichen medizinischen Hilfe' veröffentlicht. Daraufhin wurde bis Ende 2005 das System der ländlichen medizinischen Hilfe landesweit aufgebaut.

Die Bedürftigen, die Hilfen erhalten, sind arme Bauernfamilien und die Fünf-Garantien-Haushalte. Unter den Fünf-Garantien-Haushalten werden Familien auf dem Land verstanden, die eine Art Sozialhilfe erhalten. Diese Hilfe garantiert Bedürftigen Essen, Kleidung, Wohnraum, medizinische Versorgung sowie ein Begräbnis und wird als Fünf-Garantien-Hilfe bezeichnet (Liu, 2011). In den vom neuen kooperativen medizinischen System erfassten Gebieten können die Bedürftigen finanzielle Hilfe für die Teilnahme am kooperativen medizinischen System erhalten. Bei besonders schweren Krankheiten wird ihnen die notwendige medizinische Hilfe gewährt. Den nicht am kooperativen medizinischen System teilnehmenden Bedürftigen wird bei schweren Krankheiten direkt medizinische Hilfe gewährt, d.h. sie werden in Krankenhäusern versorgt.

In den Städten sind die Bedürftigen Einwohner, welche die Sicherung des Existenzminimums erhalten und nicht an der Grundkrankenversicherung für städtische Beschäftigte teilnehmen, oder Versicherte der Grundkrankenversicherung für städtische Beschäftigte, welche die medizinischen Kosten nicht tragen können, oder andere in schwierigen Lebenslagen. Auch sie sollen finanzielle Unterstützung für die Kosten eines Krankenhausaufenthalts erhalten. Die genauen Regelungen sind von den jeweiligen lokalen Regierungen zu treffen. Diese errichten und finanzieren Hilfsfonds für die ländliche und städtische medizinische Versorgung. In mittleren und westlichen armen Gebieten werden sie dabei von der Zentralregierung unterstützt (Liu, 2011; Büro des Staatsrats, 2012). Der Aufbau der medizinischen Hilfssysteme steht erst am Anfang. Das Konzept wird deutlich, aber die konkrete Umsetzung erfolgt erst allmählich.' (Da rimont /Liu, 2013, S. 117-118)

Im Länderinformationsblatt China vom Oktober 2014, das im Auftrag der Zentralstelle für Informationsvermittlung zur Rückkehrförderung (ZIRF) des deutschen Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) von der International Organization for Migration (IOM) verfasst wurde, finden sich im Abschnitt zu medizinischer Versorgung folgende Informationen zur Krankenversicherung in China:

‚Stadtbewohnern und städtischen Arbeitnehmern steht ein medizinisches Grundversicherungsschema zur Verfügung. Die medizinische Versorgungskooperative in den ländlichen und städtischen Regionen stellt Chinas medizinisches Grundversicherungssystem als Ganzes dar. Abgedeckt werden somit städtische Arbeitnehmer, städtische Nicht-Arbeitnehmer, die Landbevölkerung sowie gefährdete Personengruppen in den Städten und auf dem Land. [...]

Die Krankenversicherung umfasst die medizinische Versicherung, Behinderten- und Pflegeversicherung, wobei die gängigste medizinische Versicherung zum einen die Versicherung von Krankheiten und zum anderen von Unfällen beinhaltet.

(1) Beobachtungszeitraum: Um Ansprüche für bereits bei Versicherungsabschluss bestehende Umstände zu verhindern oder für den Fall, dass der Versicherungsnehmer bereits an einer meldepflichtigen Erkrankung leidet, wird eine Beobachtungsdauer bzw. ein Ausnahmezeitraum in den Versicherungsstatuten festgelegt. In der Regel beträgt dieser Zeitraum sechs Monate. Während dieser Phase ist der Versicherer nicht verantwortlich für anfallende medizinische Kosten oder einen Verdienstausfall, der aufgrund einer Erkrankung entsteht. Die Versicherungspolice tritt erst nach Ablauf der Beobachtungsphase in Kraft.

(2) Versicherungspolice für Personen mit gesundheitlichen Problemen:

Versicherungs-nehmer, deren Gesundheitszustand nicht den in den Qualifikationsvorschriften festgelegten Mindeststandards genügt, können am Versicherungssystem für Personen mit dauerhaften Gesundheitsproblemen partizipieren. Zwei Maßnahmen stehen zur Wahl:

einerseits eine Anhebung der Versicherungsprämie und andererseits die Neuregelung des Versicherungsschutzes. Die Versicherungsteilnahme kann eine bestimmte Erkrankung mit einschließen oder die Versicherungspolice kann mit bestimmten Ergänzungen ausgestattet werden.

(3) Versicherungspolice für ausgewählte Erkrankungen: Der Versicherer kann Sonderklauseln entwickeln, die auf die Erkrankungen der zu versichernden Person zugeschnitten sind.' (IOM, Oktober 2014, S. 9-10)

Anschließend geht IOM wie folgt auf Zuschüsse aus dem System der städtischen medizinischen Betreuung bzw. dem System der ländlichen medizinischen Betreuung an bedürftige Personen ein:

‚Die städtische und ländliche medizinische Versorgung ist in ein System integriert, das bedürftigen Bürgern hilft, die Kosten der medizinischen Versorgung zu tragen, egal in welcher Region sie leben.

Folgende Personen bekommen einen Zuschuss aus dem System der städtischen medizinischen Betreuung:

1. Menschen, die eine grundlegende Unterstützung zu ihren Lebenshaltungskosten erhalten und keine Versicherung für Arbeitnehmer besitzen.

2. Menschen, die eine grundlegende Unterstützung zur ihren Lebenshaltungskosten erhalten und einer Versicherung für Arbeitnehmer besitzen, sich aber in einer Notlage befinden.

3. Menschen die sich in einer schweren Notlage befinden.' (IOM, Oktober 2014, S. 10-11)

[...]

Eine IOM-Anfragebeantwortung vom Mai 2015 zu Behandlungsmöglichkeiten für Diabetes Mellitus in der Stadt Zhengzhou an die ZIRF enthält folgende Informationen:

‚Es gibt in China ein staatliches Krankenversicherungssystem. Da der Patient seit Jahren im Ausland war und somit seinen Versicherungsbeitrag nicht gezahlt hat, können die Kosten für seine Behandlung jedoch nicht direkt nach seiner Rückkehr von der Krankenversicherung bezahlt werden. Generell deckt die Krankenversicherung die Behandlung von Diabetes mellitus ab. Entsprechend der politischen Vorgaben könnte der Rückkehrer als Individuum in die Krankenversicherung einzahlen. Mit der Zahlung der Prämie von CNY2629 / USD424.1 pro Jahr kann der Rückkehrer ab dem vierten Monat die Leistungen der Krankenversicherung in Anspruch nehmen.

Der Patient kann auch der städtischen Krankenversicherung in Zhengzhou beitreten, abhängig von seinem Aufenthaltsstatus/Wohnsitz. Die städtische Krankenversicherung in Zhengzhou kostet 180 RMB / 29 USD pro Jahr. Die Behandlungskosten werden zu etwa 95% erstattet, abhängig von den Krankenhäusern mit verschiedenen Klassen. Um dem lokalen Krankenversicherungssystem beizutreten, muss der Rückkehrer zu einem Sozialversicherungszentrum (Social Insurance Center) gehen. Dort erhält er eine Bewertung und kann herausfinden, welche Regelungen für ihn gelten. Bevor er das Zentrum aufsucht, kann er unter den Nummern 86 0371 12333; 86 0371 67941701 oder 86 0371 67420156 eine Beratung zu den örtlichen politischen Vorgaben bekommen.' (IOM, 15. Mai 2015, S. 3)

In einer weiteren IOM-Anfragebeantwortung vom September 2014 zu Behandlungsmöglichkeiten für Mitralinsuffizienz in der Provinz Fujian finden sich folgende Informationen:

‚Öffentliche Krankenversicherung ist in China verfügbar. Da die Klienten lange Jahre nicht mehr in China waren und ihre Beiträge nicht mehr gezahlt haben, werden seine medizinischen Ausgaben auch nicht unmittelbar nach der Rückkehr durch die Krankenversicherung gedeckt. Der Rückkehrer kann an der ländlichen Krankenversicherung für ländliche Einwohner teilnehmen. Die Gebühren betragen etwa 15 USD (ca.12 EUR). Der Versicherungsplan für 2015 wird Ende 2014 beginnen. Wenn der Rückkehrer das Registrierungsdatum verpasst, muss er evtl. einen höheren Beitrag nach der Rückkehr zahlen und genießt dann ab dem zweiten Versicherungsmonat Versicherungsschutz.

Wenn er krankenversichert ist, werden in der ländlichen Krankenversicherung medizinischen Ausgaben zu einem bestimmten Prozentsatz übernommen. Im Allgemeinen werden die medizinischen Kosten für bestimmte Krankheiten bis zu 70% in allgemeinen Krankenhäusern erstattet. Bestimmte schwere Erkrankungen sind allerdings von der Krankenversicherung ausgenommen. Es gibt eine offizielle Liste der abgedeckten Krankheiten und Medikamente. Ob bestimmte Leistungen abgedeckt sind, kann der Arzt dem Patienten mitteilen. Unter der Telefonnummer 86 0591 86070709 kann der Patient weitere Informationen über die Krankenversicherung erhalten.' (IOM, 25. September 2014)"

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt, in Auszüge aus dem Zentralen Melderegister und dem Fremdeninformationssystem, in einen Strafregisterauszug und einen Auszug aus dem Grundversorgungs-Informationssystem sowie durch Einvernahme der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung und durch Einsichtnahme in die zum Akt genommenen Urkunden (Beilage ./A bis ./C) sowie in den von der Beschwerdeführerin vorgelegten Befundbericht vom 15.03.2018.

2.1. Zu den Feststellungen zur Person der Beschwerdeführerin:

Die einzelnen Feststellungen beruhen auf den jeweils in der Klammer angeführten Beweismitteln.

Die Feststellungen zur Identität der Beschwerdeführerin und ihrer Staatsangehörigkeit ergeben sich aus dem in der mündlichen Verhandlung im Original vorgelegten Reisepass (Beilage ./B).

Die Feststellungen zu ihrer Volksgruppenzugehörigkeit und ihrer fehlenden Religionszugehörigkeit, ihren Sprachkenntnissen, ihrem derzeitigen Familienstand, ihrem Leben in China und zu ihrer Schulausbildung und Berufstätigkeit sowie zu ihrer familiären Situation in China gründen sich auf ihren diesbezüglich plausiblen und chronologisch stringenten Angaben.

Dass die Beschwerdeführerin noch über ihre Eltern in China verfügt, zu denen sie derzeit keinen Kontakt hat, diesen nach ihrer Rückkehr jedoch wieder aufnehmen kann, ergibt sich aus den Angaben der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung, wonach ihre Eltern derzeit nicht die Möglichkeit dazu hätten mit ihr Kontakt aufzunehmen (OZ 8, S. 9). Dass Gericht geht daher davon aus, dass sie im Falle einer Rückkehr wieder Kontakt aufnehmen kann.

Die Feststellungen zur Einreise der Beschwerdeführerin am 26.04.2014 mit einem Schengenvisum (Visum Kategorie C) und ihrer Antragstellung am 14.12.2016 ergeben sich aus dem vorliegenden Verwaltungsakt (AS 6) und dem in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Reisepass aus dem das erteilte Schengenvisum mit der Gültigkeit bis zum 16.05.2014 ersichtlich ist (Beilage ./B). Dass die Beschwerdeführerin seit ihrer Einreise im Jahr 2014 durchgehend in Österreich aufhältig ist, ergibt sich aus ihrer Einvernahme beim Bundesamt (AS 54) und aus dem Umstand, dass im Verfahren nichts Gegenteiliges hervorgekommen ist.

Die Feststellung, dass die Beschwerdeführerin ihre Beschwerde zurückgezogen hat, ergibt sich aus der ausdrücklichen Erklärung ihres Rechtsvertreters in der mündlichen Verhandlung (OZ 8, S. 5).

Die Feststellungen zum Leben der Beschwerdeführerin in Österreich (insbesondere zu ihren fehlenden familiären oder engen sozialen Anknüpfungspunkten in Österreich und ihrer fehlenden Integration in Österreich) stützen sich auf die Aktenlage (vgl. insbesondere den Auszug aus dem Grundversorgungs-Informationssystem) und auf die von ihr vorgelegten Unterlagen (Kursantrittsbestätigung Deutsch-Integrationskurs vom 19.09.2017 - Beilage ./A) sowie auf die Angaben der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung. Die Feststellungen zu den fehlenden Deutschkenntnissen konnten auch vom erkennenden Richter getroffen werden, da die Beschwerdeführerin in der Verhandlung die auf Deutsch gestellten Fragen weder verstanden noch auf Deutsch beantwortet hat (OZ 8, S. 8). Hinweise auf nachhaltige Integrationsschritte (soziale/berufliche Integration, substanzieller Spracherwerb) der Beschwerdeführerin in Österreich sind weder dem Verwaltungs- noch dem Gerichtsakt zu entnehmen und wurden auch im Verlauf der mündlichen Verhandlung nicht vorgebracht.

Die Feststellung, dass die Beschwerdeführerin an einer Gebärmutterhalskrebserkrankung gelitten hat, ergibt sich aus den von ihr vorgelegten ärztlichen Befundberichten (Beilage ./C). Die ihr empfohlenen regelmäßig in Anspruch zu nehmenden Nachsorgeuntersuchungen ergeben sich ebenfalls aus diesen Befundberichten, ein Pflege- oder einer Rehabilitationsbedarf ist daraus jedoch nicht zu entnehmen.

Dass bei der Beschwerdeführerin gutartige Veränderungen der Brust festgestellt wurden, diese jedoch unauffällig sind ergibt sich aus dem klinischen Befund des XXXX vom 13.07.2017 (Beilage ./C). Dass bei der Beschwerdeführerin Osteochondrose sowie eine etwas vergrößerte Leber ohne nachweisbaren fokalen Leberschäden diagnostiziert wurden, ergibt sich aus dem Befund des Diagnosezentrum XXXX vom 10.10.2017 (Beilage ./C).

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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