TE Bvwg Erkenntnis 2018/4/9 L506 2102870-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.04.2018
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Entscheidungsdatum

09.04.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

L506 2102870-1/29E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Gabriel als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Bangladesch, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, vom 27.01.2015, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 21.02.2018, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3

und § 57 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG 2005 idgF mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der erste Satz von Spruchpunkt III. des bekämpften Bescheides zu lauten hat: "Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wird Ihnen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt."

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (nachfolgend BF), ein bengalischer Staatsangehöriger sunnitischen Glaubens, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet gemeinsam mit einer Frau, von der er angibt, dass diese seine Ehefrau ist, am 22.10.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Anlässlich der Erstbefragung am 24.10.2013 brachte der Beschwerdeführer als Ausreisegrund vor, dass er seine Frau im Jahr 2009 in Griechenland kennengelernt habe; nachdem sie dort keine Arbeit mehr erhalten hätten, seien sie nach Bangladesch zurückgekehrt und hätten dort heiraten wollen. Die Familien seien gegen eine Heirat gewesen doch sei die Frau damals bereits schwanger gewesen. Zusammen mit den Mullahs im Dorf hätten die Eltern der Frau die Entscheidung der Todesstrafe für den BF und seine Frau getroffen, woraufhin sie nach XXXX zu einem Freund des BF geflüchtet seien und am 05.01.2012 geheiratet hätten; Ende Jänner 2012 habe die Frau des BF ihr Kind verloren; nachdem die Angehörigen ihre Adresse herausgefunden hätten, hätten sie den Ausreiseentschluss gefasst.

Im Rückkehrfall habe der BF Angst um sein Leben.

3. Am 16.01.2014 erfolgte eine Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem BFA und erklärte dieser zu seinen Ausreisegründen, er habe seine Frau, welche er im Jahr 2009 in Griechenland kennengelernt habe, nach ihrer Rückkehr nach Bangladesch heiraten wollen, jedoch seien die Eltern gegen die Eheschließung gewesen. Nachdem seine Frau im November 2011 schwanger geworden sei, sei diese von ihren Eltern geschlagen worden; am 10. oder 15. Dezember sei die Frau des BF von ihren Eltern und ihrem Bruder derart geschlagen worden, dass ihre Stirn geschwollen und sichtbare Wunden auf den Ellenbögen und den Knieen feststelbar gewesen seien; der BF habe die Fau abgeholt und zu einer Cousine gebracht, wo die Frau des BF auch von einem Arzt versorgt worden sei. Die Mullahs hätten davon erfahren und sei der BF Mitglied der Partei Shibir gewesen, gegen welche die regierende Partei sei. Die Parteimitglieder der Regierungspartei und die Mullahs des Dorfes seien gegen den BF aktiv geworden. Am 30. Dezember habe ein Dorfgericht (Salish) stattgefunden und sei am 31. Dezember die Kundmachung erfolgt. Im Koran stehe, dass der Beschuldigte mit 100 Peitschenschlägen und mit Steinigung zu bestrafen sei.

Am 2. Jänner sei er dann mit seiner Frau nach XXXX gefahren, wo sie bei drei Freunden unterkommen hätten können. Am 5. Jänner hätten sie die Ehe geschlossen, um der Strafe zu entgehen. Am 6. Jänner sei die Strafvollziehung und Steinigung bekanntgegeben worden. Der BF habe daraufhin alle ihm bekannten Dorfbewohner angerufen und diesen die Eheschließung mitgeteilt und die Eheschließungsbestätigung an den Vater gefaxt. Von der Strafe sei trotzdem nicht abgesehen worden. Sein Vater sei in einem Brief aufgefordert worden, den BF zu verstoßen und zu enterben. In einem Brief des Gemeinderates sei die Aufforderung an die Dorfbewohner ergangen, den BF zu stellen, wofür eine Belohnung in der Höhe von 50.000 Dhaka ausgesetzt worden sei. Der Vater sei von der Gesellschaft verstoßen worden, weil er den BF nicht enterbt habe.

Die Strafe der Mullahs sei nur über den BF verhängt worden.

In XXXX sei die Frau des BF während seiner Abwesenheit von ihrem Bruder, einem Freund und zwei Mullahs aufgesucht worden und sei von diesen geschlagen worden. Der BF habe seine Frau ärztlich versorgen lassen und hätten sie sich zu einem Freund und dessen Familie begeben. 5 bis 6 Tage nach dem Vorfall habe die Frau das Kind verloren.

Er habe die Angelegenheit auch bei der Polizei anzeigen wollen, doch habe diese über Veranlassung der Awami League keine Anzeige entgegengenommen.

Zur Parteizugehörigkeit fürte der BF aus, nur Sympathisant gewesen zu sein, jedoch nicht viel über diese zu wissen. In weiterer Folge erklärte er, er sei doch Mitglied, aber kein Funktionär gewesen; nach seiner Rückkehr aus Griechenland sei er zum Generalsekretär gemacht worden, er sei jedoch nicht in dieser Funktion tätig gewesen; er habe Demonstrationsteilnehmern etwas Geld gegeben und auch selbst an einigen Demos teilgenommen.

Der BF legte Bestätigungen der Bangladesh Islami Chatra Shibir vom 5.8.2013, jew. ein Schreiben des Amtes des Gemeindeverbandes XXXX Nr. 6 vom 31.12.2012, vom 07.01.2012, vom 10.02.2012 und vom 24.02.2012 in Kopie vor, welche einer Übersetzung zugeführt wurden.

4. Am 03.06.2014 sowie am 19.08.2014 wurden medizinische Unterlagen in Vorlage gebracht, wonach der BF an Diabetes mellitus und Hypertriglyceridämie, Krankheiten, welche vor allem auf Bewegungsmangel zurückzuführen seien, leide.

5. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.01.2015 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass dessen Abschiebung nach Bangladesch gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt III.).

Das Bundesamt stellte fest, dass die Identität des BF, der Staatsangehöriger von Bangladesch sei, nicht feststehe, der BF mit XXXX, die sich ebenfalls im Asylverfahren befinde, verheiratet sei und die Angaben des BF zu seinen Ausreisegründen unglaubwürdig seien und könne nicht festgestellt werden, dass dieser einer Gefährdung oder Verfolgung im Herkunftsland ausgesetzt gewesen sei oder aktuell sei.

Beweiswürdigend wurde seitens des BFA ausgeführt, dass die Identität des BF aufgrund fehlender unbedenklicher Urkunden nicht habe festgestellt werden können.

Zu den angegebenen Ausreisegründen wurde festgehalten, dass das diesbezügliche Vorbringen des BF unglaubwürdig sei, da sich darin einige Widersprüche befinden, das Vorbringen allgemein vage und unplausibel sei, weshalb nicht von der Glaubhaftmachung einer asylrelevanten Gefährdung auszugehen sei.

Widersprüchlich sei das Vorbringen des BF vor allem deshalb, da dieser in der Erstbefragung angegeben habe, dass die Todesstrafe über den BF und seine Ehegattin verhängt worden sei, wohingegen er bei der Einvernahme diesbezüglich befragt dezidiert angegeben habe, dass nur er von der Todesstrafe bedroht sei. Auch die Gattin des BF habe den Sachverhalt widersprüchlich dargestellt, indem sie in ihrem Verfahren in der Einvernahme angegeben habe, dass lediglich gegen ihn die Todesstrafe verhängt worden sei, wohingegen in der Erstbefragung von dieser angegeben worden sei, dass auch gegen sie selbst die Todesstrafe verhängt worden sei.

Widersprüchlich sei das Vorbringen des BF auch, wenn er einerseits in der Erstbefragung mit keinem Wort erwähnt habe, dass seine Frau in der Wohnung anwesend gewesen sei, als diese von ihrem Bruder, den Mullahs und Freunden aufgesucht worden sei, während er andererseits in der Einvernahme angegeben habe, dass die Frau die Mullahs und den Bruder in die Wohnung gelassen habe und in der Folge von diesen geschlagen worden sei.

Aufgrund der genannten gravierenden Widersprüche sei dem Vorbringen die Glaubwürdigkeit abzusprechen.

Ferner scheine es nicht plausibel, dass der Bruder der Frau des BF deren Aufenthaltsort in XXXX ausfindig habe machen können; die Antwort des BF sei unzureichend gewesen; aufgrund dessen, dass XXXX eine Stadt mit über 6 Millionen Einwohnern sei, könne jedoch ausgeschlossen werden, dass dort Personen ausfindig gemacht werden können; der BF habe keine Anhaltspunkte diesbezüglich angegeben, sodass es unglaubwürdig sei, dass der Bruder den Aufenthaltsort habe eruieren können. Dass der BF in diesem Zusammenhang kein exaktes Datum habe nennen können, sei ebenfalls nicht nachzuvollziehen, zumal es sich um ein einschneidendes Ereignis gehandelt habe und der BF in anderen Zusammenhängen sehr wohl exakte Daten habe nennen können.

Der BF habe auch keinen konkreten Grund dafür angeben können, warum ihre Eltern die Eheschließung verweigert hätten.

Was die angegebene politische Tätigkeit des BF betreffen, so habe dieser in der Erstbefragung keine solche erwähnt; der BF sei anlässlich der Einvernahme zu seiner politischen Tätigkeit und zu Wissen bezüglich der Partei befragt worden, wozu der BF angegeben habe, lediglich Sympathisant gewesen zu sein und nicht viel über die Partei zu wissen. In der weiteren Befragung änderte der BF seine Angaben und erklärte, doch Mitglied gewesen zu sein; nach Vorhalt des Widerspruchs habe der BF schließlich erklärt, Sympathisant gewesen zu sein und habe eine weitere Partei ins Treffen geführt, bei welcher er nach seiner Rückkehr aus Griechenland Generalsekretär geworden, in dieser Funktion aber nicht tätig gewesen sei. Aufgrund der divergierenden Angaben sei einmal mehr von einem konstruierten Vorbringen des BF auszugehen, hätte der BF doch andernfalls schon anlässlich der Erstbefragung konkrete Verbindungen zu einer Partei genannt.

Hinsichtlich der vorgelegten Schriftstücke wurde ausgeführt, dass im Lichte der bisherigen Ausführungen und der Tatsache, dass der BF diese lediglich in Kopie vorgelegt hatte, diesen keine Aussagekraft zukomme.

Ferner sei aus den länderkundlichen Feststellungen ersichtlich, dass es in Bangladesch ein Leichtes sei, an Dokumente zu gelangen, zumal grundsätzlich alle Arten von Dokumenten gefälscht werden würden und es landesweit üblich sei, falsche Informationen für Dritte bereitzustellen, da es als Pflicht angesehen werde, Leute, die in ein reiches Land ausreisen wollen, zu unterstützen.

Spruchpunkt II. begründete die Behörde zusammengefasst damit, dass das Bestehen einer Gefährdungssituation iSd § 8 Abs 1 Z 1 AsylG zu verneinen sei.

Zu Spruchpunkt III. hielt das BFA fest, dass die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung für die BF keinen Eingriff in Art. 8 EMRK darstelle.

6. Mit Verfahrensanordnung des Bundesamtes vom 06.02.2015 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt.

7. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer durch seinen Vertreter mit Schriftsatz vom 25.02.2015 innerhalb offener Frist vollumfängliche Beschwerde. Zu deren Inhalt im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen (zur Zulässigkeit dieser Vorgangsweise: VwGH 16.12.1999, 99/20/0524).

Es wurden die Anträge gestellt, die Rechtsmittelbehörde möge

-) den angefochtenen Bescheid der Erstbehörde gänzlich zu beheben und der BF den Status der Asylberechtigten zuzuerkennen;

-) in eventu den angefochtenen Bescheid zur Gänze beheben und zur inhaltlichen Entscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverweisen

-) in eventu den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass der Beschwerdeführerin gem. § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG der Status einer subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch zuerkannt werde;

-) feststellen, dass die gem. § 52 FPG erlassene Rückkehrentscheidung gem. § 9 Abs. 3 BFA-VG auf Dauer unzulässig ist und feststellen, dass die Voraussetzung für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung (plus) gem. § 55 AsylG vorliegen und der BF gem. § 58 Abs. 2 AsylG eine Aufenthaltsberechtigung (plus) von amts wegen erteilen

-) in eventu möge die Rechtsmittelbehörde feststellen, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gem. § 57 AsylG vorliegen und ihr eine solche von amts wegen erteilen

-) eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht anberaumen.

Vorerst wurde die mangelhafte Ermittlung des Sachverhaltes moniert; die belangte Behörde habe sich nicht mit dem Vorbringen und den im behördlichen Verfahren vorgelegten Beweismitteln auseinandergesetzt und werde auf S 14 des Bescheides angeführt, dass keine Beweismittel in Vorlage gebracht worden seien.

Der BF habe jedoch Unterlagen in Vorlage gebracht (beglaubigte Geburtsurkunde, griechische Identitätskarte, Brief des Gemeindeamtes an den Vater des BF, in dem er aufgefordert wird, seinen Sohn zu enterben, öffentliche Kopfgeldbelohnung über 50.000 Dhakar ausgesetzt auf den BF, öffentliche Kundmachung des Gemeindeamtes, dass der Vater des BF von gesellschaftlichen Ereignissen auszuschließen sei).

Die Behörde habe sich nicht mit dem konkreten Vorbringen des BF auseinandergesetzt und die Frage eines tatsächlichen und effizienten Schutzes im Heimatstaat nicht geprüft, obwohl der BF erklärt habe, Anzeige erstatten haben zu wollen, jedoch von der Polizei wieder weggeschickt worden zu sein.

Auch habe die Behörde den Grundsatz des Parteiengehörs verletzt, da sie weder das Beweisergebnis noch die Beweisquelle bekanntgegeben habe; hinsichtlich des Parteiengehörs sei auch eine angemessene Frist einzuräumen; ebensowenig seien dem BF die länderkundlichen Feststellungen zur Kenntnis gebracht und eine diesbezügliche Stellungnahmemöglichkeit eingeräumt worden. Auch hätte die Behörde Informationen hinsichtlich arrangierter Ehen, vorehelichem Geschlechtsverkehr, Schwangerschaft und den Folgen für eine junge Frau sowie zum diesbezüglichen gesellschaftlichen und strafrechtlichen Aspekt einholen müssen.

Ferner wäre eine Ermittlung der Behörde vor Ort zweckmäßig gewesen und hätten die Kundmachungen im Gemeindeamt, die die Verfolgung des BF beweisen, eingeholt werden können.

Weiters wäre der Gynäkologe der Frau des BF zu befragen gewesen, der eine Schwangerschaft aus dem Jahr 2011 festgestellt habe; auch der Apotheker, der dem Vater des BF trotz eines Verbotes Medikamente verkauft habe und deswegen Strafe habe zahlen müssen, hätte die Fluchtgeschichte bestätigen können. Auch hätte in XXXX der Vermieter, der den Angriff auf die Frau des BF Mitte Februar 2012 durch ihren Bruder und die Mullahs bestätigen hätte können, ausfindig gemacht werden können.

In die Krankenakte aus dem Spital XXXX, in dem die Frau des BF stationär aufgenommen worden sei, hätte ein Vertrauensanwalt Einsicht nehmen können und hätte das Standesamt, wo der BF und seine Frau geheiratet hätten, besucht werden können.

Der Verweis der Behörde auf Widersprüche und Ungereimtheiten vermöge eine Beweiswürdigung nicht zu ersetzen; die Behörde vertausche oft die Personen des BF und seiner Gattin im Bescheid, was zu Verwirrungen führe.

In weiterer Folge wurde die Beweiswürdigung des BFA moniert. Es habe jedenfalls sowohl dem BF als auch seiner Gattin der Tod gedroht und sei die Gattin des BF von ihrem Bruder und zwei Mullahs aufgesucht worden und sei dem Bruder erlaubt worden, die Gattin des BF zu töten; diese habe Familienschande über die Familie gebracht und sei daher auch verurteilt worden. Auch könne nicht nachvollzogen werden, dass die Behörde nicht glaube, dass der BF und seien Frau in einer großen Stadt wie XXXX gefunden werden können, obwohl diese angegeben hätten, dass wahrscheinlich die drei Freunde, bei denen sie gewohnt hätten, ihre Adresse an den Bruder der Frau des BF weitergegeben haben.

Die Frau des BF habe die Gründe, warum die Eltern gegen die Eheschließung gewesen seien, nicht erfahren, doch bestehe die Vermutung, dass die Frau des BF, welche aus ärmlichen Verhältnissen stamme, nicht als Schwiegertochter erwünscht gewesen sei und hätten die Eltern der Frau des BF die Tätigkeit des BF für die Partei Charta Shibir nicht akzeptiert.

Die belangte Behörde habe weiters beweiswürdigend festgehalten, dass der BF seine politische Tätigkeit in der Erstbefragung nicht erwähnt habe; der BF habe sich in der Erstbefragung verpflichtet gesehen, lediglich die wichtigste Fluchtproblematik, nämlich, die Verfolgung durch die Mullahs aufgrund der verhängten Todesstrafe, zu schildern und sei zu beachten, dass sich die Erstbefragung nach § 19 Abs. 1 AsylG nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen habe. Die Angabe der Gattin des BF, wonach sie nicht zu Hause gewesen sei, als sie in XXXX von ihrem Bruder aufgesucht worden sei, könne mit fehlerhaft entstandener Dolmetscherverständigung erklärt werden und habe diese angegeben, dass nur der BF nicht anwesend gewesen sei, sie selbst jedoch schon.

Unter Hinweis auf ein Erkenntnis des VfGH, 13.09.2013, U1685/2012 hinsichtlich eines im Kern gleichlautenden Vorbringens wurde festgehalten, dass auch bei den Beschwerdeführern der Kern des Fluchtvorbringens gleichbleibend sei und es lediglich Abweichungen in Details gebe.

Durch die Vorgehensweise der Behörde sei das Ermittlungsverfahren mit schweren Mängeln belastet worden und habe es die Behörde verabsäumt, den Sachverhalt zu ermitteln; es bestehe für die Beschwerdeführer auch keine innerstaatliche Fluchtalternative, weil diese sowohl von staatlichen Behörden als auch von der Familie der Frau des BF gesucht werden und habe die Asylbehörde nicht ermittelt, ob die Beschwerdeführer tatsächlich in einem anderen Gebiet in Bangladesch sicher vor Verfolgung seien und sei ohne Begründung von einer innerstaatlichen Fluchtalternative ausgegangen worden. Hätte das BFA ein ordentliches Ermittlungsverfahren durchgeführt, hätte es eine GFK-relevante Verfolgungsgefahr feststellen müssen und sei hinsichtlich der Verfolgungsgefahr auch eine Zukunftsprognose zu erstellen.

8. Gegenständliche Beschwerde langte samt dem Bezug habendem Verwaltungsakt am 05.04.2016 aufgrund einer Unzuständigkeitseinrede in der hg. Gerichtsabteilung ein.

9. Am 13.10.2016 wurden ärztliche Bestätigungen zur Erkrankung des BF an Diabetes Mellitus Typ1 und an erhöhten Cholesterinwerten in Vorlage gebracht.

10. Am 15.05.2017 langte hg. eine Überstellungsankündigung den BF betreffend von Deutschland nach Österreich ein.

11. Am 05.09.2017 langte hg. ein Aktenvermerk des Polizeikooperationszentrums XXXX vom 16.08.2017 ein, wonach der BF ohne Dokumente in Ungarn angetroffen worden sei.

12. Am 21.09.2017 langte hg. eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation des BFA zur Behandelbarkeit von Diabetes Mellitus Typ1 in Bangladesch ein.

13. Am 16.10.2017 fand vor dem erkennenden Gericht eine mündliche Verhandlung den BF und seine Gattin betreffend statt. Der BF übernahm die Landung zur hg. Verhandlung nicht, nahm an dieser nicht teil und erklärte seine Gattin zu seiner Person befragt, dass er in Ungarn aufhältig sei.

14. Mit hg. Beschluss vom 18.10.2017 wurde das Verfahren des BF gem. § 28 Abs. 1 VwGVG und § 24 Abs. 2, 1. Satz AsylG 2005 idgF eingestellt.

15. Nach Mitteilung des Polizeikooperationszentrums XXXX, hg. eingelangt am 16.01.2018, wonach der BF von der ungarischen Polizei am 09.01.2018 übernommen worden sei, und der Beantragung der Fortsetzung des Verfahrens durch den Vertreter des BF wurde mit hg. Beschluss vom 08.03.2017 das Beschwerdeverfahren gem. § 24 Abs. 2 AsylG 2005 idgF fortgesetzt und der Vertreter des BF und dieser selbst zur hg. mündlichen Beschwerdeverhandlung am 21.03.2018 geladen, von welcher der BF auch zusätzlich seitens seines Vertreters telefonisch in Kenntnis gesetzt wurde.

16. Am 21.03.2018 wurde hg. eine Beschwerdeverhandlung in Abwesenheit des BF durchgeführt.

17. Hinsichtlich des Verfahrensganges und des Parteivorbringens im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

19. Beweis wurde erhoben durch die Einsichtnahme in den behördlichen Verwaltungsakt und den Bezugsakt unter zentraler Zugrundelegung der niederschriftlichen Angaben des BF, des Bescheidinhaltes sowie des Inhaltes der gegen den Bescheid des BFA erhobenen Beschwerde und der Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 21.03.2018.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Verfahrensbestimmungen:

1.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter

Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem vorliegenden Verwaltungsakt.

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

2. Feststellungen (Sachverhalt):

2.1.2. Zur Person des Beschwerdeführers wird festgestellt:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Republik Bangladesch und sunnitischer Moslem. Die Identität des Beschwerdeführers steht nicht fest.

Die Beschwerdeführer reiste mit einer Frau, von der er behauptet, mit dieser verheiratet zu sein, in Österreich ein und stellte gemeinsam mit dieser am 24.10.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz, wobei sich beide Asylwerber auf dieselben Ausreisegründe, nämlich die von ihren Familien nicht tolerierte Beziehung, Schwangerschaft und Eheschließung sowie eines daraus resultierenden Rechtsspruches und die damit zusammenhängende Gefahr, getötet zu werden, stützten.

Der Beschwerdeführer stammt aus dem Dorf XXXX, Polizeiverwaltungsbezirk XXXX, Distrikt XXXX.

In Bangladesch hat der Beschwerdeführer zehn Jahre die Grundschule und zwei Jahre ein College besucht und seinen Lebensunterhalt als Händler und Geldwechsler bestritten.

Dass der Beschwerdeführer verheiratet ist, kann nicht festgestellt werden. Er hat keine Kinder. In Bangladesch leben nach wie vor seine Eltern, ein Bruder und fünf Schwestern.

Das Asylverfahren der Frau, von dem der Beschwerdeführer behauptet, es handle sich um seine Ehegattin, wurde mit hg. abweisendem Erkenntnis vom 21.11.2017 und Zustellung an deren Vertreter am 27.11.2017 rechtskräftig negativ beendet.

Der Beschwerdeführer ist während des laufenden Asylverfahrens nach Deutschland und Ungarn ausgereist und wurde am 06.06.2017 von Deutschland und am 09.01.2018 von Ungarn nach Österreich rücküberstellt.

Die Ausführungen des Beschwerdeführers, wonach er und seine Frau aufgrund ihrer Beziehung Probleme mit ihren Familien gehabt und sie durch diese und aufgrund eines Rechtsspruches mit dem Tode bedroht worden seien, sind als unglaubwürdig zu qualifizieren.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in seinem Heimatstaat Bangladesch asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt war oder pro futuro asylrelevanter Verfolgung in Bangladesch ausgesetzt sein wird.

Der Beschwerdeführer leidet an Diabetes Mellitus Typ 1 und ist diese Erkrankung in Bangladesch behandelbar und für den Beschwerdeführer auch leistbar.

Es können keine stichhaltigen Gründe für die Annahme festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer Gefahr liefe, in Bangladesch einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach Bangladesch in eine existenzgefährdende Notsituation geraten würde oder als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen oder internationalen Konfliktes ausgesetzt wäre.

Zum Entscheidungszeitpunkt konnte auch keine sonstige aktuelle Gefährdung des Beschwerdeführers in seinem Herkunftsstaat festgestellt werden.

In Österreich hat der Beschwerdeführer keine weiteren Verwandten oder sonstigen nahen Bezugspersonen. Der Beschwerdeführer lebt von der staatlichen Grundversorgung.

Im Strafregisterauszug scheinen keine Verurteilungen des Beschwerdeführers auf. Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten.

Der Beschwerdeführer verfügt zum Entscheidungszeitpunkt über keine relevanten Bindungen zu Österreich. Er hat einen Deutschkurs besucht.

Weitere maßgebliche Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration des Beschwerdeführers in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht konnten nicht festgestellt werden.

Des Weiteren liegen weder die Voraussetzungen für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz", noch für einen Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK vor und ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung geboten. Es ergibt sich aus dem Ermittlungsverfahren überdies, dass die Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers nach Bangladesch festzustellen ist.

2.2. Zur Lage im Herkunftsstaat wird festgestellt:

1. Politische Lage

Bangladesch ist eine Volksrepublik (People' s Republic of Bangladesh) mit einer seit 1991 wieder geltenden parlamentarischen Demokratie als Regierungsform (GIZ 5.2017).

Das Staatsoberhaupt ist der Präsident, der vom Parlament alle fünf Jahre gewählt wird, eine einmalige Wiederwahl ist möglich. Er übt Großteils zeremonielle Funktionen aus, die Macht liegt in den Händen des Premierministers als Regierungschef, der von der stärksten im Parlament vertretenen Partei nominiert und vom Präsidenten formell ernannt wird. Der Premierminister, ernennt die Regierungsmitglieder, die vom Präsidenten bestätigt werden. Nach Ende der 5-jährigen Legislaturperiode bildet der Präsident unter seiner Führung eine unabhängige "Caretaker"-Regierung, deren verfassungsmäßige Aufgabe es ist, innerhalb von 90 Tagen die Voraussetzungen für Neuwahlen zu schaffen (ÖB New Delhi 12.2016; vgl. GIZ 5.2017). Zusätzlich obliegt dem Premierminister die Kontrolle der Geheimdienste, der Streitkräfte und der paramilitärischen Einheiten (GIZ 5.2017). Aktuell hat Sheikh Hasina von der Awami League (AL) das Amt der Premierministerin inne (ÖB New Delhi 12.2016)

Das Parlament (National Parliament oder Jatiya Sangsad) besteht aus einer Kammer mit 300 in Einzelwahlkreisen auf fünf Jahre direkt gewählten Abgeordneten (ÖB New Delhi 12.2016) mit zusätzlichen 50 Sitzen, die nur für Frauen reserviert sind (AA 14.1.2016). Das Parlament tagt nicht während der Amtszeit der "Caretaker"-Regierung. Das Mehrheitswahlrecht führt zu stabilen Mehrheiten im Parlament und hat die Herausbildung der Bangladesch Nationalist Party (BNP) und der Awami League (AL) als dominierende und konkurrierende Parteien begünstigt. Während die konservative BNP Verbündete bei den islamistischen Parteien wie der Jamaat-e-Islami (JI) hat, bekommt die AL traditionell Unterstützung von linken und säkularen Parteien, wie der Arbeiterpartei, der liberaldemokratischen Partei, der national-sozialen Partei Jatiyo Samajtantrik Dal und jüngst auch von der Jatiya Partei unter dem ehemaligen Militärdiktator Hossain Mohammad Ershad (ÖB New Delhi 12.2016).

Das politische Leben wird seit 1991 durch die beiden größten Parteien, die "Awami League" (AL) und "Bangladesh Nationalist Party" (BNP) bestimmt. Klientelismus und Korruption sind weit verbreitet. Gewerkschaften, Studentenorganisationen, Polizei und Verwaltung sind stark politisiert und parteipolitisch durchdrungen (AA 3.2017a). AL und BNP werden quasi-dynastisch von Sheikh Hasina und Begum Khaleda Zia geführt, die das politische Vermächtnis ihrer ermordeten Männer fortführen und eine unangefochtene Machtstellung in ihrer jeweiligen Partei genießen. Sie beeinflussen den Kandidatenauswahlprozess für Partei- und Staatsämter und geben den Takt für die politischen Auseinandersetzungen vor. Die oppositionelle BNP hat aufgrund ihrer starken gesellschaftlichen Verankerung das Potential, durch Generalstreiks (Hartals) großen außerparlamentarischen Druck zu erzeugen (GIZ 5.2017). Nennenswerte parlamentarische Stärke haben in der Vergangenheit sonst nur die Jatiya Party (JP) und die JI erzielt (GIZ 5.2017).

Infolge der Dominanz der AL und der fehlenden innerparteiischen Demokratie hat de facto jedoch die exekutive Spitze das ausschließliche Sagen bei Gesetzesentwürfen. Verschärfend kommt hinzu, dass die BNP als vormals größte Oppositionspartei nach ihrem Wahlboykott am 5.1.2014 überhaupt nicht mehr im Parlament vertreten ist. Wie schon die Vorgängerregierungen, so baut auch die gegenwärtige AL-Regierung ihre Netzwerke in der Verwaltung, im Rechtswesen und im Militär aus. Auch im Regierungskabinett folgen Ernennungen und Umbesetzungen meist dem Prinzip der Patronage (GIZ 5.2017).

Bereits am 30.7.2011 hat das Parlament bei nur einer Gegenstimme, die BNP und ihre Verbündeten haben der Parlamentssitzung nicht beigewohnt, in der 15. Verfassungsänderung den Islam als Staatsreligion bestätigt, jedoch den Zusatz "Absolutes Vertrauen und der Glauben an den Allmächtigen Allah soll die Basis allen Handelns sein" aus der Verfassung gestrichen. Ungeachtet der ausgeprägten Leistungsdefizite staatlicher Institutionen, der undemokratischen innerparteilichen? Entscheidungsstrukturen und der in der letzten Dekade verstärkt gewalttätig ausgetragenen Parteienrivalität ist der Glauben an die Demokratie innerhalb der Bevölkerung ungebrochen (GIZ 5.2017; vgl. AA 3.2017a).

Am 5.1.2014 boykottierte die BNP die 10. Parlamentswahlen wodurch die AL eine verfassungsändernde Mehrheit erreichen konnte. Weitere Sitze gingen an Koalitionspartner der AL. Die sehr geringe Wahlbeteiligung von nur ca. 30% bei den Parlamentswahlen 2014 ist auf den Wahlboykott der Opposition zurückzuführen. Es gab Berichte über massive Einschüchterungsversuche wahlbereiter Bürger seitens oppositioneller Gruppen (GIZ 5.2017; vgl. AA 3.2017a). Am Wahltag wurden mindestens 21 Menschen getötet und über 130 Wahllokale in Brand gesetzt. Die Opposition reagierte bereits einen Tag nach den Wahlen mit Generalstreiks und in vielen Distrikten wurde über Attacken gegen ethnische und religiöse Minderheiten, v.a. Hindus, berichtet. Die AL versuchte mit gezielten Verhaftungen von Oppositionspolitikern den Druck auf das Regime zu schwächen (GIZ 5.2017).

Die verfassungsändernde Mehrheit im Parlament führt zu einer enormen Machtkonzentration in den Händen der AL respektive der Regierung. Mit neuen Gesetzen zu Medien, Äußerungen im Internet, Absetzung von obersten Richtern und Förderung von NGOs aus dem Ausland wird diese Konzentration noch weiter verstärkt. Die derzeitige Regierung hat es sich zum Ziel gemacht, Verbrechen des Unabhängigkeitskrieges von 1971 juristisch aufzuarbeiten. Angeklagt sind damalige Kollaborateure der pakistanischen Streitkräfte, von denen viele bis zur letzten innerparteilichen Wahl in führenden Positionen der islamistischen JI waren (AA 3.2017a). Auch die BNP ist dadurch in der Defensive (GIZ 5.2017). Die Prozesse und (häufig Todes-) Urteile öffnen alte Wunden und führen zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen säkularen und islamistischen Kräften (AA 3.2017a). Mittlerweile wurden acht Todesurteile und mehrere lebenslange Haftstrafen ausgesprochen, sechs Hinrichtungen wurden vollstreckt. Dabei hat sich innerhalb der säkularen Zivilgesellschaft mit Blick auf das Kriegsverbrechertribunal ein grundlegender Dissens entwickelt: Während die einen auf rechtstaatliche Standards pochen und die Todesstrafe ablehnen, ist für andere, v.a. aus der urbanen Protestbewegung Shabagh, jedes Urteil unterhalb der Todesstrafe inakzeptabel (GIZ 5.2017).

Bei den am 30.12.2015 in 234 Stadtbezirken durchgeführten Kommunalwahlen in Bangladesch ist die regierende AL als Siegerin hervorgegangen (NETZ 2.1.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (27.10.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch

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AA - Auswärtiges Amt (3.2017a): Bangladesch, Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Bangladesch/Innenpolitik_node.html, Zugriff 9.6.2017

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (5.2017): Bangladesch, Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/bangladesch/geschichte-staat/#c14332, Zugriff 9.6.2017

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HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - Bangladesh, http://www.ecoi.net/local_link/334685/476437_de.html, Zugriff 9.6.2017

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NETZ - Partnerschaft für Entwicklung und Gerechtigkeit e.V. (2.1.2016): Bangladesch Aktuell, http://bangladesch.org/bangladesch/aktuell/detailansicht/news/detail/News/kommunalwahlen/cHash/781fa29261a9302cfb84107680f22794.html, Zugriff 9.6.2017

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ÖB New Delhi (12.2016): Asylländerbericht

2. Sicherheitslage

Es gibt in Bangladesch keine Bürgerkriegsgebiete (AA 3.2017a).

Die Opposition organisierte Proteste und Straßenblockaden, unter denen die Wirtschaft leidet. Die Regierung reagiert mit Verhaftungen und mit Einschränkungen von Grundrechten. Sie will die öffentliche Ruhe mit allen Mitteln wiederherstellen. Die internationale Gemeinschaft verurteilte die Gewalt scharf und hat die Beteiligten zum Dialog aufgerufen (GIZ 5.2017).

Extremistische Gruppen, wie Jamaat-ul-Mujahideen Bangladesh (JMB) und Ansar al-Islam, die ihre Zugehörigkeit zu Daesh und Al Qaida auf dem indischen Subkontinent (AQIS) erklärten, haben Angriffe auf Angehörige religiöser Minderheiten, Akademiker, Ausländer, Menschenrechtsaktivisten und LGBTI-Personen, sowie weitere Gruppen durchgeführt (USDOS 3.3.2017; vgl. AI 22.2.2017). Medienberichten zufolge hat die Terrororganisation IS 2016 für 39 Morde die Verantwortung übernommen, der bengalische Al-Kaida-Ableger soll sich zu acht Taten bekannt haben (GIZ 5.2017). Die Sicherheitsbehörden waren zunächst nicht bereit, angemessene Schutzmaßnahmen zu veranlassen, gewährt aber in vielen Fällen inzwischen Personenschutz (AA 14.1.2016). Darüber hinaus kommt es regelmäßig zu intra- und interreligiöser Gewalt (AA 3.2017a; vgl. AI 22.2.2017). die Polizei tötete laut eigenen Angaben mindestens 45 mutmaßliche Terroristen in Schießereien (AI 22.2.2017).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (27.10.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch

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AA - Auswärtiges Amt (3.2017a): Bangladesch, Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Bangladesch/Innenpolitik_node.html, Zugriff 9.6.2017

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AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Bangladesh, http://www.ecoi.net/local_link/336450/479091_de.html, Zugriff 28.6.2017

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (5.2017): Bangladesch, Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/bangladesch/geschichte-staat/#c14332, Zugriff 9.6.2017

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USDOS (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Bangladesh, http://www.ecoi.net/local_link/337142/479908_de.html, Zugriff 12.6.2017

3. Rechtsschutz/Justizwesen

Das Gerichtssystem besteht aus zwei Instanzen, den untergeordneten Gerichten (Magistrates, Session- und District Judges) und dem Obersten Gerichtshof. Beide verhandeln Zivil- und Strafrechtssachen. Das Rechtssystem beruht weitgehend auf dem englischen Common Law. Der Oberste Gerichtshof besteht aus zwei Abteilungen, dem High Court, der Verfassungsfragen verhandelt und als Berufungsinstanz zu den erstinstanzlichen Gerichten fungiert, sowie dem Appellate Court, dessen Entscheidungen für alle übrigen Gerichte bindend sind. Die Richter beider Abteilungen werden gemäß der Verfassung vom Präsidenten ernannt (ÖB New Delhi 12.2016).

Die Gerichtsbarkeit ist überlastet und sieht sich von vielen Seiten Versuchen der Einflussnahme ausgesetzt. (AA 3.2017a). Zusätzlich behindern Korruption und ein erheblicher Verfahrensrückstand das Gerichtssystem. Gerichtsverfahren sind durch eine überlange Verfahrensdauer geprägt, was viele Angeklagten bei der Inanspruchnahme ihres Rechts auf ein faires Verfahren hindert. Weiters kommt es zu Zeugenbeeinflussung und Einschüchterung von Opfern (USDOS 3.3.2017; vgl. FH 1.2017). Straffälle gegen Mitglieder der regierenden Partei werden regelmäßig zurückgezogen (FH 1.2017). Richter des Obersten Gerichtshofs haben des Öfteren ihre Unabhängigkeit demonstriert und gegen die Regierung entschieden (ÖB New Delhi 12.2016). Durch eine kürzlich erfolgte Verfassungsänderung hat nunmehr das Parlament das Recht, oberste Richter abzusetzen (AA 3.2017a).

Auf Grundlage mehrerer Gesetze ("Public Safety Act", "Law and Order Disruption Crimes Speedy Trial Act", "Women and Children Repression Prevention Act", "Special Powers Act") wurden Sondertribunale errichtet, die Fälle innerhalb eines festgesetzten Zeitrahmens erledigen müssen. Es fehlen allerdings Vorschriften für den Fall, dass sie dieser Verpflichtung nicht nachkommen. Diese "Speedy Trial" Tribunale haben Medienberichten zufolge in den vergangenen Jahren ca. 200 Personen zum Tode verurteilt (ÖB New Delhi 12.2016).

Die islamische Scharia ist zwar nicht formell als Gesetz eingeführt, spielt aber insbesondere in den Bereichen des Zivilrechts (Erbschaft, Grunderwerb, Heirat und Scheidung etc.) eine große Rolle (ÖB New Delhi 12.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (3.2017a): Bangladesch, Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Bangladesch/Innenpolitik_node.html, Zugriff 9.6.2017

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FH - Freedom House (1.2017): Freedom in the World 2017 - Bangladesh, http://www.ecoi.net/local_link/341770/485095_de.html, Zugriff 28.6.2017

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ÖB New Delhi (12.2016): Asylländerbericht

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USDOS (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Bangladesh, http://www.ecoi.net/local_link/337142/479908_de.html, Zugriff 12.6.2017

4. Sicherheitsbehörden

Die Polizei ist beim Ministerium für Inneres angesiedelt und hat das Mandat die innere Sicherheit und Recht und Ordnung aufrecht zu erhalten. Die Armee, die dem Büro des Ministerpräsidenten untersteht, ist für die äußere Sicherheit zuständig, kann aber auch für innerstaatliche Sicherheitsaufgaben herangezogen werden. Zivile Stellen hatten weiterhin effektive Kontrolle über die Streitkräfte und die Regierung verfügt über Mechanismen, Missbrauch und Korruption zu untersuchen und zu bestrafen. Diese Mechanismen werden aber nicht immer angewandt (USDOS 3.3.2017). Das Wirken der Polizei ist gekennzeichnet durch einen Mangel an Ressourcen inklusive mangelhafter Infrastruktur, Mangel an Personal, Ausbildung und Arbeitsmaterialien, Ineffizienz und Korruption (AA 14.1.2016). Die Regierung unternahm Schritte, um in der Polizei Professionalität, Disziplin, Ausbildung und Reaktionsfähigkeit zu verbessern und die Korruption zu verringern. Die Polizei hat Regeln für angemessene Gewaltausübung in ihre Grundausbildung einbezogen, um bürgernahe Polizeiarbeit umsetzen zu können (USDOS 3.3.2017).

Bangladeschs Sicherheitskräfte haben eine lange Geschichte von willkürlichen Verhaftungen, erzwungenem Verschwinden Lassen und außergerichtlichen Tötungen (HRW 12.1.2017). Obwohl gesetzlich verboten, gibt es Hinweise auf willkürliche Festnahmen, sowie auf die willkürliche Anwendung der gesetzlich erlaubten präventiven Festnahmen gemäß den Spezialgesetzen "Special Powers Act" und "Public Safety Act". Diese erlauben die 30-tägige Inhaftierung ohne Angabe von Gründen, um Taten zu verhindern, welche die nationale Sicherheit, Verteidigung, Souveränität, öffentliche Ordnung oder auch wirtschaftliche Interessen des Landes gefährden. Nach 30 Tagen sind dem Angehaltenen die Haftgründe zu nennen, oder er muss entlassen werden. Die Praxis weicht davon ab. Die Arretierten haben keinen Anspruch auf einen Rechtsbeistand. Die davon hauptsächlich betroffenen sind Aktivisten der politischen Parteien und NGO-Vertreter, die Kritik an der Regierung üben (ÖB New Delhi 12.2016). Des Weiteren gibt es Berichte von Folter und anderen Missbräuchlichen Handlungen in Polizeigewahrsam. Der "Torture and Custodial Death (Prevention) Act" von 2013 wird nur schleppend umgesetzt (AI 22.2.2017). Betroffene sehen aus Angst vor Vergeltung in der Regel davon ab, Mitglieder der Sicherheitsbehörden wegen Menschenrechtsvergehen anzuzeigen, so dass diese straflos bleiben (AA 14.1.2016).

Die Sicherheitsbehörden bestehen zum Hauptteil aus der dem Innenministerium unterstellten "Bangladesch Police", die ca. 116.000 Mann zählt. Zur Unterstützung der Polizei stehen weitere Einheiten zur Verfügung:

Rapid Action Bataillons (RABs): Das Rapid Action Bataillon (RAB), gegründet 2004, untersteht dem Innenministerium. Es unterhält 14 Standorte in Bangladesch (RAB-1 bis RAB-14) (AA 14.1.2016) mit insgesamt ca. 8.500 Mann. Ihre Aufgabe ist der Kampf gegen bewaffnete kriminelle Organisationen und die Terrorabwehr (ÖB New Delhi 12.2016; vgl. AA 14.1.2016). Die gut ausgebildeten und modern ausgerüsteten RABs sind hauptsächlich in den urbanen Zentren des Landes stationiert und verfolgen eine aggressive Strategie gegen bewaffnete "Gang"-Mitglieder, was zu zahlreichen Tötungen während Schusswechseln führt. Auch im Zuge von Demonstrationen setzten die RABs neben Gummigeschossen scharfe Munition ein, was auch hier zu Todesopfern führte. Insgesamt starben seit der Gründung 2004 laut Schätzungen über 800 Personen entweder durch Schusswechsel oder in RAB-Gewahrsam, es kam jedoch bisher zu keinen Verurteilungen (ÖB New Delhi 12.2016).

Bangladesch Ansar: Gegründet im Jahr 1948 und ebenfalls dem Innenministerium unterstellt, gibt es aktuell ca. 23.000 leichtbewaffnete Ansars, die zur Unterstützung der Polizei im ländlichen Raum eingesetzt werden und auch Zivilschutz-Aufgaben übernehmen (ÖB New Delhi 12.2016).

Bangladesch Rifles (BDRs): Diese ca. 40.000 Mann starke paramilitärische Truppe untersteht dem Innenministerium, wird aber hauptsächlich von Armee-Offizieren geführt und dient in erster Linie dem Grenzschutz. Die BDRs sind auch für die Verhinderung von Schmuggel und Menschenhandel zuständig (ÖB New Delhi 12.2016).

Village Defence Parties (VDP): Gegründet 1976, sollte es in jedem Dorf des Landes je ein männliches und weibliches "Platoon" (32 Personen) geben, die der Unterstützung der Polizei bei der Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung sowie der Unterstützung der zivilen Behörden bei sozialen und wirtschaftlichen Wiederaufbauprogrammen und bei Naturkatastrophen dienen sollen. In Städten gibt es analog dazu sogenannte "Town Defence Parties" (ÖB New Delhi 12.2016).

Special Branch of Police (SB) ist beauftragt, die nationale Sicherheit zu gewährleisten, erfüllt die Funktion, nachrichtendienstliche Informationen zu sammeln und ist mit der Spionageabwehr betraut. Die SB ist überall in Bangladesch vertreten und besitzt die Fähigkeit, innerhalb und außerhalb des Landes zu agieren (AA 14.1.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (27.10.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch

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AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Bangladesh, http://www.ecoi.net/local_link/336450/479091_de.html, Zugriff

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HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - Bangladesh, http://www.ecoi.net/local_link/334685/476437_de.html, Zugriff 12.6.2017

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ÖB New Delhi (12.2016): Asylländerbericht

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USDOS (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Bangladesh, http://www.ecoi.net/local_link/337142/479908_de.html, Zugriff 12.6.2017

5. Folter und unmenschliche Behandlung

Obwohl Folter und grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung, durch die Verfassung und Gesetze wie der "Torture and Custodial Death (Prevention) Act" von 2013, verboten sind, gibt es weiterhin Vorwürfe von Misshandlungen durch Sicherheitskräfte und Geheimdienste. Menschrechtsorganisationen berichten, dass in den ersten neun Monaten des Jahres 2016 acht Personen zu Tode gefoltert wurden (USDOS 3.3.2017; vgl. AI 22.2.2017). Zusätzlich gab es 2016 laut Bericht von Odhikar 178 Fälle von außergerichtlichen Tötungen und 90 Fälle von erzwungenem Verschwinden Lassen (FH 1.2017).

Per Gesetz ist es Richtern möglich, über Verdächtige Untersuchungshaft zu verh

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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