TE Bvwg Erkenntnis 2018/4/18 I419 2173103-1

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Veröffentlicht am 18.04.2018
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Entscheidungsdatum

18.04.2018

Norm

B-VG Art.133 Abs4
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §70 Abs3

Spruch

I419 2173103-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Tomas JOOS als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX alias XXXX, geb. XXXX StA. ALGERIEN, vertreten durch VEREIN MENSCHENRECHTE ÖSTERREICH gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 25.09.2017, Zl. XXXX, zu Recht:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer algerischer Staatsangehörigkeit reiste nach eigenen Angaben 2014 ein und heiratete am 09.04.2016 in Niederösterreich eine ungarische Staatsangehörige.

2. Das LGXXXX hat den Beschwerdeführer am 19.07.2017 wegen der Verbrechen des Suchtgifthandels durch Anbieten und des Suchtgifthandels durch Überlassen jeweils von Suchtgift in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge des § 28b SMG übersteigenden Menge, begangen am 14. und 18.04.2017, zu 2,5 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt, die er seither verbüßt.

3. Mit dem bekämpften Bescheid erließ das BFA gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG gegen den Beschwerdeführer ein mit zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot (Spruchpunkt I) und gewährte gemäß § 70 Abs. 3 FPG einen Durchsetzungsaufschub von einem Monat (Spruchpunkt II).

In der Beschwerde dagegen wird vorgebracht, der Bescheid berücksichtige nicht ausreichend das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers. Dieser befinde sich schon vier Jahre in Österreich und spreche sehr gut Deutsch. Von ihm gehe keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung aus, weil die Tat eine einmalige gewesen sei, die er bereue.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der unter Punkt I. beschriebene Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:

1.1 zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige Beschwerdeführer besuchte im Herkunftsstaat 13 Jahre die Schule und hat keine Sorgepflichten. Seine rund 6 Jahre ältere Ehefrau, die als Arbeiterin in Österreich beschäftigt ist, hat zwei nicht vom Beschwerdeführer abstammende Kinder im Vorschulalter, für die sie sorgepflichtig ist. Das Ehepaar bezog am 30.03.2016 den gemeinsamen Hauptwohnsitz in Wien 15.

Der Beschwerdeführer hat sich vor seiner Festnahme um die Kinder seiner Gattin gekümmert und ging keiner Arbeit nach. Für die Miete kommt seine Ehefrau auf. Der LH von Wien hat dem Beschwerdeführer 2016 eine bis 2021 gültige Aufenthaltskarte als Angehöriger einer EWR-Bürgerin ausgestellt.

Seine mit ihrem Mann in Frankreich wohnende Tante unterstützte die Familie von dort aus. Im Herkunftsstaat leben die Eltern und Geschwister des Beschwerdeführers.

Der Beschwerdeführer hat angegeben, er sei sehr bemüht Deutsch zu lernen, habe Kurse für A1 und A2 besucht und einen B1-Kurs beginnen wollen, bevor er verhaftet worden sei. Er hat keine Deutschkenntnisse nachgewiesen. Er hatte am 07.12.2015 erstmals einen gemeldeten Wohnsitz in Österreich, von 01.02.2016 bis 30.03.2016 war er nicht gemeldet. Er weist in Österreich keinerlei dokumentierte Integrationsmerkmale sprachlicher, beruflicher oder kultureller Art auf. Er ist gesund und arbeitsfähig.

Er bezog vor seiner Verurteilung monatlich € 58,-- vom Arbeitsmarktservice und konsumierte Suchtgift. Er hatte einem verdeckten Ermittler zwei Kilo Kokain mit einem Reinheitsgrad von etwa 90 % zu liefern zugesagt und mit einem weiteren Täter zusammen 996,1 Gramm verkauft und übergeben, die 82,68 % aufwiesen. Das Verkaufen eines weiteren Kilos war durch den Zugriff der Polizei unmöglich. Die übergebene Menge entspricht dem 54,8-Fachen der Grenzmenge, die weiters versprochene dem 60-Fachen.

Diese Mengen hat das Strafgericht als erschwerend bei der Strafzumessung gewertet, dazu das Zusammentreffen zweier Verbrechen. Mildernd wirkten Unbescholtenheit und umfassendes Geständnis.

1.2 Zur Situation im Herkunftsstaat:

Der Beschwerdeführer hat im Zuge des Parteiengehörs auf die betreffende Frage hin nicht angegeben, dass er im Herkunftsstaat strafrechtlich oder politisch verfolgt werde. Insofern bleibt betreffend den Herkunftsstaat festzustellen:

1.2.1 Rückkehr

Die illegale Ausreise, d. h. die Ausreise ohne gültige Papiere bzw. ohne eine Registrierung der Ausreise per Stempel und Ausreisekarte am Grenzposten, ist gesetzlich verboten (Art. 175 bis 1. algerisches Strafgesetzbuch, Gesetz 09-01 vom 25.2.2009, kundgemacht am 8.3.2009) (ÖB 3.2015; vgl. SGG o.D., AA 23.2.2017). Das Gesetz sieht ein Strafmaß von zwei bis sechs Monaten und / oder eine Strafe zwischen 20.000 DA bis 60.000 DA vor (SGG o.D.). Laut deutscher Botschaft wird das Gesetz auch angewendet; die algerischen Behörden erklären jedoch, das Gesetz sollte nur abschreckende Wirkung entfalten (ÖB 3.2015).

Rückkehrer, die ohne gültige Papiere das Land verlassen haben, werden mitunter zu einer Bewährungsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Für illegale Bootsflüchtlinge ("harraga") sieht das Gesetz Haftstrafen von drei bis zu fünf Jahren und zusätzliche Geldstrafen vor (AA 23.2.2017).

Eine behördliche Rückkehrhilfe ist ho. nicht bekannt. Ebenso sind der Botschaft keine NGOs bekannt, die Unterstützung leisten. Bekannt ist, dass Familien zurückkehrende Familienmitglieder wieder aufnehmen und unterstützen. Viel bekannter hingegen sind Fälle, in denen Familien Mitglieder mit beträchtlichen Geldmitteln bei der illegalen Ausreise unterstützen. Sollten Rückkehrer auf familiäre Netze zurückgreifen können, würde man annehmen, dass sie diese insbesondere für eine Unterkunft nützen. Wer nicht von seiner Familie aufgenommen wird und ohne Einkommen ist, wird insbesondere in Algier Schwierigkeiten haben, die hohen Mieten zu zahlen. In Algier wird vermehrt gegen informelle Siedlungen vorgegangen. Die Botschaft kennt auch Fälle von finanzieller Rückkehrhilfe (EUR 1.000-2.000) durch Frankreich, für Personen, die freiwillig aus Frankreich ausgereist sind. Der algerische Außenminister erklärte gegenüber dem politischen Direktor des BMEIA im Jänner 2013, dass man jederzeit bereit sei, Rückkehrer aufzunehmen, sofern zweifelsfrei feststehe, dass es sich um algerische Staatsangehörige handle. Nachfragen bei EU-Botschaften und Pressemeldungen bestätigen, dass Algerien bei Rückübernahmen kooperiert. Zwischen Algerien und einzelnen EU-Mitgliedsstaaten bestehen bilaterale Rückübernahmeabkommen (ÖB 3.2015).

1.2.2 Sonstiges:

Algerien ist nach § 1 Z. 10 HStV ein sicherer Herkunftsstaat im Sinne des § 19 BFA-VG. Aus dem aktuellen "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Algerien, aus welchem soeben unter

1.2.1 zitiert wurde (Stand 12.03.2018), ergibt sich fallbezogen kein Hinweis auf eine Gefährdung des Beschwerdeführers.

Zusammenfassend wird in Bezug auf das Vorbringen des Beschwerdeführers und aufgrund der allgemeinen Lage im Land festgestellt, dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner wie immer gearteten asylrelevanten Verfolgung oder sonstigen existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein wird.

2. Beweiswürdigung:

Der unter I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes. Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, zu seinen Lebensumständen, seinem Gesundheitszustand, seiner Einreise und seinem Aufenthalt ergeben sich aus dem unstrittigen Akteninhalt, speziell dem bekämpften Bescheid, der Stellungnahme des Beschwerdeführers (AS 9 f) sowie der Einvernahme seiner Gattin (AS 35 ff) und dem Urteil des Strafgerichts (AS 19 ff).

Die Feststellungen zur Eheschließung des Beschwerdeführers, zu seinem gemeinsamen Wohnsitz mit seiner Gattin und deren zwei Kindern und seiner fehlenden Integration in sozialer, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht in Österreich ergeben sich aus den im Verwaltungsakt befindlichen Dokumenten, den Angaben des Beschwerdeführers sowie Auszügen aus dem zentralen Melderegister

(ZMR).

Das Datum und das Bundesland der Eheschließung wurden dem Registerstand des ZMR entnommen, wo beides für beide Ehegatten identisch ist und mit den Angaben der Ehefrau (AS 36) sowie mit der im ZMR vermerkten gemeinsamen Wohnsitzanmeldung harmoniert. Bei der abweichenden Jahresangabe des Beschwerdeführers (AS 9) wird es sich daher wohl um einen Fehler handeln.

Der Tathergang der Suchtgiftdelikte war dem Urteil des Strafgerichts zu entnehmen, was ebenso für die Gründe der Strafbemessung gilt. Die Gesundheit und Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers wurden nie bestritten und können auch aus seiner Angabe abgeleitet werden, dass er bedaure, wegen fehlender Arbeitserlaubnis keiner ordentlichen Arbeit nachgehen gekonnt zu haben (AS 9).

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) (Abweisung der Beschwerde)

3.1. Zum Aufenthaltsverbot (Spruchpunkt I)

Der Beschwerdeführer ist seit seiner Heirat begünstigter Drittstaatsangehöriger. Nach § 67 Abs. 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen begünstigte Drittstaatsangehörige zulässig, das nach Abs. 2 grundsätzlich bis zu zehn Jahre dauern darf, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein reichen nicht ohne weiteres hin, und vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig.

Bei der Stellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 67 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist.

Dann ist abzuwägen, ob das Allgemeininteresse an der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes schwerer wiegt als andere Momente, wie etwa auch das Privat- und Familienleben des Betroffenen.

Der Beschwerdeführer wurde einmal nach dem SMG verurteilt, allerdings wegen zweier Verbrechen. Er hat bei den Straftaten nicht nur das Fünfundzwanzigfache der Grenzmengen an Kokain angeboten und weitergegeben, sondern jeweils mehr als das Fünfzigfache, nämlich gerundet je ein Kilogramm Kokain.

Aus dem Gerichtsurteil ergibt sich, dass der Beschwerdeführer vor den Taten bereits Suchtgift konsumierte und Kontakt mit einer im Drogenhandel bewanderten Person hatte (AS 25).

Aus Ersterem folgt, dass der Beschwerdeführer auch vor den bestraften Taten bereits Suchtgift erworben und besessen haben muss, sodass er auch früher bereits tatbestandsmäßig nach dem SMG gehandelt hat, sei es nun dem Tatbild eines Vergehens entsprechend, oder jenem eines Verbrechens.

Aus dem unerlaubten Verhalten in Bezug auf Suchtgifte, ob Gegenstand des Strafurteils oder nicht, lässt sich ablesen, dass der Beschwerdeführer die rechtlich geschützten Werte nicht ausreichend verinnerlicht hat, woraus sozial inadäquates Verhalten folgte. Dazu kommt, dass bereits mit der ersten Verurteilung der Tatbestand des § 53 Abs. 3 Z. 1 FPG erfüllt wurde, weil die unbedingte Freiheitsstrafe drei Monate erreichte, was für sich allein schon induziert, dass der Aufenthalt sogar eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt, umso mehr als die Dauer der Freiheitsstrafe mit 30 Monaten das Zehnfache beträgt.

Wenn in der Beschwerde geltend gemacht wird, dass es sich "um eine einmalige Sache" gehandelt habe, ist daran zu erinnern, dass der Beschwerdeführer wegen zweier Drogendelikte, sogar wegen zweier Verbrechen, verurteilt wurde, zwischen denen auch mehrere Tage vergingen, und die erst durch seinen Kontakt zu einer einschlägig tätigen Person möglich waren.

Ein allfälliger Gesinnungswandel eines Straftäters ist in erster Linie daran zu messen, innerhalb welchen Zeitraumes er sich nach der Entlassung aus der Strafhaft in Freiheit wohlverhalten hat. Der Beschwerdeführer wurde erst am 19.07.2017 verurteilt und wird die Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten erst noch bis zur allfälligen bedingten Entlassung abzubüßen haben.

Aufgrund dessen ist von einem Wegfall oder einer erheblichen Minderung der Gefährdung nicht auszugehen, weshalb auch die Gegenwärtigkeit der Gefährdung der öffentlichen Interessen an einer Verhinderung von Suchtgiftdelikten gegeben ist.

Mit der Verhängung des Aufenthaltsverbotes ist unzweifelhaft in Hinblick auf seine im Bundesgebiet lebende Ehegattin und deren ebenfalls hier lebenden Kinder ein Eingriff in das Familienleben verbunden. Die familiären und privaten Beziehungen des Beschwerdeführers im Bundesgebiet haben jedoch durch die von ihm begangenen Delikte auch eine ganz erhebliche Beeinträchtigung erfahren, zumal er ihretwegen bereits mehr als ein Jahr in Haft verbracht hat.

Im Lichte des Art. 8 EMRK ist zu berücksichtigen, dass der Aufenthalt des volljährigen und gesunden Beschwerdeführers im Bundesgebiet seit seiner Einreise angeblich 2014 durch mehrere Perioden ohne gemeldeten Wohnsitz gekennzeichnet ist. Der Beschwerdeführer hat demnach entweder diesbezüglich kontrafaktische Angaben gemacht oder gegen melderechtliche Vorschriften verstoßen, was beides in der Gewichtung der Interessen gegen ihn lastet.

Der Beschwerdeführer war während seines Aufenthalts nicht erwerbstätig und hat versucht, sich seinen Lebensunterhalt zumindest auch durch Drogendelikte zu finanzieren.

Auch wenn der Beschwerdeführer betont, in Österreich bleiben zu wollen, weil er hier seine Frau und eine enge Beziehung zu deren Kindern habe, hat ihn nichts davon abgehalten, strafbare Handlungen zu begehen, für die er zur Freiheitsstrafe verurteilt worden ist. Er nahm dadurch in Kauf, ein Zusammenleben mit seiner Ehefrau und deren Kindern zu verunmöglichen. Mangels beruflicher Integrationsbemühungen ist dem Beschwerdeführer auch kein Interesse anzumerken, zu seinem Unterhalt beizutragen. Von einer sprachlichen, sozialen und beruflichen Verwurzelung in Österreich kann somit nicht ausgegangen werden.

Während somit seine Integration in Österreich als geringfügig und kaum vorhanden einzustufen ist, bestehen Bindungen zu seinem Herkunftsstaat, zumal dort seine Eltern und Geschwister leben. Von einer mittlerweile eingetretenen vollständigen "Entwurzelung" vom Herkunftsstaat kann nicht gesprochen werden, zumal der Beschwerdeführer den Großteil seines bisherigen Lebens dort verbrachte, dort aufgewachsen ist und dort seine Sozialisierung erfahren hat. Auch wenn die wirtschaftliche Lage dort nicht mit jener in Österreich verglichen werden kann, werden dem Beschwerdeführer nach der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat eine Wiedereingliederung in die Gesellschaft und das existenzielle Fortkommen gelingen.

Nach dem bisherigen gemeinsamen Vorleben der Ehegatten in den zwei Jahren seit ihrer Hochzeit als aus mehreren Staaten eingereiste Fremde, erscheint es nicht abwegig, dass diese ihr Familienleben in Algerien oder Ungarn oder auch in Frankreich fortsetzen, wo die Tante und der Onkel des Beschwerdeführers leben, zumal das Aufenthaltsverbot die Erteilung eines Aufenthaltstitels z. B. durch Frankreich nicht hindert. Es ist für den Beschwerdeführer, der keinerlei berufliche oder gesellschaftliche Verpflichtungen in Österreich hat, unter dem Aspekt des Art. 8 EMRK kein relevanter Unterschied, ob er weiterhin in Österreich lebt oder das Familienleben in Frankreich weiterführt. Ein gemeinsames Weiterleben im Ausland wäre auch den zuletzt (bei der Einvernahme der Gattin) 2 und 3 Jahre alten Kindern zumutbar. Sie sind in einem anpassungsfähigen Alter, und ihre Mutter als deren Sorgeberechtigte hat selbst die Variante einer Begleitung ihres Gatten als wahrscheinlich bezeichnet.

Ein Eingriff in das Privatleben- und Familienleben des Beschwerdeführers durch ein Aufenthaltsverbot ist nach den festgestellten Umständen als im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK verhältnismäßig anzusehen. Die im vorliegenden Beschwerdefall vorzunehmende Interessenabwägung schlägt zu Lasten des Beschwerdeführers und zugunsten des öffentlichen Interesses an seiner Außerlandesschaffung aus. Konkret ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen ihn zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit in der vom BFA festgelegten Dauer von zehn Jahren geboten, um ihn von der Begehung weiterer Straftaten in Österreich abzuhalten.

Bei Abwägung der genannten gegenläufigen Interessen kann die damit Auffassung des BFA, dass die Erlassung eines Aufenthaltsverbots zum Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen durch den Beschwerdeführer sowie zum Schutz der Rechte und Gesundheit anderer, somit zur Erreichung von im Art. 8 EMRK genannten Zielen, dringend geboten sei und die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der von dessen Nicht-Erlassung nicht als rechtswidrig angesehen werden

Die Beschwerde war daher betreffend den Spruchpunkt I abzuweisen.

3.2 Zum Durchsetzungsaufschub

Gemäß § 70 Abs. 3 FPG ist EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaats-angehörigen bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich.

Der Verwaltungsgerichtshof hat zum Durchsetzungsaufschub und zur aufschiebenden Wirkung ausgeführt, dass gesondert zu begründen ist, inwieweit die sofortige Ausreise des Beschwerdeführers geboten sein soll. Die auf die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung Bezug nehmenden Überlegungen, die schon bei der Entscheidung über die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes anzustellen sind, vermögen die Begründung für die Versagung eines Durchsetzungsaufschubes nicht zu ersetzen (VwGH vom 21.11.2006, 2006/21/0171 mwH).

Die Beschwerde lässt offen, warum sie sich gegen den gesamten Bescheid wendet, und damit auch gegen diesen Spruchpunkt, und wodurch der Beschwerdeführer damit beschwert sein sollte.

Auch haben sich im Beschwerdeverfahren keine Hinweise ergeben, dass entgegen der Ansicht des BFA die sofortige Ausreise des Beschwerdeführers im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich wäre.

Die Beschwerde war daher auch betreffend diesen Spruchpunkt abzuweisen.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung zur Relevanz des Privat- und Familienlebens oder zur ganzheitlichen Verhaltensbeurteilung bei der Verhängung und Bemessung von Aufenthaltsverboten.

Die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage(n) kamen nicht hervor.

4. Zum Unterbleiben einer Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

Eine mündliche Verhandlung kann unterbleiben, wenn der für die rechtliche Beurteilung relevante Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist.

Außerdem muss die Verwaltungsbehörde ihre die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Gericht diese tragenden Erwägungen in seiner Entscheidung teilen. Auch darf im Rahmen der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht zu bleiben hat, wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt.

Die genannten Kriterien treffen in diesem Fall zu. Der Sachverhalt ist durch die belangte Behörde vollständig erhoben und weist - aufgrund des Umstandes, dass zwischen der Entscheidung durch die belangte Behörde und jener durch das Gericht rund sechseinhalb Monate liegen, die der Beschwerdeführer in Haft verbracht hat - die gebotene Aktualität auf. Der Beweiswürdigung durch die belangte Behörde hat sich das Gericht zur Gänze angeschlossen.

Das Gericht musste sich auch keinen persönlicher Eindruck vom Beschwerdeführer verschaffen, da es sich um einen eindeutigen Fall in dem Sinne handelt, dass auch bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn der persönliche Eindruck ein positiver ist (vgl. VwGH 18.10.2017, Ra 2017/19/0422 mwH).

Die Abhaltung einer Verhandlung konnte demnach unterbleiben.

Schlagworte

Aufenthaltsverbot, begünstigte Drittstaatsangehörige, Ehe,
EU-Bürger, Gefährdungsprognose, öffentliches Interesse,
strafrechtliche Verurteilung, Suchtgifthandel, Verbrechen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:I419.2173103.1.00

Zuletzt aktualisiert am

20.04.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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