TE Vwgh Erkenntnis 2000/3/27 99/10/0254

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Veröffentlicht am 27.03.2000
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
82/04 Apotheken Arzneimittel;

Norm

ApG 1907 §10 Abs2 Z3;
ApG 1907 §10 Abs4 idF 1990/362;
ApG 1907 §10 Abs4;
ApG 1907 §10 Abs5 idF 1998/I/053;
AVG §58 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Killian, über die Beschwerde des Mag. pharm. F in Innsbruck, vertreten durch Mag. Martin Steinlechner, Rechtsanwalt in Innsbruck, Bürgerstraße 20/II, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 8. November 1999, Zl. 262.371/1-VIII/A/4/99, betreffend Apothekenkonzession (mitbeteiligte Partei: Mag. pharm. E in Innsbruck, vertreten durch Dr. Hansjörg Schweinester, Dr. Paul Delazer und Dr. Rudolf Kathrein, Rechtsanwälte in Innsbruck, Adolf-Pichler-Platz 12), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die mitbeteiligte Partei des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens beantragte beim Landeshauptmann von Tirol (LH) die Erteilung der Konzession für eine neue öffentliche Apotheke in Innsbruck mit der Betriebsstätte Kaiserjägerstraße 1.

Nachdem der LH dieses Ansuchen kundgemacht hatte, erhoben mehrere Inhaber bestehender Apotheken, darunter der Beschwerdeführer, der Inhaber der Stadtapotheke, Einspruch. Er machte geltend, die geplante Betriebsstätte der neuen öffentlichen Apotheke sei von der Betriebsstätte seiner öffentlichen Apotheke weniger als 500 m entfernt. Außerdem weise Innsbruck eine außerordentlich hohe Apothekendichte auf; durch die Errichtung der geplanten neuen Apotheke würde die Zahl der von der Apotheke des Beschwerdeführers zu versorgenden Personen nicht nur weit unter

5.500 sinken, sondern auch zu einer akuten Existenzgefährdung dieser Apotheke führen.

Der LH holte ein Gutachten der österreichischen Apothekerkammer zur Bedarfsfrage ein.

Die Apothekerkammer befasste sich in ihrem Gutachten vom 22. September 1998 lediglich mit der Apotheke "Zum Tiroler Adler", nicht aber mit der Apotheke des Beschwerdeführers. Sie verneinte den Bedarf nach einer neuen öffentlichen Apotheke mit der Begründung, nach der Errichtung der geplanten Apotheke der mitbeteiligten Partei verblieben der Apotheke "Zum Tiroler Adler" nur mehr 2.716 zu versorgende Personen.

Die mitbeteiligte Partei erklärte in ihrer Stellungnahme dieses Gutachten für falsch und begründete dies mit den näher angeführten Jahresumsätzen der in Betracht kommenden Apotheken, wobei sie den Jahresumsatz der Apotheke des Beschwerdeführers mit 20 Millionen S angab.

Der Beschwerdeführer bemängelte in seiner Stellungnahme, dass im Gutachten der Österreichischen Apothekerkammer nicht auf seine Apotheke eingegangen werde. Es müssten die von seiner Apotheke aus zu versorgenden Personen ermittelt und die entsprechenden Zählsprengel ausgewiesen werden. Bei dieser Ermittlung sei auch zu berücksichtigen, dass sich das Einzugsgebiet der benachbarten Apotheken mit dem Einzugsgebiet der aus der Apotheke des Beschwerdeführers zu versorgenden Personen überschneide. Es seien daher bei der Ermittlung der zu versorgenden Personen unter Heranziehung eines Umkreises von 4 Straßenkilometern entsprechende Abschläge zu machen. Die Apotheke des Beschwerdeführers, die sich in der Fussgängerzone befinde, sei in diesem Zusammenhang auch dadurch benachteiligt, dass sie für den Großteil des Tages mit einem Privat-PKW oder öffentlichen Verkehrsmittel gar nicht zu erreichen sei. Eine entsprechende Untersuchung unter Berücksichtigung der verkehrstechnischen Besonderheiten werde klar ergeben, dass bezüglich der Apotheke des Beschwerdeführers nicht nur das geforderte Mindestpotential an zu versorgender Wohnbevölkerung eklatant unterschritten werde, sondern bei Bewilligung der beantragten neuen Apotheke auch eine akute Existenzgefährdung gegeben sei. Es hätte für jede bereits bestehende Apotheke ein 4 km-Polygon ermittelt werden müssen und es wäre darzutun gewesen, ob die dort wohnhaften Personen auf Grund der gegebenen Umstände aus den bestehenden öffentlichen Apotheken weiter zu versorgen sein werden bzw. wie viele Personen auf Grund der örtlichen Verhältnisse zur neuen Apotheke tendieren würden. Es seien auch Ermittlungen im Sinne des § 10 Abs. 5 des Apothekengesetzes (ApG) durchgeführt worden. Der Magistrat der Stadt Innsbruck habe zwar mitgeteilt, dass die geplante neue Apotheke im geplanten SOWI-Fakultätsgebäude untergebracht werden solle. Es werde aber nicht gesagt, wann dort der Lehrbetrieb aufgenommen werde. Bei Heranziehung der Bediensteten der Universität wie der Hörer sei auf die besonderen Lebensverhältnisse dieser Personen Rücksicht zu nehmen, insbesondere darauf, dass der Universitätsbetrieb maximal sieben Monate im Jahr stattfinde. Auch sei in Erwägung zu ziehen, dass die Universität für die genannten Personengruppen die Stätte der Berufsausübung darstelle. Sowohl Lehrpersonal als auch Studenten würden im Krankheitsfall nicht an der Universität anwesend sein, sondern an teilweise weit entfernten Wohnorten.

Mit Bescheid vom 3. November 1998 erteilte der LH der mitbeteiligten Partei die beantragte Konzession zur Errichtung und zum Betrieb einer neuen öffentlichen Apotheke. Der Einspruch des Beschwerdeführers wurde abgewiesen.

In der Begründung setzte sich der LH zunächst mit der Frage der Entfernung zwischen der geplanten neuen Apotheke und den bestehenden Apotheken auseinander und kam zu dem Ergebnis, diese Entfernung betrage mehr als 500 m.

Im Anschluss daran führt der LH aus, die Betriebsstätte der geplanten neuen Apotheke sei in einem Büro- und Geschäftshaus mit Tiefgarage situiert. Dieses Büro- und Geschäftshaus sei südöstlich am Neubau der sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät auf dem Areal der ehemaligen Fenner-Kaserne, entlang der Kaiserjägerstraße bis zum Kreuzungsbereich Kaiserjägerstraße/Universitätsstraße hin, ausgeführt. Der Neubau der SOWI-Fakultät werde ein neues Zentrum in der Innenstadt von Innsbruck schaffen, sodass die Innenstadt dadurch eine wesentliche Belebung erfahre. Als entscheidungswesentlich im Zusammenhang mit der Bestimmung des § 10 Abs. 3 ApG sei festzuhalten, dass, obwohl es sich dabei um einen Innenstadtteil von Innsbruck handle und der Nahbereich der geplanten Apotheke ein verbautes Gebiet darstelle, diese Bauten jedoch primär historische Bauten oder touristische Einrichtungen seien und der Wohnbevölkerung eine nur sehr untergeordnete Bedeutung zukomme. Ausgehend von der unverbauten Fläche des Hofgartens sei gegenüber dem Eingangsbereich der SOWI-Fakultät bzw. dem Eingangsbereich der geplanten Universität die Bundespolizeidirektion mit dem anschießenden Gefangenenhaus in der Kapuzinergasse situiert. Die Kaiserjägerstraße bis zur Kreuzung Universitätsstraße werde zudem von der Kapuzinerkirche mit dem anschließenden Hotel "Schwarzer Adler" abgeschlossen. Die Universitätsstraße vor allem Richtung Altstadt (Apotheke des Beschwerdeführers) sei gekennzeichnet von dem Vorplatz zu den Stadtsälen, den Stadtsälen, einer Reihe von Büro- und Geschäftslokalen sowie auf der anderen Straßenseite der Hofkirche, dem Volkskundemuseums, der alten Universität, dem Karl-Ranner-Platz sowie der Jesuitenkirche und der alten Universitätsbibliothek samt Jesuitenkolleg. Auf Grund der örtlichen Lage könne ausgeschlossen werden, dass Einwohner aus dem Innenstadtbereich in Innsbruck im Hinblick auf die Versorgung mit Heilmitteln die geplante Apotheke in der Kaiserjägerstraße 1 aufsuchen würden. Es sei davon auszugehen, dass die geplante Apotheke vor allem von Verkehrspublikum, Studenten und Lehrkräften genutzt werde. Die Stadt-Apotheke des Beschwerdeführers in der Altstadt von Innsbruck sei umschlossen von historischen Gebäuden und grenze mit dem Durchgang von der Hofgasse zur Universitätsstraße unmittelbar an die historischen Gebäude der Universitätsstraße an. Auf Grund der dort vorhandenen historischen Bauten sei ein Abzug von Einwohnern nicht anzunehmen. Die der Stadt-Apotheke zuzurechnenden Einwohner seien vor allem im Altstadtbereich wohnhaft. Im Hinblick auf das Vorbringen der Stadt-Apotheke, der Behörde die Einschau in die Buchhaltungsunterlagen zu ermöglichen, um die Existenzgefährdung durch die geplante Apotheke nachweisen zu können, werde bemerkt, dass selbst unter der Voraussetzung, dass derzeit eine bestehende Apotheke nicht über den wünschenswerten (allenfalls notwendigen) Umsatz verfüge, der Gesetzgeber und auch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auf dieses Vorbringen nicht abstellten. Die Prüfung des Bedarfes sei lediglich im Rahmen des § 10 ApG vorgesehen und orientiere sich an der Zahl der weiterhin zu versorgenden Personen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung. Er machte geltend, die Entfernung zwischen geplanter neuer Apotheke und seiner bestehenden Apotheke betrage weniger als 500 m. Es sei auch nicht geprüft worden, wie viele Personen seiner Apotheke nach Eröffnung der neuen öffentlichen Apotheke noch als Versorgungspotential verblieben. Vor allem sei nicht beachtet worden, dass die Apotheke des Beschwerdeführers weitgehend auf so genanntes "Verkehrspublikum" im Sinne des § 10 Abs. 5 ApG angewiesen sei, welches durch die Neuerrichtung der Apotheke der mitbeteiligten Partei eine erhebliche Verringerung erfahren würde, sodass die Zahl der durch die bestehende Stadtapotheke weiterhin zu versorgenden Personen auf weit weniger als 5.500 absinken würde. Den Auftrag, Versorgungspotentiale zu ermitteln, habe der LH nicht erfüllt. Die Begründung stelle eine bloße Scheinbegründung dar, die nicht nachvollziehbar sei.

Die belangte Behörde forderte den Beschwerdeführer auf, die Umsätze seiner Apotheke, deren Personalstand und die Gebiete bekannt zu geben, in denen jene Personen wohnen, die in einem Monat in der Stadtapotheke Rezepte eingelöst haben.

Der Beschwerdeführer legte die Auswertung der im Monat März 1999 eingereichten Rezepte und Unterlagen hinsichtlich Umsätze und Personalstand bezüglich des Erhebungszeitraumes März 1999 sowie den Jahresabschluss für 1997 und eine Bestätigung hinsichtlich Kassen- und Privatumsatz für März 1999 vor.

Der Kassenumsatz März 1999 wurde wie folgt angegeben:

     Taxbetrag                634.393,00 S

     Rezeptgebühr             107.973,00 S

     Rezeptanzahl                    1.575

     Privatumsatz

     Netto                    778.437,42 S

Die Umsatzerlöse für das Jahr 1997 sind im Jahresabschluss (Gewinn- und Verlustrechnung) mit 12,597.764 S ausgewiesen.

In dem Schreiben, mit welchem der Beschwerdeführer diese Unterlagen vorlegte, führte er aus, im erhobenen Zeitraum seien insgesamt 1.737 Rezepte in der Stadtapotheke eingelöst worden. Zu dieser Zahl sei anzumerken, dass der Märzumsatz erfahrungsgemäß über dem Monatsdurchschnittsumsatz liege. Von den im Monat März eingelösten 1.737 Rezepten entfielen 1.393 auf im Gebiet der Stadt Innsbruck versorgte Personen, also rund 80 %. Von außerhalb des Stadtgebietes wohnhaften Personen seien 345 Rezepte eingelöst worden, also rund 20 %. Von den 1.392 Rezepten, die von Personen im Stadtgebiet Innsbruck eingelöst worden seien, seien lediglich 314, also rund 23 % aus dem Gebiet der Altstadt. Unter Bezugnahme auf die Gesamtzahl der eingelösten Rezepte von 1.737 entfalle ein Anteil von nur 18 % auf in der Altstadt wohnhafte Personen. Von den nicht auf die Altstadt entfallenden 1.078 Rezepten stammten 452 aus dem Gebiet nördlich des Inn, sohin ca. 42 %, aus dem Gebiet südöstlich des Inn bis zu den Bahngleisen 139, sohin 13 % und aus dem Gebiet östlich der Bahngleise 187, also ca. 17 %, insgesamt also 778 Rezepte oder ca. 72 %. Es sei nochmals darauf hinzuweisen, dass die Apotheke des Beschwerdeführers im Zentrum der Altstadt liege. Im Falle der Errichtung der beantragten neuen Apotheke würde der Beschwerdeführer im Hinblick auf die Erreichbarkeit mit privaten und öffentlichen Verkehrsmitteln jedenfalls zumindest die aus dem Gebiet um die geplante neue Apotheke stammenden 156 Rezepte verlieren, also ca. 15 % des Arzneimittelumsatzes. Damit gehe auch der von diesen Personen getätigte Privatumsatz verloren. Aber auch hinsichtlich der Wohnbevölkerung nördlich des Inn, die derzeit in der Apotheke des Beschwerdeführers Rezepte einlöse, sei anzunehmen, dass ein Teil dieser Personen in die Apotheke der mitbeteiligten Partei tendieren würde, da diese verkehrsmäßig leichter zu erreichen sei. Die Apotheke des Beschwerdeführers versorge bereits derzeit weniger als 5.500 Personen, was durch die Rezeptzählung erhärtet werde. Nach Auskunft der österreichischen Apothekerkammer entsprächen 5.500 zu versorgende Personen im Durchschnitt rund

2.500 Rezepten monatlich sowie einem Arzneimittelumsatz von etwa 16 bis 17 Millionen S pro Jahr. Die österreichische durchschnittliche "Medianapotheke" werde 1998 einen Arzneimittelumsatz von etwa 18 bis 19 Millionen S erzielen. Der durchschnittlich jährliche Arzneimittelverbrauch werde 1998/1999 bei rund S 3.200,-- liegen.

Für die Apotheke des Beschwerdeführers ergebe sich daraus Folgendes:

Der Apothekenumsatz des Beschwerdeführers für 1997 habe laut der letzten fertig gestellten Bilanz rund 12,6 Millionen S betragen. Davon seien 43 % Kassenumsatz, 54 % Privatumsatz, davon rund 5 % auch begünstigte Bezieher sowie rund 20 % Nichtarzneimittel, weiters rund 3 % "Sonderumsätze" an gleichfalls begünstigte Anstalten mit Sondernachlässen. Der reine Arzneimittelumsatz habe somit 1997 rund 11,2 Millionen S betragen, also weit unter dem Versorgungspotential von 5.500 Personen entsprechend dem österreichischen "Medianumsatz". Noch drastischer werde die Situation, wenn man die Auskunft der Österreichischen Apothekerkammer der Berechnung zugrunde lege, wonach nämlich 5.500 zu versorgende Personen im Durchschnitt rund 2.500 Rezepte monatlich ergäben. Diese Zahlen, umgelegt auf die Zahl der eingelösten Rezepte für März 1999 von 1.737 errechne für die Apotheke des Beschwerdeführers ein Versorgungspotential von deutlich unter 4.000 Personen. Auf Grund dieser Zahlen sei evident, dass die Zahl der von der Betriebsstätte der Apotheke des Beschwerdeführers aus zu versorgenden Personen bereits derzeit weniger als 5.500 betrage und es sei auch nicht ernsthaft daran zu zweifeln, dass sie durch die beantragte Neuerrichtung erheblich verringert würde.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 8. November 1999 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers ab.

In der Begründung heißt es nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens - soweit für das verwaltungsgerichtliche Verfahren von Bedeutung - Messungen hätten ergeben, dass die Entfernung zwischen der künftigen Betriebsstätte und der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke und den Betriebsstätten der nächst gelegenen bestehenden öffentlichen Apotheken mehr als 500 m betrage. Die Voraussetzung des § 10 Abs. 2 Z. 2 ApG sei somit erfüllt. Hinsichtlich der Voraussetzung des § 10 Abs. 2 Z. 3 leg. cit. sei Folgendes zu beachten:

Wie bereits der LH in seinem Bescheid ausgeführt habe, solle die beantragte Apotheke in einem Gebiet der Landeshauptstadt Innsbruck eröffnet werden, welches in unmittelbarer Nähe über wenige Wohngebäude verfüge. Die Zahl der Einwohner, die unmittelbar Vorteile aus der neuen Apotheke ziehen würden, sei sehr gering, nämlich nur etwa 820 Personen der Zählsprengel 020, 021 und 060. Das Wohngebiet dieser Personen sei bisher zum Teil von der Apotheke "Zum Tiroler Adler" versorgt worden, wenn nicht andere Präferenzen maßgeblich gewesen seien. Was die Apotheke des Beschwerdeführers anlange, so ergebe sich aus der Hochrechnung unter Zugrundelegung des Märzumsatzes 1999 ein Jahresumsatz von mehr 18 Millionen S. Auch wenn der März sich umsatzmäßig etwas besser auswirken sollte, fielen doch andere Monate nicht so ab, dass bei der Stadtapotheke ein Umsatz von weniger als 17,5 Millionen S für 1999 erwartet werden müsste. Erfahrungsgemäß überstiegen die Dezemberumsätze die Märzumsätze bei weitem. Bei dem in Österreich für 1998 errechneten pro-Kopf-Arzneimittelverbrauch von 3.164 S entsprächen einem Umsatz von 17,4 Millionen S 5.500 mit Arzneimitteln versorgte Personen. Im Verfahren entscheidend für die Beurteilung, ob der Betrieb einer neuen öffentlichen Apotheke in der Kaiserjägerstraße die Stadtapotheke beeinflussen werde, sei allerdings die vom Beschwerdeführer berichtete Streuung der Rezepte über das ganze Stadtgebiet von Innsbruck. Die in unmittelbarer Umgebung um die Stadtapotheke ständig wohnenden Personen erreichten nur die Zahl 1.513. Nach diesem Bericht lösten auch jene Bewohner Innsbrucks Rezepte in der Stadtapotheke, die mehrere andere wesentlich näher gelegene Apotheken zur Besorgung von Arzneimitteln zur Verfügung hätten. Trotz des Bestehens der Saggen-Apotheke in der Claudiastraße hätten im März 1999 z.B. 49 Personen aus dem unmittelbaren Umfeld der Saggen-Apotheke Rezepte in der Apotheke des Beschwerdeführers eingelöst. Daraus müsse der Schluss gezogen werden, dass auch jene 22 Personen, die in der Kaiserjägerstraße und Kapuzinergasse wohnten und z.B. im März Rezepte zur Stadtapotheke gebracht hätten, in Zukunft weiter die Apotheke des Beschwerdeführers der neuen Apotheke vorziehen würden. Gründe dafür gebe es viele. Es könnte sich z.B. um Bedienstete der Tiroler Landesregierung handeln, die die Apotheke in der Nähe des Büros aufsuchten. Jedenfalls könne die belangte Behörde aus der Tatsache, dass in die Stadtapotheke Einwohner aus dem gesamten Innsbrucker Stadtgebiet kämen, nicht den Schluss ziehen, dass nach Eröffnung einer neuen Apotheke in der Kaiserjägerstraße die Kundenzahl der Stadtapotheke in relevantem Ausmaß sinken würde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Beschwerdeführer bringt vor, die belangte Behörde habe den Umsatz seiner Apotheke völlig unrichtig ermittelt. Außer Acht gelassen worden sei, dass der Umsatz im Jahr 1997 ausweislich der Bilanz nur 12,6 Millionen S betragen habe. Die belangte Behörde gehe im angefochtenen Bescheid selbst davon aus, dass ein Jahresumsatz von 17,5 Millionen S die kritische Grenze bilde. Die belangte Behörde habe ausschließlich an Hand des Schreibens der Steuerberaterin des Beschwerdeführers, welche sich auf die Buchhaltung von März 1999 beziehe, eine Hochrechnung angestellt und ausschließlich auf dieser Basis - ohne Abstimmung mit den vorliegenden und angebotenen realen Jahresumsatzzahlen - einen hypothetischen Jahresumsatz von mehr als 18 Millionen S ermittelt. Überdies sei das Schreiben der Steuerberaterin inhaltlich unrichtig gewesen, da die Rezeptgebühren mehrfach berücksichtigt und auch der Nachlass beim Taxbetrag der Krankenkasse nicht berücksichtigt worden sei, da sich nach Berichtigung entsprechend dem Schreiben der Steuerberaterin vom 19. November 1999 ein Gesamtumsatz für März 1999 in Höhe von S 1,283.520,-- errechne, woraus sich selbst unter der unzutreffenden Annahme, dass dieser Umsatz durchschnittlich auch in allen anderen Monaten erreicht würde, ein Jahresumsatz von rund S 15,402.236,-- ergebe. Tatsächlich habe aber der gesamte Apothekenumsatz 1997 einschließlich Nebenumsätzen lediglich rund 12,6 Millionen S betragen, 1998 rund 13,3 Millionen S. Da trotz mehrfacher Anregungen die Einvernahme des Beschwerdeführers als Partei nicht durchgeführt und die fehlerhafte Berücksichtigung des Märzumsatzes 1999 auch nicht bekannt gegeben worden sei, sei es nicht möglich gewesen, die Unrichtigkeit im Schreiben der Steuerberaterin vom 27. April 1999 früher zu erkennen. Der belangten Behörde hätte aber schon auf Grund des Jahresabschlusses 1997 auffallen müssen, dass der aus der Hochrechnung des Märzumsatzes fehlerhaft ermittelte vermutliche Jahresumsatz 1999 so erheblich über einem hoch gerechneten Jahresumsatz 1997 gelegen wäre, dass weitere Ermittlungen nicht hätten unterlassen werden dürfen. Die vom Gesetz geforderte Bedarfsprüfung habe die belangte Behörde überhaupt nicht durchgeführt. Nach § 10 ApG sei eine auf entsprechende Ermittlungsergebnisse gestützte prognostische Zuordnung konkreter Kundenpotentiale zu den beteiligten Apotheken vorzunehmen. Dies sei nicht geschehen. Rückschlüsse aus einer einmonatigen Rezeptzählung und die daran anknüpfende Kundenzuordnung seien nicht repräsentativ. Insbesondere sei bei der Zuordnung des Kundenpotentials auf die verkehrsmäßige Erschließung der bestehenden Apotheken Rücksicht zu nehmen. Dieser Umstand sei von der belangten Behörde überhaupt nicht berücksichtigt worden. Der Beschwerdeführer habe mehrfach darauf hingewiesen, dass seine Apotheke im Zentrum einer Fußgängerzone liege, während die beantragte neue Apotheke sowohl mit öffentlichen als auch mit privaten Verkehrsmitteln erreichbar sei und dass für private Pkws sogar eine Tiefgarage zur Verfügung stehe. Es sei daher offensichtlich, dass Verkehrspublikum wie auch Wohnsitzbevölkerung von der bestehenden Apotheke des Beschwerdeführers in die Apotheke der mitbeteiligten Partei wechseln werde. Dies insbesondere auch deshalb, da durch die unter den Räumen der beantragten neuen Apotheke gelegene öffentliche Tiefgarage der in Innsbruck herrschenden notorischen Parkraumnot und den bestehenden Kurzparkzonen ausgewichen werden könne.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 10 ApG lautet auszugsweise:

"(1) Die Konzession für eine neu zu errichtende öffentliche Apotheke ist zu erteilen, wenn

1. in der Gemeinde des Standortes der öffentlichen Apotheke ein Arzt seinen ständigen Berufssitz hat und

2. ein Bedarf an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke besteht.

(2) Ein Bedarf besteht nicht, wenn

1.

(aufgehoben)

2.

die Entfernung zwischen der künftigen Betriebsstätte der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke und der Betriebsstätte der nächst gelegenen bestehenden öffentlichen Apotheke weniger als 500 m beträgt oder

              3.              die Zahl der von der Betriebsstätte einer der umliegenden bestehenden öffentlichen Apotheken aus weiterhin zu versorgenden Personen sich infolge der Neuerrichtung verringert und weniger als

5.500 betragen wird.

...

(4) Zu versorgende Personen gemäß Abs. 2 Z. 3 sind die ständigen Einwohner aus einem Umkreis von vier Straßenkilometern von der Betriebsstätte der bestehenden öffentlichen Apotheke, die auf Grund der örtlichen Verhältnisse aus dieser bestehenden öffentlichen Apotheke weiterhin zu versorgen sein werden.

(5) Beträgt die Zahl der ständigen Einwohner im Sinne des Abs. 4 weniger als 5.500, so sind die auf Grund der Beschäftigung, der Inanspruchnahme von Einrichtungen und des Verkehrs in diesem Gebiet zu versorgenden Personen bei der Bedarfsfeststellung zu berücksichtigen.

...."

Bei der Bedarfsermittlung hat die Behörde festzustellen, wie viele der ständigen Einwohner im Umkreis von 4 km um die Betriebsstätte der bestehenden öffentlichen Apotheke(n) nach Errichtung der geplanten Apotheke ihren Arzneimittelbedarf auf Grund der örtlichen Verhältnisse voraussichtlich weiterhin aus der (den) bestehenden öffentlichen Apotheke(n) decken werden. Diese unter dem Gesichtspunkt der leichteren Erreichbarkeit vorzunehmende Zuordnung hat in erster Linie an Hand der Straßenentfernungen zu der (den) bestehenden öffentlichen Apotheke(n) im Vergleich zur beantragten Apotheke zu erfolgen. Ergibt sich für eine bestehende öffentliche Apotheke die kritische Zahl zu versorgender Personen nicht schon aus den ständigen Einwohnern des 4-km Umkreises, so ist weiter zu prüfen, ob diese Zahl unter Berücksichtigung der auf Grund der Beschäftigung, der Inanspruchnahme von Einrichtungen und des Verkehrs in diesem Gebiet weiterhin zu versorgenden Personen erreicht wird. Das Ergebnis dieser Prüfung hat in einer auf entsprechende Erhebungen gestützten prognostischen Zuordnung konkreter Kundenpotentiale zu der (den) bestehenden Apotheke(n) zu bestehen.

Wohnt die zu versorgende Bevölkerung im 4-km-Umkreis zweier (oder mehrerer) Apotheken, so ist für die Zuordnung des Kundenpotentials zur einen oder anderen Apotheke nach dem Kriterium "örtliche Verhältnisse" im Sinne des § 10 Abs. 4 ApG in erster Linie die leichtere Erreichbarkeit ausschlaggebend, wobei es vor allem auf die zurück zu legende Entfernung unter Berücksichtigung der vorhandenen Verkehrsmöglichkeiten ankommt. Die Zuordnung der Wohnbevölkerung zu den in Betracht kommenden Apotheken hat sich im Überschneidungsbereich der 4-km-Polygone an einer gedachten, nach den Gesichtspunkten der räumlichen Nähe und Erreichbarkeit zu ziehenden örtlichen Trennlinie zu orientieren.

Eine der Voraussetzungen für eine dem Gesetz entsprechende Bedarfsfeststellung ist demnach die Ermittlung des 4-km-Umkreises der bestehenden Apotheke(n) und der ständigen Einwohner dieses Bereiches. Die Feststellung der Grenzen des 4-km-Polygons und der Zahl der innerhalb bzw. außerhalb desselben wohnenden Bevölkerung ist schon wegen der unterschiedlichen, im ersten Fall nach § 10 Abs. 4 ApG, im zweiten Fall nach § 10 Abs. 5 leg. cit. vorzunehmenden Zuordnung geboten (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. April 1999, 98/10/0426, und die dort angeführte Vorjudikatur).

Im Beschwerdefall haben weder die Erstbehörde noch die belangte Behörde Ermittlungen durchgeführt, die auf den Gesetzesauftrag des § 10 ApG zugeschnitten waren. Es wurde weder das 4-km-Polygon und die darin wohnhaften Einwohner und deren Zuordnung ermittelt, noch auch die Frage geprüft, welche "Einflutungserreger" im Sinne des § 10 Abs. 5 ApG vorhanden sind und für welche Apotheke(n) diese Einflutungserreger Bedarf erzeugen.

Die belangte Behörde hat sich darauf beschränkt, eine "Hochrechnung" des Jahresumsatzes der Apotheke des Beschwerdeführers vorzunehmen. Ausgehend von dieser "Hochrechnung" und der Annahme, dass ein Umsatz von 17,4 Millionen S 5.500 mit Arzneimitteln versorgten Personen entspricht, hat die belangte Behörde die Auffassung vertreten, es könne nicht davon ausgegangen werden, dass durch die Errichtung der neuen Apotheke der Umsatz der Apotheke des Beschwerdeführers auf weniger als 17,5 Millionen S absinke. Eine sachliche Basis für diese Annahme gibt es nicht. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass Umsatzkennziffern Hilfsmittel bei der Ermittlung des Versorgungspotentials darstellen können, auf die Zuordnung bestimmter Personenkreise bezogene Ermittlungen aber nicht entbehrlich machen (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Februar 1999, 98/10/0073, und vom 26. Februar 1996, 95/10/0041).

Davon abgesehen, beruht auch die "Hochrechnung" nicht auf ausreichenden Grundlagen.

Der Beschwerdeführer hat bei der Vorlage der von ihm geforderten Unterlagen auch den März-Umsatz des Jahres 1999 bekannt gegeben, gleichzeitig aber die Behauptung aufgestellt, dieser sei atypisch hoch. Dem begegnet die belangte Behörde mit dem Hinweis, "erfahrungsgemäß" überstiegen die Dezember-Umsätze die März-Umsätze bei weitem. Gelegenheit zur Stellungnahme zu ihrer "Hochrechnung" hat die belangte Behörde dem Beschwerdeführer nicht gegeben. Dies wäre aber schon deswegen geboten gewesen, weil die Gewinn- und Verlustrechnung 1997 einen Jahresumsatz von ca. 12 Millionen S auswies. Wenn nun die belangte Behörde - und sei es auch auf Grund der vom Beschwerdeführer selbst vorgelegten Daten eines einzelnen Monats aus dem Jahr 1999 - auf einen Jahresumsatz von über 18 Millionen S für das Jahr 1999 kam, dann hätte ihr auffallen müssen, dass hier eine Diskrepanz vorliegt, die sie in Verbindung mit dem Umstand, dass der Beschwerdeführer die Märzumsätze 1999 als atypisch hoch bezeichnet hat, zu einer nochmaligen Befassung des Beschwerdeführers hätte veranlassen müssen. Schon aus diesem Grund ist die "Hochrechnung" der belangten Behörde keine taugliche Basis für den angefochtenen Bescheid.

Vor allem aber fehlt jede nachvollziehbare Begründung dafür, warum durch die Errichtung der neuen öffentlichen Apotheke der Apotheke des Beschwerdeführers kein Kundenpotential verloren gehen sollte; eine Auseinandersetzung mit dem diesbezüglichen Vorbringen des Beschwerdeführers unterblieb.

Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 27. März 2000

Schlagworte

Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1999100254.X00

Im RIS seit

25.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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