Index
19/05 Menschenrechte;Norm
AsylG 2005 §55;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Samonig, über die Revision der X L in W, vertreten durch Mag. Alfons Umschaden, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Spiegelgasse 10, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 8. Jänner 2018, W154 2012543-1/8E, betreffend (insbesondere) Nichterteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005, Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Festsetzung der Ausreisefrist und Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin, eine 1965 geborene chinesische Staatsangehörige, stellte nach ihrer Einreise in das Bundesgebiet am 13. September 2009 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2 Das Bundesasylamt wies diesen Antrag mit Bescheid vom 28. April 2010 zur Gänze ab und verfügte die Ausweisung der Revisionswerberin in die Volksrepublik China. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Erkenntnis vom 25. Juni 2014, Asyl und subsidiären Schutz betreffend, als unbegründet ab. Im Übrigen verwies das BVwG "das Verfahren" gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) zurück.
3 Mit Bescheid vom 27. August 2014 sprach das BFA sodann aus, dass der Revisionswerberin Aufenthaltstitel gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 nicht erteilt werden. Unter einem wurde gegen die Revisionswerberin gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung "nach China" zulässig sei. Schließlich setzte das BFA die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.
4 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das BVwG nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 27. September 2017 mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 8. Jänner 2018 als unbegründet ab und sprach gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
5 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).
7 Diesbezüglich bringt die Revisionswerberin vor, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis u.a. auf VwGH 30.7.2015, Ra 2014/22/0055 bis 0058) komme bei der nach § 9 BFA-VG vorzunehmenden Interessenabwägung einem inländischen Aufenthalt von weniger als fünf Jahren noch keine maßgebliche Bedeutung zu. Demnach wäre aber die Dauer des Aufenthalts der Revisionswerberin in Österreich von mehr als acht Jahren "berücksichtigungswürdig", was das BVwG - so sind die weiteren Ausführungen zu verstehen - nicht beachtet habe und damit von der genannten Judikatur abgewichen sei. Im Übrigen habe das BVwG eine "falsche" Abwägung der im § 9 Abs. 2 BFA-VG genannten "Beurteilungsgründe" vorgenommen. Entgegen der Auffassung des BVwG würden die persönlichen Interessen der Revisionswerberin an einem Verbleib in Österreich die "nicht bestehende Gefährdung der öffentlichen Interessen" überwiegen. Die unbescholtene Revisionswerberin gefährde weder die öffentliche Ordnung und Sicherheit, noch bestehe angesichts ihrer Erwerbstätigkeit in einem Massagesalon mit ausreichendem Einkommen die Gefahr einer finanziellen Belastung für eine Gebietskörperschaft. Auf die genannten Umstände Bezug nehmend vertritt die Revisionswerberin sodann die Auffassung, sie erfülle die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 56 AsylG 2005. Das BVwG habe zwar zutreffend angenommen, dass die Voraussetzungen für eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemäß § 57 AsylG 2005 nicht vorlägen, jedoch wäre - so sind die Ausführungen in der Revision wohl zu verstehen - ein "Aufenthaltstitel in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen" gemäß § 56 AsylG 2005 oder ein "Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK" gemäß § 55 AsylG 2005 zu erteilen gewesen. In diesem Zusammenhang führt die Revisionswerberin noch weitere - vom BVwG auch festgestellte - integrationsbegründende Umstände (Nachweis von Deutschkenntnissen auf dem Niveau A 1, aufrechter telefonischer Kontakt zum ehemaligen österreichischen Lebensgefährten, mehrere österreichische Freunde, Aktivitäten in einem buddhistischen Verein) ins Treffen.
8 Dem ist zu erwidern, dass das BVwG - auch wenn die fallbezogenen Erwägungen eingehender hätten erfolgen können - doch auf alle von der Revisionswerberin relevierten Umstände ausreichend Bedacht nahm und insbesondere auch die lange Dauer des Inlandsaufenthalts berücksichtigte. Trotzdem musste das BVwG nicht von einem Überwiegen der persönlichen Interessen der Revisionswerberin an einem weiteren Verbleib in Österreich ausgehen, zumal sie sich bisher nur auf Basis eines unberechtigten Antrags auf internationalen Schutz in Österreich aufgehalten hatte. Im Übrigen durfte das BVwG bei der Gewichtung der für die Revisionswerberin sprechenden Umstände auch im Sinne des § 9 Abs. 2 Z 8 BFA-VG maßgeblich relativierend einbeziehen, dass sie sich (bereits nach Abweisung ihres Antrags auf internationalen Schutz durch das Bundesasylamt Ende April 2010) ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste. Im Übrigen wird auch in der Revision zugestanden, dass ein großes öffentliches Interesse an einem geordneten Fremdenwesen besteht. Das verlangt von Fremden aber grundsätzlich, dass sie nach negativer Erledigung ihres Antrags auf internationalen Schutz das Bundesgebiet wieder verlassen (vgl. etwa VwGH 26.6.2013, 2013/22/0138). Vor diesem Hintergrund erweist sich das vom BVwG nach mündlicher Verhandlung unter Gewinnung eines persönlichen Eindrucks von der Revisionswerberin erzielte Ergebnis der gemäß § 9 BFA-VG vorgenommenen Interessenabwägung zumindest als vertretbar (vgl. zu ähnlichen Konstellationen VwGH 30.8.2011, 2009/21/0204, mit dem Hinweis auf VwGH 5.7.2011, 2009/21/0156, und VwGH 21.12.2010, 2010/21/0214; siehe auch VwGH 22.12.2009, 2009/21/0068). Ist aber das Ergebnis der vom BVwG nach § 9 BFA-VG vorgenommenen Interessenabwägung vertretbar, so steht das nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Zulässigkeit einer (außerordentlichen) Revision in Bezug auf die Rückkehrentscheidung von vornherein entgegen (siehe dazu zahlreiche im Anschluss an VwGH 25.4.2014, Ro 2014/21/0033, ergangene Entscheidungen, aus der letzten Zeit etwa VwGH 14.11.2017, Ra 2017/21/0188, Rn. 11, mwN).
9 Soweit die Revisionswerberin wegen Vorliegens eines besonders berücksichtigungswürdigen Falles iSd § 56 AsylG 2005 die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach der genannten Bestimmung anspricht, ist ihr zu entgegnen, dass diesbezüglich im Rahmen des gegenständlichen Verfahrens - anders als gemäß § 58 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 betreffend den Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG 2005 - keine amtswegige Prüfung vorgesehen ist. Im Übrigen ergibt sich auch aus § 56 Abs. 1 AsylG 2005, dass der dort normierte Aufenthaltstitel nur auf Antrag zu erteilen ist. Auf eine solche Antragstellung ist die Revisionswerberin daher zu verweisen. Diesbezüglich ist die Rechtslage eindeutig, sodass die Klarstellung dieser Frage nicht zur Zulässigkeit der Revision führt (siehe etwa VwGH 30.6.2016, Ra 2016/21/0076, Rn. 11, mwN). Dass das (behauptete) Vorliegen der Bedingungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 56 AsylG 2005 für sich genommen nicht die Unverhältnismäßigkeit der Rückkehrentscheidung und damit gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 nach sich zieht, wurde in der Rechtsprechung im Übrigen auch bereits dargelegt (vgl. dazu neuerlich VwGH 30.6.2016, Ra 2016/21/0076, Rn. 11, mwN).
10 In der Revision werden somit insgesamt keine für den vorliegenden Fall maßgeblichen Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
Wien, am 15. März 2018
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018210034.L00Im RIS seit
20.04.2018Zuletzt aktualisiert am
04.05.2018