TE OGH 2018/2/27 2Ob64/17a

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Veröffentlicht am 27.02.2018
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Hon.-Prof. Dr. Lovrek als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Veith und Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé und den Hofrat Dr. Nowotny als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach F***** M***** verstorben am *****, zuletzt wohnhaft *****, über den Revisionsrekurs der I***** W*****, vertreten durch Dr. Bernhard Krump, Rechtsanwalt in Gössendorf, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 13. Dezember 2016, GZ 4 R 265/16v-93, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Graz-West vom 24. August 2016, GZ 213 A 257/14p-71, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Antrag auf Kostenersatz für die Revisionrekursbeantwortung wird abgewiesen.

Text

Begründung:

Das Erstgericht ordnete – soweit für das Revisionsrekursverfahren von Belang – die Einbeziehung eines näher bezeichneten, auf den Erblasser identifizierten Großbetragssparbuchs in das Inventar an, das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung mit der Maßgabe, dass es den auf Ausscheidung dieser Forderung gerichteten Antrag der Revisionsrekurswerberin – der erbantrittserklärten Tochter des Verstorbenen – abwies. Die Identifizierung des Verstorbenen nach den bankrechtlichen Vorschriften entfalte keine geringere Vermutung der Nachlasszugehörigkeit als die durch den Sachbesitz indizierte Vermutung, weshalb § 166 Abs 2 AußStrG anwendbar sei. Das Erstgericht habe der Rechtsmittelwerberin daher zu Recht den Auftrag erteilt, durch unbedenkliche Urkunden ihr behauptetes Eigentum an der Spareinlage nachzuweisen, und ihrem Antrag mangels solchen Nachweises zu Recht nicht stattgegeben.

Mangels höchstgerichtlicher Rechtsprechung zu dieser Frage ließ es den Revisionsrekurs zu.

Die Revisionsrekurswerberin möchte mit ihrem Revisionrekurs die Ausscheidung „des Sparbuchs“ aus dem Inventar erreichen und stellt hilfsweise einen Aufhebungsantrag.

Die erbantrittserklärte Enkelin des Verstorbenen beantragt in ihrer Revisionsrekursbeantwortung, den Rekurs zurückzuweisen; in eventu, ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig; er ist aber nicht berechtigt.

1. Die Revisionsrekurswerberin macht sowohl unter dem Aspekt der Mangelhaftigkeit des Verfahrens als auch der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend, dass sie nach § 166 Abs 2 AußStrG zur Widerlegung der Nachlasszugehörigkeit des Sparbuchs mittels unbedenklicher Urkunden aufgefordert worden sei. Die Vorlage des Sparbuchs und Nennung des Losungsworts durch sie sei ausreichend, um eine etwaige durch die Identifizierung indizierte Vermutung der Nachlasszugehörigkeit zu entkräften.

2. § 166 Abs 2 Satz 2 AußStrG stellt die Vermutung auf, dass eine Sache zum Verlassenschaftsvermögen gehört, wenn sie sich zuletzt im Besitz des Verstorbenen befand. Sie ist in diesem Fall nur dann aus dem Inventar auszuscheiden, wenn durch unbedenkliche Urkunden bewiesen wird, dass sie nicht zur Verlassenschaft gehört.

3. Bei Spareinlagen, deren Guthabensstand mindestens 15.000 EUR beträgt oder die auf den Namen des identifizierten Kunden lauten, darf das Kreditinstitut nach § 32 Abs 4 Z 2 BWG nur an den gemäß den Bestimmungen des FM-GWG (früher § 40 BWG) identifizierten Kunden ausbezahlen. Solche Forderungen werden durch Abtretung der verbrieften Forderung und nicht durch Übergabe des Wertpapiers nach sachenrechtlichen Grundsätzen übertragen (RIS-Justiz RS0010938).

4. In der Literatur vertreten Maurer/Schrott/
Schütz
(AußStrG neu [2006] § 166 Rz 2), dass Sparbücher, die sich im Todeszeitpunkt bei Dritten befinden, nicht zu inventarisieren sind, wobei aber offen bleibt, ob dies auch für Namenssparbücher gelten soll.

Nach Avancini (Auskünfte über Sparbücher im Verlassenschaftsverfahren, NZ 1985, 21, 23) sind Sparbücher – unabhängig davon, ob es sich um ein Inhaber- oder Namenssparbuch handelt – in das Inventar aufzunehmen, wenn das Sparguthaben (als Forderung) dem Erblasser im Zeitpunkt seines Todes zustand.

Welser (in Rummel/Lukas4 § 802 ABGB Rz 15) vertritt, dass Sparbücher zu inventarisieren sind, wenn der Erblasser das Sparbuch im Zeitpunkt des Todes besessen hat oder ihm die Forderung trotz des Verlustes des Sparbuchs zustand und nicht ersichtlich ist, dass ein Dritter die Forderung vor dem Tod des Erblassers gutgläubig erworben hat.

Nach Spruzina (in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 166 Rz 14) und Nemeth (in Schwimann/Kodek4 § 802 ABGB) sind Sparbücher, die auf den Erblasser lauten, in das Inventar aufzunehmen, während auf Überbringer lautende Sparbücher nur dann in das Inventar aufzunehmen sind, wenn sie sich im Nachlass befinden. Auch nach Verweijen (Verlassenschaftsverfahren2 [2017] 149) sind Sparbücher, die auf den Verstorbenen lauten oder auf ihn identifiziert wurden, grundsätzlich in das Inventar aufzunehmen.

Schweda (Das Verlassenschaftsinventar, EF-Z 2016, 187 und 247, 248) vertritt, dass vom Grundsatz, dass namentlich auf den Erblasser lautende Rektapapiere in das Inventar aufzunehmen sind, nur dann abzugehen ist, wenn das Rektapapier zwar (noch) auf den Erblasser lautet, aber bereits an einen Dritten zediert und übergeben und auch das guthabenführende Institut (in der Regel die Bank) hiervon verständigt wurde.

Im Ergebnis geht die ganz überwiegende Lehre also davon aus, dass Sparbücher, die auf den Erblasser lauten, unabhängig davon, wo sich das Sparbuch im Zeitpunkt des Todes des Erblassers befindet, in das Inventar aufzunehmen sind.

5. Dies entspricht auch der Absicht des Gesetzgebers, der in den Materialien zu § 166 AußStrG 2005 (RV 224 der Beilagen XXII. GP 108 f) darauf verweist, dass bei der Inventarisierung nicht darüber entschieden wird, ob eine Sache zum Verlassenschaftsvermögen gehört, sondern nur darüber, ob sie in das Inventar aufgenommen bzw aus diesem ausgeschieden wird. Der Besitz des Erblassers ist dafür aber nur eines von mehreren Indizien. Die Aufnahme in das Inventar soll daher auch in anderen Fällen möglich sein, in denen die Nachlasszugehörigkeit ebenso klar ist wie in den durch den Besitz indizierten Fällen (vgl 2 Ob 95/17k NZ 2017/142 [Schumacher] = EF-Z 2017/146 [Tschugguel]).

6. Die Identifizierung des Verstorbenen beim Bankinstitut ist aber ein ebenso starkes Indiz für seine Berechtigung in Bezug auf eine Spareinlage wie in sonstigen Fällen sein Besitz. Auf den Besitz (der Sparurkunde) kommt es in diesem Fall nicht an. Auch für solche, durch ein anderes Indiz als den Besitz dem Nachlass zuordenbare Sachen gilt aber die Intention des Gesetzgebers gleichermaßen, die Abhandlung nicht durch allzu komplizierte Eigentumsfragen zu verzögern. Auch in diesen Fällen ist daher § 166 Abs 2 AußStrG anzuwenden (vgl auch 6 Ob 5/13y).

7. Die Revisionsrekurswerberin konnte hier nicht urkundlich iSd § 166 Abs 2 Satz 2 AußStrG nachweisen, dass ihr die im Sparbuch verbriefte Forderung vom Erblasser wirksam übertragen wurde. Diese ist daher in das Inventar aufzunehmen. Auch die behauptete Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens liegt daher nicht vor.

8. Die Kostenentscheidung beruht auf § 185 AußStrG.

Textnummer

E121194

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0020OB00064.17A.0227.000

Im RIS seit

20.04.2018

Zuletzt aktualisiert am

10.12.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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