Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer als weitere Richter in der Familienrechtssache des Antragstellers R***** B*****, vertreten durch die GKP Gabl Kogler Leitner Stöglehner Bodingbauer Rechtsanwälte OG, Linz, gegen die Antragsgegnerin R***** B*****, vertreten durch die ANWALTGMBH Rinner Teuchtmann, Linz, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse nach den §§ 81 ff EheG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Rekursgericht vom 15. November 2017, GZ 15 R 484/17b-10, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Urfahr vom 28. September 2017, GZ 13 Fam 22/17v-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Der Antrag auf Zuspruch der Kosten der Revisionsrekursbeantwortung wird abgewiesen.
Text
Begründung:
Die Ehe der Streitteile wurde in den verbundenen Verfahren über die Klage und die Widerklage der Eheleute mit Urteil des zuständigen Bezirksgerichts vom 30. 3. 2016 aus gleichteiligem Verschulden geschieden, wiewohl beide Parteien die Scheidung aus dem überwiegenden bzw alleinigen Verschulden des anderen begehrt hatten. Während der Antragsteller das (jeweils) am 7. 4. 2016 zugestellte Urteil unbekämpft ließ, erhob die Antragsgegnerin Berufung und beantragte die Abänderung dahin, dass die Ehe aus dem alleinigen bzw überwiegenden Verschulden des Antragstellers geschieden werde; in eventu begehrte sie, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Rechtssache an das Gericht erster Instanz zurückzuverweisen, wobei sie sich in den Berufungsgründen nicht gegen den Scheidungsausspruch selbst, sondern nur gegen den Verschuldensausspruch wandte.
Der Antragsteller richtet sich mit seinem außerordentlichen Revisionrekurs gegen die vom Rekursgericht bestätigte Abweisung seines erst am 11. Juli 2017 eingebrachten Aufteilungsantrags als verfristet durch das Erstgericht.
Der Revisionsrekurs ist mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
1. Dass nach § 95 EheG der Anspruch auf Vermögensaufteilung erlischt, wenn er nicht binnen einem Jahr nach Eintritt der formellen Rechtskraft der Scheidung geltend gemacht wird (RIS-Justiz RS0041294; RS0057726 insbes [T7]; RS0110013 [T3, T5]), bezweifelt der Antragsteller gar nicht.
2. Er meint aber, durch die Berufung der Antragsgegnerin sei die formelle Rechtskraft der Scheidung nicht vor Zustellung des Berufungsurteils (bzw vor Ablauf der Frist zur Erhebung einer Revision) eingetreten. Dabei übersieht er, dass im Eheverfahren der Scheidungsausspruch in Rechtskraft erwachsen kann, ohne dass rechtskräftig über das Verschulden entschieden worden ist (RIS-Justiz RS0056846 [T7]). Es ist bei einer Scheidung aus Verschulden nur die Annahme (irgend-)eines – und damit nicht zwingend eines überwiegenden oder alleinigen Verschuldens – des Beklagten Voraussetzung für den Scheidungsausspruch. Im Fall von Klage und Widerklage trifft daher Präjudizialität des Verschuldens eines der Streitteile begrifflich nur dann zu, wenn noch kein Verschulden eines der Streitteile wenigstens teilweise rechtskräftig festgestellt ist (RIS-Justiz RS0056846).
3. Die Vorinstanzen interpretierten die Berufung der Antragsgegnerin so, dass sie damit nur den Ausspruch über das Verschulden bekämpfte. Wie aber das Vorbringen einer Partei in der Berufung auszulegen ist, bildet grundsätzlich eine nicht revisible Frage des Einzelfalls (RIS-Justiz RS0042828 [T16, T19, T24, T25, T42]; 8 Ob 62/10s = iFamZ 2011/40, 32 [Deixler-Hübner] zum Berufungsvorbringen). Der Antragsteller kann dazu auch keine im Einzelfall korrekturbedürftige Fehlbeurteilung aufzeigen:
Bei der nach objektiven Auslegungskriterien vorzunehmenden Prüfung des Anfechtungsumfangs ist der gesamte Inhalt des Rechtsmittels heranzuziehen (vgl RIS-Justiz RS0036653). Allerdings ist bei Divergenzen zwischen Anfechtungserklärung und Rechtsmittelantrag der Rechtsmittelantrag maßgeblich (RIS-Justiz RS0043624 [T1]).
Wenn der Antragsteller selbst zugesteht, dass die Antragsgegnerin in den Berufungsgründen bloß auf den Verschuldens-, nicht aber auf den Scheidungsausspruch Bezug nahm, kann er ein Abweichen der Vorinstanzen von den in der Rechtsprechung des Höchstgerichts zur Auslegung von Erklärungen in Rechtsmitteln entwickelten Grundsätzen nicht darlegen (vgl etwa die E 3 Ob 92/12v = SZ 2012/71 zum Eintritt der Teilrechtskraft beim Fehlen von inhaltlichen Ausführungen zu bestimmten Positionen). Der nur in eventu gestellte Aufhebungsantrag der Antragsgegnerin in ihrer Berufung bezog sich leicht erkennbar ebenso wie der (vorrangige) Abänderungsantrag nur auf den Verschuldensausspruch.
Ließ aber der Antragsteller das Scheidungsurteil unbekämpft, während sich die Antragsgegnerin mit ihrer Berufung nur dagegen wandte, dass (auch) sie ein (gleichgewichtiges) Verschulden an der Scheidung traf, stand das – jedenfalls anteilige – Verschulden des Antragsstellers schon unbekämpft fest und es erwuchs der Ausspruch über die Scheidung mit Ablauf der Berufungsfrist in formeller Rechtskraft.
4. Einer weitergehenden Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).
5. Die Revisionsrekursgegnerin hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen, weil eine Beantwortung vor ihrer Freistellung durch den Obersten Gerichtshof nicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung dient (§ 508a Abs 2 Satz 2 ZPO analog; RIS-Justiz RS0124792).
Textnummer
E121182European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2018:0010OB00007.18P.0227.000Im RIS seit
20.04.2018Zuletzt aktualisiert am
07.09.2018