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37/02 KreditwesenNorm
B-VG Art144 Abs1 / AnlassfallLeitsatz
Aufhebung des angefochtenen Beschlusses im AnlassfallSpruch
I. Die beschwerdeführende Gesellschaft ist durch den angefochtenen Beschluss wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in ihren Rechten verletzt worden.
Der Beschluss wird aufgehoben.
II. Der Bund (Bundesminister für Finanzen) ist schuldig, der beschwerdeführenden Gesellschaft zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 2.856,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe
1. Mit Bescheid vom 24. Februar 2017 forderte die Finanzmarktaufsichtsbehörde die beschwerdeführende Gesellschaft gemäß §22b Abs1 und §26a FMABG sowie §5 VVG unter Androhung einer Zwangsstrafe iHv € 10.000,– zur Vorlage näher bezeichneter Unterlagen in Bezug auf das Geschäftsmodell der beschwerdeführenden Gesellschaft auf. Die Finanzmarktaufsichtsbehörde begründete diese Aufforderung damit, dass der Verdacht einer konzessionslosen Ausübung eines Kapitalfinanzierungsgeschäftes iSd §1 Abs1 Z15 BWG durch die beschwerdeführende Gesellschaft bestehe und die Finanzmarktaufsichtsbehörde zur Klärung dieses Sachverhaltes ein Ermittlungsverfahren eingeleitet habe. Die beschwerdeführende Gesellschaft habe dabei mehrere Termine zur Vor-Ort-Einsichtnahme nicht wahrgenommen und der Geschäftsführer der beschwerdeführenden Gesellschaft einem Ladungsbescheid keine Folge geleistet.
2. Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Bundesverwaltungsgericht den Antrag der beschwerdeführenden Gesellschaft, der Beschwerde gegen den Bescheid der Finanzmarktaufsichtsbehörde vom 24. Februar 2017 die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, ab. Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht hiezu – zusammengefasst – aus, §22 Abs2 FMABG ordne hinsichtlich Beschwerden gegen Bescheide der Finanzmarktaufsichtsbehörde, die keine Verwaltungsstrafsachen beträfen, – abweichend vom allgemeinen System des §13 Abs1 VwGVG – einen Ausschluss der aufschiebenden Wirkung an; diese könne lediglich bei Vorliegen näher bezeichneter Voraussetzungen zuerkannt werden. Da der im angefochtenen Bescheid angedrohten Zwangsstrafe kein Strafcharakter zugrunde liege, sei diese Bestimmung anwendbar. Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung komme im vorliegenden Fall nicht in Betracht, zumal dem das zwingende öffentliche Interesse am Vollzug des Bankwesengesetzes entgegenstehe. Darüber hinaus führe aber auch eine Abwägung der betroffenen Interessen zu keinem anderen Ergebnis.
3. In ihrer auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof bringt die beschwerdeführende Gesellschaft unter anderem vor, es sei nicht nachvollziehbar, worauf die Finanzmarktaufsichtsbehörde ihren Verdacht gründe, dass die beschwerdeführende Gesellschaft ein Bankgeschäft ohne die erforderliche Konzession betreibe; vielmehr liege der Verdacht nahe, die Finanzmarktaufsichtsbehörde wolle durch das Ersuchen um Übermittlung bestimmter Unterlagen die für das Strafverfahren erforderlichen, bisher aber nicht vorhandenen Beweise organisieren. Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung sei notwendig, um einen gravierenden Eingriff in die Grundrechte der beschwerdeführenden Gesellschaft hintanzuhalten. Da die beschwerdeführende Gesellschaft ihre operative Geschäftstätigkeit bis auf Weiteres eingestellt habe, stünden dem auch keine zwingenden öffentlichen Interessen entgegen.
4. Das Bundesverwaltungsgericht legte die Gerichts- bzw. Verwaltungsakten vor und verzichtete auf die Erstattung einer Gegenschrift.
5. Die Finanzmarktaufsichtsbehörde erstattete eine Äußerung, in welcher sie dem Beschwerdevorbringen entgegentritt.
6. Aus Anlass dieser Beschwerde leitete der Verfassungsgerichtshof gemäß Art140 Abs1 Z1 litb B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §22 Abs2 FMABG, BGBl I 97/2001, idF BGBl I 70/2013 ein. Mit Erkenntnis vom 2. März 2018, G257/2017, hob er diese Bestimmung als verfassungswidrig auf.
7. Die Beschwerde ist begründet.
Das Bundesverwaltungsgericht hat eine verfassungswidrige Gesetzesbestimmung angewendet. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, dass ihre Anwendung für die Rechtsstellung der beschwerdeführenden Gesellschaft nachteilig war.
Die beschwerdeführende Gesellschaft wurde also durch den angefochtenen Beschluss wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in ihren Rechten verletzt (zB VfSlg 10.404/1985).
Der Beschluss ist daher aufzuheben.
8. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
9. Die Kostenentscheidung beruht auf §88a Abs1 iVm §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 436,– sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 240,– enthalten.
Schlagworte
VfGH / AnlassfallEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2018:E1810.2017Zuletzt aktualisiert am
18.05.2018