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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AuskunftspflichtG 1987 §4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Killian, über die Beschwerde des M in Gallneukirchen, vertreten durch Dr. Reinhard Kohlhofer, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Fasangartengasse 35, gegen den Bescheid des Bundesministers für Justiz vom 10. Dezember 1999, Zl. 37.708/4-IV/2/99, betreffend Erteilung einer Auskunft, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerde und dem angefochtenen Bescheid ist folgender Sachverhalt zu entnehmen:
Am 31. Mai 1999 richtete der Beschwerdeführer an die belangte Behörde ein Schreiben, das in der Beschwerde wörtlich wiedergegeben wird. Darin bezieht sich der Beschwerdeführer - ein 1951 geborener Beamter im Ruhestand - nach Angaben über den Fortgang seines Studiums der Rechtswissenschaften auf einen Artikel in der Tageszeitung "Standard" vom 12. Mai 1999. Darin sei berichtet worden, dass zum Abschluss einer zweitägigen Tagung in Bremen 28 europäische Staaten, die der WEU als Mitglieder, Beobachter und assoziierte Partner angehörten, eine Abschlusserklärung unterzeichnet hätten, in der die NATO-Aktion als notwendig und geboten bezeichnet werde. Diesem Dokument habe auch Österreich zugestimmt, das den Status als Beobachter habe und in Bremen von Verteidigungsminister Werner Fasslabend und der Staatssekretärin im Außenministerium Benita Ferrero-Waldner vertreten worden sei. Dieser Zeitungsartikel habe den Beschwerdeführer zu im Folgenden weitwendig dargestellten "strafrechtsdogmatischen Überlegungen bzw. Fragen" (über die Verwirklichung der Tatbestände des Mordes, der Sachbeschädigung, der Aufforderung zu mit Strafe bedrohten Handlungen und Gutheißung mit Strafe bedrohter Handlungen, des Vorliegens von Rechtfertigungs- bzw. Schuldausschließungsgründen, dem Legalitätsprinzip, der Bestimmungs- und Beitragstäterschaft u. a.) veranlasst. Er bitte daher um Mitteilung, ob hinsichtlich der Handlungen des Herrn Dr. Werner Fasslabend und der Frau Dr. Benita Ferrero-Waldner auf der Tagung in Bremen, über die der "Standard" berichtet habe, durch die Staatsanwaltschaft Vorerhebungen eingeleitet würden; gegebenenfalls, ob geplant sei, die beiden genannten Personen strafrechtlich zu verfolgen. Sollte das Bundesministerium für Justiz weder Verfolgungshandlungen noch Vorerhebungen für angezeigt halten, bitte er um Aufklärung darüber, wie sich dieser Standpunkt strafrechtsdogmatisch begründen lasse.
Mit Schreiben vom 16. Juni 1999 antwortete die belangte Behörde wie folgt:
"Sehr geehrter Mag. B!
Ihre Überlegungen vom 31.5.1999 sind bei mir eingelangt. Sie berühren Fragen des Völkerrechts, die im Rahmen strafrechtlicher Beurteilung als Rechtfertigungsgründe herangezogen werden können. Auch der Irrtum über Rechtfertigungsgründe ist im Rahmen des § 9 StGB zu prüfen.
Mit freundlichen Grüßen
M"
Der Beschwerdeführer trägt vor, er habe in dieser Antwort keine angemessene Stellungnahme zu seinen Ausführungen erblicken können. Daher habe er am 24. Juni 1999 an die belangte Behörde ein weiteres Schreiben gerichtet, in dem er angemerkt habe, dass wohl nicht Fragen des Völkerrechts, sondern allenfalls Regeln des Völkerrechts als Rechtfertigungsgründe in Betracht kämen. Offen bleibe für ihn, welche Regeln des Völkerrechts dies im gegenständlichen Zusammenhang sein könnten. Leider könne er den vier Zeilen nicht entnehmen, ob das alles sei, was zu seinem Brief vom 31. Mai gesagt werde oder ob er später noch mit einer konkreteren Antwort rechnen könne. Er habe im letzten Absatz seines Briefes vom 31. Mai 1999 das Bundesministerium für Justiz in klaren Worten um konkrete sachliche Mitteilungen, in eventu um Aufklärung über einen Rechtsstandpunkt, gebeten. Diese Bitte sei als Antrag auf Auskunft im Sinne des Auskunftspflichtgesetzes zu verstehen.
In einem weiteren Schreiben vom 8. Oktober 1999 habe der Beschwerdeführer nach zusammenfassender Darstellung der bisherigen Korrespondenz den Antrag gestellt, gemäß § 4 des Auskunftspflichtgesetzes bescheidmäßig auszusprechen, dass die begehrten Auskünfte nicht erteilt würden.
Mit Schreiben vom 4. November 1999 teilte die belangte Behörde
dem Beschwerdeführer Folgendes mit:
"Sehr geehrter Herr Magister!
Zu Ihrem Ersuchen vom 31.5.1999 und 24.6.1999 um Auskunftserteilung gebe ich Ihnen bekannt, dass sich das Bundesministerium für Justiz nicht veranlasst gesehen hat, mit Ihren Überlegungen zu einer allfälligen Strafbarkeit des Bundesministers Dr. Fasslabend und der Staatssekretärin Dr. Ferrero-Waldner die staatsanwaltschaftlichen Behörden zu befassen. Die rechtliche Begründung hiefür wurde Ihnen von Sektionsleiter Generalanwalt Prof.Dr. Mayerhofer am 10.6.1999 mitgeteilt. Sie wäre um den Aspekt des wohl fraglichen Ursachenzusammenhanges zu ergänzen.
Auskunftsbegehren erfordern keine wissenschaftlichen Erörterungen. Eine an den Bestimmungen des § 48a StPO gemessene Auskunft reicht zur Begründung aus, warum das Bundesministerium für Justiz strafrechtliche Maßnahme für nicht indiziert erachtet.
Da nunmehr in dem nach dem Auskunftspflichtgesetz gebotenen Umfang ihrem Begehren um Auskunftserteilung entsprochen wurde, kann eine Bescheiderlassung nach § 4 AuskunftspflichtG unterbleiben.
Mit freundlichen Grüßen"
Der Beschwerdeführer legt dar, er habe sich durch den Inhalt dieses Schreibens nicht ernst genommen gefühlt und daher am 18. November 1999 ein weiteres - in der Beschwerde wörtlich wiedergegebenes - Schreiben an die belangte Behörde gerichtet. Darin vertrat er den Standpunkt, mit dem jüngsten Schreiben habe die belangte Behörde seinem Ersuchen um Auskunftserteilung im Umfang des ersten Teiles seines Ersuchens entsprochen. Die belangte Behörde habe ihm jedoch keine klare und vollständige Auskunft darüber erteilt, welche Gründe für diese Entscheidung maßgeblich waren bzw. sind. Anknüpfend an weitwendige Erörterungen und Belehrungen, die sich auf den Inhalt der Schreiben der belangten Behörde beziehen, wird erklärt, der Beschwerdeführer halte seinen Antrag vom 8. Oktober 1999 aufrecht, gemäß § 4 des Auskunftspflichtgesetzes bescheidmäßig auszusprechen, dass die begehrten Auskünfte nicht erteilt werden.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag vom 17. November 1999, gemäß dem Auskunftspflichtgesetz bescheidmäßig auszusprechen, dass eine Auskunft auf die Frage "sollte das Bundesministerium für Justiz weder Verfolgungshandlungen noch Vorerhebungen gegen Dr. Werner Fasslabend und Dr. Benita Ferrero-Waldner auf Grund der Handlungen auf der Tagung in Bremen, über die der "Standard" berichtete, für angezeigt halten, wie lässt sich dieser Standpunkt strafrechtsdogmatisch begründen?" nicht erteilt wird, als unbegründet ab. Begründend vertrat die belangte Behörde nach Darstellung des Verfahrensganges die Auffassung, mit der am 17. Oktober 1999 übersendeten Mitteilung sei den Anforderungen der Auskunftspflicht ausreichend entsprochen worden. Eine Auskunft im Sinne des Auskunftspflichtgesetzes sei stets Mitteilung gesicherten Wissens, aber nicht Bekanntgabe von Ansichten, Auffassungen, Meinungen und Mutmaßungen. Wenn auch Rechtsfragen Gegenstand der Auskunftspflicht sein könnten, so habe eine detaillierte wissenschaftliche Erörterung, aus welchen Erwägungen Verfolgungshandlungen nicht gesetzt würden, im Rahmen einer Auskunftserteilung nicht zu erfolgen, abgesehen davon, dass eine derartige Stellungnahme die Besorgung der übrigen Verwaltungsaufgaben wesentlich beeinträchtigen würde. Die belangte Behörde habe dem Beschwerdeführer in einer die Bestimmung des § 48a StPO entsprechenden Form die Erwägungen dargelegt, warum Bundesminister Dr. Fasslabend und Staatssekretärin
Dr. Ferrero-Waldner strafrechtlich nicht zu verfolgen seien. Diese Bestimmung der Strafprozessordnung sehe selbst bei Personen mit rechtlichem Interesse an einer gerichtlichen Verfolgung Dritter lediglich eine in gekürzter Form vorzunehmende Darlegung der staatsanwaltschaftlichen Erwägungen zur Ablehnung der gerichtlichen Verfolgung vor. Ein solcher Maßstab könne auch für die Begründungspflicht des Bundesministeriums für Justiz gelten, wenn Strafverfolgungsmaßnahmen für nicht indiziert erachtet würden. Eine diesen Rahmen sprengende Mitteilungspflicht sei aus den Bestimmungen des Auskunftspflichtgesetzes nicht abzuleiten. Eine entsprechende Auskunft sei somit bereits erteilt worden. Der Antrag vom 17. November 1999 sei daher als unbegründet abzuweisen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, die Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend macht. Der Beschwerdeführer erachtet sich im Recht auf einen Bescheid verletzt, welcher ausspreche, dass ihm eine vollständige Auskunft auf die Frage "Sollte das Bundesministerium für Justiz weder Verfolgungshandlungen noch Vorerhebungen gegen Dr. Werner Fasslabend und Dr. Benita Ferrero-Waldner auf Grund der Handlungen auf der Tagung in Bremen, über die der "Standard" am 12./13. Mai 1999 berichtete, für angezeigt halten, wie lässt sich dieser Standpunkt strafrechtsdogmatisch begründen?" nicht erteilt werde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerde erkennt zutreffend, dass die Rechtmäßigkeit des angefochtenen, den Antrag auf Erlassung eines Bescheides, wonach die begehrte Auskunft nicht erteilt werde, abweisenden Bescheides im Beschwerdefall davon abhängt, ob die Auskunft erteilt wurde. Die Darlegungen der Beschwerde, mit denen letzteres bestritten wird, gehen dahin, dass eine im Hinblick auf den Inhalt des Auskunftsverlangens vollständige Auskunft die Qualität einer rechtsdogmatischen Begründung aufweisen, auf das strafprozessuale Legalitätsprinzip und auf die drei genannten Delikte Bezug nehmen oder zumindest so beschaffen sein müsse, dass dem Beschwerdeführer eine gedankliche Verbindung zu jedem dieser drei Delikte möglich sei.
Die belangte Behörde hat dem Auskunftsbegehren des Beschwerdeführers ausreichend entsprochen und seinen Antrag daher zu Recht abgewiesen. Dem Schreiben der belangten Behörde konnte der Beschwerdeführer bei verständiger Deutung zum einen entnehmen, dass eine strafrechtliche Verfolgung von Bundesminister Dr. Fasslabend und Staatssekretärin Dr. Ferrero-Waldner weder erfolgt noch beabsichtigt war; der Beschwerdeführer konnte der Auskunft weiters entnehmen, dass bei einer Prüfung des von ihm mitgeteilten Sachverhaltes auf ihre strafrechtliche Relevanz nach der Auffassung der belangten Behörde völkerrechtliche Aspekte, das Vorliegen von Rechtfertigungsgründen bzw. eines Irrtums über Rechtfertigungsgründe und Aspekte des Ursachenzusammenhanges von Bedeutung wären.
Nach der gesetzlichen Regelung kam dem Beschwerdeführer kein Anspruch auf eine Auskunft zu, die über das von der belangten Behörde Mitgeteilte hinausginge. Ob die belangte Behörde zur tatsächlich vorgenommenen - kurz gefassten - Mitteilung von Gründen, aus denen sie eine strafrechtliche Verfolgung nicht in Aussicht genommen hatte, überhaupt verpflichtet war, kann hier mangels Möglichkeit der Rechtsverletzung durch eine Auskunft, die über das gesetzliche Mindestmaß hinausgeht, auf sich beruhen. Über das tatsächlich Mitgeteilte hinausgehende Erläuterungen hätten jedenfalls den Bereich "gesicherten Wissens" (vgl. das Erkenntnis vom 12. August 1989, Zl. 88/01/0212) überschritten. Zutreffend ist auch der Hinweis der belangten Behörde auf § 48a StPO, wonach der Staatsanwalt auf Verlangen des von der Ablehnung der gerichtlichen Verfolgung oder dem Rücktritt von der Verfolgung Verständigten mitzuteilen hat, ob die Ablehnung oder der Rücktritt erfolgt ist, weil für die Verfolgung nicht genügend Verdachtsgründe vorhanden sind, oder aus welchen anderen, in gedrängter Form darzulegenden Erwägungen die Verfolgung unterbleibt. Hinsichtlich der Art der Einstellungsgründe räumt das Gesetz selbst dem durch die strafbare Handlung Geschädigten nur das Recht auf eine gedrängte Darlegung der Erwägungen der staatsanwaltschaftlichen Behörde ein. Im Wege des Größenschlusses ergibt sich, dass das Gesetz demjenigen, der sich in seinem Auskunftsbegehren lediglich auf einen allgemein bekannten Sachverhalt beruft, hinsichtlich der Gründe des Unterbleibens einer Strafverfolgung jedenfalls keinen Auskunftsanspruch einräumt, der über das von der belangten Behörde Dargelegte hinausginge.
Es lässt somit bereits die Beschwerde erkennen, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt; die Beschwerde war gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 27. März 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:2000100020.X00Im RIS seit
21.01.2002