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19/05 Menschenrechte;Norm
AsylG 2005 §11;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober und den Hofrat Dr. Sutter als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Wech, über die Revision des M M in G, vertreten durch Dr. Gerhard Kienast als bestellter Verfahrenshelfer, dieser vertreten durch Mag. Ronald Frühwirth, Rechtsanwalt in 8020 Graz, Grieskai 48, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Juli 2017, Zl. W257 2143814- 1/11E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 17. Juni 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet, den er damit begründete, dass sein Heimatdorf in der Provinz Maidan Wardak ständig von Angehörigen der Kuchi-Nomaden sowie von den Taliban bedroht werde bzw. gänzlich zerstört worden sei. Bis auf eine Cousine mütterlicherseits, die nach Kabul gezogen sei, lebe der Großteil seiner Familie daher nunmehr im Iran. Als Hazara drohe ihm bei Rückkehr nach Afghanistan misshandelt oder getötet zu werden.
2 Mit Bescheid vom 15. Dezember 2016 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz zur Gänze ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), erließ eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für eine freiwillige Ausreise betrage vierzehn Tage.
3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.
4 Begründend führte es - zusammengefasst - aus, der Revisionswerber stamme aus der Provinz Wardak und gehöre der Volksgruppe der Hazara an. Er habe etwa sieben Jahre lang die Schule besucht und habe mit seiner Kernfamilie bis 2013 in seinem Heimatdorf gelebt; 2013 hätten sie die Grundstücke und das Vieh verkauft, um in den Iran zu flüchten. Im Iran habe er als Hilfsarbeiter gearbeitet. Seine Kernfamilie lebe nach wie vor im Iran. Aus näher dargestellten Gründen sei nicht glaubhaft, dass der Revisionswerber im Falle der Rückkehr in den Herkunftsstaat einer konkreten Verfolgung ausgesetzt sei. Auch subsidiärer Schutz sei dem Revisionswerber nicht zu gewähren, weil ihm eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul zur Verfügung stehe. Er sei ein arbeitsfähiger, junger Mann, mit schulischer Grundausbildung, spreche die Landessprache und sei noch ausreichend mit den Gepflogenheiten Afghanistans vertraut, weil er erst seit ca. vier Jahren außerhalb von Afghanistan lebe. Seine Kernfamilie lebe zwar im Iran, könne ihn aber finanziell unterstützen. Er habe eine Bestätigung über das Bestehen einer "mittelschweren Episode einer Depression" vorgelegt, aber in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass er keine Behandlung mehr benötige, es gehe ihm besser; Antidepressiva nehme er nicht regelmäßig, sondern nur dann, wenn es ihm schlecht gehe. Die Medikamente zur Behandlung seiner Depression, welche er nicht regelmäßig einnehme, könne er sich den - näher ausgeführten - Länderberichten zufolge in Afghanistan bei einiger Anstrengung besorgen.
5 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit im Wesentlichen geltend macht, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, wie sich die Prüfung der Zumutbarkeit der Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative von der Prüfung einer Verletzung von Art. 3 EMRK abgrenze. Zudem stützt sich die Revision auf ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes infolge Verletzung der Begründungspflicht durch das BVwG, weil die Einschätzung, es bestehe eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul, anhand der zur Person des Revisionswerbers und zur Situation im Herkunftsstaat getroffenen Feststellungen nicht nachvollziehbar sei. Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Hat das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig ist, muss die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nicht an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gebunden. Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß § 34 Abs. 1a VwGG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe zu überprüfen. Liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG danach nicht vor, ist die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
7 Soweit sich die Revision in ihrem Zulässigkeitsvorbringen auf das Fehlen von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Abgrenzung der Prüfung der Zumutbarkeit der Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative von der Prüfung einer Verletzung von Art. 3 EMRK stützt, ist ihr entgegenzuhalten, dass sich der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 23. Jänner 2018, Ra 2018/18/0001, ausführlich mit dem Kriterium der Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative auseinandergesetzt hat. Gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG wird sohin insoweit auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen. Hervorzuheben ist im gegebenen Zusammenhang, dass es - um von einer zumutbaren innerstaatlichen Fluchtalternative sprechen zu können - demnach nicht ausreicht, dem Asylwerber entgegenzuhalten, dass er in diesem Gebiet keine Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu erwarten hat, sondern es ihm vielmehr möglich sein muss, im Gebiet der innerstaatlichen Fluchtalternative nach allfälligen anfänglichen Schwierigkeiten Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landesleute führen können (Rn. 23 des zitierten Erkenntnisses vom 23. Jänner 2018).
8 Mit dem darüber hinausgehenden Zulässigkeitsvorbringen, wonach die Annahme des BVwG, es bestehe eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul, anhand der getroffenen Feststellungen nicht nachvollziehbar sei, vermag der Revisionswerber nicht darzutun, dass die Begründung des BVwG hinsichtlich der Verweigerung subsidiären Schutzes rechtswidrig wäre. Dies insbesondere, weil die Einschätzung des BVwG, der Revisionswerber finde aufgrund der aufgezeigten Umstände im Einzelfall in Kabul eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative vor, im Ergebnis keinen Bedenken begegnet (vgl. zur insoweit einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes etwa VwGH 23.1.2018, Ra 2018/18/0001, und VfGH 12.12.2017, E 2068/2017). Der Verfassungsgerichtshof hat im Übrigen im vorliegenden Fall auch keine Verletzung der nach Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte angenommen (vgl. Ablehnungsbeschluss VfGH 26.2.2018, E 2688/2017).
9 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 21. März 2018
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017180271.L00Im RIS seit
17.04.2018Zuletzt aktualisiert am
22.11.2018