Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny und die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei DI K***** P*****, vertreten durch Mag. Hubertus Weben, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei F***** AG, *****, vertreten durch Altenweisl-Wallnöher-Watschinger-Zimmermann Rechts-
anwälte-GmbH in Innsbruck, wegen Vertragsaufhebung (Streitwert 35.000 EUR) über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 25. Juli 2017, GZ 4 R 78/17b, 4 R 90/17t-60, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1.1. Nach ständiger Rechtsprechung ist die Verbraucher- bzw Unternehmereigenschaft eines Gesellschafters in wirtschaftlicher Betrachtungsweise zu beurteilen; eine formelle Geschäftsführerstellung ist für den beherrschenden Einfluss und damit die Qualifikation eines Gesellschafters als Unternehmer nicht erforderlich (RIS-Justiz RS0059726 [T3]). Entscheidend ist vielmehr, inwieweit der Gesellschafter Einfluss auf die Geschäftsführung der Gesellschaft nehmen kann (6 Ob 43/13m; vgl die zusammenfassende Darstellung der Judikatur bei Mann-Kommenda, Neues zur Verbrauchereigenschaft von GmbH-Gesellschaftern, Zak 2016/613).
1.2. Bei der wirtschaftlichen Betrachtungsweise und bei der Beurteilung, welchen Einfluss eine bestimmte Person auf die Geschäftsführung nehmen kann, kommt es maßgeblich auf die Umstände des Einzelfalls an (RIS-Justiz RS0065238 [T12]).
2.1. Nach Teilen der Lehre sind Gesellschafter einer Personen- oder Kapitalgesellschaft im Innenverhältnis nicht als Verbraucher anzusehen, es sei denn, dass die Gesellschaft als Publikumsverband zur Kapitalveranlagung ausgestaltet ist (vgl Kathrein/Schoditsch in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB5 § 1 KSchG Rz 5 aE; Kalss, Anlegerinteressen der Anleger im Handlungsdreieck von Vertrag, Verband und Markt [2001], 119; Göth/Ratka in Keiler/Klauser, Österreichisches und Europäisches Verbraucherrecht2 § 1 KSchG Rz 38 mwN). Darauf ist im vorliegenden Fall jedoch nicht abschließend einzugehen. Als Beispiele werden in der Literatur die Gründung der Gesellschaft und die interne Willensbildung angeführt (Kathrein/Schoditsch aaO). Für die Abtretung von Geschäftsanteilen enthält das Gesellschaftsrecht allerdings keine Sonderregeln, die als eigenständige Schutzvorschrift einen Rückgriff auf das Verbraucherrecht jedenfalls erübrigen würden. In diesem Zusammenhang kann jedenfalls nicht ohne weiteres ausgeschlossen werden, dass ein Vertragspartner spezifischen Schutzes, wie ihn das Verbraucherrecht vorsieht, bedarf.
2.2. Für die Beurteilung der Frage, ob in Bezug auf eine Schiedsklausel in einem Gesellschaftsvertrag die Bestimmung des § 617 ZPO zur Anwendung kommt, die für Schiedsvereinbarungen mit Verbrauchern besondere Vorschriften vorsieht, hat der erkennende Senat bereits die Rechtsprechung zur Abgrenzung der Verbrauchereigenschaft von Gesellschaftern angewendet (6 Ob 43/13m), obwohl diese Grundsätze ursprünglich im Verhältnis zwischen dem Gesellschafter und Dritten, wie etwa Banken als Kreditgeber, wobei der Gesellschafter als Bürge für Gesellschaftsverbindlichkeiten auftritt, entwickelt wurden. Diese Überlegung lässt sich auch auf die hier zu beurteilende Frage übertragen.
3.1. Im vorliegenden Fall war der Kläger mit 40 % an der Gesellschaft beteiligt, wobei er auch Geschäftsführer war. Unternehmensintern war der Kläger nach den Feststellungen der Vorinstanzen der „Chef“; der zweite Geschäftsführer hatte primär die Aufgabe, die Interessen der Beklagten zu vertreten, sollte aber nicht in das Tagesgeschäft eingreifen. Zudem sah der Gesellschaftsvertrag für zahlreiche Maßnahmen eine 3/4-Mehrheit vor, sodass dem Kläger eine Sperrminorität zukam.
3.2. Ausgehend von diesen Feststellungen ist aber die Einschätzung der Vorinstanzen nicht zu beanstanden, wonach der Kläger als Unternehmer zu qualifizieren ist, da ihm ein entscheidender Einfluss auf die Geschäftsführung und die maßgeblichen Entscheidungen im Unternehmen zukam (vgl 6 Ob 95/16p ErwGr 1.3).
4.1. Ob Sittenwidrigkeit vorliegt, ist eine Frage des Einzelfalls, die nicht aufzugreifen ist, wenn das Berufungsgericht bei dieser Entscheidung die Grenzen des ihm eingeräumten Ermessens nicht überschritten hat (RIS-Justiz RS0042881 [T8]).
4.2. Im vorliegenden Fall hat der Kläger selbst den Businessplan entwickelt und war bei Abschluss des „Joint Ventures“ mit der Beklagten anwaltlich beraten und vertreten. Dass der Kläger mit einem schlechten wirtschaftlichen Erfolg nicht gerechnet hat, macht das Geschäft mit der Beklagten noch nicht sittenwidrig, zumal diese mehrere Millionen Euro investiert hat, sodass die vorgesehene Abtretungsverpflichtung eine Absicherung für das von der Beklagten übernommene finanzielle Risiko darstellte. Bei dieser Sachlage besteht aber für eine Einstufung des Abtretungsvertrags als sittenwidrig kein Anhaltspunkt. Gleiches gilt für den Einwand des Wuchers, der in der Revision auch nicht mehr konkret ausgeführt wird.
4.3. Im Abtretungsvertrag wurde ausdrücklich die Anwendung österreichischen Rechts vereinbart. Lediglich der Vollständigkeit halber ist darauf zu verweisen, dass auch nach dem im Gesellschaftsvertrag vereinbarten deutschen Recht Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB nur dann angenommen wird, wenn ein besonders grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht und zusätzlich subjektive Elemente in Gestalt einer verwerflichen Gesinnung des Begünstigten hinzutreten (vgl Armbrüster in Münchener Kommentar zum BGB7 § 138 Rz 114 ff). Auch nach deutschem Recht verlangt der Wuchertatbestand grundsätzlich eine subjektive Komponente, indem der Wucherer die jeweilige Schwächesituation des anderen Teils bewusst ausgebeutet hat (Wendtland in Bamberger/Roth/Hau/Poseck, BeckOK BGB § 138 Rz 55 mwN). Daneben kann ein Rechtsgeschäft als „wucherähnlich“ nichtig nach § 138 Abs 1 BGB sein, wenn besonders verwerfliche Umstände vorliegen (Wendtland aaO Rz 61 mwN). Dafür bietet der vorliegende Sachverhalt aber keine Anhaltspunkte. Abgesehen von einem angeblichen objektiven Missverhältnis zwischen Wert und Gegenleistung macht die Revision nichts Konkretes zur Sittenwidrigkeit bzw zum Wucher geltend. Dass ein solches bloß objektives Missverhältnis für eine Anfechtung nicht ausreicht, hat das Berufungsgericht aber bereits zutreffend ausgeführt (vgl RIS-Justiz RS0016482 [T5]).
5. Zusammenfassend bringt die Revision daher keine Rechtsfragen der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Bedeutung zur Darstellung, sodass sie spruchgemäß zurückzuweisen war.
Textnummer
E121167European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2018:0060OB00014.18D.0228.000Im RIS seit
19.04.2018Zuletzt aktualisiert am
07.11.2018