TE OGH 2018/3/22 2Ob172/17h

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Veröffentlicht am 22.03.2018
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Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Hon.-Prof. Dr. Lovrek als Vorsitzende, die Hofräte Dr. Veith und Dr. Musger, die Hofrätin  Dr. E. Solé sowie den Hofrat Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Mag. R***** S***** und 2. Mag. P***** S*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Leitner, Dr. Max Leitner und Dr. Mara-Sophie Häusler, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei R*****, vertreten durch die Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, sowie die Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei C*****, vertreten durch die Wess Kispert Rechtsanwalts GmbH in Wien, wegen hinsichtlich der erst- und zweitklagenden Partei jeweils 19.771,14 EUR sA sowie jeweils wegen Feststellung, über die Rekurse der Parteien und der Nebenintervenientin gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 31. März 2017, GZ 30 R 28/16g-29, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 11. Juli 2016, GZ 34 Cg 32/15k-20, teilweise bestätigt und teilweise aufgehoben und insoweit die Rechtssache zur

neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht

zurückverwiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Den Rekursen wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Kläger zeichneten über Beratung durch die Beklagte am 16. 2. 2006 zu einem Beteiligungsnominale von jeweils 25.000 EUR zuzüglich 1.250 EUR an 5%igem Agio jeweils eine Beteiligung an der Neunundfünzigsten S***** H***** GmbH & Co KG (in der Folge: H. Fonds).

Der Erstkläger absolvierte an der Fachhochschule Wiener Neustadt den Studiengang für Wirtschaftsberatende Berufe. Dabei erwarb er auch Kenntnisse im Unternehmensrecht, unter anderem über die Haftungsbestimmungen einer Kommanditgesellschaft. Danach arbeitete er im Controlling. Der Erstkläger war auch Gesellschafter einer OG.

Die Zweitklägerin absolvierte denselben Studiengang für Wirtschaftsberatende Berufe und arbeitete in den Bereichen Prozessmanagement, Qualitätsmanagement und Projektmanagement, unter anderem bei der R***** Leasing, so auch im Zeitpunkt der Zeichnung der Beteiligung. Im Firmenbuch war die Zweitklägerin – ohne sich dessen bewusst zu sein – zu diesem Zeitpunkt als Prokuristin eingetragen.

Als sich die Kläger im Jahr 2005 entschlossen, ein Reihenhaus zu kaufen, gingen sie auf den Mitarbeiter-Kundenbetreuer bei der Beklagten (in der Folge: „Berater“), zu, um sich über die Finanzierung des Reihenhauses zu informieren. Es fanden mehrere Beratungsgespräche statt, bei denen immer beide Kläger anwesend waren; diese Gespräche dauerten jeweils etwa eine bis zwei Stunden.

Die Kläger sagten dem Berater, sie hätten 50.000 EUR zu veranlagen, diesen Betrag wollten sie in 10 Jahren wieder zur Verfügung und eine sichere Veranlagung haben. Der Berater schlug den Klägern vor, diesen Betrag in den H. Fonds zu investieren. Andere Produkte bot der Berater den Klägern nicht an.

Der Berater erklärte den Klägern, bei dem H. Fonds handle es sich um einen Immobilien-Fonds, der von den Experten der Beklagten auf Herz und Nieren geprüft worden sei. Die Sicherheit des H. Fonds beschrieb der Berater dahin, dass die Kläger im schlimmsten Fall nur das eingesetzte Kapital zurückbekämen. Zu den Ausschüttungen legte er den Klägern eine Prognoserechnung vor, auf der dargestellt war, wie hoch die einzelnen Ausschüttungen pro Halbjahr bis nach Ablauf der 10 Jahre sein könnten. Darüber, was da ausgeschüttet wird und ob die Gefahr besteht, dass diese Ausschüttungen zurückbezahlt werden müssen, sprach der Berater mit den Klägern nicht. Ob über Weichkosten und Vertriebsspesen gesprochen wurde, konnte nicht festgestellt werden.

Da die Kläger zum damaligen Zeitpunkt noch relativ geringe Einkommen hatten, wollten sie die prognostizierten Ausschüttungen zur Unterstützung bei der Begleichung der monatlichen Leasingraten heranziehen. Die Kapitalrückzahlung am Ende der angegebenen Laufzeit von 10 Jahren sollte dazu dienen, das Reihenhaus vorzeitig aus dem Leasingvertrag herauszukaufen.

Die Beklagte erhielt einmalig 3,125 % als Innenprovision von der M***** Betriebsgesellschaft. Über diese – neben dem Agio bestehende – Innenprovision informierte der Berater die Kläger nicht. Hätten die Kläger davon gewusst, hätten sie die gegenständlichen Beteiligungen nicht erworben.

Der Berater wies die Kläger weder auf die Möglichkeit eines Totalverlusts des Kapitals noch auf die mögliche Rückzahlungsverpflichtung von Ausschüttungen oder auf das Wiederaufleben der Haftung hin. Wären die Kläger über diese Umstände aufgeklärt worden, hätten sie ihr Geld nicht in den H. Fonds veranlagt, sondern mit überwiegender Wahrscheinlichkeit entweder auf einem Sparbuch angelegt oder ein anderes Finanzierungsmodell für das Reihenhaus, nämlich wie beabsichtigt die Aufnahme eines Eurokredits, gewählt. Mit überwiegender Wahrscheinlichkeit hätten sie damit zumindest keine Verluste erlitten. Ob sie damit Gewinne bzw eine Kapitalverzinsung und, wenn ja, in welcher Höhe gehabt hätten, konnte nicht festgestellt werden.

Die Kläger wussten, dass sie als Kommanditisten an dem H. Fonds beteiligt waren, machten sich jedoch keine weiteren Gedanken über die Konsequenzen.

Die Kläger bekamen vom Berater Werbeunterlagen, insbesondere den Prospekt des H. Fonds. Es konnte nicht festgestellt werden, ob dabei in einer Lasche auf der letzten Seite auch die Gesellschafts-, Treuhand-, Mittelverwendungsverträge, in denen die Weichkosten aufgelistet waren, und das Risikoprofil, in dem die Möglichkeit des Wiederauflebens der Haftung der Anleger beschrieben wurde, enthalten waren. Den KMG-Prospekt erhielten sie nicht. In diesem sind Risikohinweise enthalten. Die Kläger lasen sich die Werbeunterlagen, die sie bekamen, nicht im Detail durch.

Die Kläger unterfertigten am 16. 2. 2006 Anlegerprofile, bei denen unter dem Punkt Risikohinweis zu mitunternehmerschaftlichen Beteiligungen unter anderem „Ich bin mir über das unternehmerische Risiko der gewählten Veranlagung bewusst“ und unter dem Punkt Risikoinformation unter anderem „Ich wurde über das Risiko von mitunternehmerschaftlichen Beteiligungen sowie die weiteren wesentlichen mit der Veranlagung verbundenen Risiken ausführlich informiert“ und „Mir liegt der Verkaufsprospekt einschließlich der dort genannten Risiken einer Beteiligung vor, ich habe diese Risiken verstanden“ angekreuzt waren. Als Anlageziele wurden „Vorsorge“, „Ansparen für Anschaffungen (Vermögensbildung)“ und „Steuervorteile“, als Ertragsziele „Regelmäßige Rückflüsse“ und „Wertzuwachs“ angegeben, bezüglich des Anlageverhaltens wurde „Ich habe die Liquiditätsvorsorge (zB Sparbuch), insbesondere auch für 'Notfälle', bereits ausreichend getroffen“ angekreuzt. Nicht angekreuzt sind die Punkte „Ich habe Erfahrung mit mitunternehmerschaftlichen Beteiligungen“ sowie „Ich wünsche ausdrücklich keine Beratung gemäß WAG“. Zudem wurde unter dem Punkt Detailfragen zu diesem Produkt habe ich besprochen „Mit meinem Bankberater“ angekreuzt. Auf den Rückseiten der Anlegerprofile befindet sich die Information über die mögliche Rückzahlungsverpflichtung erhaltener Ausschüttungen und das Wiederaufleben der Haftung.

Auf den Rückseiten der Beitrittserklärungen, die die Kläger ebenfalls am 16. 2. 2006 unterfertigten, findet sich ein Hinweis auf die Möglichkeit des Totalverlusts des eingesetzten Kapitals. Diese Informationen lasen die Kläger nicht, da sie davon ausgingen, vom Berater über alle relevanten Produkteigenschaften und Risiken aufgeklärt worden zu sein.

Bei den oben angeführten Ausschüttungen handelt es sich um Liquiditätsausschüttungen, die aus den Mieterträgen abzüglich der Aufwendungen lukriert werden sollten und nicht zwangsläufig vom Bilanzgewinn gedeckt sein mussten. Sie mussten zwar operativ aus der Gesellschaft erwirtschaftet worden sein, die Einlage reduzierte sich jedoch durch die Ausschüttungen.

Die Kläger stellten sich die als Ausschüttungen bezeichneten Auszahlungen als bilanzielle Gewinne vor und rechneten damit, im schlimmsten Fall nach zehn Jahren die insgesamt veranlagten 50.000 EUR zurückzuerhalten.

Der Gesellschaftszweck des H. Fonds ist der Betrieb eines geschlossenen Immobilienfonds (Erwerb, Vermietung, Verwaltung und späterer Verkauf von sieben in den Niederlanden gelegenen Immobilien). Es handelt sich um eine langfristige Form der Immobilienbeteiligung mit einer Laufzeit von zumindest 10 Jahren. Die Realisierung der Beteiligung hängt stark von den Entwicklungen des Immoblienmarkts in den Niederlanden sowie der Möglichkeit der wirtschaftlich vertretbaren Liquiditätsbeschaffung durch die Emittentin ab. Die Haftung der Kommanditisten ist auf die bedungene Einlage beschränkt. Die Ausschüttungen liquider Mittel, die keinem Gewinn der Gesellschaft entsprechen, können zu einem Wiederaufleben der beschränkten Kommanditistenhaftung führen.

Die Kläger erhielten jährlich jeweils im Jänner und im Juli Schreiben der T***** hinsichtlich der ausgezahlten Liquiditätsausschüttungen bzw ab Juni 2009 nur noch über die Beabsichtigung der Auszahlung von Liquiditätsausschüttungen. In diesem Schreiben fand sich immer ein Hinweis darauf, dass es sich bei diesen Liquiditätsausschüttungen nicht um Kapitalverzinsungen handle und die Ausschüttungen daher steuerneutral seien. Den Geschäfts- und Treuhandbericht bekamen die Kläger jährlich mit der Einladung, an der Abstimmung der Gesellschafter teilzunehmen, zugesandt.

Im Geschäfts- und Treuhandbericht 2009 vom 25. 11. 2010 wurde den Klägern mitgeteilt:

... Die vorliegenden teilweise bereits verlängerten, langfristigen Mietverträge geben dem Fonds eine dauerhafte Einnahmensicherheit, allerdings auf einem gegenüber dem Prospekt insgesamt reduzierten Niveau. Allein in Haarlem ergeben sich durch den Leerstand Einbußen von mehr als EUR 930.000 pro Jahr. Der Fokus der Geschäftsführung liegt daher auf der Vermietung dieser Flächen, die gemeinsam mit dem Makler … intensiv verfolgt wird. Der weitere Verlauf des Fonds wird davon abhängen, wie schnell und zu welchen Konditionen die Vermietung in Haarlem zum Erfolg führen wird ... Im Jahr 2009 wurde aufgrund niedrigerer Einnahmen und höherer Ausgaben ein mit EUR 4.651.172 um EUR 97.096 geringerer Einnahmenüberschuss erwirtschaftet als geplant. Im Folgenden werden größere Abweichungen zu den Planwerten erläutert...“.

Mit Schreiben vom 27. 12. 2010 wurden die Kläger darüber informiert, dass die Ausschüttungen eingestellt würden. Als Grund wurde unter anderem angeführt, dass die für das Hypothekendarlehen bestellten Sicherheiten nach Auffassung der Bank nicht ausreichend oder bestimmte Darlehensparameter erreicht sind.

Der Erstkläger las dieses Schreiben. Er dachte sich, dass das Ausbleiben der Ausschüttungen auf einen Wertverlust der Immobilie von ca 10 – 30 % zurückzuführen sei, die Kläger hofften jedoch auf eine Wiederaufnahme der Ausschüttungen.

In einem Schreiben der T***** vom 18. 11. 2011 (Kurzreport 2010/2011 sowie Geschäftsbericht 2010) wurden die Kläger darüber informiert, dass die Ausschüttungen aufgrund des weiteren Preisverfalls der Immobilien eingestellt blieben, um die Zahlung der Sondertilgung zu ermöglichen.

In einem weiteren Schreiben vom 31. 5. 2012 (Zwischenbericht 2012) informierte die T***** die Kläger, dass der durch ein Gutachten festgestellte Verkehrswert der Gesellschaftsimmobilien deutlich gesunken sei und mit 49,53 Mio EUR unter dem ursprünglich aufgenommenen Darlehensbetrag liege; daher fordere die finanzierende Bank weitere Sondertilgungen, bis der Darlehensstand das Niveau des gutachterlich festgestellten Werts erreicht habe, weshalb keine Ausschüttungen erfolgen würden.

Der Erstkläger las diese Berichte, wobei er sein Hauptaugenmerk jeweils auf den Vermietungsstand richtete, da er davon ausging, dass der Wert der Immobilie von deren Auslastung abhinge. Durch diese Schreiben war ihm jedoch nicht klar, dass die Ausschüttungen allenfalls zurückgefordert werden könnten. Die Zweitklägerin las weder die Schreiben hinsichtlich der Ausschüttungen noch die Berichte, sondern verließ sich diesbezüglich auf den Erstkläger.

Insgesamt erhielt der Erstkläger Auszahlungen von 6.463,31 EUR, die Zweitklägerin 6.478,86 EUR.

2012 wurden die Kläger davon informiert, dass eine neue Beraterin für sie zuständig sei. Dies nahm der Erstkläger zum Anlass, hinsichtlich der streitgegenständlichen Veranlagung nachzufragen. Die Beraterin teilte dem Erstkläger mit, die Ausschüttungen würden voraussichtlich im Jahr 2014 wieder aufgenommen. Über die Werthaltigkeit konnte sie keine Auskunft geben.

Aufgrund von Medienberichterstattungen im September 2014, in denen von einem Totalverlust bei vergleichbaren Veranlagungen berichtet wurde, wurden die Kläger gegenüber den Angaben ihres damaligen Beraters misstrauisch.

Der Erstkläger nahm Kontakt mit Mitarbeitern der Beklagten auf und erkundigte sich nach Möglichkeiten, die Beteiligungen loszuwerden.

In der Folge beschäftigten sich die Kläger erstmals unabhängig von den Informationen ihres Beraters mit den erworbenen Beteiligungen und erkannten die damit einhergehenden Risiken des Totalverlusts sowie der Rückzahlung von Ausschüttungen aufgrund ihrer Kommanditistenstellung und erfuhren von der Innenprovision.

Mit der am 11. 5. 2015 eingebrachten Klage machen die Kläger Schadenersatzansprüche aus fehlerhafter Anlageberatung geltend. Sie begehren die Zahlung von jeweils 19.771,14 EUR (investiertes Kapital abzüglich erhaltener Auszahlungen) samt Anhang sowie die Feststellung, dass die Beklagte für alle Schäden hafte, die den Klägern jeweils aus ihren Beteiligungen entstehen. Ihnen sei diese Veranlagung als Tilgungsträger für einen zur Finanzierung eines Eigenheims aufgenommenen Kredit empfohlen worden, wofür das Finanzprodukt jedoch ungeeignet gewesen sei. Die Kläger seien über das mit der Veranlagung verbundene Risiko, die Rechtsnatur der „Ausschüttungen“, über verdeckte Provisionen an die Beklagte (Kick-Back-Zahlungen), exzessive Vertriebskosten („Weichkosten“) sowie über die Laufzeit nicht oder unrichtig aufgeklärt worden. Bei vollständiger und richtiger Aufklärung hätten die Kläger das Finanzprodukt nicht erworben, sondern kapitalerhaltend investiert. Ein Mitverschulden sei den Klägern nicht anzulasten. Deren Ersatzansprüche seien nicht verjährt. Bereits in der Klage erklärten die Kläger, alle Erklärungen abzugeben, die notwendig seien, um die Rechte aus den Treuhandschaften, über die die gegenständlichen Beteiligungen gehalten werden, an die Beklagte zu übertragen.

Die Beklagte wendet ein, den Klägern sei die Struktur der Veranlagung als Kommanditbeteiligung und das damit verbundene Risiko bewusst gewesen. Eine gesonderte Aufklärung sei nicht erforderlich gewesen. Die Kläger hätten es vielmehr vereinbarungsgemäß übernommen, sich selbst zu informieren, was in den Beitrittsunterlagen auch bestätigt worden sei. Davon abgesehen seien die Kläger von der Beklagten über das Wesen der Veranlagung sowie über die damit verbundenen Chancen und Risiken (insbesondere das Totalverlustrisiko) ausführlich und richtig informiert worden. Soweit die Ansprüche auf eine mangelhafte und/oder unterbliebene Aufklärung gegründet würden, seien diese jedenfalls verjährt. Spätestens mit Schreiben vom 25. 11. 2010 seien die Kläger darüber informiert worden, dass sie keine ihren Vorstellungen entsprechende Veranlagung erworben hätten. Auch aufgrund der Einstellung der Ausschüttungen im Jahr 2010 sei den Klägern bewusst geworden, dass die erworbenen Beteiligungen nicht ihren Vorstellungen entsprächen. Jedenfalls habe eine Erkundigungspflicht bestanden. Die Beitrittsunterlagen sowie der den Klägern übergebene Kapitalmarktprospekt hätten sämtliche erforderlichen Informationen und Risikohinweise zur Beteiligung enthalten. Über die mögliche Rückforderung von Ausschüttungen als Folge des Wiederauflebens der Kommanditistenhaftung habe nicht aufgeklärt werden müssen. Die Kläger hätten die Beteiligungen auch bei einem entsprechenden Hinweis erworben. Auch über die bestehende Innenprovision von 3,125 % habe nicht aufgeklärt werden müssen, da diese Provision das Risiko des Anlageprodukts nicht erhöht habe und die Anleger die Information nicht benötigt hätten, um dessen Risiko zu beurteilen. Davon abgesehen seien die Kapitalbeschaffungskosten, wovon ein Teil auf die Innenprovision entfalle, den Klägern gegenüber ohnehin offengelegt worden. Eine Interessenkollision sei ausgeschlossen, weil die Beklagte bei Vermittlung anderer Veranlagungen sogar höhere Entgelte lukriert hätte. Eine Naturalrestitution sei untunlich, weil der Kommanditgesellschaftsvertrag vorsehe, dass die Übertragung der Kommanditbeteiligung der Zustimmung aller Gesellschafter bedürfe. Ohne diese Zustimmung könne die Beteiligung nicht übertragen werden.

Die Nebenintervenientin, von der die produktspezifischen Unterlagen über die Kommanditbeteiligung stammen, schloss sich dem Vorbringen der Beklagten an.

Das Erstgericht wies das Feststellungsbegehren sowie einen Teil des Zinsenbegehrens ab und gab dem Klagebegehren im Übrigen – Zug um Zug gegen das Anbot auf Abtretung sämtlicher Rechte aus der Beteiligung – statt. Es traf die wiedergegebenen Feststellungen und folgerte rechtlich, die Beklagte habe die Kläger über das Totalverlustrisiko, eine allfällige Rückzahlungspflicht erhaltener Ausschüttungen sowie über die Innenprovision der Beklagten pflichtwidrig nicht aufgeklärt. Jeder dieser drei Beratungsfehler sei für die Investition ursächlich geworden. Da die Kläger bereits 2010 erkennen hätten müssen, dass ihre Veranlagung nicht so sicher sei wie vermutet, sie dies aber nicht zum Anlass genommen hätten, sich zumindest die Verkaufsunterlagen durchzulesen, aus denen sowohl das Totalverlustrisiko als auch die Eigenschaft der Ausschüttungen hervorgegangen wären, seien die Ersatzansprüche der Kläger, soweit diese auf mangelnder Aufklärung über das Totalverlustrisiko sowie der Gefahr einer Rückzahlung von Ausschüttungen beruhten, verjährt. Der auf eine unterlassene Aufklärung über die Innenprovision gestützte Ersatzanspruch sei hingegen nicht verjährt. Da die Kläger die Veranlagung bei ordnungsgemäßer Aufklärung nicht gezeichnet, sondern entweder in ein Sparbuch investiert oder ein anderes Finanzierungsmodell für ihr Eigenheim gewählt hätten, stehe diesen als Ausfluss der Naturalrestitution eine Rückzahlung des investierten Betrags zu. Um eine Bereicherung der Kläger zu vermeiden, sei die Verpflichtung zur Ersatzleistung Zug um Zug gegen das Anbot auf Übertragung der gegenständlichen Veranlagung auszusprechen. Das Feststellungsbegehren bestehe nicht zu Recht, weil die Kläger ihr Feststellungsinteresse aus der Gefahr einer Rückzahlung erhaltener Ausschüttungen abgeleitet hätten, der auf eine unterlassene Aufklärung darüber gestützte Ersatzanspruch jedoch verjährt sei.

Das von allen Parteien angerufene Berufungsgericht bestätigte unbekämpft mit Teilurteil das Ersturteil hinsichtlich der Abweisung des Zinsenmehrbegehrens und hob im Übrigen das Ersturteil auf und trug dem Erstgericht insoweit die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es führte aus, die Beklagte hätte über die Innenprovision aufklären müssen. Die Unterlassung der Aufklärung darüber sei schuldhaft. Sie sei auch kausal für den Anlageentschluss der Kläger gewesen, deren Schaden darin bestehe, dass sich ihr Vermögen anders zusammensetze als es bei pflichtgemäßem Verhalten der Fall gewesen wäre. Der Schaden der Kläger liege auch im Rechtswidrigkeitszusammenhang mit der verletzten Aufklärungspflicht. Die Kläger treffe kein Mitverschulden, weil die von ihnen nicht gelesenen Risikohinweise in keinem Zusammenhang mit der Offenlegung der Innenprovision stünden. Es lägen mehrere getrennte Beratungsfehler vor, die im Sinne der Rechtsprechung auch verjährungsrechtlich gesondert zu beurteilen seien. Da die Kläger nicht mehr als drei Jahre vor Klageeinbringung von der Innenprovision erfahren hätten, sei der auf die diesbezüglich unterlassene Aufklärung gegründete Schadenersatzanspruch nicht verjährt. Die Kläger hätten keine unmittelbare, sondern eine treuhändig vermittelte Kommanditbeteiligung erworben. Die Beklagte habe behauptet, auch die Übertragung des Treuhandvertrags selbst (also die Position als Treugeber) sei nur mit einstimmigem Gesellschafterbeschluss möglich. Ob dies tatsächlich der Fall sei, könne mangels erstinstanzlicher Feststellungen nicht abschließend beurteilt werden. Ausgehend von der Rechtsprechung, wonach eine Naturalrestitution bei Beteiligung Dritter an der Rückgängigmachung einer Vereinbarung untunlich sei, begründe dies einen sekundären Feststellungsmangel, weshalb das Verfahren ergänzungsbedürftig sei. Aufgrund des engen Sachzusammenhangs der Entscheidung über das Begehren auf Naturalrestitution mit dem Feststellungsbegehren sei auch die Aufhebung der Entscheidung über das Feststellungsbegehren notwendig.

Das Berufungsgericht ließ den Rekurs gegen den aufhebenden Teil seiner Entscheidung zu, weil zur Frage der Aufklärungspflicht über aus dem Anlagevermögen geleistete Vertriebsprovisionen nach dem WAG 1997 sowie zur Frage des Umfangs daraus resultierender Schadenersatzpflichten keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliege. Es sei auch eine Klarstellung dazu erforderlich, ob der Aspekt des Verschweigens einer Innenprovision sowie von Weichkosten in substanzieller Höhe einer verjährungsrechtlich getrennten Beurteilung unterliege. Auch zur Frage der (Un-)Tunlichkeit der Naturalrestitution bei nur mit Zustimmung sämtlicher Gesellschafter übertragbarer Kommanditbeteiligungen liege keine gesicherte Rechtsprechung des Höchstgerichts vor.

Gegen den Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts richten sich die Rekurse der Streitteile und der Nebenintervenientin.

Die Kläger streben erkennbar (abgesehen von der rechtskräftigen Teilabweisung) die Klagestattgebung an, die Beklagte und die Nebenintervenientin begehren die gänzliche Klageabweisung. Hilfsweise stellen die Beklagte und die Nebenintervenientin verschiedene Aufhebungsanträge.

In den Rekursbeantwortungen beantragen die Parteien die Zurückweisung des jeweils gegnerischen Rekurses mangels erheblicher Rechtsfrage, hilfsweise die Bestätigung des angefochtenen Beschlusses.

Die Nebenintervenientin hat keine Rekursbeantwortung erstattet.

Die Rekurse sind zulässig, weil die im Aufhebungsbeschluss vom Berufungsgericht überbundene Rechtsauffassung im Sinne der mittlerweile ergangenen höchstgerichtlichen Rechtsprechung teilweise korrekturbedürftig ist. Die Rekurse sind jedoch nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Der Oberste Gerichtshof hat in mehreren, vergleichbare Anlagen betreffenden Entscheidungen klargestellt, dass eine Aufklärungspflicht betreffend die Innenprovision auch vor Inkrafttreten des WAG 2007 bestand (2 Ob 99/16x ZFR 2017, 341 [Kepplinger] = JBl 2017, 585 [Dullinger] = ÖBA 2017, 708 [Klausberger/Lenz]; vgl dazu auch Wilhelm, ecolex 2017, 629; Graf, ecolex 2017, 649; Kronthaler/Schwangler, VbR 2017, 121; Max Leitner, Zak 2017, 27; 10 Ob 58/16a = ZFR 2017, 499 [Kepplinger]; 8 Ob 109/16m = ZFR 2017, 604 [Kepplinger]; 7 Ob 95/17x jeweils mwN). Hier steht auch fest, dass die Verletzung dieser Aufklärungspflicht einen Schaden der Kläger verursachte.

Hingegen kann – entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts – nicht abschließend beurteilt werden, ob der Schaden auch im Rechtswidrigkeitszusammenhang mit der Pflichtverletzung steht. Zweck der im konkreten Fall verletzten Informationspflicht war die Aufklärung über eine allfällige Interessenkollision. Eine Interessenkollision wäre im konkreten Fall dann zu verneinen, wenn die Beklagte die strittigen Beteiligungen auch dann empfohlen hätte, wenn sie dafür (abgesehen vom offen gelegten Ausgabeaufschlag) keine Vergütungen von ihrem Vertriebspartner erhalten hätte. Die Beweislast für diesen Umstand trifft die Beklagte. Der Beklagten ist daher im fortgesetzten Verfahren Gelegenheit zur Erstattung eines konkreten Vorbringens zum Fehlen einer Interessenkollision zu geben; gegebenenfalls sind dazu Beweise aufzunehmen und Feststellungen zu treffen (2 Ob 99/16x; 10 Ob 58/16a; 8 Ob 109/16m; 7 Ob 95/17x; RIS-Justiz RS0131382).

Bereits jetzt ist klarzustellen, dass die Beklagte ihrer Ersatzpflicht nicht durch den bloßen Nachweis entgehen kann, sie biete nur Produkte an, für die sie eine Provision erhalte (so aber G. Graf, ecolex 2017, 649 [650]). Auch in diesem Fall kann nämlich immer noch ein Interesse des Beraters bestehen, gerade ein bestimmtes Produkt zu vermitteln (Dullinger, JBl 2017, 585 [591]).

Ob – wie die Beklagte im Rekurs behauptet – die Kläger das ihnen bekannte Agio von 5 % nicht an die Beklagte, sondern an die Emittentin leisteten, ist schon deshalb nicht entscheidend, weil das Erstgericht (disloziert in der rechtlichen Beurteilung) unbekämpft feststellte, dass das Agio letztlich an die Beklagte geflossen ist (Ersturteil Seite 39: „… dass die Beklagte neben dem Agio noch eine Innenprovision erhielt“).

2. Zutreffend und im Rekurs der Kläger auch nicht substantiiert bekämpft sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, dass Verjährung eingetreten ist, soweit die Kläger ihre Schadenersatzansprüche auf die fehlende Aufklärung über das Totalverlustrisiko und eine allfällige Rückzahlungspflicht erhaltener Ausschüttungen stützten. Der auf die unter Punkt 1. erörterte Aufklärungspflichtverletzung gegründete Schadenersatzanspruch wäre – so der Rechtswidrigkeitszusammenhang vorliegt – allerdings nicht verjährt. Wenn der Kläger sein Begehren alternativ auf verschiedene Sachverhaltsvarianten stützt, liegen mehrere Ansprüche vor, die auch verjährungsrechtlich getrennt zu beurteilen sind. Daher ist auch in Anlegerhaftungsfällen die Verjährung für jeden Beratungsfehler nach gesicherter höchstgerichtlicher Rechtsprechung getrennt zu beurteilen, wenn bei mehreren spezifischen Risiken jeweils eine gesonderte Verletzung von Aufklärungspflichten in Betracht kommt (2 Ob 99/16x; 10 Ob 58/16a; 8 Ob 109/16m; 7 Ob 95/17x; 1 Ob 112/17b jeweils mwN). Die von dieser Rechtsprechungslinie bezüglich der Aufklärung über die Weichkosten und das Totalverlustrisiko abweichende Entscheidung 6 Ob 118/16w (dort Punkt 3.4.) ist vereinzelt geblieben (kritisch dazu auch Häusler, Fehlberatung und Verjährung: Wann ist eine Pflichtverletzung „eigenständig“? ecolex 2018, 12).

3. Den Klägern ist darin beizupflichten, dass bereits abschließend geklärt ist, dass der von der Beklagten erhobene Einwand der Unmöglichkeit bzw Untunlichkeit der Naturalrestitution nicht berechtigt ist: Der Oberste Gerichtshof hat in vergleichbaren Fällen einer treugeberisch gehaltenen Kommanditeinlage bereits darauf verwiesen, dass Unmöglichkeit der Naturalrestitution (im Sinne eines dauerhaften Hindernisses, vgl RIS-Justiz RS0109496) nur dann vorläge, wenn die anderen Gesellschafter ihre Zustimmung bereits verweigert hätten oder schon feststünde, dass sie diese nicht erteilen würden (10 Ob 70/15i; 2 Ob 99/16x; 10 Ob 58/16a ua). Abgesehen davon wären die Kläger nach Annahme des Abtretungsanbots durch die Beklagte jedenfalls aufgrund ergänzender Vertragsauslegung verpflichtet, erforderlichenfalls auf Verlangen (und Rechnung) der Beklagten gegenüber den Gesellschaftern oder dem Treuhänder alle zur Verwertung der Anteile oder Erträge erforderlichen Erklärungen abzugeben und einen ihr allenfalls zufließenden Erlös an die Beklagte herauszugeben. Schon das steht der Unmöglichkeit der Naturalrestitution entgegen (2 Ob 99/16x; 10 Ob 58/16a).

4. Soweit die Kläger in ihrem Rekurs auf die fehlende Aufklärung über sonstige „Weichkosten“ zurückkommen und einen darauf gegründeten Schadenersatzanspruch für nicht verjährt ansehen, sind sie darauf zu verweisen, dass das Erstgericht nicht feststellen konnte, ob über Weichkosten gesprochen wurde. Diese in der Berufungsbeantwortung der Kläger gerügte Negativfeststellung wurde vom Berufungsgericht übernommen. Den beweispflichtigen Klägern (2 Ob 99/16x mwN) ist daher in diesem Umfang der Nachweis der Verletzung einer Aufklärungspflicht nicht gelungen.

5. Jedenfalls im Ergebnis zutreffend hat das Berufungsgericht auch ein Mitverschulden der Kläger verneint: Anders als bei dem der Entscheidung 2 Ob 99/16x zugrundeliegenden Sachverhalt geht es hier nicht bloß um eine unterlassene Aufklärung über das Risiko der Veranlagung. Vielmehr wurde hier den Klägern ausdrücklich versichert, „sie bekämen im schlimmsten Fall nur das eingesetzte Kapital zurück“.

Die Kläger haben sich nun zwar auf Arglist des Beraters nicht berufen, eine solche wurde auch nicht festgestellt. Angesichts dessen, dass die beklagte Bank, die sich den Berater zurechnen lassen muss (RIS-Justiz RS0016309), aber dem objektiven Sorgfaltsmaßstab des § 1299 ABGB unterliegt und der Berater über das Produkt, das er bewarb, Bescheid wissen musste, liegt in der festgestellten Falschberatung aber (zumindest) an Vorsatz grenzende grobe Fahrlässigkeit. Unter diesen Umständen ist aus der Feststellung, dass die Kläger vor Vertragsabschluss die Risikohinweise nicht lasen, sondern vielmehr auf die Richtigkeit der Aussagen ihres Beraters vertrauten, in Bezug auf sämtliche Aufklärungspflichtverletzungen der Beklagten keine Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten abzuleiten, die gegenüber der (gravierenden) Fehlberatung des Beraters ins Gewicht fiele (vgl 2 Ob 133/16x). Darauf, ob die Annahme eines relevanten Mitverschuldens nur dann in Betracht kommt, wenn dem Geschädigten vorzuwerfen ist, dass ihm die Fehlerhaftigkeit oder Unvollständigkeit gerade der die Schadenersatzpflicht begründenden Aufklärung bereits vor/bei Vertragsabschluss auffallen hätte müssen (so 1 Ob 112/17b; anders 2 Ob 99/16x; 10 Ob 58/16a; 7 Ob 95/17x) kommt es daher hier nicht entscheidend an.

6. Nach dem erstinstanzlichen Vorbringen der Kläger bezieht sich ihr Feststellungsbegehren ganz allgemein auf die Feststellung der Haftung für (auch zukünftige) Schäden. Die Berechtigung dieses Begehrens hängt von der Berechtigung der „Naturalrestitution“ ab: Den Klägern drohen auch nach Durchführung der Naturalrestitution weitere Schäden, weil sie zur Rückzahlung der erhaltenen Ausschüttungen verpflichtet sein könnten (2 Ob 99/16x; 10 Ob 58/16a; 8 Ob 109/16m; 7 Ob 95/17x jeweils mwN).

7. Daraus folgt zusammengefasst, dass im fortgesetzten Verfahren vor dem Erstgericht ausschließlich zu prüfen sein wird, ob im Sinne der Ausführungen zu 1. der Schaden der Kläger auch im Rechtswidrigkeitszusammenhang mit der Pflichtverletzung steht. Gelingt der Beklagten der Nachweis nicht, dass keine Interessenkollision vorlag, wird dem Klagebegehren stattzugeben sein, ohne dass es darauf ankäme, aus welchem Grund die Kursverluste eintraten: Es steht fest, dass die Kläger bei Aufklärung über die Innenprovision eine Veranlagung gewählt hätten, bei der sie mit überwiegender Wahrscheinlichkeit keine Verluste erlitten hätten. Sie hätten sich in diesem Fall keinem mit der konkreten Anlage verbundenen Risiko ausgesetzt (vgl 2 Ob 99/16x).

8. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

Textnummer

E121160

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0020OB00172.17H.0322.000

Im RIS seit

19.04.2018

Zuletzt aktualisiert am

07.08.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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