TE Bvwg Erkenntnis 2018/4/4 W113 2189055-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.04.2018
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Entscheidungsdatum

04.04.2018

Norm

AVG §6
AVG §7 Abs1 Z3
AVG §8
B-VG Art.133 Abs4
UVP-G 2000 Anh.1 Z9
UVP-G 2000 §19 Abs1
UVP-G 2000 §40 Abs1
VwGVG §17
VwGVG §22
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5
VwGVG §31 Abs1

Spruch

W113 2189055-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Katharina DAVID als Vorsitzende und die Richter Dr. Silvia KRASA und Mag. Gernot ECKHARDT als Beisitzer über die Beschwerde der XXXX, vertreten durch XXXX, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 01.02.2018, Zl. RU4-U-864/027-2017, mit dem ein Antrag auf Feststellung der Parteistellung im UVP-Genehmigungsverfahren "B17 Umfahrung Wiener Neustadt Ost, Teil 2" zurückgewiesen wurde, zu Recht erkannt:

A) I. Der Beschwerde wird stattgegeben und der Bescheid der

belangten Behörde ersatzlos behoben.

II. Die ordentliche Revision gegen Spruchpunkt A) I. ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

und beschlossen:

B)

I. Die Anträge auf vorläufige Aufschiebung des UVP-Genehmigungsverfahrens werden zuständigkeitshalber an die Landesregierung Niederösterreich weitergeleitet.

II. Die ordentliche Revision gegen Spruchpunkt B) I. ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit angefochtenem Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung (im Folgenden belangte Behörde) wurde der Antrag der XXXX, vertreten durch XXXX (im Folgenden Beschwerdeführerin), vom 14.11.2017 auf Feststellung der Parteistellung im vereinfachten UVP-Genehmigungsverfahren zum Vorhaben "B17 Umfahrung Wiener Neustadt Ost, Teil 2" zurückgewiesen.

Begründend wurde im Kern ausgeführt, dass bereits ein UVP-Feststellungsbescheid vom 08.10.2009 vorliege, der eine UVP-Pflicht im vereinfachten Verfahren ergeben habe. Die belangte Behörde räumte ein, dass dieser Bescheid der Beschwerdeführerin nicht entgegenhalten werden könne, da sie am Verfahren nicht beteiligt gewesen sei, als Behörde sei sie jedoch daran gebunden. Die Erlassung eines Feststellungsbescheides über die Frage, ob die Beschwerdeführerin am Verfahren als Partei und nicht bloß als Beteiligte teilnehmen kann, sei unzulässig, da die strittige Frage im Rahmen des derzeit anhängigen vereinfachten UVP-Genehmigungsverfahren geklärt werden könne.

2. Dagegen erhob die Beschwerdeführerin mit 28.02.2018 eine Beschwerde, mit der sie die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung, die ersatzlose Behebung des angefochtenen Bescheides sowie die Aufschiebung des UVP-Genehmigungsverfahrens über das Vorhaben bis zur meritorischen Entscheidung der belangten Behörde über den gegenständlichen Feststellungsantrag, in eventu die vorläufige Aufschiebung des UVP-Genehmigungsverfahrens über das Vorhaben bis zur Entscheidung über die vorliegende Bescheidbeschwerde begehrte. Weiters regte sie an, dem EuGH zur Vorabentscheidung die Fragen, ob Bürgerinitiativen iSd Art. 11 Abs. 1 der UVP-RL Teil der betroffenen Öffentlichkeit sind und diese Bestimmung so auszulegen ist, dass er die vorläufige Aufschiebung nationaler Genehmigungsverfahren mit verpflichtender Öffentlichkeitsbeteiligung für die Dauer eines Zwischenverfahrens zur Klärung der Parteistellung von Mitgliedern der betroffenen Öffentlichkeit im Genehmigungsverfahren verlangt, vorzulegen.

Die Beschwerdeführerin vertritt im Wesentlichen die Auffassung, über das Vorhaben sei kein vereinfachtes, sondern ein großes Genehmigungsverfahren abzuführen und habe sie daher Parteistellung gemäß § 19 Abs. 1 Z 6 UVP-G 2000. Der Feststellungsantrag hätte von der belangten Behörde inhaltlich entschieden werden müssen. Im Übrigen stellte sie eine Befangenheit des Organwalters der belangten Behörde in den Raum.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerde wurde innerhalb von 4 Wochen nach Bescheiderlassung und somit rechtzeitig bei der belangten Behörde eingebracht.

Die Beschwerdeführerin konstituierte sich als Bürgerinitiative und nimmt am derzeit anhängigen vereinfachten UVP-Genehmigungsverfahren als Beteiligte teil.

Die Beschwerdeführerin stellte im laufenden UVP-Genehmigungsverfahren den Antrag, "... die NÖ Landesregierung möge das Bestehen unserer Parteistellung im Genehmigungsverfahren über das Vorhaben "B 17 Umfahrung Wiener Neustadt Ost Teil 2" nach dem UVP-G 2000 mit Bescheid feststellen."

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus dem Verwaltungsakt und der Beschwerde und erwiesen sich als unstrittig.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Allgemeines und Zuständigkeit

Gemäß Art. 131 Abs. 4 Z 2 lit. a B-VG iVm § 40 Abs. 1 UVP-G 2000 entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen nach dem UVP-G 2000 das Bundesverwaltungsgericht.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 40 Abs. 2 UVP-G 2000 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Senate.

3.2. Zur Zurückweisung des Feststellungsantrags

Das Bundesgesetz über die Prüfung der Umweltverträglichkeit (Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 - UVP-G 2000), StF. BGBl. Nr. 697/1993 idF BGBl. I Nr. 111/2017, (im Folgenden UVP-G 2000) lautet auszugsweise:

"Partei- und Beteiligtenstellung sowie Rechtsmittelbefugnis

§ 19. (1) Parteistellung haben

[...]

6. Bürgerinitiativen gemäß Abs. 4, ausgenommen im vereinfachten Verfahren (Abs. 2) und

[...]

(2) Im vereinfachten Verfahren können Bürgerinitiativen gemäß Abs. 4 als Beteiligte mit dem Recht auf Akteneinsicht am Verfahren teilnehmen.

[...]"

Gemäß UVP-Feststellungsbescheid der belangten Behörde vom 08.10.2009 erfüllt das Vorhaben "B17 Wiener Neustadt Umfahrung Ost, Teil 2" den Tatbestand der Z 9 lit. f Anhang 1 des UVP-G 2000 und ist daher ein UVP-Genehmigungsverfahren im vereinfachten Verfahren durchzuführen. Es ist der Beschwerdeführerin und der belangten Behörde nicht entgegenzutreten, wenn diese meinen, der UVP-Feststellungsbescheid kann der Beschwerdeführerin nicht entgegengehalten werden, da sie nicht Partei des zu Grunde liegenden Feststellungsverfahrens war (vgl. VwGH 22.06.2015, 2015/04/0002, zur Bindungswirkung von Feststellungsbescheiden gegenüber Nachbarn; Bußjäger/Lampert, Bürgerinitiativen im UVP-Verfahren, S. 75 f).

Gemäß dem Ergebnis des UVP-Feststellungsverfahrens wird das Vorhaben im vereinfachten UVP-Genehmigungsverfahren geprüft. § 19 Abs. 1 Z 6 und Abs. 2 UVP-G 2000 stellt klar, dass einer Bürgerinitiative im vereinfachten Verfahren (Vorhaben nach Anhang 1 Spalte 2 und 3 UVP-G 2000) nicht Partei-, sondern Beteiligtenstellung mit dem Recht auf Akteneinsicht zukommt. Wie sich aus den Feststellungen ergibt, ist sowohl der Umstand, dass die Bürgerinitiative ordnungsgemäß zu Stande gekommen ist und als solche anerkannt wird, als auch der Umstand, dass sie als Beteiligte am Verfahren teilnehmen kann, unbestritten.

Die Beschwerdeführerin begehrte mit dem dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegenden Antrag sinngemäß die Feststellung, dass das Vorhaben gemäß Anhang 1 Z 9 lit. a (Spalte 1) UVP-G 2000 im ordentlichen UVP-Genehmigungsverfahren und nicht bloß im vereinfachten Verfahren durchzuführen ist und sie somit Partei- und nicht bloß Beteiligtenstellung im Verfahren genießt.

In einem Judikat vom 20.12.2016, Ro 2014/03/0035, welches auch von der belangten Behörde zitiert wird, erläutert der VwGH die Frage der Parteistellung von Bürgerinitiativen im vereinfachten Verfahren hinsichtlich der Frage, ob die Voraussetzungen zur Durchführung eines vereinfachten Verfahrens überhaupt vorliegen: Unter Hinweis auf die Gewerbeordnung 1994 als auch das Abfallwirtschaftsgesetz 2002, die beide ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren zur Bewilligung einer Betriebsanlage kennen, hat der VwGH bereits festgehalten, dass jene Personen, die im ordentlichen Verfahren Parteistellung haben, im vereinfachten Verfahren hingegen nicht, auch im vereinfachten Verfahren geltend machen können, dass die Voraussetzungen für das vereinfachte Genehmigungsverfahren nicht gegeben sind, insoweit also auch im vereinfachten Verfahren Parteistellung haben (vgl. etwa VwGH 23.02.2012, 2008/07/0012). Diese Rechtsprechung kann, so der VwGH weiter, auch auf das UVP-G 2000 übertragen werden, weshalb bei der Durchführung eines vereinfachten Verfahrens nach dem UVP-G 2000 gleichfalls keine Rechtsschutzlücke dahingehend besteht, dass etwa die Rechtsstellung einer ordnungsgemäß konstituierten Bürgerinitiative infolge der Durchführung eines vereinfachten Verfahrens zu Unrecht eingeschränkt wird. Es steht einer solchen Bürgerinitiative nämlich frei, auch im vereinfachten Verfahren geltend zu machen, dass die Voraussetzungen zur Durchführung eines vereinfachten Verfahrens nicht gegeben sind und ein ordentliches Genehmigungsverfahren durchzuführen ist.

Auf den gegenständlichen Fall übertragen bedeutet das für die Beschwerdeführerin, dass sie den Einwand, das Vorhaben wäre nicht im vereinfachten Verfahren zu prüfen, im vereinfachten Verfahren geltend machen kann. Hinsichtlich dieses Einwands genießt sie Parteistellung.

Unbeantwortet blieb allerdings die Frage, ob die Beschwerdeführerin ein Recht darauf hat, im Rahmen eines eigenen Feststellungsverfahrens ihre Parteistellung klären zu lassen. Das Begehren richtet sich explizit auf die Feststellung, dass der Beschwerdeführerin Parteistellung im Genehmigungsverfahren über das gegenständliche Vorhaben "B 17 Umfahrung Wiener Neustadt Ost Teil 2" nach dem UVP-G 2000 zukommt. Aus der Begründung des Antrags ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin eigentlich die Feststellung begehrt, dass das Vorhaben im "großen" UVP-Genehmigungsverfahren zu führen wäre und sie in der Folge Partei- und nicht bloß Beteiligtenstellung genießt.

Eine weitere Frage, die sich in diesem Zusammenhang ergibt, ist jene, ob der Beschwerdeführerin, sollte das vereinfachte Genehmigungsverfahren das rechtsrichtige Verfahrensregime sein, dennoch die begehrte Partei- und nicht bloß eine Beteiligtenstellung zukommt. Diese Frage ist zwar durch die eindeutige Normierung in § 19 Abs. 1 Z 2 und Abs. 2 UVP-G 2000 in der Art gelöst, als dort die bloße Beteiligtenstellung einer Bürgerinitiative im vereinfachten Verfahren geregelt ist. Ein Teil der Lehre sieht diese Bestimmung jedoch als nicht unionsrechtskonform und schlägt vor, sie im vereinfachten Verfahren unangewendet zu lassen (Ennöckl/Raschauer/Bergthaler, UVP-G³, § 19 Rz 99; Bachl, Die (betroffene) Öffentlichkeit im UVP-Verfahren, S. 324 ff; aA Schmelz/Schwarzer, UVP-G-ON, § 19 Rz 177; Bußjäger/Lampert, Bürgerinitiativen im UVP-Verfahren, S. 79 ff). Das BVwG beurteilte die Regelung in einer Entscheidung als unionsrechtskonform, wobei darauf hinzuweisen ist, dass dagegen eine Revision an den VwGH erhoben wurde, über die noch nicht entschieden wurde (BVwG 21.04.2015, W193 2012935-1, Stadttunnel Feldkirch I; zustimmend Bußjäger/Lampert in ecolex 2015, 163, Bürgerinitiativen im vereinfachten UVP-Verfahren).

Ein rechtliches Interesse einer Partei an einer bescheidmäßigen Feststellung ist nach den allgemeinen in der Judikatur entwickelten Grundsätzen dann gegeben, wenn der Feststellungsbescheid für die Partei ein geeignetes Mittel zur Beseitigung aktueller oder zukünftiger Rechtsgefährdung ist (siehe dazu die detaillierten rechtlichen Ausführungen der Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde). Generell handelt es sich jedoch bei einem Feststellungsbescheid um einen subsidiären Rechtsbehelf, der unzulässig ist, wenn die strittige Rechtsfrage in zumutbarer Weise im Rahmen eines anderen vorgesehenen gesetzlichen Verwaltungsverfahrens entschieden werden kann (z.B. VwGH 02.08.2016, Ro 2014/05/0017; 23.02.2012, 2009/07/0089). Eine Vorfrage, die im Zuge eines Verwaltungsverfahrens zu lösen ist, kann grundsätzlich nicht aus diesem Verfahren herausgegriffen werden und zum Gegenstand eines selbständigen Feststellungsbescheides gemacht werden (z.B. VwGH 15.06.2011, 2008/05/0200).

Die strittige Vorfrage der Parteistellung einer Person in einem konkreten, anhängigen Verfahren kann nach der Rechtsprechung allerdings auch in einem allein ihrer Beantwortung dienenden Zwischenverfahren geklärt werden (VwGH 26.05.1993, 92/03/0208), und zwar solange bis der die Hauptsache erledigende Bescheid ergangen ist (VwSlg. 5567 A/1961; VwGH 25.04.1996, 95/07/0216). Ziel des Feststellungsverfahrens ist, durch den Abspruch über die Parteistellung zu klären, ob die betreffende Person dem Verfahren beizuziehen ist und es ihr damit zu ermöglichen, die ihr zur Wahrung ihrer (vermeintlichen) Rechtsansprüche und rechtlichen Interessen eingeräumten Verfahrensrechte geltend zu machen (VwGH 03.07.2001, 2000/05/0115).

Nach dem bereits oben zitierten Judikat des VwGH vom 20.12.2016, Ro 2014/03/0035, kann die Beschwerdeführerin die strittige Rechtsfrage, nämlich ob ein "großes" UVP-Genehmigungsverfahren durchzuführen ist, unbestritten im Rahmen des derzeit anhängigen vereinfachten Genehmigungsverfahrens - und hier mit der die Hauptsache erledigenden Entscheidung - klären lassen. Da sich davon unabhängig aber die Frage nach der Parteistellung im laufenden Verfahren stellt und nach den obigen Ausführungen der Beschwerdeführerin eventuell eine Parteistellung auch im vereinfachten Verfahren unmittelbar auf Grund des Unionsrechts zukommt, ist es nach der Rechtsprechung des VwGH zulässig, diese Frage bereits im Vorfeld zu klären.

Die Beschwerdeführerin genießt im Verfahren zwar ohnehin eine Beteiligtenstellung mit dem (zusätzlichen) Recht auf Akteneinsicht. Beteiligte haben iSd § 8 AVG das Recht, an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen und bei der Feststellung des Sachverhalts mitzuwirken. Die Rechtsposition einer Partei bringt aber mehr Rechte mit sich als die bloße Beteiligtenstellung inklusive dem Recht auf Akteneinsicht.

Zusammengefasst erweist sich der Feststellungsantrag der Beschwerdeführerin im Lichte der zitierten VwGH-Judikatur nicht als unzulässig und war der angefochtene Bescheid ersatzlos zu beheben (vgl. zur Vorgehensweise der ersatzlosen Behebung z.B. VwGH 13.04.2000, 99/07/0202). Die belangte Behörde wird in der Folge unter Außerachtlassung des zunächst verwendeten Zurückweisungsgrundes erneut über den verfahrensgegenständlichen Antrag betreffend die Parteistellung zu entscheiden haben.

3.3. Zum Vorwurf der (relativen) Befangenheit

§ 7 Abs. 1 AVG lautet:

"Befangenheit von Verwaltungsorganen

§ 7. (1) Verwaltungsorgane haben sich der Ausübung ihres Amtes zu enthalten und ihre Vertretung zu veranlassen:

1. in Sachen, an denen sie selbst, einer ihrer Angehörigen (§ 36a) oder einer ihrer Pflegebefohlenen beteiligt sind;

2. in Sachen, in denen sie als Bevollmächtigte einer Partei bestellt waren oder noch bestellt sind;

3. wenn sonstige wichtige Gründe vorliegen, die geeignet sind, ihre volle Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen;

4. im Berufungsverfahren, wenn sie an der Erlassung des angefochtenen Bescheides oder der Berufungsvorentscheidung (§ 64a) mitgewirkt haben."

Zum Vorliegen des Befangenheitsgrundes nach § 7 Abs. 1 Z 3 AVG iVm § 17 Abs. 1 VwGVG genügen Umstände, die die volle Unbefangenheit zweifelhaft erscheinen lassen können und die eine gewisse Wahrscheinlichkeit der Befangenheit begründen können. Es genügt somit, dass eine Befangenheit mit Grund befürchtet werden muss (auch wenn der Entscheidungsträger tatsächlich unbefangen sein sollte) oder dass bei objektiver Betrachtungsweise auch nur der Anschein einer Voreingenommenheit entstehen könnte. Für die Beurteilung, ob eine Befangenheit in diesem Sinne vorliegt, ist maßgebend, ob ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller konkreten Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Organwalters zu zweifeln (vgl. VwGH 30.05.2017, Ra 2016/07/0099).

Der Vorwurf einer Befangenheit des handelnden Organwalters im vorliegenden Fall entbehrt einer ausreichenden Sachlichkeit. Die dafür vorgebrachten Gründe, nämlich

* der Bescheid lasse erkennen, dass dem Antrag auf Genehmigung stattgegeben werde, weil man ein Rechtsmittel gegen diesen nahelege,

* im Bescheid sei zitiert, dass der Genehmigungsantrag vom 08.06.2016 stamme, obwohl er tatsächlich vom 08.07.2016 stamme,

* die Behörde habe sich nicht substantiiert mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin auseinandergesetzt sowie

* der Bescheid enthalte schwere Grammatikfehler, die auf ein bloßes "Hineinkopieren" hindeuten würden,

stellen nicht die Unvoreingenommenheit und objektive Einstellung des Organwalters in Frage und vermögen keine Befangenheit iSd § 7 AVG zu begründen (vgl. z.B. VwGH 21.10.2009, 2009/06/0088; 15.11.2017, Ra 2016/08/0184).

3.4. Zu den Anträgen auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung kraft Unionsrecht

Die Beschwerdeführerin begehrt die Zuerkennung der vorläufigen Aufschiebung des derzeit anhängigen UVP-Genehmigungsverfahrens. Sie beantragt somit explizit nicht die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung des angefochtenen Bescheides iSd § 22 VwGVG, sondern die Erlassung einer einstweiligen Verfügung betreffend das Genehmigungsverfahren.

Wie die Beschwerdeführerin selber eingesteht, bestehen auf Grund der nationalen Rechtsvorschriften keine Möglichkeiten, eine aufschiebende Wirkung dahingehend zuzuerkennen, dass das derzeit bei der belangten Behörde anhängige UVP-Genehmigungsverfahren ausgesetzt wird.

Die Erlassung einstweiliger Anordnungen nach Unionsrecht kommt hingegen auch im Beschwerdeverfahren nach dem VwGVG in Betracht (VwGH 23.10.2015, Fr 2015/21/0012 mHa EuGH 15.01.2013, Rs C-416/10, Križan ua: Ein mit einem nach Unionsrecht zu beurteilenden Rechtsstreit befasstes nationales Gericht muss in der Lage sein, vorläufige Maßnahmen zu erlassen, um die volle Wirksamkeit der späteren Gerichtsentscheidung über das Bestehen der aus dem Unionsrecht hergeleiteten Rechte sicherzustellen). Es ist daher nicht undenkbar, dass ein Antrag auf Erlassung der begehrten einstweiligen Verfügung dem Grunde nach zulässig ist.

Die Zuständigkeit zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung liegt jedoch nicht beim BVwG, sondern der belangten Behörde: Die Regelungen des einzuhaltenden Verfahrens (einschließlich der Zuständigkeit) überlässt das Unionsrecht im Allgemeinen den Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer Verfahrensautonomie, wobei das Äquivalenz- und das Effektivitätsprinzip zu beachten sind (VwGH 23.10.2015, Fr 2015/21/0012). Es lässt sich weder dem AVG noch dem VwGVG eine Regelung entnehmen, die eine Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes oder der Verwaltungsbehörde zur Erlassung einstweiliger Anordnungen vorsähe. Mangels entsprechender Zuständigkeitsregeln ist daher zur Bestimmung der Zuständigkeit zur Erlassung einstweiliger Anordnungen im Beschwerdeverfahren von der "sachnächsten" Zuständigkeit auszugehen (VwGH 27.06.2007, 2007/04/0034, mwN).

Nach herrschender Lehre kann die zuständige Stelle nicht nur eine Verwaltungsbehörde, die als Gericht zu qualifizieren wäre, sondern jede Verwaltungsbehörde (vgl. Ranacher/Frischhut, Handbuch Anwendung des EU-Rechts, S. 510) sein. "Sachnächstes" Gericht bzw. "sachnächste" Behörde für die Prüfung der Erlassung einstweiliger Anordnungen ist gegenständlich die belangte Behörde (vgl. zum Revisionsverfahren VwGH 29.10.2014, Ro 2014/04/0069), da die diesbezüglichen Anträge bei ihr (im Rahmen der Beschwerde) eingebracht wurden und das UVP-Genehmigungsverfahren, welches unterbrochen werden soll, bei ihr anhängig ist.

Gegenständlich war eine Weiterleitung unter sinngemäßer Anwendung des § 6 AVG durch verfahrensleitende Anordnung in Beschlussform zu treffen (VwGH 24.06.2015, Ra 2015/04/0040), da die Unzuständigkeit des BVwG angesichts der zitierten Judikatur unzweifelhaft ist und die belangte Behörde eine vermeintliche Unzuständigkeit nicht nachhaltig zum Ausdruck brachte (VwGH 18.02.2015, Ko 2015/03/0001; Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte², § 31 VwGVG E 7 und E 8). In einer solchen Konstellation wäre nach Ansicht des BVwG der Beschwerdeführerin nicht gedient, wenn sofort mit einer zurückweisenden Entscheidung wegen Unzuständigkeit durch das BVwG vorgegangen würde.

3.5. Die Anregungen, ein Vorabentscheidungsverfahren beim EuGH zu initiieren (siehe Verfahrensgang), werden vom BVwG nicht aufgegriffen, da Gegenstand dieses Beschwerdeverfahrens eine zurückweisende Entscheidung war und somit keine inhaltliche Entscheidung getroffen werden konnte.

3.6. Zum Unterbleiben der mündlichen Verhandlung

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte iSd § 24 VwGVG entfallen, da eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten war und Art. 47 GRC dem nicht entgegenstand. Letztlich handelte es sich um die Beurteilung reiner Rechtsfragen, die auch nach der Rechtsprechung des EGMR grundsätzlich keiner Erörterung im Rahmen einer mündlichen Verhandlung bedürfen (vgl. dazu mwN Senft, Verhandlungspflicht der Verwaltungsgerichte aus grundrechtlicher Perspektive, ZVG 2014/6, 523 (534) sowie aus der jüngeren Vergangenheit VwGH 29.06.2017, Ra 2017/04/0040).

Der VwGH hat zwar in Zusammenhang mit einem UVP-Verfahren erst kürzlich festgehalten, dass der Gesetzgeber als Zweck einer mündlichen Verhandlung die Klärung des Sachverhaltes und die Einräumung von Parteiengehör vor Augen gehabt hat. Bei sachverhaltsbezogenem Vorbringen der beschwerdeführenden Parteien sei ebenfalls eine mündliche Verhandlung durchzuführen; dies sogar dann, wenn kein Antrag auf eine solche gestellt worden sei (vgl. VwGH 24.01.2017, Ra 2015/05/0035). Im vorliegenden Fall steht der Sachverhalt aber fest und wurde von keiner Partei bestritten.

3.6. Zu Spruchpunkt A) I.

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen Spruchpunkt A) I. ist nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Zur Rechtsfrage, dass ein Feststellungsantrag zur Feststellung der Parteistellung in einem (Haupt)verfahren nicht unzulässig ist, liegt Judikatur des VwGH vor (vgl. VwGH 26.05.1993, 92/03/0208; VwSlg. 5567 A/1961; 25.04.1996, 95/07/0216; 03.07.2001, 2000/05/0115).

Schlagworte

aufschiebende Wirkung, Aussetzung, Befangenheit, Behebung der
Entscheidung, Beteiligte, Bindungswirkung, einstweilige Anordnung,
einstweilige Verfügung, ersatzlose Behebung, Feststellungsantrag,
Feststellungsbescheid, Feststellungsverfahren,
Genehmigungsverfahren, Parteistellung, rechtliches Interesse,
Rechtsanspruch, Umweltverträglichkeitsprüfung, Unzuständigkeit BVwG,
UVP-Pflicht, Vorfrage, vorläufige Maßnahme, Weiterleitung,
Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W113.2189055.1.00

Zuletzt aktualisiert am

18.04.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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