TE Bvwg Erkenntnis 2018/4/5 W202 2167456-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.04.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

05.04.2018

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch

W202 2167456-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Bernhard SCHLAFFER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.07.2017, Zl. 1157726905 - 170745305/BMI-BFA_KNT_AST_01_TEAM_01, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8, 10, 57 AsylG idgF, § 9 BFA-VG sowie §§ 46, 52 und 55 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, stellte am 26.06.2017einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde dazu am selben Tag durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich einvernommen.

Zu seinem Fluchtgrund brachte der Beschwerdeführer vor, ein heiliges Buch sei geschändet worden. Deshalb hätten sie gegen die Regierung protestiert und der Beschwerdeführer habe deshalb mit der Polizei Probleme bekommen. Er sei immer wieder von der Polizei gefoltert und schikaniert worden. Er habe sich für fünf oder sechs Monate in Delhi aufgehalten. Als er wieder zuhause gewesen sei, habe er wieder Probleme mit der Polizei bekommen. Deshalb habe sein Vater die Reise organisiert und den Beschwerdeführer ins Ausland geschickt.

Der Beschwerdeführer stamme aus dem Punjab. Seine Reisebewegung habe er von Delhi aus auf dem Luftweg angetreten.

Im Zuge seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) am 06.07.2017 gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen Folgendes zu Protokoll:

" . . .

F: Liegen Befangenheitsgründe oder sonstigen Einwände gegen die anwesenden Personen vor?

A: Nein.

Anm: Wasser für den Antragsteller ist bereitgestellt und wird darauf aufmerksam gemacht. Auf die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer Pause während der Einvernahme wird aufmerksam gemacht.

F: Fühlen Sie sich psychisch und physisch in der Lage, die gestellten Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten?

A: Ja.

F: Sind Sie gesund?

A: Ja.

F: Werden Sie in Ihrem Verfahren vertreten?

A: Nein.

F: Haben Sie eine Vertrauensperson?

A: Nein.

Auf die Möglichkeit der Inanspruchnahme des Rechtsberaters und auf dessen Sprechstunden wurde ich hingewiesen, weiters wurde ich über die Möglichkeit der Beiziehung einer Vertrauensperson informiert.

. . .

Mir wird eine kurze Darstellung des bisherigen Ablaufs des Verfahrens gegeben und Grund und Ablauf der nunmehrigen Einvernahme mitgeteilt.

F: Haben Sie bei der Erstbefragung wahrheitsgemäße Angaben gemacht?

A: Ja.

F: Haben Sie bei der Erstbefragung zu Ihrem Fluchtgrund die Wahrheit gesagt?

A: Ja.

F: Wurde alles rückübersetzt und korrekt protokolliert?

A: Ja.

F: Haben Sie irgendwelche Dokumente oder sonstige Beweismittel die Sie im bisherigen Verfahren noch nicht vorgelegt haben?

A: Nein.

F: Haben Sie gar keine Beweismittel?

A: Nein.

F: Welche Staatsangehörigkeit haben Sie? Welcher Volksgruppe und welcher Religion gehören Sie an?

A: Ich bin indischer Staatsbürger, gehöre zur Volksgruppe der Panjabi, und bin Sikh.

F: Können Sie mir Ihre letzte Wohnadresse im Heimatland nennen?

A: Im Dorf XXXX, Distrikt XXXX, Punjab, Indien.

F: Wie groß ist das Dorf? Wieviele Einwohner hat das Dorf?

A: Das Dorf hat 1000 bis 1500 Einwohner.

F: Wie lange haben Sie in Ihrem Dorf gewohnt?

A: Ich habe immer in diesem Dorf gelebt.

F: Wann sind Sie aus Indien ausgereist?

A: Ich bin im Juni 2016 aus Indien ausgereist.

F: Wie sind Sie ausgereist?

A: Mit dem Flugzeug von Delhi nach Moskau.

F: Hatten Sie ein Visum für Russland?

A: Ja. Der Schlepper hat ein Touristenvisum für mich besorgt.

F: Wo haben Sie sich Ihren Reisepass ausstellen lassen?

A: In XXXX in Punjab. Auf Nachfrage gebe ich an, dass ich mir den Pass von der dortigen Behörde ausstellen ließ. Auf Nachfrage ich an, dass ich den Reisepass vor zwei bis drei Jahren gemacht habe.

F: Welche Familienangehörigen bzw. Verwandte haben Sie noch im Heimatland Indien? Damit sind auch Onkel, Tanten, Cousinen, Cousins, Ihre Familie usw. gemeint.

A: Meine Mutter XXXX, mein Vater XXXX und mein Bruder XXXX wohnen noch in XXXX in Indien. Mein Vater hat vier Brüder und eine Schwester. Meine Mutter hat zwei Brüder und eine Schwester. Die Brüder meiner Mutter leben in XXXX. Die Schwester von meinem Vater wohnt inXXXX.

F: Von was leben Ihre Eltern und Ihr Bruder in Indien?

A: Von der Landwirtschaft. Wir besitzen 3-4 Acre. Den Rest pachten wir dazu.

F: Von was haben Sie gelebt?

A: Ich habe auch in der Landwirtschaft gearbeitet. Nebenbei hatte ich das Elektrikergewerbe.

F: Stehen Sie mit jemanden in Indien in Kontakt?

A: Nein.

F: Hatten Sie seit Ihrer Ausreise Kontakt?

A: Nein. Manchmal rufe ich meinen Vater in Indien an. Da mache ich von Telefonzellen.

F: Wann hatten Sie den letzten Kontakt mit Ihrem Vater?

A: In Moskau.

F: Haben Sie in Österreich oder sonst wo in Europa weitere familiäre Beziehungen oder sonstige verwandtschaftliche Bindungen?

A: Nein.

F: Beschreiben Sie Ihre allgemeinen Lebensverhältnisse in Ihrem Herkunftsland.

A: Ich bin bis zur 12. Klasse in die Schule gegangen. Dann habe ich in der Landwirtschaft ein bis eineinhalb Jahre gearbeitet. Danach habe ich als Elektriker gearbeitet. Ich habe eine sechsmonatige Ausbildung gemacht. Dann habe ich immer als Elektriker gearbeitet. Ein Jahr vor meiner Ausreise habe ich aufgehört zu arbeiten.

F: Haben Sie selbst Besitz in Indien?

A: Ja.

F: Was besitzen Sie?

A: Mein Vater besitzt die Landwirtschaft.

F: Wer bekommt die Landwirtschaft?

A: Wir beide bekommen die Landwirtschaft.

F: Aus welchem Grund suchen Sie in Österreich um Asyl an. Schildern Sie möglichst ausführlich und konkret Ihre Flucht und Asylgründe! Warum mussten Sie Ihr Heimatland verlassen? (Freie Erzählung)

A: Unser Heiliges Buch war zerrissen. Dagegen haben wir protestiert. Dann ist die Polizei gekommen. Sie haben uns mitgenommen. Sie haben uns geschlagen. Meine Familie und die Dorfbewohner haben uns geholfen von der Polizei entlassen zu werden. Sie haben mich aber später noch zwei Mal mitgenommen. Dann habe ich mein Dorf verlassen und sechs Monate in Delhi gelebt. Nach sechs Monaten bin ich wieder nach Hause zurückgekehrt. Jemand hat die Polizei kontaktiert. Die Polizei hat mich dann wieder mitgenommen. Meine Familie hat mir wieder geholfen, dass ich entlassen werde. Dann habe ich mein Haus verlassen und bei Verwandten gelebt. Mein Vater hat mich dann angerufen und gesagt, dass es für mich nicht mehr sicher wäre. Er würde mich in ein anderes Land schicken. Mein Vater hat einen Schlepper gefunden und mich hier her geschickt.

F: Haben Sie alle Fluchtgründe genannt?

A: Ja. Das ist der einzige Grund.

F: Ansonsten haben Sie keine Fluchtgründe?

A: Nein.

F: Wann wurde Ihr Heiliges Buch zerrissen?

A: Im April oder Mai 2016 wurde es zerrissen.

F: Was passierte dann?

A: Jemand hat unser Heiliges Buch zerrissen und in der Gasse weg geworfen. Auf Nachfrage gebe ich an, in der Gasse in unserem Dorf.

F: Was passierte nachdem das Buch gefunden wurde?

A: Wir haben dann protestiert und Straßen gesperrt.

F: Wer hat protestiert?

A: Es waren viele Leute. Fast alle Mitglieder aus unserer Religionsgemeinschaft haben protestiert.

F: Wo haben Sie konkret protestiert?

A: In XXXX in XXXX.

F: Wieviele Leute haben mit Ihnen in XXXX protestiert?

A: 200 bis 250 Leute.

F: Wann war der Protest?

A: Der Protest war zirka einen Monat später. Im Mai oder Juni 2016.

F: Können Sie mir über diesen Protest mehr erzählen?

A: Ich und viele andere Männer aus unserem Dorf waren bei diesem Protest. Dann ist die Polizei gekommen. Sie haben uns mitgenommen und unsere Namen aufgeschrieben. Unsere Dorfmitglieder haben uns geholfen und die Polizei hat uns frei gelassen.

F: Wie lange waren Sie bei der Polizei?

A: Ein bis zwei Tage.

F: Wie lange genau?

A: Zwei Tage.

F: Wieviele Personen wurden insgesamt von der Polizei festgenommen?

A: Fünf Leute.

F: Warum nur fünf Personen?

A: Alle anderen sind weg gelaufen.

F: Wurde Ihnen gesagt, warum Sie zwei Tage festgehalten wurden?

A: Die Polizei hat uns gesagt, dass wir wegen der Proteste festgenommen wurden.

F: Dann wurden Sie nach zwei Tagen ohne Konsequenzen entlassen?

A: Ja.

F: Wann wurden Sie noch festgenommen?

A: Die Polizei hat uns bei den Protesten festgenommen.

F: Wann wurden Sie noch festgenommen?

A: Nach zehn Tagen.

F: Können Sie mir mehr darüber erzählen?

A: Beim zweiten Mal haben Sie uns geschlagen.

F: Es muss ja mehr passiert sein. Können Sie mehr erzählen?

A: Nein. Nur was passiert ist.

F: Was ist passiert?

A: In einem Nachbardorf haben Leute protestiert. Die Polizei hat versucht diese Leute mitzunehmen. Alle sind weg gelaufen. Dann wurden wir von der Polizei festgenommen, da mein Name auf einer Liste war.

F: Wann, wo und wie wurden Sie dann von der Polizei festgenommen?

A: Ich war zu Hause. Die Polizei ist zu mir nach Hause gekommen. Sie haben mich mitgenommen.

F: Wurden nur Sie mitgenommen?

A: Mich haben sie von zu Hause mitgenommen. Andere Männer von der Liste haben sie auch mitgenommen.

F: Sie wurden von zu Hause mitgenommen. Was passierte weiter?

A: Wir wurden auf der Polizeistation geschlagen.

F: Was passierte genau auf der Polizeistation?

A: Sie haben mich geschlagen. Am Abend haben mein Vater und unsere Dorfmitglieder mich bei der Polizei abgeholt.

F: Können Sie den Sachverhalt genauer schildern?

A: Das ist alles. Das ist passiert.

F: Was geschah weiter?

A: Als ich nach Hause kam, habe ich das Haus verlassen.

F: Und dann?

A: Dann habe ich sechs Monate in Delhi gelebt.

F: Und dann?

A: Nach sechs Monaten in Delhi bin ich wieder nach Hause zurückgekehrt. Nach ein paar Tagen hat mich die Polizei wieder mitgenommen. Mein Vater hat mich am selben Tag noch bei der Polizei abgeholt.

F: Warum wurden Sie festgenommen?

A: Sie haben keinen zuständigen für die Proteste gefunden. Deshalb wurde ich mitgenommen. Dann habe ich bei meinen Verwandten gelebt. Dann hat mich mein Vater angerufen und hat gesagt, dass er mich in ein anderes Land schicken wird. Mein Vater hat mit einem Schlepper gesprochen. Es wurde gesagt, dass er mich nach England bringen würde.

F: Wann wurden Sie das letzte Mal verhaftet?

A: Im Dezember 2016 wurde ich das letzte Mal verhaftet.

F: Im Dezember 2016?

A: Ja.

F Was haben Sie von Dezember bis zu Ihrer Ausreise gemacht?

A: Ich habe bei meinen Verwandten gelebt.

F: Stimmt das? Sie wurden nach Ihren Verhaftungen immer ohne weitere Konsequenzen gehen gelassen.

A: Ja.

F. Wo und von was haben Sie in Delhi gelebt?

A: Ich habe in einer Gurdwara gelebt. Ich habe in der Küche gearbeitet. Meine Familie hat mir auch Geld geschickt.

F: Warum sind sie von Delhi wieder nach Hause gegangen?

A: Ich dachte es wird alles wieder gut.

F: Warum genau hat Sie Ihr Vater in ein anderes Land geschickt?

A: Weil ich immer wieder mit der Polizei Probleme hatte.

F: Meinen Sie diese drei Festnahmen aufgrund der Proteste?

A: Ja.

F: Mussten Sie sich nach einem der Vorfälle mit der Polizei versorgen lassen?

A: Nein. Musste ich nicht. Ich wurde nur mit den Händen geschlagen.

F: Warum haben Sie an den Protesten teilgenommen?

A: Der der das Heilige Buch zerrissen hat, soll zur Verantwortung gezogen werden. Politiker haben das Buch zerrissen. Deshalb findet die Polizei keinen Täter.

F: Wurden mehrere Bücher zerrissen?

A: Ja. An verschiedenen Orten in Punjab.

F: Gab es auch mehrere Proteste?

A: Ja. Es gab auch mehrere Proteste.

F: Haben bis zu Ihrer Ausreise in Indien noch immer Proteste wegen des Buches stattgefunden?

A: Ja.

F: Woher hatten Sie das Geld für die Reise?

A: Mein Vater hat gespart.

F: Warum sind Sie nicht nach Delhi gegangen?

A: Weil ich nicht nach Delhi will.

F: Warum wollen Sie nicht nach Delhi?

A: Weil alle meine Verwandten im Bereich XXXX wohnen.

F: Mit Ihnen werden die Länderfeststellungen zu Indien erörtert. Möchten Sie dazu eine Stellungnahme abgeben?

A: Ich kenne die Lage in Indien. Die Feststellungen brauche ich nicht.

F: Liegt eine anderweitige Integrationsverfestigung Ihrer Person vor bzw. inwieweit würde ihr Privat- und Familienleben durch eine Aufenthalts beendende Maßnahme beeinträchtigt werden. (Anmerkung: AW wird zu dieser Fragestellung manuduziert.)

A:Nein. Ich besuche auch noch keine Kurse. Ich habe keine Freunde und keine Verwandten hier.

F: Sind Sie damit einverstanden, dass die Behörde eventuell Erhebungen in Ihrem Heimatland durchführt?

A: Ja.

F: Ich beende jetzt die Befragung. Hatten Sie Gelegenheit alles vorzubringen, was Ihnen wichtig erscheint?

A: Ja.

F: Waren Sie in der Lage alles zu erzählen, Ihr Vorbringen umfassend vorzubringen? Hatten Sie genug Zeit dazu?

A: Ja.

F: Haben Sie die Dolmetscherin einwandfrei verstanden?

A: Ja.

Mir wird nun die Niederschrift wortwörtlich rückübersetzt und ich habe danach die Möglichkeit noch etwas richtig zu stellen oder hinzuzufügen.

AW. Es passt alles.

. . ."

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 18.07.2017 wies das Bundesamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien (Spruchpunkt II.) ab, erteilte einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht, erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG und stellte fest, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gem. § 55 Abs. 1-3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

Beweiswürdigend führte das Bundesamt aus, bei der Erstbefragung durch die Abteilung Fremdenpolizei und Anhaltevollzug in Wien am 26.06.2017 habe der Beschwerdeführer angegeben, dass er gegen die Regierung protestiert hätte, weil ein Heiliges Buch geschändet worden wäre. Er hätte mit der Polizei Probleme bekommen und wäre schikaniert und gefoltert worden. Er hätte sich für circa fünf bis sechs Monate in Delhi aufgehalten und hätte nach seiner Rückkehr zu Hause wieder Probleme mit der Polizei bekommen. Deshalb hätte ihn sein Vater ins Ausland geschickt und die Reise organisiert.

Bei seiner Einvernahme beim Bundesamt am 06.07.2017 habe er angegeben, dass das Heilige Buch zerrissen worden wäre und er protestiert hätte. Die Polizei hätte ihn mitgenommen und geschlagen. Seine Familie und die Dorfbewohner hätten dem Beschwerdeführer geholfen, entlassen zu werden. Später wäre er noch zwei Mal mitgenommen worden. Dann wäre er nach Delhi gezogen. Nach sechs Monaten wäre er wieder nach Hause zurückgekehrt und abermals von der Polizei mitgenommen worden. Sein Vater hätte ihn dann angerufen und mitgeteilt, dass es für ihn nicht mehr sicher wäre und er ihn in ein anderes Land schicken würde.

Wie aus der Staatendokumentation hervorgehe, habe es im Oktober 2015 tatsächlich in fünf Distrikten des Punjabs weitverbreitete und gewalttätige Proteste der Sikhs gegen die Regierung in Punjab gegeben. Dabei habe die Polizei auf Demonstranten geschossen und zwei Personen getötet sowie 80 Personen verletzt. Grund der Proteste seien Berichte gewesen, laut denen unbekannte Täter das heilige Buch der Sikhs entweiht hätten. Die Polizei habe ein Dutzend Demonstranten wegen versuchten Mordes, Beschädigung öffentlichen Eigentums und des Tragens von illegalen Waffen festgenommen.

Der Beschwerdeführer habe bei seiner Einvernahme beim Bundesamt dezidiert angegeben, dass das Heilige Buch im April oder Mai 2016 zerrissen worden wäre und er circa einen Monat später, im Mai oder Juni 2016 an den Protesten teilgenommen hätte. Laut Staatendokumentation habe es tatsächlich im Oktober 2015 Proteste gegeben, bei denen Personen festgenommen worden seien. Aufgrund seiner eklatant widersprüchlichen zeitlichen Angaben zu den notorischen Feststellungen der Staatendokumentation gehe die entscheidende Behörde davon aus, dass seine Fluchtgeschichte frei erfunden sei und nicht den Tatsachen entspreche.

Aufgrund seiner widersprüchlichen Angaben sei die Behörde der Ansicht, dass sein Vorbringen nicht der Realität entspreche, sondern einzig und allein dazu dienen solle, einen Asylgrund zu indizieren um ein Aufenthalts- bzw. "Bleiberecht" in Österreich zu erwirken.

Davon abgesehen wäre er bei Wahrunterstellung seiner Angaben nach den Verhaftungen aufgrund der Demonstrationsteilnahmen immer ohne weitere Konsequenzen von der Polizei freigelassen worden, was bedeute, dass nichts gegen ihn vorgelegen wäre und die Sicherheitsbehörden in Indien unschuldige Menschen auch nicht willkürlich festhalten, sondern nach Klärung des Sachverhaltes wieder frei lassen würden.

Wenn er, auch bei Wahrunterstellung, davor Angst gehabt hätte, zuhause immer wieder von der Polizei kontrolliert zu werden, hätte er leicht in Delhi bleiben oder dorthin zurückkehren können. Er habe bei der Einvernahme angegeben, dass er circa sechs Monate in Delhi gelebt hätte. Er hätte dort eine Arbeit in einer Gurdwara gehabt und seine Familie hätte ihm auch Geld geschickt. Eine Rückkehr nach Delhi habe er lediglich ausgeschlossen, weil alle Verwandten inXXXX wohnen würden.

Zusammenfassend führte das Bundesamt aus, dass eine aktuell drohende individuell gegen den Beschwerdeführer gerichtete Gefahr einer Verfolgung in seinem Heimatland Indien vor dem Bundesamt nicht glaubhaft gemacht werden habe können.

Wie bereits bei den Gründen für das Verlassen seines Heimatlandes erläutert, liege keine Verfolgungssituation von Polizei, staatlichen Organen, Behörden oder Privaten vor, bzw. habe er diese nicht glaubhaft machen können.

Sein Vorbringen zu einer konkret gegen ihn gerichteten Verfolgung sei als nicht glaubhaft festgestellt worden. Alleine wegen der Stellung seines Asylantrages habe er keinerlei staatliche Repressalien zu befürchten.

Der Beschwerdeführer verfüge laut seinen eigenen Angaben nach wie vor über familiäre und soziale Anknüpfungspunkte in seiner Heimat. Sowohl seine Schwestern als auch weitere Verwandte würden nach wie vor in Indien leben. Die entscheidende Behörde gehe davon aus, dass er bei einer Rückkehr durch dieses familiäre Netzwerk Unterstützung finden würde und somit in keine existenzbedrohende oder aussichtslose Lage geraten würde.

Dem Beschwerdeführer wäre es auch möglich, eine finanzielle Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen, um seine Versorgung in der ersten Zeit sicherzustellen, bis er selbst wieder in den Arbeitsprozess eingegliedert sei.

Laut seinen eigenen Angaben sei er gesund und befinde sich nicht in ärztlicher Behandlung. Für die Behörde sei kein Grund ersichtlich, dass sich sein Gesundheitszustand bei einer Rückkehr nach Indien gravierend verschlechtern würde.

Er verfüge über Angehörige, wäre wohnversorgt und hätte Personen, die ihn unterstützen würden, um sich.

Die Stadt Delhi verfüge über einen internationalen Flughafen. Die sichere Erreichbarkeit seiner Heimat per Flugzeug von Österreich aus sei somit gewährleistet.

Rechtlich führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu Spruchpunkt I. im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe eine asylrelevante Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK oder eine wohlbegründete Furcht vor einer solchen nicht glaubhaft machen können. Eine innerstaatliche Fluchtalternative wäre ohnehin gegeben, weil der Beschwerdeführer bei einer Wohnsitzannahme in einer der indischen Großstädte nicht mehr ohne weiteres auffindbar wäre.

Zu Spruchpunkt II. führte das Bundesamt rechtlich aus, wie bereits zu Spruchpunkt I. ausgeführt habe dem Vorbringen des Beschwerdeführers keine aktuelle Gefährdung seiner Person entnommen werden können. Seine gesamte Familie befinde sich in Indien. Er sei gesund und im arbeitsfähigen Alter. Es sei ihm daher auch zumutbar, sich im Falle einer Rückkehr eine neue Existenz aufzubauen. Ihm würde keinesfalls der völlige Entzug seiner Existenzgrundlage drohen. Den Länderinformationen sei zu entnehmen, dass Indien weder in einen internationalen noch nationalen Konflikt verwickelt sei, sodass für den Beschwerdeführer als Zivilperson auch keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes bestehen würde. Zudem stünde dem Beschwerdeführer die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative zur Verfügung.

Zu Spruchpunkt III. führte das Bundesamt aus, dass die Voraussetzungen zur Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung gem. § 57 AsylG nicht vorlägen.

Der Beschwerdeführer habe in Österreich keine nahen Angehörigen. Ein Familienleben liege somit nicht vor. Seine Angehörigen lebten in seinem Herkunftsstaat. Der Beschwerdeführer befände sich erst seit kurzer Zeit in Österreich. Es bestehe kein Eingriff in sein Familienleben. Das Recht auf Achtung des Privatlebens sichere dem Einzelnen zudem einen Bereich, innerhalb dessen er seine Persönlichkeit frei entfalten und erfüllen könne. Der Beschwerdeführer habe aufgrund der Kürze seines Aufenthaltes in Österreich noch keine Kontakte knüpfen können und er spreche noch kein Deutsch. Er sei nicht berufstätig und befinde sich in der Grundversorgung. Er besuche in Österreich weder eine Schule noch eine Universität und er sei auch nicht Mitglied in einem Verein. Verwandte bzw. nahe Angehörige habe er in Österreich nicht. Es bestünden keine nennenswerten Bindungen in Österreich. Alle seine Angehörigen würden noch in seinem Heimatland leben. Das Bundesamt kam nach einer Interessenabwägung iSd Art. 8 EMRK zu dem Ergebnis, dass eine Rückkehrentscheidung zulässig sei. Auch ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen werde dem Beschwerdeführer nicht erteilt. Da ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt werde und die Rückkehrentscheidung gem. § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG zulässig sei, sei gem. § 10 Abs. 1 AsylG und § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung zu erlassen.

Wie bereits zu Spruchpunkt II. dargelegt, ergebe sich in seinem Fall keine Gefährdung im Sinne des § 50 Abs. 1 FPG, es sei auch verneint worden, dass dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft zukomme. Eine Empfehlung im Sinne des § 50 Abs. 3 FPG bestehe nicht. Es sei somit auszusprechen, dass im Falle der Durchsetzbarkeit der Rückkehrentscheidung sowie bei Vorliegen der in § 46 Abs. 1 Z 1-4 FPG genannten Voraussetzungen seine Abschiebung nach Indien zulässig sei.

Zu Spruchpunkt IV. führte das Bundesamt rechtlich aus, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsvertreter rechtzeitig Beschwerde und erstattete soweit wesentlich folgendes Vorbringen:

Der Bericht des Beschwerdeführers sei nachvollziehbar und biete genügend Anknüpfungspunkte für konkrete persönliche Recherchen. Ein Leben in Indien sei für den Beschwerdeführer nicht mehr möglich. Eine Pauschalbegründung, das Vorbringen wäre unglaubhaft und von vornherein nicht asylrelevant, sei keinesfalls ausreichend. Zur inhaltlichen Bearbeitung eines Asylvorbringens gehörten jedoch konkrete persönliche Recherchen. Das Vorbringen des Beschwerdeführers enthalte genügend Anknüpfungspunkte für eine fallbezogene Recherche. Die generellen Länderfeststellungen hätten keinen besonderen Bezug zu Situation und Vorbringen des Beschwerdeführers und seien offenbar nur wahllos zusammengestellt worden. Die Berichtslage sei in Form der Länderfeststellungen zwar formal in den Bescheid eingefügt, eine tatsächliche Auseinandersetzung habe seitens des entscheidenden Referenten aber nicht stattgefunden. Die Angaben des Beschwerdeführers seien nicht mit der Berichtslage verglichen worden, geeignete Fragen an den Beschwerdeführer würden gänzlich fehlen. Der Beschwerdeführer habe eine Fülle von persönlichen Details geliefert und viele Einzelheiten vorgebracht, welche eine gute Grundlage für konkrete Recherchen bieten würden. Er habe konkreten Recherchen in Indien zugestimmt.

Die Beweiswürdigung des Bundesamtes erweise sich als unbrauchbar. Aus der Befragung und dem Protokoll würden sich eine detailreiche Schilderung und die Fähigkeit des Beschwerdeführers, sämtliche nachgefragten Einzelheiten zufriedenstellend zu "bearbeiten", ergeben. Naturgemäß könne ein Asylwerber immer nur aus einem persönlichen Blickwinkel heraus berichten. So habe es auch der Beschwerdeführer getan und er sei bei seinem Wissensstand geblieben, ohne etwas Ungefähres oder Vermutetes hinzuzufügen. Das Bundesamt habe einige Details vom Beschwerdeführer abgefragt, diese brauchbaren Anknüpfungspunkte dann aber nicht weiterverwendet.

Die Asylbehörde sei als Spezialbehörde für Asylsachen zur Erhebung des gesamten relevanten Sachverhaltes verpflichtet. Bereits in der oben angeführten Stellungnahme wäre deutlich dargelegt worden, dass es in der Einvernahme Missverständnisse gegeben habe und der konkrete relevante Sachverhalt noch nicht erhoben worden sei. Die belangte Behörde habe sich jedoch um die Erhebung der wichtigen Punkte nicht weiter gemüht. Die Meinung des Bundesamtes, das Vorbringen "litte an Glaubwürdigkeit" und sei nicht asylrelevant, sei somit nur in den Raum gestellt und nur auf Leerbegründungen gestützt.

Mit der persönlichen Situation des Beschwerdeführers und den Bindungen zu Österreich habe sich das Bundesamt nicht auseinandergesetzt. Der bekämpfte Bescheid wiederhole lediglich das Datum der Einreise in Österreich und den Faktor der Unbescholtenheit. Das könne aber eine persönliche Auseinandersetzung bzw. Gegenüberstellung iSd Art. 8 EMMRK nicht ersetzen. Der Beschwerdeführer sei ein arbeitsamer, freundlicher und integrationswilliger Mensch, der seine Chancen hier in Österreich nützen wolle. Er habe sich von Anfang an bemüht, sich an die hiesigen Gepflogenheiten anzupassen. Er sei legal nach Gelegenheit als Zeitungszusteller tätig und sei darin so erfolgreich, dass er keine sozialen Geldaushilfen oder die Grundversorgung in Anspruch nehmen müsse. Da er sparsam sei, könne er mit dem verdienten Geld gemeinsam mit der Unterstützung von Freunden leben, Die ortsübliche Unterkunft teile sich der Beschwerdeführer mit Freunden. Er besitze ein gutes Basiswissen der deutschen Sprache und sei jedenfalls kommunikationsfähig. Negative Faktoren seien keine ersichtlich und von der belangten Behörde auch nicht behauptet worden. Er habe auch zu seiner Identität klare und richtige Angaben gemacht und somit in jeder Hinsicht am Verfahren mitgewirkt. Die Prognose bezüglich eines weiteren Aufenthalts in Österreich müsse als äußerst positiv beurteilt werden. Eine solche Prognose habe das Bundesamt verabsäumt. Die geforderte Interessenabwägung iSd Art. 8 EMRK hätte zugunsten des Beschwerdeführers ausgehen können.

Die Beschwerde stellt die Anträge, das Bundesverwaltungsgericht möge die bekämpfte Entscheidung beheben, feststellen, dass die Abweisung des Antrages hinsichtlich Asyl und subsidiären Schutzes, die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen, die Erlassung der Rückkehrentscheidung sowie die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung nach Indien nicht rechtmäßig seien, die Sache zur nochmaligen Bearbeitung an das Bundesamt zurückzuverweisen und vor einer inhaltlichen Entscheidung eine mündliche Verhandlung anzuberaumen und schließlich festzustellen, dass Asyl oder in eventu subsidiärer Schutz zu gewähren sei, jedenfalls einen Aufenthaltstitel zu gewähren und die "Ausweisung" aus dem österreichischen Bundesgebiet auf Dauer unzulässig sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Indien, wo er bis zur zwölften Klasse die Schule besucht hat. Der Beschwerdeführer hat danach in Indien in der Landwirtschaft gearbeitet und später als Elektriker. Er hat auch sechs Monate in Delhi gelebt, danach ist er wieder in sein Heimatdorf gegangen. Nach Delhi wollte er nicht mehr gehen, weil all seine Verwandten im Bereich XXXX leben. Im Herkunftsdorf des Beschwerdeführers leben seine Eltern und sein Bruder. Sechs Onkel und zwei Tanten des Beschwerdeführers sind weiters in seinem Herkunftsland aufhältig. Er reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 26.06.2017 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Nicht festgestellt werden kann eine konkrete Gefährdung des Beschwerdeführers in Indien.

Im österreichischen Bundesgebiet verfügt der Beschwerdeführer über keinerlei Familienangehörige. Der Beschwerdeführer ist in Österreich unbescholten, er ist gesund und erwerbsfähig. Er erwirtschaftet Einkünfte als Zeitungsausträger und ist nicht in die Grundversorgung einbezogen. Nennenswerte Deutschkenntnisse bestehen nicht.

Zur Lage in Indien:

Politische Lage

Indien ist mit über 1,2 Milliarden Menschen und einer multireligiösen und multiethnischen Gesellschaft die bevölkerungsreichste Demokratie der Welt (CIA Factbook 12.12.2016; vgl. auch: AA 16.8.2016, BBC 27.9.2016). Die - auch sprachliche - Vielfalt Indiens wird auch in seinem föderalen politischen System reflektiert, in welchem die Macht von der Zentralregierung und den Bundesstaaten geteilt wird (BBC 27.9.2016). Die Zentralregierung hat deutlich größere Kompetenzen als die Regierungen der Bundesstaaten (AA 9.2016a). Im Einklang mit der Verfassung haben die Bundesstaaten und Unionsterritorien ein hohes Maß an Autonomie und tragen die Hauptverantwortung für Recht und Ordnung (USDOS 13.4.2016). Die Hauptstadt New Delhi hat einen besonderen Rechtsstatus (AA 9.2016a).

Die Gewaltenteilung zwischen Parlament und Regierung entspricht britischem Muster (AA 16.8.2016), der Grundsatz der Gewaltenteilung von Legislative, Exekutive und Judikative ist durchgesetzt (AA 9.2016a). Die Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit, die über einen dreistufigen Instanzenzug verfügt, ist verfassungsmäßig garantiert (AA 16.8.2016). Das oberste Gericht in New Delhi steht an der Spitze der Judikative (GIZ 11.2016). Die Entscheidungen der staatlichen Verwaltung (Bürokratie, Militär, Polizei) unterliegen überdies der Kontrolle durch die freie Presse des Landes, die nicht nur in den landesweiten Amtssprachen Hindi und Englisch, sondern auch in vielen der Regionalsprachen publiziert wird. Indien hat zudem eine lebendige Zivilgesellschaft (AA 9.2016a).

Indien ist eine parlamentarische Demokratie und verfügt über ein Mehrparteiensystem und ein Zweikammerparlament (USDOS 13.4.2016). Die Legislative besteht aus einer Volkskammer (Lok Sabha) und einer Staatenkammer (Rajya Sabha). Darüber hinaus gibt es Parlamente auf Bundesstaatsebene (AA 16.8.2016).

Der Präsident ist das Staatsoberhaupt und wird von einem Wahlausschuss gewählt, während der Premierminister Leiter der Regierung ist (USDOS 13.4.2016). Das Präsidentenamt bringt vor allem repräsentative Aufgaben mit sich, im Krisenfall verfügt der Präsident aber über weitreichende Befugnisse. Seit Juli 2012 ist Präsident Pranab Kumar Mukherjee indisches Staatsoberhaupt (AA 9.2016a). Das wichtigste Amt innerhalb der Exekutive bekleidet aber der Premierminister (GIZ 11.2016).

Wahlen zum Unterhaus finden nach einfachem Mehrheitswahlrecht ("first-past-the-post") alle fünf Jahre statt, zuletzt im April/Mai 2014 mit knapp 830 Millionen Wahlberechtigten (AA 16.8.2016). Dabei standen sich drei große Parteienbündnisse gegenüber: Die United Progressive Alliance (UPA) unter Führung der Kongresspartei, die National Democratic Alliance (NDA) unter Führung der Bharatiya Janata Party (BJP - Indische Volkspartei) und die so genannte Dritte Front, die aus elf Regional- und Linksparteien besteht sowie die aus einem Teil der India-Against-Corruption-Bewegung hervorgegangene Aam Aadmi Party (AAP) (GIZ 11.2016; vgl. auch: FAZ 16.5.2014). Abgesehen von kleineren Störungen, verliefen die Wahlen korrekt und frei (AA 16.8.2016).

Als deutlicher Sieger mit 336 von 543 Sitzen löste das Parteienbündnis NDA (AA 16.8.2016), mit der hindu-nationalistischen BJP (AA 9.2016a) als stärkster Partei (282 Sitze), den Kongress an der Regierung ab (AA 16.8.2016). Die seit 2004 regierende Kongress-geführte Koalition unter Manmohan Singh erlitt hingegen große Verluste, womit Sonia Gandhi und Sohn Rahul nun auf die Oppositionsbank rücken (Eurasisches Magazin 24.5.2014; vgl. auch:

FAZ 16.5.2014, GIZ 11.2016). Die AAP, die 2013 bei der Wahl in Delhi 28 von 70 Sitzen erringen konnte, errang landesweit nun nur vier Sitze (GIZ 11.2016; vgl. auch: FAZ 16.5.2014). Der BJP Spitzenkandidat, der bisherige Ministerpräsident von Gujarat, Narendra Modi, wurde zum Premierminister gewählt (AA 16.8.2016) und steht seit 16.5.2014 (GIZ 11.2016) einem 65-köpfigen Kabinett vor (AA 16.8.2016).

Die seit 2014 im Amt befindliche neue Regierung will nicht nur den marktwirtschaftlichen Kurs fortsetzen, sondern ihn noch intensivieren, indem bürokratische Hemmnisse beseitigt und der Protektionismus verringert werden soll. Ausländische Investoren sollen verstärkt aktiv werden (GIZ 12.2016).

Unter Premierminister Modi betreibt Indien eine aktivere Außenpolitik als zuvor. Die frühere Strategie der "strategischen Autonomie" wird zunehmend durch eine Politik "multipler Partnerschaften" mit allen wichtigen Ländern in der Welt überlagert. Wichtigstes Ziel der indischen Außenpolitik ist die Schaffung eines friedlichen und stabilen globalen Umfelds für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes und die Profilierung als aufstrebende Großmacht (AA 9.2016b). Ein ständiger Sitz im VN-Sicherheitsrat ist dabei weiterhin ein strategisches Ziel (GIZ 12.2016). Gleichzeitig strebt Indien eine stärkere regionale Verflechtung mit seinen Nachbarn an. Indien ist Dialogpartner der südostasiatischen Staatengemeinschaft (Association of Southeast Asian Nations - ASEAN) und Mitglied im "ASEAN Regional Forum" (ARF). Auch bilateral hat Indien in den letzten Monaten seine Initiativen in den Nachbarländern verstärkt. Überdies nimmt Indien am East Asia Summit und seit 2007 auch am Asia-Europe Meeting (ASEM) teil. In der BRICS-Staatengruppe (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) hat Indien im Februar 2016 von Russland den diesjährigen Vorsitz übernommen. Bei ihrem Treffen in Ufa im Juli 2015 beschloss die Shanghai Cooperation Organisation (SCO), Indien und Pakistan nach Abschluss der Beitrittsprozeduren als Vollmitglieder aufzunehmen (AA 9.2016b).

Die Beziehungen zum gleichfalls nuklear gerüsteten Nachbarn Pakistan haben sich jüngst erneut zugespitzt. In den Jahrzehnten seit der Unabhängigkeit haben sich wiederholt Phasen des Dialogs und der Spannungen bis hin zur kriegerischen Auseinandersetzung abgelöst.

Größtes Hindernis für eine Verbesserung der Beziehungen ist weiterhin das Kaschmirproblem (AA 9.2016b).

Indien ist durch das Nuklearabkommen mit den USA ein Durchbruch gelungen. Obwohl es sich bis heute weigert, dem Atomwaffensperrvertrag beizutreten, bedeutet das Abkommen Zugang zu Nukleartechnologie. Ebenfalls positiv hat sich das Verhältnis Indiens zu China entwickelt. Zwar sind die strittigen Grenzfragen noch nicht geklärt, aber es wurden vertrauensbildende Maßnahmen vereinbart, um zumindest in dieser Frage keinen Konflikt mehr herauf zu beschwören. Auch ist man an einer weiteren Steigerung des bilateralen Handels interessiert, der sich binnen eines Jahrzehnts mehr als verzehnfacht hat (GIZ 12.2016).

Die Beziehungen zu Bangladesch sind von besonderer Natur, teilen die beiden Staaten doch eine über 4.000 km lange Grenze, kontrolliert Indien die Oberläufe der wichtigsten Flüsse Bangladeschs, und war Indien maßgeblich an der Entstehung Bangladeschs beteiligt. Schwierige Fragen wie Transit, Grenzverlauf, ungeregelter Grenzübertritt und Migration, Wasserverteilung und Schmuggel werden in regelmäßigen Regierungsgesprächen erörtert. Die Beziehungen des Landes zur EU sind vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht von besonderer Bedeutung. Die EU ist der größte Handels- und Investitionspartner Indiens. Der Warenhandel in beide Richtungen hat sich faktisch stetig ausgeweitet (GIZ 12.2016).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

-

AA - Auswärtiges Amt (9.2016a): Indien, Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_AC539C62A8F3AE6159C84F7909652AC5/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Indien/Innenpolitik_node.html, Zugriff 5.12.2016

-

AA - Auswärtiges Amt (9.2016b): Indien, Außenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_F210BC76845F7B2BE813A33858992D23/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Indien/Aussenpolitik_node.html, Zugriff 29.12.2016

-

BBC - British Broadcasting Corporation (27.9.2016): India country profile - Overview,

http://www.bbc.co.uk/news/world-south-asia-12557384, Zugriff 5.12.2016

-

CIA - Central Intelligence Agency (15.11.2016): The World Factbook

-

India,

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/in.html, Zugriff 9.1.2017

-

Eurasisches Magazin (24.5.2014): Wohin geht die größte Demokratie der Erde?,

http://www.eurasischesmagazin.de/artikel/Indien-nach-den-Wahlen-eine-Analyse/14017, Zugriff 4.1.2017

-

FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (16.5.2014): Modi ist Mann der Stunde,

http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/fruehaufsteher/wahlentscheid-in-indien-modi-ist-der-mann-der-stunde-12941572.html, Zugriff 4.1.2017

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (12.2016): Indien,

http://liportal.giz.de/indien/geschichte-staat.html, Zugriff 5.12.2016

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmBH (11.2016): Indien, Wirtschaftssystem und Wirtschaftspolitik, http://liportal.giz.de/indien/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 5.12.2016

-

USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, http://www.ecoi.net/local_link/322482/461959_de.html, Zugriff 5.12.2016

Sicherheitslage

Indien ist reich an Spannungen entlang von Ethnien, Religionen, Kasten und auch Lebensperspektiven. Widersprüche, Gegensätze oder Konflikte entladen sich in den gesellschaftlichen Arenen und werden von der Politik aufgegriffen, verarbeitet und teilweise instrumentalisiert (GIZ 11.2016). Blutige Terroranschläge haben in den vergangenen Jahren in Indiens Millionen-Metropolen wiederholt Todesopfer gefordert (Eurasisches Magazin 24.5.2014). Die Spannungen im Nordosten des Landes gehen genauso weiter wie die Auseinandersetzung mit den Naxaliten (GIZ 11.2016). Das staatliche Gewaltmonopol wird gebietsweise von den Aktivitäten der "Naxaliten" in Frage gestellt (AA 16.8.2016).

Terroristische Anschläge in den vergangenen Jahren (Dezember 2010 in Varanasi, Juli 2011 Mumbai, September 2011 New Delhi und Agra, April 2013 in Bangalore, Mai 2014 Chennai und Dezember 2014 Bangalore) und insbesondere die Anschläge in Mumbai im November 2008 haben die Regierung unter Druck gesetzt. Von den Anschlägen der letzten Jahre wurden nur wenige restlos aufgeklärt und die als Reaktion auf diese Vorfälle angekündigten Reformvorhaben zur Verbesserung der indischen Sicherheitsarchitektur wurden nicht konsequent umgesetzt (AA 24.4.2015). Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2011 1.073 Todesopfer durch terrorismusrelevante Gewalt, für das Jahr 2012 803, für das Jahr 2013 885, für das Jahr 2014 976 für das Jahr 2015 722 und für das Jahr 2016 835 [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 9.1.2017).

Konfliktregionen sind Jammu und Kashmir, die nordöstlichen Regionen und der maoistische Gürtel. In Jharkhand und Bihar setzten sich die Angriffe von maoistischen Rebellen auf Sicherheitskräfte und Infrastruktur fort. In Punjab kam es bis zuletzt durch gewaltbereite Regierungsgegner immer wieder zu Ermordungen und Bombenanschlägen. Neben den islamistischen Terroristen tragen die Naxaliten (maoistische Untergrundkämpfer) zur Destabilisierung des Landes bei. Von Chattisgarh aus kämpfen sie in vielen Unionsstaaten (von Bihar im Norden bis Andrah Pradesh im Süden) mit Waffengewalt gegen staatliche Einrichtungen. Im Nordosten des Landes führen zahlreiche Separatistengruppen einen Kampf gegen die Staatsgewalt und fordern entweder Unabhängigkeit oder mehr Autonomie (United Liberation Front Assom, National Liberation Front Tripura, National Socialist Council Nagaland, Manipur People's Liberation Front etc.). Der gegen Minderheiten wie Moslems und Christen gerichtete Hindu-Radikalismus wird selten von offizieller Seite in die Kategorie Terror eingestuft, vielmehr als "communal violence" bezeichnet (ÖB 12.2016).

Gegen militante Gruppierungen, die meist für die Unabhängigkeit bestimmter Regionen eintreten und/oder radikalen Auffassungen anhängen, geht die Regierung mit großer Härte und Konsequenz vor. Sofern solche Gruppen der Gewalt abschwören, sind in der Regel Verhandlungen über ihre Forderungen möglich. Gewaltlose Unabhängigkeitsgruppen können sich politisch frei betätigen (AA 16.8.2016).

Pakistan und Indien

Pakistan erkennt weder den Beitritt Jammu und Kaschmirs zur indischen Union im Jahre 1947 noch die seit dem ersten Krieg im gleichen Jahr bestehende de-facto-Aufteilung der Region auf beide Staaten an. Indien hingegen vertritt den Standpunkt, dass die Zugehörigkeit Jammu und Kaschmirs in seiner Gesamtheit zu Indien nicht zur Disposition steht (AA 9.2016b). Seit 1947 gab es bereits drei Kriege, davon zwei aufgrund des umstrittenen Kaschmirgebiets. Friedensgespräche, die 2004 begannen, wurden trotz Spannungen wegen der Kaschmirregion und sich immer wieder ereignenden schweren Bombenaschlägen bis zu den von Islamisten durchgeführten Anschlägen in Mumbai 2008, fortgesetzt (BBC 27.9.2016).

Indien wirft Pakistan vor, Infiltrationen von Terroristen auf indisches Staatsgebiet zumindest zu dulden, wenn nicht zu befördern. Größere Terroranschläge in Indien in den Jahren 2001 und 2008 und der jüngste terroristische Angriff auf eine Militärbasis im indischen Teil Kaschmirs hatten die Spannungen in den bilateralen Beziehungen erheblich verschärft. Indien reagierte auf den Anschlag, bei dem 18 indische Soldaten ums Leben kamen, mit einer begrenzten Militäroperation ("surgical strike") im pakistanisch kontrollierten Teil Kaschmirs, die sich nach indischen Angaben gegen eine bevorstehende terroristische Infiltration richtete. In der Folge kommt es immer wieder zu Schusswechseln zwischen Truppenteilen Indiens und Pakistans an der Waffenstillstandslinie in Kaschmir. Indien sieht Pakistan in der Verantwortung für die terroristischen Bedrohungen an seiner Nordwestgrenze und erhöht den Druck auf den Nachbarn, um wirksame pakistanische Maßnahmen gegen den Terrorismus zu erreichen (AA

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten