Entscheidungsdatum
05.04.2018Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W187 2135007-2/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Hubert REISNER als Einzelrichter über den Antrag von XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung Regionalstelle Traiskirchen - Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX, XXXX, formell rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens auf internationalen Schutz:
A)
Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens des mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX, XXXX, formell rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens auf internationalen Schutz wird gemäß § 32 Abs 1 Z 2 VwGVG, als unbegründet abgewiesen.
B)
Der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Anordnung nach dem Unionsrecht auf Gewährung eines vorübergehenden Aufenthaltsrechts bzw Hintanhaltung der Abschiebung bis zur Entscheidung über den Antrag auf Wiederaufnahme wird abgewiesen.
C)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE
I. Verfahrensgang
1. Der Antragsteller stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am XXXX den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005.
Im Rahmen seiner Erstbefragung am XXXX gab der Beschwerdeführer als Fluchtgrund an, dass die Lage in Afghanistan sehr schlecht sei. Es herrsche Krieg, es gebe keine Sicherheit und er fürchte um sein Leben. Deswegen sei er aus seinem Heimatland Afghanistan geflüchtet. Im Iran sei er schlecht behandelt worden. Man habe dort als Afghane keine Rechte.
2. Mit Schreiben vom XXXX erteilte das Land Niederösterreich als Kinder- und Jugendhilfeträger der Caritas Erzdiözese Wien die Vollmacht zur gesetzlichen Vertretung des Beschwerdeführers bis zu dessen Volljährigkeit.
3. Am 6.4.2016 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er an, bisher die Wahrheit gesagt zu haben. Es sei alles richtig protokolliert worden. Er habe bis zu seiner Ausreise in den Iran gemeinsam mit seiner Familie in Afghanistan, Provinz Baghlan, Stadt XXXX, Dorf XXXX, gelebt. Nachdem sich der Beschwerdeführer und seine Familie fünf Jahre im Iran aufgehalten hätten, seien sie wieder zurück nach Afghanistan gekehrt. Die Familie sei dann erneut in den Iran gegangen und der Beschwerdeführer sei vom Iran aus weiter nach Europa gereist. Die Familie sei mittlerweile wieder zurück in Afghanistan. Befragt nach seinem Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer an, er und seine Familie hätten Afghanistan aufgrund der schlechten Sicherheitslage und der Taliban verlassen. In dem Dorf in Baglahn sei auch Krieg gewesen. Über Nachfrage gab der Beschwerdeführer an, nie persönlich belangt worden zu sein. Weiters brachte er vor, dass dort auch viele "Bachabaz" (homosexuelle Männer) gewesen seien. Dem Beschwerdeführer sei aber nichts passiert. Weitere Fluchtgründe habe er nicht. Befragt, wie es seiner Familie möglich sei, sich in Afghanistan aufzuhalten, führte er aus, dass die Taliban von dort vertrieben worden seien und die Sicherheitslage etwas besser geworden sei. Im Falle einer Rückkehr habe er Angst vor den "Bachabaz" oder davor, im Krieg sein Leben zu verlieren.
4. Mit dem Bescheid Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich vom 11.8.2016, 1081679206-151038335, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gegen den Beschwerdeführer wurde gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).
5. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX mit Erkenntnis vom XXXX, XXXX, gemäß §§ 3 Abs 1, 8 Abs 1, 10 Abs 1 Z 3, 57 AsylG 2005 sowie § 9 BFA-VG und §§ 52, 55 FPG als unbegründet ab.
Der Antragsteller brachte in der mündlichen Verhandlung am XXXX im Wesentlichen vor, dass er in Afghanistan aufgewachsen sei, zusammen mit seiner Familie einige Zeit im Iran gelebt habe und die Familie nach Afghanistan zurückgekehrt sei. Dort sei wieder Krieg ausgebrochen. Es habe Probleme mit den Taliban gegeben. Er habe keine Zukunft in Afghanistan. Seine Familie sei jedoch weiter in Afghanistan. Die Taliban hätten die Familie aufgesucht und verlangt, sie zu unterstützten. Ihm drohe das Gleiche. Er sei auch der Gefahr ausgesetzt als Bachabaz belästigt zu werden.
Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der Antragsteller die Bedrohung durch die Taliban nicht konkretisiert habe. Eine "westliche Werthaltung" konnte der Antragsteller ebenso wenig wie eine konkrete Gefährdung seiner Person darlegen. Die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan könne eine relevante Gefährdung der Person des Antragstellers nicht begründen. Der Antragsteller würde bei einer allfälligen Rückkehr nach Kabul nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in eine existenzbedrohende Notlage geraten. Dazu wurde u.a. begründend ausgeführt:
"Der Beschwerdeführer ist ein gesunder, junger Mann im erwerbsfähigen Alter ohne spezifische Vulnerabilitäten, bei dem die grundsätzliche Teilnahme am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann. Er ist in Afghanistan bei seiner Familie aufgewachsen und verbrachte dort einen Großteil seines Lebens bis zu seiner Ausreise in den Iran gemeinsam mit seiner Familie. Auch während seines Aufenthalts im Iran lebte der Beschwerdeführer stets im afghanischen Familienverband. Es ist also davon auszugehen, dass er mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftslandes vertraut ist und über ausreichende Kenntnisse der örtlichen und infrastrukturellen Gegebenheiten Afghanistans verfügt. Zwar ist im Fall des Beschwerdeführers zu berücksichtigen, dass dieser bis zu seiner Ausreise in den Iran und auch nach seiner erstmaligen Rückkehr nach Afghanistan ausschließlich in seiner Heimatprovinz Baghlan lebte und sich seine Kernfamilie derzeit im Iran aufhält, sodass eine finanzielle Unterstützung von dieser Seite nicht gesichert ist. Doch ist vor dem Hintergrund, dass der Beschwerdeführer zumindest eine der Landessprachen (Dari) spricht, lesen und schreiben kann, im Iran fünf Jahre eine Schule besuchte, dort erfolgreich die Grundschule absolvierte und sowohl in Afghanistan zur Unterstützung seines Vaters als auch im Iran als Bauhilfsarbeiter gearbeitet hat, davon auszugehen, dass er künftig im Stande ist, selbstständig für ein ausreichendes Auskommen zu sorgen. Er hat die Möglichkeit, in Kabul an seine früheren Erwerbstätigkeiten anzuschließen oder in einem verwandten Berufsfeld tätig zu sein. Letztlich ist der Beschwerdeführer auch in der Lage, sich allenfalls durch Gelegenheitsarbeiten eine Existenzgrundlage zu sichern. Auch gab der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung selbst zu Protokoll, dass er sich im Baubereich sowie mit Elektro- und Installateurarbeiten gut auskenne und sich zudem als Mechaniker nützlich machen könne. Auch wenn der Beschwerdeführe den momentanen Aufenthaltsort seiner in Afghanistan lebenden Verwandten (drei Onkel, sechs Tanten und eine Großmutter) nach eigenen Angaben nicht kennt, ist dennoch davon auszugehen, dass eine Widerherstellung des Kontaktes - sei es auch mit Hilfe seiner im Iran lebenden Familie - gelingen kann.
In Kabul sowie im Umland stehen eine große Anzahl an Häusern und Wohnungen zur Verfügung. Da Rückkehrer darüber hinaus bis zu zwei Wochen im IOM Empfangszentrum in Jangalak untergebracht werden können, ist eine erste Versorgung des Beschwerdeführers in Kabul jedenfalls gewährleistet. Wie sich aus der in das Verfahren eingebrachten gutachterlichen Stellungnahme Mag. Mahringers ergibt, ist eine Reintegration von Rückkehrern nach Afghanistan ohne wesentliche Schwierigkeiten möglich. Nach den Ausführungen des gerichtlich beeideten Sachverständigen ist die Sicherung existenzieller Bedürfnisse durch eigene Erwerbstätigkeit in Afghanistan - bei entsprechenden Anstrengungen des Rückkehrers - "ohne Einschränkungen möglich", wobei gleichzeitig festgehalten wurde, dass die Arbeitssuche in den Städten einfacher als auf dem Land ist. Zudem sind Arbeitserfahrungen (die der Beschwerdeführer aufweisen kann) ein Vorteil bei der Arbeitssuche. Der Sachverständige geht sogar davon aus, dass es auch für Rückkehrer ohne Ausbildung eine Vielzahl von Arbeitsmöglichkeiten im privaten Sektor gibt. Der Sachverständige führt ferner an, dass allein die Tatsache, noch nie in einer afghanischen Großstadt gelebt zu haben, keinen Einfluss auf die Existenzsicherung der Rückkehrer hatte.
Aufgrund der vorliegenden Länderinformationen und den Ausführungen in der gutachterlichen Stellungnahme ist daher davon auszugehen, dass es einem arbeitsfähigen jungen Mann, der zudem über Berufserfahrung verfügt, zumutbar und möglich ist, sich in der Stadt Kabul (auch ohne Ortskenntnisse) ein ausreichendes Auskommen zu sichern.
Es erscheint somit insgesamt möglich, dass der Beschwerdeführer in Kabul mittelfristig Fuß fasst. Auch eine drohende Verletzung seiner Rechte unter dem Gesichtspunkt ökonomischer Überlegungen, etwa in dem Sinn, dass der Beschwerdeführer aufgrund einer Zurückführung nach Kabul in eine ausweglose Situation geriete, kann vor dem Hintergrund des Beschwerdesachverhalts nicht bejaht werden.
Abschließend ist darauf hinzuweise, dass eine schwierige Lebenssituation für den Asylwerber im Fall seiner Rückführung in den Herkunftsstaat, vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht, primär gestützt auf mangelnde tragfähige Beziehungen und/oder fehlende Ortskenntnisse in Großstädten, oder eine schwierige Situation bei der Wohnraum, -oder Arbeitsplatzsuche, nach der Judikatur des VwGH explizit nicht ausreicht, um die Voraussetzungen zur Erlangung von subsidiärem Schutz glaubhaft zu machen (VwGH 25.4.2017, Ra 2017/01/0016; 19.6.2017, Ra 2017/19/0095).
Betreffend die allgemeine Sicherheitslage in Kabul wird seitens des erkennenden Gerichts im Hinblick auf die oben angeführten Länderfeststellungen zwar keineswegs verkannt, dass die Situation (auch) in der Stadt Kabul nach wie vor angespannt ist. Dennoch ist festzuhalten, dass die afghanische Regierung die Kontrolle über Kabul und größere Transitrouten hat. Auch ist Kabul eine über den Luftweg aufgrund des vorhandenen Flughafens gut erreichbare Stadt. Aus dem vorliegenden Berichtsmaterial geht hervor, dass Terroranschläge, insbesondere auf Einrichtungen mit Symbolcharakter, in Kabul nicht auszuschließen sind und in unregelmäßigen Abständen auch stattfinden. Jedoch begründet allein der Umstand, dass an diesen Orten ein Bombenanschlag terroristischer Gruppierungen erfolgen könnte, bei der derzeitigen Gefahrenlage für den Beschwerdeführer noch keine stichhaltigen Gründe für ein reales Risiko der Verletzung seiner durch Art 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte bzw liegt deshalb noch keine ernsthafte Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen Konflikts vor (VwGH 25.4.2017, 2017/01/0016, mwN). Die in der Stadt Kabul verzeichneten Anschläge ereignen sich hauptsächlich im Nahebereich staatlicher Einrichtungen und richten sich mehrheitlich gezielt gegen die Regierung und internationale Organisationen sowie Restaurants, Hotels oder ähnliche Einrichtungen, in denen vorwiegend ausländische Personen verkehren. Diese Gefährdungsquellen sind jedoch in reinen Wohngebieten nicht in einem solchen Ausmaß anzunehmen, dass die Lage in der Stadt Kabul nicht insgesamt als ausreichend sicher bewertet werden könnte.
Es kann daher im Ergebnis davon ausgegangen werden, dass dem Beschwerdeführer selbst im Falle fehlenden sozialen, finanziellen oder familiären Rückhalts und allfälliger (anfänglicher) wirtschaftlicher Schwierigkeiten eine Niederlassung in der Hauptstadt Kabul im Sinne einer innerstaatlichen Fluchtalternative zweifelsfrei zugemutet werden kann (vgl jüngst VwGH 8.8.2017, Ra 2017/19/0118; 10.8.2017, Ra 2016/20/0369)."
6. Am 15.3.2018 langte beim Bundesveraltungsgericht der Antrag vom 8.3.2018 auf Wiederaufnahme des mit dem im Spruch genannten Erkenntnis abgeschlossenen Verfahrens ein. Dieser wurde im Wesentlichen damit begründet, dass das Gericht seine Beurteilung, wonach der Einschreiter in Kabul nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in eine existenzbedrohende Notlage geraten würde, nicht auf das Gutachten von Mag. Karl Mahringer vom 5.3.2017 gestützt hätte, wenn dem Gericht das Gutachten des Sachverständigen für Plagiatsprüfung, Doz. Dr. Stefan Weber vom 8.2.2018 vorgelegen wäre. Damit verbunden war ein Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Anordnung nach dem Unionsrecht.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen
1. Feststellungen (Sachverhalt)
Der relevante Sachverhalt ergibt sich aus den unter Punkt I. getroffenen Ausführungen.
2. Beweiswürdigung
Der relevante Sachverhalt ergibt sich aus der Aktenlage zweifelsfrei.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1 Zuständigkeit und Anzuwendendes Verfahrensrecht
3.1.1 Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
3.1.2 Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist nach seinem § 1 durch das VwGVG, BGBl I 2013/33 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
3.1.3 Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl 1961/194, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. 1950/173, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl 1984/29, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
3.1.4 Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
3.2 Zu Spruchpunkt A) - Abweisung des Antrags auf Wiederaufnahme
3.2.1 Gemäß § 32 Abs 1 Z 2 VwGVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anders lautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten.
Gemäß § 32 Abs 2 VwGVG ist der Antrag auf Wiederaufnahme binnen zwei Wochen beim Verwaltungsgericht einzubringen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Erkenntnisses und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.
Gemäß § 32 Abs 3 VwGVG kann die Wiederaufnahme des Verfahrens unter den Voraussetzungen des § 32 Abs 1 VwGVG kann auch von Amts wegen verfügt werden. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann die Wiederaufnahme auch von Amts wegen nur mehr aus den Gründen des § 32 Abs 1 Z 1 VwGVG stattfinden.
3.2.2 In der Regierungsvorlage zum Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz 2013 (2009 der Beilagen, XXIV. GP) ist festgehalten, dass die Bestimmungen über die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im VwGVG weitgehend den Bestimmungen der §§ 69 bis 72 AVG mit den entsprechenden Anpassungen auf Grund der Einführung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz entsprechen. Durch den Ausschluss der Anwendung des IV. Teiles des AVG ist das AVG in diesem Bereich für unanwendbar erklärt worden, wobei aufgrund der inhaltlichen Übereinstimmung und ähnlichen Formulierung der Bestimmung des § 32 Abs 1-3 VwGVG mit § 69 AVG die bisher ergangenen höchstgerichtlichen Entscheidungen sinngemäß anzuwenden sind bzw. die bisherigen Judikaturrichtlinien zu § 69 AVG herangezogen werden können.
3.2.3 Der gegenständliche Antrag zielt darauf ab, das mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13.12.2017 in Hinblick auf Asyl und subsidiären Schutz rechtskräftig abgeschlossene Verfahren der antragstellenden Partei aufgrund neu hervorgekommener Beweismittel im Sinne des § 32 Abs 1 Z 2 VwGVG wieder aufzunehmen.
3.2.4 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 69 Abs 1 Z 2 AVG nur auf solche Tatsachen, das heißt Geschehnisse im Seinsbereich (vgl VwGH 15.12.1994, 93/09/0434; 4.9.2003, 2000/17/0024) oder Beweismittel, das heißt Mittel zur Herbeiführung eines Urteiles über Tatsachen (vgl VwGH 16.11.2004, 2000/17/0022; 24.4.2007, 2005/11/0127), gestützt werden, die erst nach Abschluss eines Verfahrens hervorgekommen sind und deshalb von der Partei ohne ihr Verschulden nicht geltend gemacht werden konnten (Reisner in Götzl/Gruber/Reisner/Winkler, Das neue Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte [2017], § 32 Rz 19).
Es muss sich also um Tatsachen und Beweismittel handeln, die beim Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens schon vorhanden waren, deren Verwertung der Partei aber ohne ihr Verschulden erst nachträglich möglich wurde ("nova reperta"), nicht aber um erst nach Abschluss des seinerzeitigen Verfahrens neu entstandene Tatsachen und Beweismittel ("nova producta" bzw "nova causa superveniens") (vgl. VwGH 17.2.2006, 2006/18/0031; 7.4.2000, 96/19/2240, 20.6.2001, 95/08/0036; 18.12.1996, 95/20/0672; 25.11.1994, 94/19/0145; 25.10.1994, 93/08/0123; 19.2.1992, 90/12/0224 ua).
3.2.5 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es zwar notwendig, aber nicht ausreichend, dass die Tatsachen oder Beweismittel im wieder aufzunehmenden Verfahren nicht geltend gemacht worden sind; es ist darüber hinaus auch erforderlich, dass sie - allenfalls auch im Verfahren vor der höheren Instanz - nicht geltend gemacht werden konnten und dass die Partei daran kein Verschulden trifft (Reisner in Götzl/Gruber/Reisner/Winkler, Das neue Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte [2017], § 32 Rz 19). Jegliches Verschulden, dass die Partei an der Unterlassung ihrer Geltendmachung trifft, auch leichte Fahrlässigkeit, schließt den Rechtsanspruch auf Wiederaufnahme des Verfahrens aus (vgl VwGH 19.3.2003, 2000/08/0105). Die Wiederaufnahme des Verfahrens dient jedenfalls nicht dazu, Versäumnisse während eines Verwaltungsverfahrens zu sanieren (vgl VwGH 22.12.2005, 2004/07/0209).
3.2.6 Gegenständlich wurde zur Begründung des Wiederaufnahmeantrages ein Gutachten des Sachverständigen für Plagiatsprüfung, Doz. Dr. Stefan Weber vom 8.2.2018 vorgelegt, welches belege, dass das Gutachten des Sachverständigen Mag. Mahringer, aufgrund seines deutlich nichtwissenschaftlichen Charakters als Entscheidungshilfe komplett ungeeignet und die Befragung vor Ort nicht lege artis durchgeführt worden sei.
Da das Gutachten des Sachverständigen Doz. Dr. Stefan Weber von 8.2.2018 stammt und somit erst zu einem Zeitpunkt entstand, nachdem das Erkenntnis vom 22.1.2018, W187 2135007-1/6E ergangen ist, handelt es sich bei dem vorgelegten Gutachten um kein Beweismittel, das beim Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens schon vorhanden war. Vielmehr handelt es sich um ein erst nach Abschluss des seinerzeitigen Verfahrens neu entstandenes Beweismittel. Der Beschwerdeführer kann sich daher zur Begründung seines Antrages auf Wiederaufnahme nicht auf dieses Beweismittel stützen.
Schon aus diesem Grund war daher der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens abzuweisen.
3.2.7 Im Übrigen wird darauf verwiesen, dass dem Antrag auch inhaltliche nicht stattzugeben gewesen wäre, weil das Hervorkommen neuer Tatsachen und Beweise allein nicht genügt, um das Verfahren wieder aufzunehmen. Es handelt sich bei diesem "Neuerungstatbestand" nämlich um einen relativen Wiederaufnahmegrund (Reisner in Götzl/Gruber/Reisner/Winkler, Das neue Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte [2017], § 32 Rz 23) und für eine Wiederaufnahme ist weiters erforderlich, dass die neuen Tatsachen und Beweise voraussichtlich auch zu einem anderen Verfahrensergebnis führen würden (vgl. VwGH 14.6.1993, 91/10/0107; 27.9.1994, 92/07/0074; 22.2.2001, 2000/04/0195).
Die neuen Tatsachen müssen die Richtigkeit des angenommenen Sachverhaltes in einem wesentlichen Punkt als zweifelhaft erscheinen lassen (nova reperta). Neue Beweismittel dürfen nur geltend gemacht werden, wenn die zu beweisende Tatsache im abgeschlossenen Verfahren geltend gemacht wurde, die in Rede stehenden Beweismittel aber erst nach Abschluss des Verfahrens hervorkamen (Reisner in Götzl/Gruber/Reisner/Winkler, Das neue Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte [2017], § 32 Rz 22; Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 § 69 Rz 7).
Es muss sich also um neu hervorgekommene Tatsachen oder Beweismittel handeln, die den Sachverhalt betreffen und die, wenn sie schon im wieder aufzunehmenden Verfahren berücksichtigt worden wären, zu einer anderen Feststellung des Sachverhaltes und voraussichtlich zu einem im Hauptinhalt des Spruchs anders lautenden Bescheid geführt hätten (VwGH 30.6.1998, 98/05/0033; 20.12.2005, 2005/12/0124; Mannlicher/Quell, AVG § 69 Anm 6).
Aus dem klaren und unmissverständlichen Gesetzeswortlaut und dem Gesetzeszweck, durch das Institut der Wiederaufnahme ein Korrektiv gegen aus bestimmten in § 69 Abs 1 AVG näher ausgeführten Gründen unrichtige rechtskräftige Bescheide einzurichten, ergibt sich, dass die Relevanz des behaupteten Wiederaufnahmetatbestandes immer am in der Sache selbst ergangenen rechtskräftigen Bescheid zu messen ist, keinesfalls aber lediglich an den Inhalten und Ergebnissen von diesem Bescheid folgenden und dem gegenständlichen Antrag vorangegangenen Wiederaufnahmeverfahren (VwGH 20.10.1995, 94/19/1353).
Das Wiederaufnahmeverfahren hat nicht den Zweck, allfällige Versäumnisse einer Partei in einem Ermittlungsverfahren oder die Unterlassung der Erhebung eines Rechtsmittels im Wege über die Wiederaufnahme eines Verfahrens zu sanieren (VwGH 20.6.2002, 2002/07/0055).
Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH bilden weder ein einem Sachverständigen in seinem Gutachten unterlaufener Irrtum noch neue Schlussfolgerungen eines dem Verwaltungsverfahren nicht beigezogenen Sachverständigen einen Wiederaufnahmegrund. (vgl VwGH 16.10.2007, 2004/18/0376).
3.2.8 Verfahrensgegenständlich hätte das nun geltend gemachte Beweismittel weder allein, noch in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens, eine im Hauptinhalt des Spruches anders lautende Entscheidung herbeigeführt:
Das Gericht hat sich zur Beurteilung einer innerstaatlichen Fluchtalternative insbesondere auf die Feststellungen gestützt, dass es sich bei dem Antragsteller um einen arbeitsfähigen jungen Mann handelt, bei dem die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann. Diese Tatsachen wurden weder vom ASt bestritten, noch durch das Gutachten von Doz. Dr. Stefan Weber wiederlegt. Nach der Rechtsprechung des VwGH ist die allgemeine Situation in Afghanistan nicht so gelagert, dass die Ausweisung dorthin automatisch gegen Art 3 EMRK verstoßen würde. Nach der auf der Rechtsprechung des EGMR beruhenden Rechtsprechung ist eine solche Situation nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art 3 EMRK ist nicht ausreichend. Nach der herrschenden Rechtsprechung des VwGH liegen bei Rückkehr eines arbeitsfähigen, jungen, gesunden Mannes nach Kabul solche exzeptionellen Umstände nicht vor (Vgl. VwGH 25.5.2016, Ra 2016/19/0036; 13.9.2016, Ra 2016/01/0096).
Weiter sei erwähnt, dass das Gericht nicht ausschließlich das Gutachten von Mag. Mahringer, sondern primär das Länderinformationsblatt zur Feststellung und Beweiswürdigung der Lage in Afghanistan herangezogen hat. Selbst ein Wegfall des Gutachtens von Mag. Mahringer hätte daher auf den Sachverhalt und damit auch auf den Spruch keinen Einfluss gehabt.
3.2.9 Das Gutachten von Doz. Dr. Stefan Weber hätte daher keine im Hauptinhalt des Spruches anders lautende Entscheidung herbeiführen können, da weder der Antragsteller noch Doz. Dr. Stefan Weber den Feststellungen entgegengetreten ist. Der Sachverständige für Plagiatsprüfung Doz. Dr. Stefan Weber hat lediglich die Einhaltung der Regeln guter wissenschaftlicher Praxis im Gutachten von Mag. Karl Mahringer überprüft und keine inhaltlichen Äußerungen zum Sachverhalt getroffen (Reisner in Götzl/Gruber/Reisner/Winkler, Das neue Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte [2017], § 32 Rz 20). Es handelt sich damit um ein Anzweifeln der Richtigkeit der Beweiswürdigung, nicht um inhaltliches Vorbringen zum entscheidungsrelevanten Sachverhalt. Eine Änderung der Beweiswürdigung vermag jedoch eine Wiederaufnahme nicht zu rechtfertigen. Die Vorlage des Gutachtens von Doz. Dr. Stefan Weber vom 8.2.2018 muss im gegenständlichen Verfahren daher als nicht dazu geeignet angesehen werden, im wiederaufgenommenen Verfahren ein anderes Verfahrensergebnis herbeizuführen.
3.2.10 Der Antrag auf Wiederaufnahme des rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens des Antragstellers war sohin spruchgemäß abzuweisen.
3.2.11 Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit dem Antrag auf Wiederaufnahme als geklärt erschien und es sich bei der Einordnung, ob die Eignung eines vorgebrachten Wiederaufnahmegrundes vorliegt, um eine Rechtsfrage handelt (vgl VwGH 19.4.2007, 2004/09/0159; Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013) § 32 VwGVG Anm 9; Reisner in Götzl/Gruber/Reisner/Winkler,
Das neue Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte [2017], § 24 Rz 35), konnte gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben (vgl VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017 und 0018; VfGH 14.3.2012, U 466/11 ua).
3.3 Zu Spruchpunkt B) - Abweisung des Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Anordnung nach dem Unionsrecht
3.3.1 Der Antragsteller beantragt zur Absicherung des Verfahrens die Erlassung einer einstweiligen Anordnung nach dem Unionsrecht, um ihm vorläufiges Aufenthaltsrecht zu gewähren bzw die Abschiebung bis zur Entscheidung über den Antrag auf Wiederaufnahme hintanzuhalten.
3.3.2 Grundsätzlich kann eine einstweilige Anordnung nach dem Unionsrecht erlassen werden, auch wenn eine ausdrückliche innerstaatliche Rechtsgrundlage dafür fehlt. Diese kann auf die unmittelbare Anwendbarkeit des Unionsrechts gestützt werden. Sie dient in jedem Fall lediglich dazu, einen Rechtszustand zu verunmöglichen, der den Ausgang des Verfahrens sinnlos macht und allenfalls einer Entscheidung im Verfahren vorgreift. Nach einer Entscheidung in der Sache ist daher eine einstweilige Anordnung jedenfalls unzulässig.
3.3.3 Mit Spruchpunkt A) des gegenständlichen Erkenntnisses hat das Bundesverwaltungsgericht bereits über den Antrag auf Wiederaufnahme entschieden. Eine Absicherung dieses Verfahrens ist daher nicht mehr erforderlich, da es bereits inhaltlich entschieden ist. Damit ist eine Absicherung des Ausgangs dieses Verfahrens nicht mehr notwendig und eine einstweilige Anordnung kann unterbleiben, wobei ihre rechtliche Zulässigkeit im konkreten Fall gar nicht mehr geprüft werden muss.
3.4 Zu Spruchpunkt C) - Unzulässigkeit der Revision
3.4.1 Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
3.4.2 Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen (siehe dazu insbesondere die unter 3.2 zitierte Judikatur). Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Abschiebungshindernis, Aufenthaltsrecht, einstweilige Anordnung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W187.2135007.2.00Zuletzt aktualisiert am
19.04.2018