TE Bvwg Erkenntnis 2018/4/5 W169 2174426-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.04.2018
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Entscheidungsdatum

05.04.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W169 2174426-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Barbara MAGELE als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.09.2017, Zl. 1159400901-170810018, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005 idgF, § 9 BFA-VG idgF, und §§ 52, 55 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler schlepperunterstützter Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 11.07.2017 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, dass er aus Haryana stamme und die Sprachen Punjabi und Hindi spreche. Er gehöre der Religionsgemeinschaft der Sikhs und der Volksgruppe der Punjabi an. Er habe ungefähr zehn Jahre die Grundschule besucht und zuletzt als Chauffeur gearbeitet. In Indien würden die Eltern des Beschwerdeführers leben. Zu seinem Ausreisegrund führte der Beschwerdeführer an, dass er in Indien als Chauffeur für einen reichen Mann gearbeitet und im Oktober 2016 einen Unfall mit seinem PKW gehabt habe. Es sei ein Totalschaden entstanden, woraufhin sein Chef gewollt habe, dass der Beschwerdeführer und seine Familie den Schaden in Höhe von 4 Millionen Rupien begleichen. Da seine Familie das nicht habe zahlen können, seien sein Vater und er zwei Mal von seinem Chef und dessen Männern geschlagen und in weiterer Folge sei der Beschwerdeführer auch mit dem Tod bedroht worden. Aus diesem Grund habe seine Familie beschlossen, dass der Beschwerdeführer das Land verlassen solle. Für den Fall einer Rückkehr nach Indien befürchte er, von seinem Chef umgebracht zu werden.

2. Am 28.08.2017 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen und gab er an, dass er der Religionsgemeinschaft der Sikhs angehöre. Er spreche Punjabi sowie Hindi, habe in Indien die Schule besucht, sei ledig, kinderlos und gesund. Er habe bis zur Ausreise in seinem Heimatort in Haryana gelebt und seinen Lebensunterhalt als Chauffeur bestritten. Die Eltern des Beschwerdeführers würden auch weiterhin im Heimatort leben. Er könne sich nicht mehr daran erinnern, wann er zuletzt mit ihnen Kontakt gehabt habe.

Zu seinem Fluchtgrund brachte der Beschwerdeführer Folgendes vor (VP: nunmehriger Beschwerdeführer; LA: Leiter der Amtshandlung):

"(...)

LA: Warum stellen Sie einen Asylantrag? Nennen Sie mir bitte alle Ihre Fluchtgründe?

VP: Mein Leben ist in Gefahr in Indien.

LA: Konkretisieren Sie bitte.

VP: Ich habe als Fahrer gearbeitet und einen Unfall verursacht, dabei wurde das Auto zerstört. Der Arbeitgeber wollte, dass ich das bezahle. 400.000,- Rupien. Er hat mich und meine Eltern geschlagen, er sagte, wenn ich nicht bezahle, wird er mich umbringen.

LA: Sind das alle Ihre Fluchtgründe gewesen?

VP: Ja, das war alles.

LA: Ich werde Ihnen jetzt detaillierte Fragen zu Ihren Gründen stellen, um mir ein besseres Bild machen zu können.

LA: Waren Sie jemals in Haft, wurden Sie verurteilt von den indischen Behörden?

VP: Nein.

LA: Waren Sie jemals politisch tätig?

VP: Nein.

LA: Wurden Sie aufgrund Ihrer Religionszugehörigkeit oder Volksgruppenzugehörigkeit verfolgt?

VP: Nein.

LA: Wann hatten Sie diesen Unfall?

VP: Im Oktober 2016.

LA: Wann genau im Oktober?

VP: Nein, das weiß ich nicht.

LA: Wie lange haben Sie für diese Firma gearbeitet?

VP: Seit einem Jahr.

LA: Wie ist es zu dem Unfall gekommen?

VP: In Delhi ist es passiert.

LA: Konkretisieren Sie das bitte?

VP: Mehr weiß ich nicht, es war in Dehli.

LA: Waren andere Fahrzeuge auch beteiligt?

VP: Mit einem LKW hatte ich den Unfall.

LA: Welche Farbe hatte dieser LKW?

VP: Schwarz.

LA: Mit welchem Teil Ihres Fahrzeuges stießen Sie in das andere Fahrzeug?

VP: Fordere Seite.

LA: Waren andere Menschen auch in Ihrem Fahrzeug?

VP: Nein, ich war alleine.

LA: Wann hat Ihr Chef Sie zum ersten Mal bedroht?

VP: Im Jänner 2017.

LA: Und wie lange Zeit war da der Unfall da schon vorbei?

VP: Ich habe nach 4 -5 Tagen nach dem Unfall meinen Chef angerufen.

LA: Die Frage wird wiederholt?

VP: Mehrere Monate, sie können das selbst rechnen.

LA: Warum hat der Chef sich so lange Zeit gelassen, bis er Sie bedroht hat?

VP: Zuerst wollte er kein Geld von mir, danach hat er Geld verlangt und mich und meine Familie geschlagen.

LA: Erzählen Sie mir von den Schlägen?

VP: Mit Holzstock und Baseball Schläger, hat er uns geschlagen.

LA: Haben Sie das angezeigt?

VP: Ja. Aber die Polizei hat nichts gemacht.

LA: Haben Sie den Unfall angezeigt?

VP: Nein.

LA: War der LKW auch beschädigt?

VP: Nein.

LA: Mit wie viel kmh haben Sie den Unfall verursacht?

VP: Mit 100 kmh - auf der Bundesstraße kann man so schnell fahren.

LA: Welches Auto sind Sie gefahren?

VP: Fortuner Toyota.

Anmerkung: VP werden Bilder aus dem Internet gezeigt, um von demselben Auto zu sprechen. VP bejaht, dass es ein Auto wie auf https://www.google.at/search?q=toyota+fortuner+technische+daten&source=lnms&tbm=isch&sa=X&ved=0ahUKEwii3Nj5gvzVAhWJXRQKHWS5BEQQ_AUICigB&biw=1920&bih=955 (letzter Zugriff 29.08.2017) gezeigt ist.

LA: Wie viel wiegt dieses Auto ungefähr?

VP: Das weiß ich nicht.

LA: Aber ich, aus dem Internet - die Autos haben 1500 - 1800 kg.

Daher stelle ich mir die Frage, wie kann ein LKW unbeschädigt bleiben, wenn ein Automobil mit rund 1,5 Tonnen auf ihn prallt, der 100 km/h fährt?

VP: Auch der LKW war an der forderen Seite beschädigt.

LA: Weiter oben haben Sie gesagt, der LKW war nicht beschädigt, warum das?

VP: Ich meine nur, dass er nur auf der forderen Seite beschädigt war.

LA: Was ist Ihnen beim Unfall, also beim Aufprall als erstes aufgefallen?

VP: Ich habe das gar nicht mitbekommen.

LA: Waren Sie angeschnallt?

VP: Ja.

LA: Was haben Sie dann gemacht?

VP: Die Airpacks sind aufgegangen?

LA: Was haben Sie dann gemacht?

VP: Ich bin ausgestiegen.

LA: Auf welcher Seite?

VP: Von der Fahrer Seite.

LA: Was hat der LKW Fahrer gemacht?

VP: Er ist auch ausgestiegen und weggerannt?

LA: Warum?

VP: Weil es seine Schuld war.

LA: Sie waren dienstlich unterwegs?

VP: Ja.

LA: Sie hatten einen Unfall mit Totalschaden?

VP: Ja.

LA: Der Unfallgegner, der LKW Fahrer war Schuld an dem Unfall?

VP: Ja.

LA: Nach der Flucht des Fahrers blieb der LKW zurück?

VP: Ja.

LA: Und Sie haben den Vorfall nicht zur Anzeige gebracht, ist das richtig?

VP: Ja. Ich selbst nicht, mein Chef schon.

LA: Gibt es Versicherungen in Indien - für Kraftfahrzeuge meine ich?

VP: Ja.

LA: Waren Sie als Fahrer bzw. Ihre Fahrzeuge versichert, im Rahmen der Firma, für die Sie gearbeitet haben?

VP: Ja.

(...)

LA: Wo hat Ihr Chef gewohnt?

VP: In XXXX .

LA: Wie weit ist XXXX von Delhi entfernt?

VP: 150 km.

LA: Wann hat Ihr Chef Ihre Eltern zum ersten Mal geschlagen?

VP: Im Jänner.

LA: Zu welcher Tageszeit hat Ihr Chef Sie zum ersten Mal geschlagen?

VP: Es war Abend.

LA: Wo war das?

VP: In XXXX .

LA: Wo da?

VP: In XXXX .

LA: Sie haben gerade behauptet Ihr Chef hat Sie am Abend in XXXX zum ersten Mal geschlagen.

VP: Das zweite Mal hat er mich in XXXX geschlagen.

LA: Wie viel Zeit liegt zwischen dem ersten und dem zweiten Mal?

VP: Eine Woche.

LA: In welchem Monat war das zweite Mal?

VP: Auch im Jänner.

LA: Wie hat sich das abgespielt?

VP: Mit Holzstöcken.

LA: Konkretisieren Sie bitte?

VP: Bei meiner Tante.

LA: Ja, konkretisieren Sie bitte!

VP: Ich habe mich bei meiner Tante versteckt, er kam zu ihrem Haus und hat mich geschlagen.

LA: Wie hat er Sie gefunden?

VP: Er hat Personen gehabt, die mich ausfindig gemacht haben.

LA: Wieso hat Ihr Chef das Ganze nicht einfach über die Versicherung geregelt?

VP: Die Versicherungsfirma hat ihm sehr wenig Geld gegeben.

LA: Wieso hat Ihr Chef das Geld nicht vom Unfallverursacher gefordert?

VP: Der Fahrer ist ja weggelaufen, man hat ihn nicht mehr gefunden.

LA: Haben Automobile in Indien Kennzeichen?

VP: Ja.

LA: Wozu haben die Automobile Kennzeichen?

VP: Damit man erkennt, zu welchem Staat das Automobil gehört.

LA: Hatten Sie in Ihrem Auto einen Zulassungsschein?

VP: In Indien gibt es so etwas nicht.

LA: Wenn Sie sich ein Auto kaufen in Indien, woher wissen Sie, dass es Ihnen gehört?

VP: Das Auto ist auf meinen Namen und dann meldet man sich auf einen Namen an.

LA: Wo wird das hingeschrieben?

VP: Es ist eine kleine Karte, darauf steht das. Man nennt das RC.

LA: Bei welcher Behörde macht man diesen Vorgang, mit dem RC Dokument?

VP: In XXXX bekommt man das. Ich weiß nicht bei welcher Behörde."

(...)"

Zu den Lebensumständen in Österreich gab der Beschwerdeführer an, dass er hier keine Verwandten habe und alleine wohne. Er habe Kontakt zu seinen Landsleuten und kenne keine Österreicher.

Im Laufe der Einvernahme wurde dem Beschwerdeführer die Möglichkeit eingeräumt, in die Länderberichte zur aktuellen Situation in Indien Einsicht und gegebenfalls diesbezüglich schriftlich Stellung zu nehmen. Der Beschwerdeführer verzichtete auf die Abgabe einer diesbezüglichen Stellungnahme.

3. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.09.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Dem Beschwerdeführer wurde gemäß § 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt III). Weiters wurde innerhalb des Spruches ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass dem Vorbringen des Beschwerdeführers zu den von ihm behaupteten Verfolgungsgründen die Glaubwürdigkeit abzusprechen gewesen sei. Selbst bei Wahrunterstellung wäre dieses aber auch nicht asylrelevant. Auch eine refoulementschutzrechtlich relevante Gefährdung im Fall einer Rückkehr nach Indien sei nicht gegeben. Unabhängig davon würde dem Beschwerdeführer eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung stehen. Der Beschwerdeführer erfülle nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG, der Erlassung einer Rückkehrentscheidung stehe sein Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens angesichts der kurzen Aufenthaltsdauer und des Fehlens von familiären oder privaten Bindungen im Inland nicht entgegen. Angesichts der abweisenden Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergebe sich die Zulässigkeit einer Abschiebung des Beschwerdeführers nach Indien. Die Frist für die freiwillige Ausreise von vierzehn Tagen ergebe sich aus § 55 FPG, da besondere Umstände, die der Beschwerdeführer bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen habe, nicht gegeben seien.

4. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde. Nach Wiederholung der Fluchtgründe wurde ausgeführt, dass ein Leben für den Beschwerdeführer in Indien nicht mehr möglich sei. Es habe keine tatsächliche Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers und den Länderberichten stattgefunden und würden geeignete Fragen an den Beschwerdeführer gänzlich fehlen. Es entspreche der indischen Realität, dass nach Verkehrsunfällen Streitigkeiten auftreten würden, die lebensgefährlich werden könnten und sei von staatlicher Seite keine Hilfe zu erwarten. Schließlich habe es die Behörde verabsäumt, sich mit der persönlichen Situation und den Bindungen des Beschwerdeführers zu Österreich auseinanderzusetzen. Der Beschwerdeführer sei ein "arbeitsamer, freundlicher und integrationswilliger Mensch", der sich von Anfang an bemüht habe, sich den hiesigen Gepflogenheiten anzupassen und der seine Chancen in Österreich nützen wolle. Beantragt wurde die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Indien aus dem Bundesstaat Haryana und gehört der Religionsgemeinschaft der Sikhs an. Seine Identität steht nicht fest. Er beherrscht die Sprachen Punjabi und Hindi. Im Herkunftsstaat lebte er bis zur Ausreise in Haryana, wo er zehn Jahre die Schule besuchte und seinen Lebensunterhalt als Chauffeur bestreiten konnte. Der Beschwerdeführer ist ledig und kinderlos.

Der Beschwerdeführer hatte keine Probleme aufgrund seiner Religions- oder Volksgruppenzugehörigkeit im Heimatland und war auch niemals politisch tätig.

Die Verfolgungsbehauptungen des Beschwerdeführers sind nicht glaubhaft. Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer in Indien eine an asylrelevante Merkmale anknüpfende Verfolgung droht. Dem Beschwerdeführer steht in Indien eine innerstaatliche Schutz- bzw. Fluchtalternative offen.

Der Beschwerdeführer hat keine Verwandten in Österreich, nimmt Leistungen aus der Grundversorgung in Anspruch und hat nur Kontakt zu Indern. Er hat keine österreichischen Bekannten. Im Herkunftsstaat leben nach wie vor die Eltern des Beschwerdeführers sowie seine Tante. Der Beschwerdeführer steht im erwerbsfähigen Alter, ist gesund und strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zur Situation im Herkunftsstaat wird Folgendes festgestellt:

Allgemeine Menschenrechtslage

Die Menschenrechtslage ist in Indien regional sehr unterschiedlich (BICC 6.2015). Wesentliche Grundrechte sind in der indischen Verfassung garantiert. Eine Reihe von Sicherheitsgesetzen schränken die rechtsstaatlichen Garantien aber ein (AA 24.4.2015). Während die Bürger- und Menschenrechte von der Regierung größtenteils respektiert werden, ist die Lage in den Regionen, wo es interne Konflikte gibt, teilweise sehr schlecht. Dies trifft insbesondere auf Jammu und Kaschmir und den Nordosten des Landes zu. Den Sicherheitskräften, aber auch den nicht-staatlichen bewaffneten Gruppen, seien es separatistische Organisationen oder regierungstreue Milizen, werden massive Menschenrechtsverletzungen angelastet. Dem Militär und den paramilitärischen Einheiten werden Entführungen, Folter, Vergewaltigungen, willkürliche Festnahmen und außergerichtliche Hinrichtungen vorgeworfen. Es gibt Befürchtungen, dass die neue, drakonische Anti-Terror-Gesetzgebung die Menschenrechtslage verschlimmern wird und dass diese Gesetze gegen politische Gegner missbraucht werden. Frauen, Mitglieder ethnischer und religiöser Minderheiten sowie niedriger Kasten werden systematisch diskriminiert. Den Sicherheitskräften wird Parteilichkeit vorgeworfen, besonders hinsichtlich der Spannungen zwischen Hindus und Moslems, welche im Jahr 2002 zu Tausenden von Todesfällen führten. Die Stimmung wird durch hindunationalistische Parteien angeheizt, welche auch in der Regierung vertreten sind (BICC 6.2015).

Die Behörden verstoßen auch weiterhin gegen die Privatsphäre der BürgerInnen. In manchen Bundesstaaten schränkt das Gesetz die religiöse Konversion ein und es gibt Berichte von Verhaftungen, aber keine Verurteilungen nach diesem Gesetz. Manche Einschränkungen in Bezug auf die Bewegungsfreiheit dauern an (USDOS 25.6.2015).

Im Oktober 1993 wurde die Nationale Menschenrechtskommission (NHRC) gegründet. Ihre Satzung beinhaltet den Schutz des Menschenrechtgesetzes aus dem Jahre 1993. Die Kommission verkörpert das Anliegen Indiens für den Schutz der Menschenrechte. Sie ist unabhängig und wurde durch ein Umsetzungsgesetz des Parlaments gegründet. Die NHRC hat die Befugnis eines Zivilgerichtes (NHRC o. D.). Die NHRC empfiehlt, dass das Kriminalermittlungsbüro alle Morde, in denen die angeblichen Verdächtigen während ihrer Anklage, Verhaftung, oder bei ihrem Fluchtversuch getötet wurden, untersucht. Viele Bundesstaaten sind diesem unverbindlichen Rat nicht gefolgt und führten interne Revisionen im Ermessen der Vorgesetzten durch. Die NHRC Richtlinien weisen die Bundesstaatenregierungen an, alle Fälle von Tod durch Polizeihandlung binnen 48 Stunden an die NHRC zu melden, jedoch hielten sich viele Bundesstaatenregierungen nicht an diese Richtlinien. Die NHRC wies die Bundesstaatenregierung an, den Familien von Opfern eine finanzielle Kompensation zu bieten, aber die Bundesstaatenregierungen erfüllten diese Richtlinien nicht konsequent. Die Sicherheitskräfte mussten Todesfälle während der Haft nicht an die NHRC melden (USDOS 25.6.2015).

Die Verfassungs- und Rechtsordnung enthalten Garantien für die grundlegenden Menschenrechte und Freiheiten. Die Umsetzung dieser Verfassungsziele ist nicht in vollem Umfang gewährleistet (AA 24.4.2015). In der Verfassung verankerte rechtsstaatliche Garantien (z.B. das Recht auf ein faires Verfahren) werden durch eine Reihe von Sicherheitsgesetzen eingeschränkt. Diese Gesetze wurden nach den Terroranschlägen von Mumbai im November 2008 verschärft; u.a. wurde die Unschuldsvermutung für bestimmte Straftatbestände außer Kraft gesetzt. Besonders in Unruhegebieten haben die Sicherheitskräfte zur Bekämpfung sezessionistischer und terroristischer Gruppen weitreichende Befugnisse, die oft exzessiv genutzt werden (AA 24.4.2015).

23 der 29 Bundesstaaten haben Menschenrechtskommissionen, die eigenständige Untersuchungen durchführen, aber unter der Nationalen Menschenrechtskommission arbeiten. In sieben Bundesstaaten blieb die Position des Vorsitzenden nicht besetzt. Menschenrechtgruppen mutmaßten, dass die Menschenrechtskommissionen durch lokale Politik in ihrer Tätigkeit eingeschränkt waren (USDOS 25.6.2015).

Manche Menschenrechtsorganisationen behaupteten, dass rechtliche und institutionelle Schwächen die Arbeit der NHRC behinderten. Während die NHRC die Autorität besitzt: Untersuchungen und Beschwerden nachzugehen oder von der Bundesregierung die Veröffentlichung eines Bericht verlangen kann, hat sie weder die Verfügungsmacht um Anfragen durchzusetzen, Vorgänge für Strafverfolgungen zu initiieren, oder Interimskompensationen anzuweisen, noch ist es ihr möglich unabhängig Menschenrechtsverletzungen der Streitkräfte nachzugehen. Menschenrechtsorganisationen kritisierten die finanzielle Abhängigkeit der NHRC von der Regierung und ihren Grundsatz, Verstöße, die älter als ein Jahr sind, nicht zu untersuchen. Sie behaupteten, dass die NHRC nicht alle Verstöße registrierte, es verabsäumte Fälle gründlich zu untersuchen, Beschwerden wieder an den angeblichen Verursacher retourniere und Beschwerdeführer nicht adäquat schütze (USDOS 25.6.2015).

Die NHRC arbeitete gemeinsam mit verschiedenen NGOs. Auch hatten die NGOs mehrere Repräsentationen in mehreren NHRC Komitees. Menschenrechtsbeobachter in Jammu und Kaschmir war es möglich Menschenrechtsverstöße zu dokumentieren, sie wurden aber von Sicherheitskräften, der Polizei und Aufständischen in ihrer Arbeit behindert oder belästigt (USDOS 25.6.2015).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (24.4.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien

-

BICC - Bonn International Centre for Conversion (6.2015):

Informationsdienst - Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte: Länderinformation Indien,

http://ruestungsexport.info/uploads/pdf/countries/20157/indien.pdf, Zugriff 9.11.2015

-

NHRC - The National Human Rights Commission India (o. D.): The National Human Rights Commission India, http://www.nhrc.nic.in/Documents/Publications/NHRCindia.pdf, Zugriff 9.11.2015

-

USDOS - US Department of State (25.6.2015): Country Report on Human Rights Practices 2014 - India, http://www.ecoi.net/local_link/306292/443589_de.html, Zugriff 9.11.2015

Bewegungsfreiheit

Das Gesetz gewährt interne/landesweite Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Migration und Repatriierung; die Regierung respektiert diese Rechte im Allgemeinen (USDOS 25.6.2015).

Es gibt kein staatliches Melde- oder Registrierungssystem, so dass ein Großteil der Bevölkerung keinen Ausweis besitzt. Dies begünstigt die Niederlassung in einem anderen Landesteil im Falle von Verfolgung. Auch bei laufender strafrechtlicher Verfolgung ist nicht selten ein unbehelligtes Leben in ländlichen Bezirken eines anderen Landesteils möglich, ohne dass die Person ihre Identität verbergen muss (AA 24.4.2015).

Mit dem geplanten Datenverbundsystem für die zentralen Sicherheitsbehörden und die Unionsstaaten, Crime and Criminal Tracking Network System (CCTNS), soll künftig ein Informationsaustausch auf allen Ebenen gewährleistet sein. Für 2012 war eine Anbindung von 15.000 Polizeistationen und 6.000 übergeordneten Stellen vorgesehen. Die Umsetzung des ambitionierten Vorhabens liegt jedoch weit hinter dem ursprünglichen Zeitplan. Es ist davon auszugehen, dass Betroffene sich durch Flucht in einen anderen Landesteil jeglicher Art der privaten/halbstaatlichen Probleme entziehen können, da nicht davon auszugehen ist, dass über das Dorf hinaus Anwohner oder lokale Behörden Hinweise erhalten oder recherchieren können oder sich überhaupt dafür interessieren, was ein Zugezogener in der Vergangenheit gemacht haben könnte. Es fehlen jegliche zentrale Aktenführung oder Informationsaustausch. Es bedarf lediglich eines sehr einfachen, öffentlichen Namensänderungsverfahrens, um seine Identität zu verschleiern. Ob der Betreffende nach der Umsiedlung dort die Möglichkeit hat, sich ein wirtschaftliches Auskommen zu verschaffen, hängt ausschließlich von seiner Eigeninitiative ab. Vorübergehende Notlagen können durch Armenspeisungen im Tempel, insbesondere der Sikh-Tempel, die auch gegen kleinere Dienstleistungen Unterkunft gewähren, problemlos ausgeglichen werden (AA 3.3.2014).

Die Regierung darf die legale Ausstellung eines Passes, an einen Anwärter, von dem geglaubt wird, dass er in Aktivitäten außerhalb des Landes verwickelt ist, die "schädlich für die Souveränität und Integrität der Nation" sind, verweigern (USDOS 25.6.2015).

Die Regierung lockerte Einschränkungen in Bezug auf Reisen nach Arunachal Pradesh, Nagaland, Mizoram und Teilen von Jammu und Kaschmir, außer für Ausländer aus Pakistan, China und Burma. Die Bundesstaatenregierungen verlangen vor Reiseantritt von den Bürgern spezielle Genehmigungen einzuholen, um in diese Gegenden zu reisen. Die Sicherheitskräfte untersuchen Wagen und deren Inhaber bei Checkpoints im Kaschmirtal, vor öffentlichen Veranstaltungen in Neu Delhi oder nach großen terroristischen Angriffen (USDOS 25.6.2015).

Bürger von Jammu und Kaschmir sind auch weiterhin mit massiven Behinderungen konfrontiert, oft dauert es bis zu zwei Jahre, bis ihnen das Außenministerium einen Pass ausstellt oder erneuert. Die Regierung setzt Antragsteller - geboren in Jammu und Kaschmir -- zusätzlichen Kontrollen aus, bevor sie einen Pass erhalten (USDOS 25.6.2015).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (3.3.2014): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien

-

AA - Auswärtiges Amt (24.4.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien

-

USDOS - US Department of State (25.6.2015): Country Report on Human Rights Practices 2014 - India, http://www.ecoi.net/local_link/306292/443589_de.html, Zugriff 9.11.2015

Meldewesen

Es gibt kein Meldewesen in Indien (AA 24.4.2015).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (24.4.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien

Grundversorgung/Wirtschaft

Indiens Wirtschaft hat sich zuletzt erholt und an Dynamik gewonnen. Das Wirtschaftswachstum lag im Haushaltsjahr 2014/2015 bei 7,4%. Trotz struktureller Mängel zählt Indien damit nach wie vor zu den am stärksten expandierenden Volkswirtschaften der Welt. Im Vergleich zu anderen BRICS-Staaten kann Indien sich derzeit besser positionieren. Bei weiter wachsender Einwohnerzahl (derzeit 1,25 Mrd.) wird es bis zur Mitte des Jahrhunderts voraussichtlich nicht nur das bevölkerungsreichste Land der Erde sein, sondern auch mit seinem Bruttoinlandsprodukt nach China und USA an dritter Stelle liegen. (AA 10.2015c).

Indien ist die drittgrößte Wirtschaft in Asien und ist durch eine hohe Inflation, einer schwachen Währung und einem Rückgang an ausländischen Investitionen belastet. Eine Flaute im Bergbau und Manufaktur, haben ihr restliches dazu beigetragen (BBC 31.1.2014).

Indien steht vor gewaltigen Herausforderungen bei der Armutsbekämpfung und in der Bildungs- und Infrastrukturentwicklung. Das durchschnittliche jährliche Pro-Kopf-Einkommen liegt bei 1100 Euro. Etwa 30 Prozent der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze von 1 US-Dollar pro Kopf und Tag. Rund 70 Prozent haben weniger als 2 US-Dollar pro Tag zur Verfügung. Auf dem Human Development Index der UNDP steht Indien auf Platz 135 unter 187 erfassten Staaten. Während es weltweit die meisten Millionäre und Milliardäre beheimatet, liegt Indien bei vielen Sozialindikatoren deutlich unter den Durchschnittswerten von Subsahara-Afrika (AA 10.2015c).

Das Land hat eine aufstrebende urbane Mittelschicht und hat große Fortschritte wie zum Beispiel im IT-Bereich gemach. Die große Zahl an Facharbeitskräften macht es zu einem beliebten Ziel für internationale Firmen, die versuchen ihre Arbeit auszulagern. Der Großteil der ländlichen Bevölkerung ist weiterhin arm, da deren Leben auch weiterhin durch das altertümliche Hindukastensystem beeinflusst wird, welches jeder Person einen Platz in der sozialen Hierarchie zuweist. Diskriminierungen auf Basis der Kaste sind gegenwärtig illegal und mehrere Maßnahmen wurden eingeführt um benachteiligte Gruppen zu stärken und ihnen Zugangsmöglichkeiten zu erleichtern - wie zum Beispiel Bildung und Arbeit (BBC 28.10.2015)

Das hohe Wachstum der Jahre bis 2011 hat die regionalen Entwicklungsunterschiede auf dem Subkontinent und das zunehmende Einkommensgefälle zwischen der expandierenden städtischen Mittelschicht und der überwiegend armen Bevölkerung auf dem Lande, wo noch knapp 70% aller Inder leben, schärfer hervortreten lassen. Die erhofften Beschäftigungseffekte des Wachstums sind bislang ausgeblieben. Premierminister Modi (BJP) errang seinen erdrutschartigen Wahlsieg 2014 mit dem Versprechen von mehr Wachstum, besseren Entwicklungschancen für die breite Masse der Bevölkerung und weniger Korruption. Die Erwartungshaltung war und ist entsprechend groß. Nach knapp einem Jahr Regierungszeit zeigen sich erste positive Tendenzen bei der Inflation, die von vorher knapp 10% zuletzt auf Werte um 6% sank. Das Haushaltsdefizit soll in den nächsten drei Jahren von aktuell 4,1% (2014/2015) auf 3% des BJP reduziert werden. Dafür bedarf es vor allem höherer Steuereinnahmen, z. B. über eine Reform des Steuerwesens. Große Hoffnungen liegen diesbezüglich in der kommenden "Goods and Services Tax", einer landesweit einheitlichen Umsatzsteuer, dein ein wichtiger Schritt zur Schaffung eines indienweiten Binnenmarkts ist. Zu Beginn ihrer Amtszeit hat sich die Regierung Modi zur Marktwirtschaft bekannt und eine Reformagenda angekündigt, die u.a. eine Erhöhung des Anteils ausländischer Direktinvestitionen in bestimmten Bereichen vorsieht. Ende September verkündete Premierminister Modi die "Make in India" Kampagne und rief ausländische Investoren dazu auf, in Indien bei verbesserten Investitionsbedingungen zu produzieren. Er will so den Anteil der Industrieproduktion am BIP von aktuell 17% bis 2025 auf 25% anheben. Zur Ankurbelung der weiteren Industrialisierung werden groß angelegte Infrastrukturprojekte verfolgt, die unter anderem den Ausbau von Industriekorridoren zwischen verschiedenen Knotenpunkten vorsehen (z.B. Delhi-Mumbai Industrial Corridor). Auch im Bereich Schiene, den Häfen und im Luftverkehr sind erhebliche Investitionen nötig und geplant (AA 10.2015c).

Zu den Hauptcharakteristika der indischen Volkswirtschaft gehören das Missverhältnis zwischen BIP- und Beschäftigungsanteil bei Landwirtschaft und Dienstleistungen (mit umgekehrten Vorzeichen) und eine vergleichsweise geringe Bedeutung der verarbeitenden Industrie. Die überwiegende Mehrheit der indischen Bevölkerung lebt in ländlich-bäuerlichen Strukturen und bleibt wirtschaftlich benachteiligt. Der Anteil der Landwirtschaft an der indischen Wirtschaftsleistung sinkt seit Jahren kontinuierlich und beträgt nur noch etwa 17,6% (2014/15) der Gesamtwirtschaft, obgleich rund 50% (genau 49%) der indischen Arbeitskräfte in diesem Bereich tätig sind. Angesichts Kapitalmangels, zu kleiner Anbauflächen, stagnierender Erträge und fehlender Absatzstrukturen bleibt der Sektor Hauptsorge der indischen Regierung. Nur ca. 10% aller Beschäftigten stehen in einem vertraglich geregelten Arbeitsverhältnis. Die übrigen 90% werden dem sogenannten "informellen Sektor" zugerechnet - sie sind weder gegen Krankheit oder Arbeitsunfälle abgesichert, noch haben sie Anspruch auf soziale Leistungen oder Altersversorgung. Wachstum und Wohlstand verdankt Indien vor allem dem Dienstleistungssektor mit einem Anteil von über 60% am BIP. Hiervon profitiert aber bei einem Beschäftigungsanteil von etwa 30% nur ein kleiner Teil der Bevölkerung. Zur Überwindung der Massenarmut sollen neue Arbeitsplätze geschaffen werden, vor allem auch für nicht oder gering qualifizierte Kräfte. Dies könnte aus Sicht der Regierung am ehesten im Industriesektor (insbesondere im verarbeitenden Gewerbe) erfolgen (AA 10.2015c).

Etwa ein Viertel der Bevölkerung lebt unter dem Existenzminimum. Sofern es nicht zu außergewöhnlichen Naturkatastrophen kommt, ist jedoch eine für das Überleben ausreichende Nahrungsversorgung auch den schwächsten Teilen der Bevölkerung grundsätzlich sichergestellt. Es gibt keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer, Sozialhilfe oder ein anderes soziales Netz. Rückkehrer sind auf die Unterstützung der Familie oder Freunde angewiesen. Vorübergehende Notlagen können durch Armenspeisungen im Tempel, insbesondere der Sikh-Tempel, die auch gegen kleinere Dienstleistungen Unterkunft gewähren, ausgeglichen werden (AA 24.4.2015).

Backsteinöfen sind ein wichtiger Bestandteil von Indiens wachsender Wirtschaft. Es gibt mehr als zwei Millionen ZiegelarbeiterInnen in Indien. Viele Ofenanlagen haben ArbeiterInnen, die unter fast sklavenähnlichen Bedingungen arbeiten und höchstens £1.50 für einen 12 Stunden Tag verdienen. Viele leiden unter Krankheiten aufgrund des beizenden Rauches der Öfen und den rauen Arbeitsbedingungen (BBC 4.1.2014). Das Ausmaß von Zwangs- und Kinderarbeit in den Backsteinöfen in Indien nimmt epidemische Ausmaße an. Schwangere Frauen, Kinder und junge Mädchen arbeiten 12 - 18 Stunden pro Tag. Sie sind schlecht ernährt, es gibt kein sauberes Wasser und sie leben wie Sklaven (BBC 2.1.2014).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (24.4.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien

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AA - Auswärtiges Amt (10.2015c): Indien, Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_AC539C62A8F3AE6159C84F7909652AC5/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Indien/Innenpolitik_node.html, Zugriff 9.11.2015

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BBC - British Broadcasting Corporation (4.1.2014): India brick industry: Calls to improve working conditions, http://www.bbc.co.uk/news/world-asia-india-25595093, Zugriff 9.11.2015

-

BBC - British Broadcasting Corporation (28.10.2015) India profile

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Overview, http://www.bbc.co.uk/news/world-south-asia-12557384, Zugriff 9.11.2015

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BBC - British Broadcasting Corporation (2.1.2014): Why India's brick kiln workers 'live like slaves', http://www.bbc.co.uk/news/world-asia-india-25556965, Zugriff 9.11.2015

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BBC - British Broadcasting Corporation (31.1.2014): World Bank chief economist on future of India's economy, http://www.bbc.com/news/world-asia-india-25742983, Zugriff 9.11.2015

Sozialbeihilfen

In Indien haben derzeit von 400 Mio. Arbeitskräften nur etwa 35 Mio. Zugang zum offiziellen Sozialen Sicherungssystem in Form einer Altersrentenabsicherung. Dies schließt Arbeiter des privaten Sektors, Beamte, Militärpersonal und Arbeitnehmer von Unternehmen des staatlich öffentlichen Sektors ein. Von diesen 35 Mio. sind 26 Mio. Arbeiter Mitglied der Organisation des Arbeitnehmervorsorgefonds ("EPFO"). Ein weiterer wichtiger Beitrag des EPF ist der Vorschlag zur Ausweitung der kritischen Lebensbeihilfen auf die Gewährung von Obdach. Der Shramik Awas Yojana zielt auf die Bereitstellung kostengünstiger Siedlungsprojekte ab. Dies geht einher mit einer Zusammenarbeit von Organisationen wie HUDCO, Wohnungsbauagenturen, der Regierung, Arbeitnehmern und "EPF"-Mitgliedern, wobei die "EPFO" eine Vermittlerrolle einnimmt. Die Investitionen fließen in die beschriebenen Sicherheiten und Portfolios nach einem durch das Finanzministerium vorgegebenen Muster ein (BAMF 8.2014).

Die Landes- und Staatenregierungen bieten verschiedene Sozialversicherungsprogramme an. Diese richten sich allerdings meist an unterprivilegierte Bevölkerungsschichten. Weitere Informationen zu den verschiedenen Programmen gibt es auf den Webseiten der Landes- und Staatenregierungen. Auf Dorfebene kann auch der Panchayat notwendige Informationen herausgeben (BAMF 8.2014).

Als Teil einer Armutsbekämpfungsinitiative wurde seit 2010 Millionen indischer Bürger eine Aadhaar ID Nummer ausgestellt. Obwohl diese nicht verpflichtend ist, gaben Beamte an, dass der Nichtbesitz den Zugang zur Staatshilfe limitieren könnte. Die Nummern ausstellenden Behörden pflegen eine Datenbank von Nummern, die mit persönlichen Informationen, inklusive biometrischer Daten, wie zum Beispiel Fingerabdrücke, verbunden werden (FH 3.10.2013). 110 Millionen Menschen waren im Jänner 2012 eingeschrieben und 60 Millionen Nummern wurden ausgestellt. Die Einschreibung ist freiwillig, wird aber stark beworben (The Independent 16.1.2012). Bald dürfte etwa 1 Milliarde Inder über eine unverwechselbare, mit biometrischen Identifikationen verknüpfte Identitätsnummern verfügen, welche es den Armen des Landes ungeachtet datenschutzrechtlicher Bedenken möglich macht, Zugang zu ihnen bisher verwehrten Finanzprodukten und Dienstleistungen zu erlangen (International Business Times, 2.2.2015). Die unverwechselbare Identitätsnummer ermöglicht es beispielsweise, dass staatliche Zuschüsse direkt an den Verbraucher übermittelt werden. Anstatt diese auf ein Bankkonto zu senden, wird sie an die unverwechselbare Identitätsnummer überwiesen, die mit der Bank verbunden ist und geht so an das entsprechende Bankkonto. 750 Millionen Inder haben derzeit eine derartige Identitätsnummer, ca. 130 Millionen haben diese auch mit ihrem Bankkonto verknüpft (International Business Times, 2.2.2015).

Die wichtigsten Gesetze der sozialen Sicherung in Indien:

(i) Das staatliche Arbeitnehmerversicherungsgesetz, 1948 ("ESI Act"), das Fabriken und Einrichtungen mit mehr als 10 Mitarbeitern umfasst und eine umfangreiche Versorgung der Mitarbeiter und ihrer Familien vorsieht, ebenso wie finanzielle Hilfen bei Krankheit und Mutterschaft und monatliche Zahlungen im Todesfall oder im Falle einer Behinderung.

(ii) Das Gesetz zum Arbeitnehmervorsorgefonds & sonstigem, 1952 ("EPF & MP Act"), das sich auf bestimmte Fabriken und Werke und Einrichtungen bezieht, die 20 oder mehr Arbeitnehmer beschäftigen, und das die abschließenden Leistungen des Vorsorgefonds, des Pensionsfonds und des Familienfonds im Todesfall während des Dienstverhältnisses regelt. Es existieren gesonderte Gesetze für vergleichbare Leistungen für Arbeiter in Kohleminen und auf Teeplantagen.

(iii) Das Arbeiterkompensationsgesetz, 1923 ("WC Act"), das im Falle von arbeitsbedingten Verletzungen, die tödlich verlaufen oder eine Behinderung nach sich ziehen, Kompensationszahlungen an den Arbeiter oder seine Familie verlangt.

(iv) Das Mutterschaftsleistungsgesetz, 1961 ("M.B. Act"), das 12 Wochengehälter während der Mutterschaft vorsieht, sowie bezahlten Urlaub bei anders gelagerten Eventualitäten.

(v) Gesetz zur Zahlung einer Abfindung, 1972 ("P.G. Act"), wonach Arbeitnehmern, die in einem Unternehmen mit mindestens 10 Mitarbeitern 5 oder mehr Jahre gearbeitet haben, 15 Tageslöhne für jedes Dienstjahr gezahlt werden (BAMF 8.2013)

Quellen:

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BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (8.2013):

Länderinformationsblatt Indien, https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698704/772099/16338334/16801530/Indien_-_Country_Fact_Sheet_2013%2C_deutsch.pdf?nodeid=16801414&vernum=-2, Zugriff 9.11.2015

-

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (8.2014):

Länderinformationsblatt Indien, http://www.bamf.de/SharedDocs/MILo-DB/DE/Rueckkehrfoerderung/Laenderinformationen/Informationsblaetter/cfs_indien-dl_de.pdf?__blob=publicationFile, Zugriff 9.11.2015

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FH - Freedom House (3.10.2013): Freedom on the Net 2013 - India, http://www.ecoi.net/file_upload/3714_1380802722_fotn-2013-india.pdf, Zugriff 9.11.2015

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International Business Times (2.2.2015): One Billion Indians To Have UID Numbers By Year-End As India Seeks To Boost Social Security,

http://www.ibtimes.com/one-billion-indians-have-uid-numbers-year-end-india-seeks-boost-social-security-1802126, Zugriff 9.11.2015

-

The Independent (16.1.2012): Counting the billions: India starts to empower its people,

http://www.independent.co.uk/news/world/asia/counting-the-billions-india-starts-to-empower-its-people-6290180.html, Zugriff 9.11.2015

Behandlung nach Rückkehr

Allein die Tatsache, dass eine Person in Deutschland einen Asylantrag gestellt hat, führt nicht zu nachteiligen Konsequenzen nach der Abschiebung. In den letzten Jahren hatten indische Asylbewerber, die in ihr Heimatland abgeschoben wurden, grundsätzlich - abgesehen von einer intensiven Prüfung der (Ersatz-) Reisedokumente und einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden - keine Probleme. Polizeilich gesuchte Personen müssen allerdings bei Einreise mit Verhaftung und Übergabe an die Sicherheitsbehörden rechnen (AA 24.4.2015).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (24.4.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien

2. Beweiswürdigung:

2.1. Mangels Vorlage eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokumentes steht die Identität des Beschwerdeführers nicht fest. Seine Staatsangehörigkeit und seine Herkunft erscheinen auf Grund seiner Sprach- und Ortskenntnisse glaubhaft.

Die Feststellungen über die Lebenssituation des Beschwerdeführers im Herkunftsstaat sowie die Feststellungen, dass der Beschwerdeführer in Österreich keine Verwandten und österreichische Freunde hat, sondern nur Kontakt mit Indern hat, und gesund ist, beruhen auf den Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 28.08.2017.

Dass der Beschwerdeführer Leistungen aus der Grundversorgung in Anspruch nimmt und strafgerichtlich unbescholten ist, ergibt sich aus der Einsichtnahme ins Grundversorgungssystem und ins österreichische Strafregister.

Dass der Beschwerdeführer keine Probleme aufgrund sein

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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