TE Bvwg Erkenntnis 2018/4/5 W167 2186671-1

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Veröffentlicht am 05.04.2018
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Entscheidungsdatum

05.04.2018

Norm

ASVG §18b
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W167 2186671-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Daria MACA-DAASE als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , gegen den Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt, Hauptstelle Wien, vom XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Am XXXX stellte die nunmehrige Beschwerdeführerin einen Antrag auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege einer nahen Angehörigen (Tochter) ab 1997.

2. Mit Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt vom XXXX , wurde der Anspruch auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege der nahen Angehörigen ab dem 01.09.2016 anerkannt und ausgesprochen, dass die Berechtigung zur Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für die Zeit vom 01.01.2006 bis 31.08.2016 nicht gegeben sei.

3. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin rechtzeitig Beschwerde. Darin führte sie im Wesentlichen aus, dass sie ihre Tochter seit der Geburt pflege, da ihre Tochter schwer behindert sei und an XXXX leide. Es bestehe auch der Anspruch auf Pflegegeld in Höhe der Stufe 3 bzw. höher. Da der Anspruch auf Selbstversicherung mit Beginn des Zeitpunktes, den die pflegende Person wählt, beginne, bestehe der Anspruch auch für die Zeit von 01.01.2006 bis 31.08.2016. Die Ablehnung widerspreche dem verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgebot. Sie beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, die Aufhebung des gesamten Bescheides und die Gewährung der Selbstversicherung ab 01.01.2006.

4. Mit Schreiben vom XXXX an die Beschwerdeführerin wies das Bundesverwaltungsgericht auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zur rückwirkenden Anerkennung der Selbstversicherung nach § 18b ASVG hin.

5. Mit Stellungnahme vom XXXX äußerte die Beschwerdeführerin Bedenken betreffend die Vereinbarkeit der zeitlichen Begrenzung des § 18b ASVG mit Art. 47 GRC und regte die Vorlage dieser Frage an den EuGH an.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin beantragte am 18.09.2017 die Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege einer nahen Angehörigen (Tochter) ab 1997.

2. Beweiswürdigung:

Der entscheidungswesentliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Verfahrensakt der Behörde in Zusammenhalt mit der Beschwerde. Die Beschwerdeführerin bestritt den von der Behörde festgestellten Sachverhalt nicht, sondern wandte sich lediglich dagegen, dass ihr die Selbstversicherung nicht auch für die Zeit vor dem 01.09.2016 zuerkannt worden sei. Das für die Beurteilung dieser Frage nötige Antragsdatum ergibt sich zweifelsfrei aus dem im Akt einliegenden Antrag.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu A) Abweisung der Beschwerde

3.1.1. Maßgebliche Bestimmungen des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG)

Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege naher Angehöriger

§ 18b. (1) Personen, die einen nahen Angehörigen oder eine nahe Angehörige mit Anspruch auf Pflegegeld zumindest in Höhe der Stufe 3 nach § 5 des Bundespflegegeldgesetzes oder nach den Bestimmungen der Landespflegegeldgesetze unter erheblicher Beanspruchung ihrer Arbeitskraft in häuslicher Umgebung pflegen, können sich, solange sie während des Zeitraumes dieser Pflegetätigkeit ihren Wohnsitz im Inland haben, in der Pensionsversicherung selbstversichern. Je Pflegefall kann nur eine Person selbstversichert sein. Die Pflege in häuslicher Umgebung wird durch einen zeitweiligen stationären Pflegeaufenthalt der pflegebedürftigen Person nicht unterbrochen.

(1a) [...]

(2) Die Selbstversicherung beginnt mit dem Zeitpunkt, den die pflegende Person wählt, frühestens mit dem ersten Tag des Monats, in dem die Pflege aufgenommen wird, spätestens jedoch mit dem Monatsersten, der dem Tag der Antragstellung folgt.

(3) Die Selbstversicherung endet mit dem Ende des Kalendermonats,

1. in dem die Pflegetätigkeit oder eine sonstige Voraussetzung nach Abs. 1 weggefallen ist oder

2. in dem die pflegende Person den Austritt aus dieser Versicherung erklärt hat.

(4) bis (6) [...]

§ 225. (1) Als Beitragszeiten aus der Zeit nach dem 31. Dezember 1955 sind anzusehen:

3. Zeiten einer freiwilligen Versicherung, wenn die Beiträge innerhalb von zwölf Monaten nach Ablauf des Beitragszeitraumes, für den sie gelten sollen, oder auf Grund einer nachträglichen Selbstversicherung nach § 18 oder § 18a in Verbindung mit § 669 Abs. 3 wirksam (§ 230) entrichtet worden sind;

3.1.2. Maßgebliche Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH)

Mit den Ausführungen im Erkenntnis vom 4. November 2015, Ro 2015/08/0022, hat der Verwaltungsgerichtshof die Anwendung des § 225 Abs. 1 Z 3 ASVG auf die Selbstversicherung nach § 18b ASVG bejaht und die damit verbundene zeitliche Begrenzung einer rückwirkenden Anerkennung von Versicherungszeiten - im Sinn der allgemeinen Regel - auf zwölf Monate (frühestmöglicher Beginn ist somit der vor der Antragstellung liegende Monatserste des Vorjahres) klargestellt. Weiters hat der Gerichtshof mit seinen Aussagen (implizit) auch zum Ausdruck gebracht, dass die im § 225 Abs. 1 Z 3 ASVG enthaltene Sonderregelung für die Fälle des § 18 bzw. § 18a iVm. § 669 Abs. 3 ASVG auf die Selbstversicherung nach § 18b ASVG nicht anzuwenden ist. Gegen diese Beurteilung bestehen auch insofern keine Bedenken, als in der unterschiedlichen Behandlung der Selbstversicherung nach § 18a und § 18b im § 225 Abs. 1 Z 3 ASVG keine planwidrige Lücke zu erkennen ist, besteht doch kein Anhaltspunkt, dass der Gesetzgeber bei Schaffung der Sonderregelung für § 18a iVm. § 669 Abs. 3 ASVG durch BGBl. I Nr. 3/2013 die Bestimmung des § 18b ASVG etwa übersehen hätte. (VwGH 07.04.2016, Ro 2014/08/0058, RS 1)

In der unterschiedlichen Behandlung der Selbstversicherung nach § 18a und § 18b im § 225 Abs. 1 Z 3 ASVG kann im Hinblick auf die verschiedenen Zugangskriterien (vor allem die unterschiedliche Intensität der Beanspruchung der Arbeitskraft durch die Pflege) keine unsachliche Differenzierung erblickt werden. Der Gesetzgeber wollte mit der Sonderregelung für § 18a im § 225 Abs. 1 Z 3 ASVG die sozialrechtliche Stellung von Pflegepersonen behinderter Kinder im Hinblick auf die (damals vorausgesetzte) gänzliche Beanspruchung der Arbeitskraft durch die Pflege, welche eine daneben ausgeübte die Pflichtversicherung begründende Erwerbstätigkeit nicht zuließ, verbessern (vgl. RV 2000 BlgNR 24. GP, S 3, 18, 23). Auf Pflegepersonen nach 18b ASVG traf dies freilich nicht zu, stand doch im Hinblick auf die vorausgesetzte bloß erhebliche Beanspruchung ihrer Arbeitskraft durch die Pflege einer daneben ausgeübten die Pflichtversicherung begründenden Erwerbstätigkeit nicht entgegen. (VwGH 07.04.2016, Ro 2014/08/0058, RS 2)

3.1.3. Für den Beschwerdefall bedeutet das:

Im vorliegenden Fall ist strittig, ob dem Antrag auf Selbstversicherung nach § 18b ASVG über den im angefochtenen Bescheid bereits anerkannten Zeitraum hinaus - also vor dem 01.09.2016 - stattzugeben gewesen wäre.

Diesbezüglich ist auf die oben angeführte Judikatur des VwGH zu verweisen, wonach unter Anwendung des § 225 Abs. 1 Z 3 ASVG auf die Selbstversicherung nach § 18b ASVG eine zeitliche Begrenzung einer rückwirkenden Anerkennung von Versicherungszeiten von zwölf Monaten bestehe. Daraus ergibt sich ein frühestmöglicher Beginn mit dem vor der Antragstellung liegenden Monatsersten des Vorjahres. Dass die Sonderregelung des § 669 Abs. 3 ASVG nicht auf § 18b ASVG anzuwenden ist, stellt nach Ansicht des VwGH keine planwidrige Lücke dar.

Da die Beschwerdeführerin ihren Antrag auf Selbstversicherung nach § 18b ASVG am 18.09.2017 stellte, kommt damit eine rückwirkende Selbstversicherung frühestens ab dem 01.09.2016 in Betracht. Die Entscheidung der Behörde erfolgte damit zu Recht.

Die von der Beschwerdeführerin geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken (Gleichheitsgebot) sowie die Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit der Regelung des § 18b ASVG mit dem Unionsrecht teilt das Bundesverwaltungsgericht nicht. Eine Vorlage an den EuGH war daher nicht vorzunehmen.

3.2. Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Im vorliegenden Fall stellte die Beschwerdeführerin zwar Antrag auf eine mündliche Verhandlung, allerdings ergab sich der Sachverhalt zweifelsfrei aufgrund der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde. Es wurden lediglich Rechtsfragen aufgeworfen, welche zudem bereits vom VwGH beantwortet sind. Unter diesen Umständen geht das Gericht davon aus, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMR, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen.

3.3. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (siehe das unter 3.1.2. angeführte Erkenntnis des VwGH vom 07.04.2016, Ro 2014/08/0058); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Pensionsversicherung, Selbstversicherung, Zeitraumbezogenheit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W167.2186671.1.00

Zuletzt aktualisiert am

18.04.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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