Entscheidungsdatum
09.04.2018Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W262 2191343-1/3E
TEILERKENNTNIS
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Julia JERABEK über die Beschwerde von XXXX alias XXXX, geboren am XXXX alias XXXX, Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen Spruchpunkt VII. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.03.2018, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:
A) In Stattgebung der Beschwerde wird Spruchpunkt VII. des
angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG ersatzlos behoben. Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG wird der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 24.11.2015 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz und gab bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 25.11.2015 an, den Namen XXXX zu führen und am XXXX in Kunduz geboren zu sein. Zu seinen Fluchtgründen gab er an, er habe Probleme in Kunduz gehabt, Verwandte seien umgebracht worden und die Taliban haben ihn mit dem Tod bedroht. Der Beschwerdeführer legte darüber hinaus Registrierungsdokumenten aus Mazedonien, Griechenland und Serbien vor, die auf den Namen XXXX, geboren XXXX, ausgestellt waren; diese wurden gemäß § 39 Abs. 3 BFA-VG sichergestellt und zum Akt genommen.
2. Anlässlich der am XXXX durchgeführten Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Tirol (im Folgenden: BFA), gab der Beschwerdeführer über Nachfrage an, dass er bis dato immer die Wahrheit gesagt habe, es aber im Protokoll [gemeint: der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes] zu einigen Fehlern gekommen sei. Sein Vorname laute "XXXX" und sein Familienname "XXXX". Der Dolmetsch merkte an, dass auf der anlässlich der Einvernahme vor dem BFA vorgelegten Tazkira lediglich der Vorname "XXXX" und kein Nachname vermerkt seien. Über Aufforderung nannte der Beschwerdeführer XXXX als seinen vollständigen und richtigen Namen; zum Zustandekommen des Namens "XXXX" konnte der Beschwerdeführer keine Erklärung abgeben [F: " Wie kommt es zum Zustandekommen des Namens ‚XXXX'? A:"Ich weiß es nicht"). Darüber hinaus gab er an, dass nicht protokolliert worden sei, dass er in der afghanischen Nationalarmee gedient habe.
Als Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer zusammenfassend an, dass er aufgrund seiner Zugehörigkeit zur afghanischen Nationalarmee von den Taliban verfolgt werde. Auch habe er im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan Angst vor den Taliban, da diese auch nach seiner Ausreise seine Familie bedroht hätten. Der Beschwerdeführer legte neben seiner Tazkira, Fotos aus Afghanistan und eines Briefes des Dorfältesten noch Unterlagen zum Beweis seiner Integration in Österreich vor und gab an, aufgrund eines in Afghanistan erlittenen Hörschadens am linken Ohr taub zu sein und in Österreich ein Hörgerät erhalten zu haben.
Über Vorhalt, dass aus den bei der Erstbefragung vorgelegten Schreiben aus Mazedonien, Griechenland und Serbien eine andere Identität als die nun genannte hervorgehe, gab der Beschwerdeführer lediglich an, dass das richtig sei, was er heute gesagt habe. Über Nachfrage, warum er in diesen Ländern eine falsche Identität angegeben habe, gab der Beschwerdeführer an, dies nicht erklären zu können.
3. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des BFA vom 01.03.2018 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 24.11.2015 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan gemäß 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V.). Weiters sprach das BFA aus, dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt wird (Spruchpunkt VI.). Schließlich wurde ausgesprochen, dass der Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 1 Z 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt wird (Spruchpunkt VII.).
Die belangte Behörde traf Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, zu den Gründen für das Verlassen seines Herkunftsstaates, zur Situation im Falle seiner Rückkehr sowie zur Lage in Afghanistan.
Beweiswürdigend führte das BFA im Wesentlichen aus, dass die Identität des Beschwerdeführers nicht feststehe. Zwar wurde eine - nach Verlassen des Herkunftsstaates ausgestellte - Tazkira vorgelegt, aus diesem als echt befundenem Dokument könne aber mit näherer Begründung nicht von der Richtigkeit der darin festgehaltenen Daten geschlossen werden.
Die Feststellungen zu Staatsangehörigkeit sowie Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, Familienstand, Gesundheitszustand, Schulausbildung und Arbeitserfahrung würden sich aus den glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers ergeben. Aufgrund divergierender Angaben könne nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer Soldat der afghanischen Nationalarmee gewesen sei.
Die Fluchtgründe des Beschwerdeführers wurden von der belangten Behörde mit näherer Begründung für nicht glaubhaft befunden. Der Beschwerdeführer hätte lediglich eine fiktive, schlecht durchdachte Geschichte entwickelt, die nur der Asylerlangung dienen hätte sollen, die darüber hinaus noch gesteigert wurde, um dem Vorbringen mehr Substanz zu verleihen.
Der Beschwerdeführer sei volljährig, bis auf den Hörschaden gesund und arbeitsfähig. Es liege eine zumutbare Rückkehrmöglichkeit - insbesondere nach Kabul - vor. Weder die Sicherheitslage noch die Versorgungslage in Kabul würden ein Rückkehrhindernis begründen. Darüber hinaus befänden sich die Eltern, die Schwester und Onkel und Tanten des Beschwerdeführers weiterhin in Afghanistan.
Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde wurde damit begründet, dass der Beschwerdeführer versucht hätte, seine wahre Identität mittels Vorgabe unterschiedlicher Personaldaten zu verschleiern. Der Beschwerdeführer konnte keine nachvollziehbare Erklärung ins Treffen führen, warum Beamte aus vier Ländern (Mazedonien, Griechenland, Serbien und Österreich anlässlich der Erstbefragung) den Namen "XXXX" protokolliert haben und er erst im Rahmen der Befragung vor dem BFA den Namen XXXX angegeben habe. Weiters gab der Beschwerdeführer in Serbien den XXXX als Geburtsdatum an. Letztlich habe der Beschwerdeführer die Frage nach einer Asylantragsstellung in einem anderen Land als Österreich verneint, dies sei durch Vorlage der oa. Dokumente jedoch bewiesen.
Im Anschluss unterzog die belangte Behörde den von ihr festgestellten Sachverhalt unter Bezugnahme auf die einzelnen Spruchpunkte der Bescheide einer rechtlichen Beurteilung.
4. Gegen den oa. Bescheid des BFA richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde, mit der der Bescheid "zur Gänze wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie Mangelhaftigkeit des Verfahrens" angefochten wird. Eine Abschiebung würde jedenfalls eine Verletzung der Art. 2 und 3 EMRK sowie der Zusatzprotokolle zur GFK bewirken. Die Bedrohungen, denen der Beschwerdeführer in seinem Heimatland ausgesetzt wäre, würden eine reale Gefahr einer Gefährdung von Leib und Leben darstellen. Dem Beschwerdeführer drohe eine Verfolgung durch die Taliban aufgrund der ihm als ehemaliger Angehöriger der afghanischen Nationalarmee unterstellten politischen Gesinnung. Die prekäre Situation in Afghanistan - insbesondere in der Heimatprovinz Kunduz, aber auch in Kabul - ermögliche es dem Beschwerdeführer nicht, sich dort niederzulassen, zumal er über keine familiäres Netzwerk verfüge, da sich seine Familie in einer prekären finanziellen Lage befände und ihn nicht unterstützen könne.
5. Die Beschwerde und der Verwaltungsakt langten am 05.04.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der entscheidungswesentliche Sachverhalt ergibt sich aus dem unter Punkt I. dargestellten Verfahrensgang.
Auf Grundlage der Niederschrift über die Erstbefragung des Beschwerdeführers, der Niederschrift über die Einvernahme durch das BFA, des Beschwerdevorbringens sowie der Länderberichte zur Lage in Afghanistan und der vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen werden folgende Feststellungen getroffen:
Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 24.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Die Eltern und eine Schwester des Beschwerdeführers leben in Kunduz; darüber hinaus befinden sich einige Onkel und Tanten in Afghanistan. Der Beschwerdeführer hat als landwirtschaftlicher Hilfsarbeiter gearbeitet.
Der Beschwerdeführer trägt ein in Österreich angepasstes Hörgerät.
Der Beschwerdeführer ist zum Zeitpunkt dieser Entscheidung strafrechtlich unbescholten.
Die Identität des Beschwerdeführers konnte nicht festgestellt werden.
Es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer durch Angabe verschiedener Namen versucht hat, das BFA über seine wahre Identität zu täuschen. Es erfolgte keine Belehrung des Beschwerdeführers über die Folgen einer allfälligen Täuschung über seine Identität.
Im Hinblick auf die aktuelle Sicherheitslage in der Stadt Kabul ist zwar festzuhalten, dass die afghanische Regierung nach wie vor die Kontrolle über die Stadt Kabul und größere Transitrouten innehat, es ist jedoch auszuführen, dass die Sicherheitslage (auch) in der Stadt Kabul nach wie vor angespannt ist. Hinsichtlich der in der Stadt Kabul bestehenden Versorgungslage und der allgemeinen Lebensbedingungen der Bevölkerung ist anzuführen, dass die Verwirklichung grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse, wie etwa der Zugang zu Arbeit, Nahrung, Wohnraum und Gesundheitsversorgung, häufig nur sehr eingeschränkt möglich ist und dass Personen, die sich ohne jegliche familiäre Bindung in Kabul, Fachausbildung und Geldmittel in der Stadt Kabul ansiedeln, mit großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten konfrontiert sein können, insbesondere auch wenn gesundheitliche Probleme oder körperliche Gebrechen bestehen.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen über die Staatsangehörigkeit, die Angehörigen, die berufliche Tätigkeit und den Gesundheitszustand des Beschwerdeführers stützen sich auf seine diesbezüglich glaubhaften und gleichbleibenden Angaben im Verlauf der Asylverfahren.
Das Datum der Asylantragstellung basiert auf dem Inhalt des Verwaltungsaktes. Die Feststellung zur strafrechtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem vorliegenden Verfahrensakt sowie aus dem Auszug von österreichischen Behörden geführten Datenregistern.
Die Identität einschließlich der genauen Geburtsdaten des Beschwerdeführers steht nicht mit einer für das Verfahren ausreichenden Sicherheit fest. Aus einer erst nach der Ausreise aus Afghanistan erstellten Tazkira kann nicht auf die Richtigkeit der angenommenen Identitätsdaten geschlossen werden, zumal in der Tazkira lediglich der Name "XXXX" vermerkt ist. Der Beschwerdeführer hat sich auf seiner Flucht - belegt durch offizielle Dokumente aus verschiedenen Staaten - als XXXX, geboren amXXXX, ausgegeben. Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 25.11.2015 gab er sich als XXXX, geboren am XXXX, aus. Erst bei der Einvernahme vor dem BFA am XXXX gab er an, XXXX zu heißen. Auch über Nachfrage konnte er die Diskrepanzen nicht erklären. Das BFA hat nachvollziehbar dargetan, dass der Beschwerdeführer in Täuschungsabsicht gehandelt hat. Angemerkt wird, dass - soweit ersichtlich - offenbar keine Belehrung des Beschwerdeführers über die Folgen einer allfälligen Täuschung über seine Identität erfolgte.
Die Feststellungen zur Sicherheits- und Versorgungslage in der Stadt Kabul und der Provinz Kunduz ergeben sich aus den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Berichtsmaterial, insbesondere aus dem - auch den angefochtenen Bescheiden zugrunde gelegten - Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 05.03.2017 samt Aktualisierung vom 30.01.2018.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Derartige Regelungen kommen für das vorliegende Verfahren nicht zur Anwendung, weshalb es der Einzelrichterzuständigkeit unterliegt.
Zu A) Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung:
3.1. Die im vorliegenden Zusammenhang maßgebliche Bestimmung des § 18 BFA-VG lautet wie folgt:
"Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde
§ 18. (1) Einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz kann das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn
1. der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 19) stammt,
2. schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Asylwerber eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt,
3. der Asylwerber das Bundesamt über seine wahre Identität, seine Staatsangehörigkeit oder die Echtheit seiner Dokumente trotz Belehrung über die Folgen zu täuschen versucht hat,
4. der Asylwerber Verfolgungsgründe nicht vorgebracht hat,
5. das Vorbringen des Asylwerbers zu seiner Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht,
6. gegen den Asylwerber vor Stellung des Antrags auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, eine durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist, oder
7. der Asylwerber sich weigert, trotz Verpflichtung seine Fingerabdrücke abnehmen zu lassen.
Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung nicht aberkannt, so ist Abs. 2 auf diese Fälle nicht anwendbar. Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkannt, gilt dies als Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen eine mit der abweisenden Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz verbundenen Rückkehrentscheidung.
(2) Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist vom Bundesamt abzuerkennen, wenn
1. die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist,
2. der Drittstaatsangehörige einem Einreiseverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt ist oder
3. Fluchtgefahr besteht.
(3) Bei EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen kann die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn deren sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.
(4) Der Beschwerde gegen eine Ausweisung gemäß § 66 FPG darf die aufschiebende Wirkung nicht aberkannt werden.
(5) Das Bundesverwaltungsgericht hat der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen. § 38 VwGG gilt.
(6) Ein Ablauf der Frist nach Abs. 5 steht der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen.
(7) Die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG sind in den Fällen der Abs. 1 bis 6 nicht anwendbar."
3.2. Der Gesetzgeber novellierte § 18 BFA-VG zuletzt mit BGBl. I Nr. 145/2017 entsprechend der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, die zum Regelungsregime der aufschiebenden Wirkung in Asylrechtssachen gemäß dieser Bestimmung (in der vorangehenden Fassung) ergangen war:
In seinem Erkenntnis vom 20.09.2017, Ra 2017/19/0284 mwN, hielt der Verwaltungsgerichtshof fest, dass das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 18 Abs. 5 erster Satz BFA-VG idF BGBl. I Nr. 70/2015 der Beschwerde die aufschiebende Wirkung unter den dort genannten Voraussetzungen zuzuerkennen habe. Ein gesonderter Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung sei in § 18 Abs. 5 BFA-VG nicht vorgesehen. Im Rahmen des § 18 BFA-VG könne sich ein Beschwerdeführer in seiner Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht gegen den Ausspruch des BFA über die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs. 1 BFA-VG wenden. § 18 Abs. 5 BFA-VG sei - als lex specialis zu § 13 Abs. 5 VwGVG - nur so zu lesen, dass das Bundesverwaltungsgericht über eine Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 1 BFA-VG idF BGBl. I Nr. 70/2015 (bzw. gegen einen derartigen trennbaren Spruchteil eines Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl) gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde zu entscheiden habe. Zuletzt hielt der Verwaltungsgerichtshof auch fest, dass eine Entscheidung über den die aufschiebende Wirkung aberkennenden Spruchpunkt des angefochtenen Bescheides in Form eines (Teil-)Erkenntnisses zu erfolgen habe (vgl. auch VwGH 19.06.2017, Fr 2017/19/0023; 13.09.2016, Fr 2016/01/0014).
3.3. Im Lichte des oben Gesagten ist für das vorliegende Verfahren Folgendes auszuführen:
3.3.1. Der Beschwerdeführer bekämpft den Bescheid des BFA "zur Gänze wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie Mangelhaftigkeit des Verfahrens". Die Ausführungen in der Beschwerde betreffend die dem Beschwerdeführer in Afghanistan drohende Verletzung seiner Rechte nach Art. 2 und 3 EMRK sowie der Zusatzprotokolle zur GFK im Falle einer Rückkehr dorthin, wenden sich - ohne ausdrücklich darauf Bezug zu nehmen - (auch) gegen Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides des BFA und die darin verfügte Aberkennung der aufschiebenden Wirkung. Das Bundesverwaltungsgericht hat nunmehr in Abspruch über die Beschwerde gegen Spruchpunkt VII. darüber zu entscheiden, ob die geltend gemachte Rechtsverletzung iSd § 18 Abs. 5 BFA-VG anzunehmen ist.
3.3.2. Die Beschwerdeausführungen zeigen im Falle einer Rückführung des Beschwerdeführers nach Afghanistan vorderhand die reale Gefahr einer Verletzung ihrer Rechte nach Art. 2 und 3 EMRK sowie der Zusatzprotokolle zur GFK auf. Ob eine entsprechende reale Gefahr vorliegt, wird erst durch eine Überprüfung der Glaubhaftigkeit der Aussagen des Beschwerdeführers anhand des im Entscheidungszeitpunkt aktuellen Berichtsmaterials zur Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan und der Bestimmung seines Gesundheitszustandes nach allfälliger Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu beurteilen sein.
Die Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist nicht als Entscheidung in der Sache selbst zu werten, vielmehr handelt es sich bei dieser um eine der Sachentscheidung vorgelagerte (einstweilige) Verfügung, die nicht geeignet ist, den Ausgang des Verfahrens vorwegzunehmen. Es ist in diesem Zusammenhang daher lediglich darauf abzustellen, ob es - im Sinne einer Grobprüfung - von vornherein ausgeschlossen scheint, dass die Angaben der Beschwerdeführer als "vertretbare Behauptungen" zu qualifizieren sind, die in den Schutzbereich der hier relevanten Bestimmungen der EMRK reichen.
In Zusammenschau der aktuellen Berichtslage zu Afghanistan und dem Vorbringen des Beschwerdeführers kann eine Verletzung in den nach Art. 2 und 3 EMRK gewährleisteten Rechten nicht mit der in diesem Zusammenhang erforderlichen Sicherheit von vornherein ausgeschlossen werden.
Angesichts des im Rahmen eines (binnen einer Woche abzuschließenden) Verfahrens nach § 18 BFA-VG eingeschränkten Prüfungsmaßstabes und des unter Pkt. I.4. wiedergegeben Vorbringens des Beschwerdeführers ist aus vorläufiger Sicht - unvorgreiflich des Ergebnisses der vorzunehmenden Einzelfallbeurteilung unter Berücksichtigung der allgemeinen Gegebenheiten im Herkunftsstaat sowie der persönlichen Umstände des Beschwerdeführers - anzunehmen, dass eine Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 und Art. 3 EMRK bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit mit sich bringen würde.
3.4. Der die aufschiebende Wirkung der Beschwerde aberkennende Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides ist daher aus den angeführten Gründen ersatzlos zu beheben und der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Soweit sich die Beschwerde gegen die übrigen Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides richtet, wird darüber gesondert entschieden werden.
3.5. Unbeschadet dessen weist das Bundesverwaltungsgericht darauf hin, dass das Bundesamt gemäß § 18 Abs. 1 Z 3 BFA-VG einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung aberkennen kann, wenn der Asylwerber das Bundesamt über seine wahre Identität, seine Staatsangehörigkeit oder die Echtheit von Dokumenten trotz Belehrung über die Folgen zu täuschen versucht hat.
Dieser Tatbestand ist daher (u.a.) nur dann erfüllt, wenn der Asylwerber über die Folgen der (allfälligen) Täuschung belehrt wurde. Eine Belehrung des Beschwerdeführers durch das BFA über die Folgen einer Täuschung über seiner wahren Identität kann dem Akteninhalt jedoch nicht entnommen werden.
3.6. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zwecks Beurteilung der Frage der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen. Der im vorliegenden Fall entscheidungsmaßgebliche Sachverhalt erscheint aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt. Insbesondere stand bereits aufgrund der Aktenlage fest, dass Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides aufzuheben war.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (vgl. dazu die unter Pkt. II.3.2. zitierte Rechtsprechung), noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die Entscheidung über Zuerkennung bzw. Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ist das Ergebnis einer im Einzelfall vorzunehmenden Interessenabwägung. Wurde eine im Einzelfall vorzunehmende Interessenabwägung auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen, so ist eine solche einzelfallbezogene Beurteilung im Allgemeinen nicht revisibel (vgl. VwGH 24.02.2015, Ro 2014/05/0097).
Schlagworte
aufschiebende Wirkung, aufschiebende Wirkung - Entfall, Behebung derEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W262.2191343.1.00Zuletzt aktualisiert am
19.04.2018