TE Bvwg Erkenntnis 2018/4/10 W261 2189113-1

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Veröffentlicht am 10.04.2018
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Entscheidungsdatum

10.04.2018

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W261 2189113-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS als Vorsitzende und den Richter Mag. Markus BELFIN sowie den fachkundigen Laienrichter Herbert PICHLER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 30.01.2018, betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien (nunmehr Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien) wies mit Bescheid vom 25.02.2008 den ersten Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung eines Behindertenpasses ab, weil im Rahmen des damals durchgeführten Ermittlungsverfahren ein Gesamtgrad der Behinderung von vierzig (40) vH festgestellt worden sei. Die vom Beschwerdeführer dagegen erhobene Berufung wies die Bundesberufungskommission für Sozialentschädigungs- und Behindertenangelegenheiten mit Bescheid vom 21.10.2008 ab und bestätigte den angefochtenen Bescheid.

Der Beschwerdeführer stellte am 07.11.2017 (einlangend) beim Sozialministeriumservice (in der Folge als belangte Behörde bezeichnet) einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses und legte dabei ein Konvolut an medizinischen Unterlagen vor.

Die belangte Behörde holte in der Folge ein Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin ein. In dem auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 25.01.2018 erstatteten Gutachten vom 29.01.2018 führte die medizinische Sachverständige für Allgemeinmedizin Folgendes - hier in den wesentlichen Teilen wiedergegeben - aus:

"...

Anamnese:

Antragsleiden : Periphere Facialsparese rechts, Hemisyndrom rechts nach Schädel- HirnTrauma, Schwerhörigkeit, strukturell bedingte Epilepsie

Siehe auch Bescheid der Bundesberufungskommission vom 21.10.2008:

periphere Fazialislähmung rechts 30%, diskretes Hemisyndrom rechts nach Schädelhirntrauma 1995 20%, Schwerhörigkeit beidseits 20%, knöchern geheilte Schlüsselbeinfraktur rechts 10%, knöchern geheilte Rippenfraktur rechts 0%, Gesamt-GdB: 40%

Derzeitige Beschwerden:

Ich war eigentlich LKW-Fahrer, dann hatte ich einen epileptischen Anfall im Oktober 2017. Seither darf ich nicht mehr LKW fahren. Anfälle habe ich unter Medikation keine weiteren.

Ich möchte meinen Behinderungsgrad neu feststellen lassen. Meine übrigen Leiden haben sich nicht geändert

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:

Lipcor, Levebon

Sozialanamnese:

verheiratet, 1 Kind, LKW-Fahrer

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Tonaudiogramm ( unleserliches Datum)

Hörverminderung rechts 21%, links 1%

KH Hietzing vom 25.10.2017

Facialisparese rechts vorbekannt, Masseninnervation bei Lidschluss bzw. Mundwinkel nach

oben ziehen, keine Gefühlstörung, Hörminderung rechts sonst keine neurologischen Defizite strukturell bedingte Epilepsie

-

Erstmaliger generalisiert tonisch-klonischer Anfall am 21.10.2017

-

posttraumatische Läsion links temporal

-

angedeutete Hippocampusatrophie rechts St.p. SH Trauma 1995

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand:

gut

Ernährungszustand:

gut

Größe: 175,00 cm Gewicht: 100,00 kg Blutdruck: 140/80

Klinischer Status - Fachstatus:

41 Jahre

Haut/farbe: rosig sichtbare Schleimhäute gut durchblutet Caput:, Visus: unauffällig, Hörvermögen nicht eingeschränkt

keine Lippenzyanose, Sensorium: Mundastschwäche links, Lidschluß möglich, HNA frei Collum: SD: schluckverschieblich, keine

Einflusstauung, Lymphknoten: nicht palpabel Thorax. Symmetrisch, elastisch Cor: Rhythmisch, rein, normfrequent

Pulmo: Vesikuläratmung, keine Atemnebengeräusche, keine Dyspnoe

Abdomen: Bauchdecke: weich, kein Druckschmerz, keine Resistenzen tastbar,

Hepar am Ribo, Lien nicht palp. Nierenlager: Frei.

Pulse: Allseits tastbar

Obere Extremität: Symmetrische Muskelverhältnisse. Nackengriff und Schürzengriff bds. uneingeschränkt durchführbar, grobe Kraft bds. nicht vermindert, Faustschluß und Spitzgriff bds. durchführbar. Die übrigen Gelenke altersentsprechend frei beweglich. Sensibilität wird unauffällig angegeben,

Untere Extremität: Zehenspitzen und Fersenstand sowie Einbeinstand bds. durchführbar, beide Beine von der Unterlage abhebbar, grobe Kraft bds. nicht vermindert, freie Beweglichkeit in Hüftgelenken und Kniegelenken, bandstabil, kein Erguss, symmetrische Muskelverhältnisse, Sensibilität wird unauffällig angegeben keine Varikositas, keine Ödeme bds.,

Wirbelsäule: Kein Klopfschmerz, Finger-Bodenabstand im Stehen: 10 cm,

Rotation und Seitwärtsneigung in allen Ebenen frei beweglich

Gesamtmobilität - Gangbild:

normales Gangbild

Status Psychicus:

klar, orientiert

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

GdB %

1

Epilepsie Wahl der Position mit dem mittleren Rahmensatz, da einmaliges Anfallsgeschehen, unter Medikation besteht Anfallsfreiheit

04.10.01

30

2

Periphere Fazialisläsion rechts Wahl der Position mit einer Stufe über dem unteren Rahmensatz, da der Lidschluss möglich ist

04.04.03

20

3

Knöchern geheilte Schlüsselbeinfraktur links gz

02.06.01

10

4

Hörverminderung rechts, Normalhörigkeit links Tabelle, Spalte 1, Zeile 2

12.02.01

0

 

Gesamtgrad der Behinderung 30 v.H.

 

 

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Weil der führende GdB unter der Position 1 durch die weiteren Leiden nicht erhöht wird, da keine ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung vorliegt

...

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

Erstmalige Einstufung nach der EVO, Wegfall des Leidens: diskretes Hemisyndrom rechts nach Schädelhirntrauma 1995, da keinerlei Restsymptomatik fassbar ist; Absenkung des Leidens unter der Position 3 des VGA aufgrund des neuen Tonaudiogramms. Wegfall des 0%-Leidens (knöchern geheilte Rippenfraktur rechts), da ohne Funktionseinschränkung; Gleichbleiben von Leiden 4 des Vorgutachtens; Absenkung des Leidens 1 des Vorgutachtens aufgrund der neuen EVO; Hinzukommen des neuen Leidens unter der Position 1

...

[x] Dauerzustand

Aufgrund der vorliegenden funktionellen Einschränkungen liegen die medizinischen Voraussetzungen für die Vornahme nachstehender Zusatzeintragungen vor:

Der Untersuchte

X ist Epileptiker

..."

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 30.01.2018 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung eines Behindertenpasses ab und führte begründend aus, dass das medizinische Beweisverfahren einen Grad der Behinderung von 30 v.H. ergeben habe, und somit die Voraussetzungen zur Ausstellung eines Behindertenpasses nicht gegeben seien. Die belangte Behörde übermittelte mit dem Bescheid das ärztliche Sachverständigengutachten an den Beschwerdeführer.

Mit Eingabe vom 07.03.2018 erhob der Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid fristgerecht die gegenständliche Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und brachte darin im Wesentlichen vor, dass er es nicht nachvollziehen könne, dass bei ihm ein Grad der Behinderung von 30 % festgestellt worden sei, nachdem bereits im Jahr 2008 ein Grad der Behinderung von 40 % bestimmt worden sei. Sein Gesundheitszustand habe sich seitdem nicht verbessert, im Gegenteil, im letzten Jahr hätte er auch epileptische Anfälle gehabt, weswegen er regelmäßig Medikamente einnehmen müsse. Zurzeit stehe er aus diesem Grund auch unter ärztlicher Kontrolle. Er bitte daher um neuerliche Überprüfung. Der Beschwerdeführer schloss seiner Beschwerde keine aktuellen Befunde an.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer brachte am 07.11.2017 einen Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung beim Sozialministeriumservice ein.

Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.

Beim Beschwerdeführer bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

-

Epilepsie

-

Periphäre Fazialisläsion rechts

-

Knöchern geheilte Schlüsselbeinfraktur links

Der Gesamtgrad der Behinderung des Beschwerdeführers beträgt aktuell 30 v.H.

Hinsichtlich der beim Beschwerdeführer bestehenden einzelnen Funktionseinschränkungen, deren Ausmaß, wechselseitiger Leidensbeeinflussung und medizinischer Einschätzung werden die diesbezüglichen Beurteilungen im seitens der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 29.01.2018 der nunmehrigen Entscheidung zu Grunde gelegt.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen hinsichtlich der Entscheidungen im Vorverfahren aus dem Jahr 2008 und der aktuellen Antragsstellung basieren auf dem Akteninhalt.

Die Feststellungen zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Inland basieren auf vom Beschwerdeführer bei Antragsstellung vorgelegten Meldebestätigung, aus der sich ein Hauptwohnsitz im österreichischen Bundesgebiet ergibt; konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt nicht mehr im Inland hätte, sind im Verfahren nicht hervorgekommen.

Der Gesamtgrad der Behinderung gründet sich auf das seitens der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 29.01.2018, basierend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 25.01.2018.

Darin wird auf die Art der Leiden des Beschwerdeführers und dessen Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Die medizinische Sachverständige setzt sich auch umfassend und nachvollziehbar mit den vorgelegten Befunden sowie mit der Frage der wechselseitigen Leidensbeeinflussungen und dem Zusammenwirken der zu berücksichtigenden Gesundheitsschädigungen auseinander. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf den im Rahmen einer persönlichen Untersuchung erhobenen Befunden, entsprechen auch den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen (diesbezüglich wird auch auf die detaillierten, oben auszugsweise wiedergegebenen, Ausführungen im Gutachten vom 29.01.2018 verwiesen); die Gesundheitsschädigungen sind nach der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft.

Entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers ist die medizinische Sachverständige ausführlich auf das von ihm angegebene Epilepsieleiden eingegangen. Dies ist allein schon dadurch dokumentiert, dass dies das neue führende Leiden des Beschwerdeführers ist.

Wenn der Beschwerdeführer darlegt, dass er nicht nachvollziehen könne, weswegen sich trotz Verschlechterung seines Gesundheitszustandes sein Gesamtgrad der Behinderung um 10 % reduziert habe, so ist dazu auszuführen, dass dies im Wesentlichen auf zwei Gründen basiert. Einerseits hat sich seit dem Jahr 2008 die Rechtslage hinsichtlich der Einschätzung der Leiden und Funktionseinschränkungen insoweit geändert, als diese nicht mehr nach der damals geltenden Richtsatzverordnung, BGBl Nr. 150/1965, sondern anhand der nunmehr seit dem Jahr 2010 geltenden Einschätzungsverordnung (EVO), BGBl II Nr. 261/2010 idgF BGBl II Nr. 251/2012 vorzunehmen sind. Die medizinische Sachverständige weist auf diesen Umstand auch ausdrücklich hin, indem sie in ihrem Gutachten angibt, dass erstmals eine Einstufung nach der EVO erfolgt. Ein weiterer Grund für die Änderung des Grades der Behinderung ist der Umstand, dass sich beim Beschwerdeführer einige Leiden seit seiner ersten Begutachtung im Jahr 2008 verbessert haben. So ist das im Jahr 2008 unter Leiden 2 mit einem GdB von 20 vH eingestufte Leiden "Diskretes Hemisyndrom rechts nach Schädelhirntrauma 1995" weggefallen, da aus diesem keinerlei Restsymptomatik mehr vorliegt. Die im Jahr 2008 unter Leiden 3 mit einem GdB von 20 vH eingestufte Schwerhörigkeit beidseits mit Tinnitus hat sich nach dem vom Beschwerdeführer vorgelegten Tondiagramm unleserlichen Datums auf eine Hörverminderung rechts 21% und links 1% reduziert. Damit liegen nach der EVO unter Position 12.02. eine geringgradige Schwerhörigkeit rechts und eine Normalhörigkeit links vor. Die medizinische Sachverständige hat dieses Leiden in ihrem Sachverständigengutachten daher richtigerweise im Einklang mit der Einschätzungsverordnung mit einem Grad der Behinderung von 0 eingestuft. Der Beschwerdeführer legte zudem keine aktuellen Befunde vor, die ihm einen Tinnitus attestieren. Auch die unter Leiden 5 im Jahr 2008 angeführte "Knöchern verheilte Rippenfraktur rechts" bedingt keine aktuell keine Funktionseinschränkung.

Der Beschwerdeführer ist damit in seiner Beschwerde den Ausführungen der medizinischen Sachverständigen nicht und damit insbesondere auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa VwGH 27.06.2000, 2000/11/0093).

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit, Widerspruchsfreiheit und Schlüssigkeit des vorliegenden Sachverständigengutachtens vom 29.01.2018. Es wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

1. Zur Entscheidung in der Sache

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten:

"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

...

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3) oder ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

(2) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen, wenn seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung glaubhaft geltend gemacht wird.

...

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

...

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen."

Die maßgebenden Bestimmungen der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung, BGBl. II. Nr. 261/2010 idgF BGBl II. Nr. 251/2012) lauten auszugsweise wie folgt:

"Behinderung

§ 1. Unter Behinderung im Sinne dieser Verordnung ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Grad der Behinderung

§ 2. (1) Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.

(2) Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.

(3) Der Grad der Behinderung ist nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.

Gesamtgrad der Behinderung

§ 3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 v.H. sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht. Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.

(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn

-

sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,

-

zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.

Grundlage der Einschätzung

§ 4. (1) Die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung bildet die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.

(2) Das Gutachten hat neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten.

..."

Zunächst ist rechtlich festzuhalten, dass der Grad der Behinderung im Beschwerdefall - wie dies auch die belangte Behörde zu Recht annahm - nach der Einschätzungsverordnung einzuschätzen war, was im Verfahren auch unbestritten geblieben ist.

Wie oben unter Punkt 2. (Beweiswürdigung) ausgeführt, wird der gegenständlichen Entscheidung das seitens der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 29.01.2018, beruhend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 25.01.2018, zu Grunde gelegt, wonach der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers aktuell 30 v. H. beträgt.

Die vom Beschwerdeführer eingebrachte Beschwerde war nicht geeignet, die durch die medizinische Sachverständige getroffenen Beurteilungen zu widerlegen oder zusätzliche Dauerleiden bzw. eine zwischenzeitlich eingetretene Verschlechterung des Zustandes zu belegen.

Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 30 v.H. sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, aktuell nicht erfüllt.

Im Übrigen ist aber auch darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht kommt.

Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.

2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde und insbesondere auf das von der belangten Behörde eingeholte medizinische Sachverständigengutachten, das auf einer persönlichen Untersuchung beruht, auf alle Einwände und die im Verfahren vorgelegten Atteste des Beschwerdeführers in fachlicher Hinsicht eingeht, und welchem der Beschwerdeführer nicht substantiiert entgegengetreten ist. Die strittige Tatsachenfrage, genauer die Art und das Ausmaß der Funktionseinschränkungen des Beschwerdeführers sind einem Bereich zuzuordnen, der von einem Sachverständigen zu beurteilen ist. Beide Parteien haben keinen Verhandlungsantrag gestellt. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Neufestsetzung,
Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W261.2189113.1.00

Zuletzt aktualisiert am

19.04.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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