TE Bvwg Erkenntnis 2018/4/10 W261 2188676-1

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Veröffentlicht am 10.04.2018
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Entscheidungsdatum

10.04.2018

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W261 2188676-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS als Vorsitzende und den Richter Mag. Markus BELFIN sowie den fachkundigen Laienrichter Herbert PICHLER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich, vom 29.01.2018, betreffend die Abweisung des Antrages auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer ist seit 16.07.2014 Inhaber eines Behindertenpasses mit einem Gesamtgrad der Behinderung (GdB) von 60

%.

Der Beschwerdeführer stellte am 29.08.2017 (einlangend) beim Sozialministeriumservice (in der Folge als belangte Behörde bezeichnet) einen Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung und legt ein Konvolut an Befunden vor.

Die belangte Behörde holte in der Folge ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin ein. In dem auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 08.01.2018 erstatteten Gutachten vom 25.01.2018 führte die medizinische Sachverständige für Allgemeinmedizin Folgendes - hier in den wesentlichen Teilen wiedergegeben - aus:

"...

Anamnese:

Dr. XXXX vom 24. 11. 2017: Koronare Herzerkrankung, Z. n. 3 fach ACBP 1/2008; Z. n. Tonsillenkarzinom li. Z. n. Neck diss. 2/08, Z. n. Strahlentherapie 4+5/08; Z. n. postoperativer Carotisblutung 02/08; art. Hypertonie, Diabetes mellitus II; Struma nodosa; 50%ige ACI Stenose bds., ACE Verschluss links; BPH; Hypercholesterinämie; deg. Wirbelsäuleninsuffizienz; Omarthrose links; Unverträglichkeit von Ezetrol, Atorvastatin, Crestor; Echokardiographie: gute globale Pumpfunktion, kein Hinweis auf Belastungskoronarinsuffizienz

Lymphdrainagen, er könne den linken Arm nicht heben, Bewegungseinschränkung li. Schulter; Schmerzen links thorakal. Am linken Knie könne er nicht draufknien, er könne nichts aufheben, das müsse seine Frau machen. Der linke Unterschenkel sei schlimm. Rö. li USCH vom 12. 09.2017: Verdickung der distalen Tibia li. mit Verbreiterung der Cortikalis (Z.n. alter Fraktur); Rö Vorfüße bds. vom 12.09.2017: geringe Arthrosen im Großzehengrundgelenk sowie Mittelfußbereich bds.

Die HWS-Beweglichkeit sei reduziert Schmerzen in beiden Hüftgelenken Schlafstörungen, am linken Knie könne er nicht liegen

Beim Schlucken habe er Probleme, Trockenes gehe nicht, er müsse immer trinken, habe Angst, dass etwas steckenbleibe

Diabetes mellitus seit 15 Jahren, Therapie mit Tabletten. Mit dem Herz gehe es.

Derzeitige Beschwerden: s. oben

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:

TASS, Nomexor, Pantoloc, Enac, Diabetex 1000 mg 2x1/2, Protraurgenin, Selen, Simvastatin

Sozialanamnese:

verh., Pension, früher bei ÖBB

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Sonografie Hals vom 09.10.2017: Vergrößerung der Schilddrüse mit mehreren unveränderten Knoten; bekannter Verschluss der A. carotis externa links, frische Plaques der A. carotis communis und A. carotis int. bds. sowie ext. re.

Ambulanzkarten von 2013 bis 2017 NÖGKK St. Pölten über physik. Therapien werden vorgelegt

Rö. beide Kniegelenke vom 01.03.2017:

Varusgonarthrose und Femoro-Patellararthrose bds.

Metallclips in den Weichteilen re. medial.

Sonografie der Bauchdecke vom 01.03.2017: Im Bereich der tastbaren Resistenz im Bereich des Nabels sonographisch eine

Hernie mit einer ca. 1cm weiten Bruchpforte, Bruchinhalt:

Fettgewebe.

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand:

normal

Ernährungszustand:

gut

Größe: 167,00 cm Gewicht: 80,00 kg Blutdruck: 160/100

Klinischer Status - Fachstatus:

Caput: unauffällig Collum: Z. n. Neck dissection Cor: HT rein, rhy, normfrequent Pulmo: VA

Abdomen: Hepar am Ribo, Milz n. p., keine Defence oder Druckdolenz

Obere Extremitäten: re Schulter-, Ellbogen und Handgelenke frei beweglich, Faustschluss bds möglich, Kraft erhalten; Nackengriff und Schürzengriff bds möglich; li. Schulter Beweglichkeit zu 1/3 red.

Wirbelsäule: im Lot, FBA 50 cm, SN und RT endlagig red., Beine können von der UL gehoben werden, Lasegue neg., Zehen und Fersengang bds möglich, Einbeinstand bds möglich

Hüftgelenke: li. Flex. 80°, AR und IR zu 1/2 red,. re. Beweglichkeit zu 1/4 red., Flex. 90° Kniegelenke: li Flexion zu 1/4 red.; re bland; bds. stabil, kein Streckdefizit Sprunggelenke: bds in allen

Ebenen frei beweglich Haut: bland Varizen: keine

Neurologisch: grob neurologisch unauffällig Sonstiges: bland

Gesamtmobilität - Gangbild:

sicher, raumgreifend, keine Gehhilfe

Status Psychicus:

voll orientiert, Antrieb und Affizierbarkeit normal, Stimmung ausgeglichen

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

GdB %

1

Tumor der linken Gaumenmandel mit Entfernung der Lymphknoten bds Oberer Rahmensatz, da multiple Funktionseinschränkungen

13.01.02

40

2

Koronare Herzkrankheit Unterer Rahmensatz, da kein Hinweis auf eingeschränkte Herzfunktion

05.05.02

30

3

Abnützung der Wirbelsäule Unterer Rahmensatz, da keine motorischen Defizite

02.01.02

30

4

Bewegungseinschränkung linke Schulter G.Z.

02.06.04

30

5

Generalisierte Erkrankungen des Bewegungsapparates, Schmerzen im Bereich der LWS mit Ausstrahlung ins linke Bein bei Bandscheibenschaden, Abnützung beider Kniegelenke und beider Hüftgelenke, Arthrosen an den Füßen Unterer Rahmensatz, da mäßige Funktionseinschränkungen

02.02.02

30

6

Diabetes mellitus Mittlerer Rahmensatz, da Therapie mit Tabletten

09.02.01

20

7

Hörstörung beidseits Tab.: Z2/K2 Unterer Rahmensatz, da in Ruhe kein Diskriminationsverlust

12.02.01

10

8

Chronischer Tinnitus Unterer Rahmensatz, da keine erheblichen psychovegetativen Begleiterscheinungen dokumentiert

12.02.02

10

 

Gesamtgrad der Behinderung 60 v.H.

 

 

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Leiden 1 wird durch die übrigen Leiden infolge eines negativen wechselseitigen Zusammenwirkens um 2 Stufen angehoben

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Bauchwandhernie - da keine Funktionseinschränkungen

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

Keine Änderung

...

[x] Dauerzustand

...

Folgende Gesundheitsschädigungen im Sinne von Mehraufwednungen wegen Krankendiätverpflegung liegen vor:

X Tuberkulose, Zuckerkrankheit, Zöliakie, Aids, Phenylketonurie oder eine vergleichbare schwere Stofewechselerkrankung nach Pos. 09.03.

GdB: 20 v.H.

..

X Erkrankung des Verdauungssystems, GdB 40 v.H.

..."

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 30.01.2018 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Neufestsetzung des Grades Behinderung ab, und stellte fest, dass für folgende Zusatzeintragungen die Voraussetzungen vorliegen:

"Gesundheitsschädigung gem. § 2 Abs. 1 erster Teilstrich VO 303/1996 liegt vor" und "Gesundheitsschädigung gem. § 2 Abs. 1 dritter Teilstrich VO 303/1996 liegt vor." Die belangte Behörde führte begründend aus, dass das medizinische Beweisverfahren einen Grad der Behinderung von 60 v.H. ergeben habe, und somit die Voraussetzungen für die Neufestsetzung des Grades der Behinderung nicht gegeben seien. Die belangte Behörde übermittelte mit dem Bescheid das ärztliche Sachverständigengutachten an den Beschwerdeführer.

Mit Email Nachricht vom 06.03.2018 erhob der Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid fristgerecht die gegenständliche Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und brachte darin im Wesentlichen vor, dass eine Verschlechterung im Knie- und Schulterbereich eingetreten sei, und er einen Termin beim Facharzt für Orthopädie am 05.04.2018 habe. Der Beschwerdeführer schloss seiner Beschwerde keine aktuellen Befunde an.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist seit 16.07.2014 Inhaber eines Behindertenpasses mit einem Gesamtgrad der Behinderung (GdB) von 60

%.

Der Beschwerdeführer brachte am 29.08.2017 einen Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung beim Sozialministeriumservice ein.

Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.

Beim Beschwerdeführer bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

-

Tumor der linken Gaumenmandel mit Entfernung der Lymphknoten beidseits

-

Koronare Herzkrankheit

-

Abnützung der Wirbelsäule

-

Bewegungseinschränkung linke Schulter

-

Generalisierte Erkrankungen des Bewegungsapparates, Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule mit Ausstrahlung ins linke Bein bei Bandscheibenschaden, Abnützung beider Kniegelenke und beider Hüftgelenke, Arthrosen an den Füßen

-

Diabetes mellitus

-

Hörstörung beidseits

-

Chronischer Tinnitus

Der Gesamtgrad der Behinderung des Beschwerdeführers beträgt aktuell 60 v.H.

Hinsichtlich der beim Beschwerdeführer bestehenden einzelnen Funktionseinschränkungen, deren Ausmaß, wechselseitiger Leidensbeeinflussung und medizinischer Einschätzung werden die diesbezüglichen Beurteilungen im seitens der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 25.01.2018 der nunmehrigen Entscheidung zu Grunde gelegt.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen hinsichtlich des Behindertenpasses und der aktuellen Antragsstellung basieren auf dem Akteninhalt.

Die Feststellungen zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Inland basieren auf der vom Beschwerdeführer bei Antragsstellung vorgelegten Meldebestätigung, aus der sich ein Hauptwohnsitz im österreichischen Bundesgebiet ergibt; konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt nicht mehr im Inland hätte, sind im Verfahren nicht hervorgekommen.

Der Gesamtgrad der Behinderung gründet sich auf das seitens der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 25.01.2018, basierend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 08.01.2018.

Darin wird auf die Art der Leiden des Beschwerdeführers und dessen Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Der medizinische Sachverständige setzt sich auch umfassend und nachvollziehbar mit den vorgelegten Befunden sowie mit der Frage der wechselseitigen Leidensbeeinflussungen und dem Zusammenwirken der zu berücksichtigenden Gesundheitsschädigungen auseinander. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf den im Rahmen einer persönlichen Untersuchung erhobenen Befunden, entsprechen auch den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen (diesbezüglich wird auch auf die detaillierten, oben auszugsweise wiedergegebenen, Ausführungen im Gutachten vom 25.01.2018 verwiesen); die Gesundheitsschädigungen sind nach der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft.

Entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers ist der medizinische Sachverständige ausführlich auf das von ihm angegebenen Verschlechterungen im Bereich beider Knie und im Schulterbereich eingegangen. Die Abnützung beider Knie ist im Leiden 5 dokumentiert und unter Berücksichtigung der weiteren generalisierten Erkrankungen des Bewegungsapparates unter Position 02.02.02. der Einschätzungsverordnung mit einem GdB von 30 v.H. richtig eingestuft. Die Bewegungseinschränkungen der linken Schulter, die der Beschwerdeführer angibt, sind im Leiden 4, ebenfalls mit einem GdB von 30 v.H. richtig nach der Einschätzungsverordnung dokumentiert. Der Beschwerdeführer hat mit seiner Beschwerde keine neuen Befunde vorgelegt, die eine Änderung dieser Einschätzungen rechtfertigen würden.

Der Beschwerdeführer ist damit in seiner Beschwerde den Ausführungen des medizinischen Sachverständigen nicht und damit insbesondere auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa VwGH 27.06.2000, 2000/11/0093).

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit, Widerspruchsfreiheit und Schlüssigkeit des vorliegenden Sachverständigengutachtens vom 29.01.2018. Es wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

1. Zur Entscheidung in der Sache

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten:

"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

...

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3) oder ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

(2) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen, wenn seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung glaubhaft geltend gemacht wird.

...

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

...

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen."

Die maßgebenden Bestimmungen der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung, BGBl. II. Nr. 261/2010 idgF BGBl II. Nr. 251/2012) lauten auszugsweise wie folgt:

"Behinderung

§ 1. Unter Behinderung im Sinne dieser Verordnung ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Grad der Behinderung

§ 2. (1) Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.

(2) Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.

(3) Der Grad der Behinderung ist nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.

Gesamtgrad der Behinderung

§ 3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 v.H. sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht. Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.

(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn

-

sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,

-

zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.

Grundlage der Einschätzung

§ 4. (1) Die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung bildet die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.

(2) Das Gutachten hat neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten.

..."

Zunächst ist rechtlich festzuhalten, dass der Grad der Behinderung im Beschwerdefall - wie dies auch die belangte Behörde zu Recht annahm - nach der Einschätzungsverordnung einzuschätzen war, was im Verfahren auch unbestritten geblieben ist.

Wie oben unter Punkt 2. (Beweiswürdigung) ausgeführt, wird der gegenständlichen Entscheidung das seitens der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 25.01.2018, beruhend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 08.01.2018, zu Grunde gelegt, wonach der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers aktuell 60 v. H. beträgt.

Die vom Beschwerdeführer eingebrachte Beschwerde war nicht geeignet, die durch den medizinischen Sachverständigen getroffenen Beurteilungen zu widerlegen oder zusätzliche Dauerleiden bzw. eine zwischenzeitlich eingetretene Verschlechterung des Zustandes zu belegen.

Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 60 v.H. sind die Voraussetzungen für die Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass aktuell nicht erfüllt.

Hinsichtlich der vom Beschwerdeführer in seiner Beschwerde avisierte Untersuchung bei einem Facharzt für Orthopädie am 05.04.2018 ist festzuhalten, dass der Gesetzgeber mit Novelle BGBl. I 57/2015 für das Verfahren nach dem Bundesbehindertengesetz (§ 46 BBG) ein - eingeschränktes - Neuerungsverbot eingeführt hat, das in den Gesetzesmaterialien als "Neuerungsbeschränkung" bezeichnet wird. § 46 BBG in der Fassung BGBl. I 155/2017 bestimmt, dass im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden dürfen.

Falls diese Untersuchung beim Facharzt für Orthopädie am 05.04.2018 objektiviert, dass sich der Leidenszustand des Beschwerdeführers tatsächlich maßgebend verschlechtert hat, wäre es zulässig, abermals bei der belangten Behörde einen Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung zu stellen. In diesem Zusammenhang ist jedoch zu beachten, dass gemäß § 41 Abs. 2 BBG , falls der nochmalige Antrag innerhalb eines Jahres seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung gestellt wird, eine offenkundige Änderung des Leidenszustandes glaubhaft geltend zu machen ist, ansonsten der Antrag ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen ist.

Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.

2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde und insbesondere auf das von der belangten Behörde eingeholte medizinische Sachverständigengutachten, das auf einer persönlichen Untersuchung beruht, auf alle Einwände und die im Verfahren vorgelegten Atteste des Beschwerdeführers in fachlicher Hinsicht eingeht, und welchem der Beschwerdeführer nicht substantiiert entgegengetreten ist. Die strittige Tatsachenfrage, genauer die Art und das Ausmaß der Funktionseinschränkungen des Beschwerdeführers sind einem Bereich zuzuordnen, der von einem Sachverständigen zu beurteilen ist. Beide Parteien haben keinen Verhandlungsantrag gestellt. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Neufestsetzung,
Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W261.2188676.1.00

Zuletzt aktualisiert am

19.04.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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