TE Bvwg Erkenntnis 2018/4/10 W261 2187905-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.04.2018
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Entscheidungsdatum

10.04.2018

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W261 2187905-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS als Vorsitzende und den Richter Mag. Markus BELFIN sowie den fachkundigen Laienrichter Herbert PICHLER als Beisitzer über die Beschwerde von Dr. med. XXXX, geb. XXXX, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 09.01.2018, betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin ist seit 16.10.2017 Inhaberin eines bis 01.03.2022 befristeten Behindertenpasses mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 70 v.H.

Am 16.10.2017 stellte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b Straßenverkehrsordnung (StVO) (Parkausweis), der entsprechend dem von der belangten Behörde zur Verfügung gestellten und von der Beschwerdeführerin ausgefüllten Antragsformular auch als Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gilt und legte dabei ein Konvolut an medizinischen Befunden vor.

Die belangte Behörde gab in der Folge ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin unter Anwendung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung in Auftrag. In dem auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 08.11.2017 basierenden Gutachten vom 07.01.2018 führte der medizinische Sachverständige Folgendes - hier in den wesentlichen Teilen wiedergegeben - aus:

"

Anamnese:

Operationen: Tonsillektomie und Appendektomie ohne Folgeschaden,

Hüftgelenksersatz beidseits rechts 2015 und links 2016 im orthopäd. Spitals Speising mit Erfolg, seither Beeinträchtigung der Gehleistung, freies Gehen ohne Gehhilfe möglich,

Neoplasie der Ovarien seit 12/2016, Tumorovarektomie beidseits im AKH Wien in der mediane Laparotomie, in dieser Sitzung wurde auch das Omentum majus entfernt, da es befallen war, derzeit nach stattgehabter Chemotherapie kein Fortschreiten der Grunderkrankung, Zustand nach Chemotherapie im AKH Wien bei Professor XXXX bis einschließlich 03/2017, seit dieser Therapie Auftreten einer Polyneuropathie mit Beeinträchtigung der Gehleistung, Gefühlstörung an den Fußsohlen, dadurch Gangunsicherheit, seit kurzem auch Bauchdeckenbruch nach stattgehabter mediane Laparotomie (5cm Bruchsack reponierbar), wegen der derzeitigen Behandlung mit Avastin und Eliquis kann eine chirurgische Sanierung vorerst nicht ins Auge gefasst werden, ein Mieder zum Zurückhalten des Bruchsackes wird angewendet,

postoperativ Pulmonalembolie, Erstversorgung im AKH, intensivmedizinische Behandlung, seither Antikoagulation mit Eliquis, derzeit kein lungenspezifisches Therapieerfordernis, keine Dyspnoe,

Bluthochdruck seit Jahren, Medikation: Blopress Plus 32/12,5 J4-0-0, unter Therapie normales Blutdruck-Verhalten, keine Adaptationszeichen dokumentiert,

Diabetes mellitus seit 5 Jahren, Medikation: Metformin 850 1-0-0, unter Therapie Nüchternblutzucker: ca. 110 mg%, letzter HbAlc: <6,0 %, Augen- und Nierenbefund bland,

Hyperlipidämie seit Jahren, Medikation: Crestor 20 0-0-1,

Nik: 0, Alk: mäßig, P: 2,

Derzeitige Beschwerden:

im Vordergrund stehen die Nebenwirkungen der stattgehabter Chemotherapie in Form von Polyneuropathie mit Befall beider Füße, dadurch Beeinträchtigung der Gehleistung und Unsicherheit beim Gehen, derzeit benötigt die Antragwerberin kein Gehhilfe, selbstständiges Gehen ist möglich, für längere Wegstrecken werden 2 Stöcke verwendet, Gymnastik und Elektrotherapie wird angewendet, kurze wiederholte der stationäre Aufenthalte zur Thioctacid-Behandlung im Evang. Krankenhaus,

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:

Blopress Plus 32/12,5, Crestor 20, Eliquis 2,5, Escitalopram 10, Lyrica 75, Metformin 850, Pantoloc 20, Optifiber, Voltaren 50 bei Bedarf,

Sozialanamnese:

pensionierte niedergelassene Internistin seit 2014 (70. Lebensjahr), verheiratet, 2 erwachsene Kinder, Gatte: Pensionist, Antragwerberin lebt in einem Haus auf 2,5 Etagen ohne Lift, Antragwerberin bezieht Pflegegeld Stufe 1 seit 06/2017,

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

stationär Patientenbrief der gynäkologischen Klinik des AKH Wien vom 18.03.2017/Diagnosen bei Entlassung: Bösartige Neubildung des Ovars (St. p. neoadjuvanter Chemotherapie), Entfernung der Adnexen-offen abdominalen, erweiterte abdominalen Hysterektomie mit Entfernung der Parametrien, radikale Peritonektomie, durchgeführte Therapie:

Hysterektomie + Adnexektomie beidseits per Laparotomie, Omentektomie und Diaphragmapräparation + Übernähung, Lebermobilisation am 06.03.2017, Histologie: Residuen wenig differenzierten Adenokarzinoms der Ovarien beidseits bei Zustand nach Chemotherapie, Absiedelungen im Bereich der Tuben, Adnexen und paramedianem Gewebe rechts, Carzinosis peritonei über dem Uterus, vorläufiger ärztlicher Entlassungsbericht des Lebenszentrums Bad Erlach vom 06.07.2017,

Diagnose: Karzinom Sarkom des Ovars (Erstdiagnose 12/2016), St. p. offene Operation 03/2017, St. p. 6 Zyklen Bevacizumab/Carboplatin/Paclitexel bis Mitte 05/2017, laufend

Bevacizumab, die Krise: zum Zeitpunkt der Aufnahme ist die Patientin in gutem Allgemeinzustand, medikamentöse Therapie: Blopress 32/12,5, Crestor 20, Eliquis 2,5, Escitalopram 10, Metformin 850, Pantoprazol 40, Paracetamol 500, Voltaren 100, Zolpidem 10, Agiolax, in der Abschlusseinheit zeigt die Patientin eine deutlich verbessertes Gangbild in Bezug auf Rumpf-/Beckenaufrichtung, Schrittlänge, Spurweite sowie der Sicherheit bei abruptem Richtungswechsel,

Befundbericht des behandelnden gynäkologischen Facharztes der Klinik für Frauenheilkunde vom 13.10.2017/Diagnose: St. p. primärer Therapie eines Typ 2 Ovarialkarzinoms, Ende der Chemotherapie 05/2017, Avastin laufend, Procedere: Kontrolle in 3 Monaten mit CA 125,

neurologischer Befundbericht vom 28.09.2017, Diagnose:

Polyneuropathie bei Zustand nach Taxol-Therapie bei Diabetes mellitus II levis, St. p. Neoplasie der Ovarien im Rahmen der Carpo/Taxol-Chemotherapie zunehmende neuropathischer Beschwerden beider Vorfüsse, weiters auch zunehmendes kognitives Defizit, klinisch-neurologisch: mäßiggradige überwiegend sensible Polyneuropathie mit Gleichgewichts- und Koordinationsschwierigkeiten, Behandlung mit physikalische Maßnahmen und Lyrica 75 sowie zusätzlich Neurontin,

Befundnachreichung: Medikamentenfahrplan des Rudolfinerhauses vom 06.10.2017: Blopress Plus 32/12,5 %-0-0, Crestor 20 0-0-1, Eliquis 2,5 1-0-1, Escitalopram 10 1-0-0,

Lyrica 75 0-0-1, Metformin 850 1-0-0, Pantoloc 20 1-0-0, Neurontin 1-0-1, Optifibre 1-0-1, Voltaren 50 bei Bedarf,

Befundnachreichung: kardiologische Arztbrief vom 07.09.2017 erstellt durch Dr. XXXX/Diagnose: Hypertonie, Hypercholesterinämie, Wespenstich Allergie, CRT, St. p. Pneumonie, Wirbelgleiten L5/S1, CAVK I (< 25-prozentiger Plaques ACI und ACE beidseits), kein Hinweis auf klinisch relevante PAVK, St. p. Koloskopie 06/2016-Radiculitis, St. p. Hüfttotalendoprothese rechts 01/2016, St. p. Hüfttotalendoprothese links 06/2016, Neoplasie der Ovarien 12/2016, laufende Chemotherapie mit Carpo/Taxol + Avastin, St. p. 1-Etagen TVT der unteren Extremität rechts, Reste, St. p. subsegmentaler Pulmonalembolie, Duplex sonographisch kein Hinweis auf rezente TVT, Medikation: Crestor 20, Legalon 140, Panaceo Basic Detox, Wobe-Mugos, Selenase 100, Metformin 850, Pantoprazol 40, Escitalopram 14, Eliquis 2,5, Kreon 10 000,

Befundnachreichung: Medikamentenverordnung der Gruppenpraxis Dr. XXXX vom 21.09.2017: Blopress Plus 32, 12,5 %-0-0, Crestor 20 0-0-1, Eliquis 2,5 1-0-1, Escitalopram 10 1-0-0, Lyrica 75 1-0-0, Metformin 850 1-0-0, Pantoloc 20 1-0-0, Voltaren 50 bei Bedarf,

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand:

guter Allgemeinzustand

Ernährungszustand:

guter Ernährungszustand

Größe: 168,00 cm Gewicht: 69,00 kg Blutdruck: 140/85

Klinischer Status - Fachstatus:

Sauerstoffsättigung der Raumluft: pO2: 97 %, Puls: 75/min, keine

Ruhedyspnoe Kopf: Zähne:

saniert, Gleitsichtbrille, Sensorium frei, Zustand nach Tonsillektomie, Nervenaustrittspunkte unauff.,

Hals: keine Einflussstauung, Schilddrüse schluckverschieblich, Lymphknoten o.B.,

Thorax: symmetrisch,

Herz: normal konfiguriert, Herztöne rein, keine pathologischen Geräusche,

Lunge: vesikuläres Atemgeräusch, Basen gut verschieblich, son. Klopfschall,

Wirbelsäule: endlagige Einschränkung der Rotation der Halswirbelsäule, Kinn-Jugulum- Abstand 2cm, seichte linkskonvexe Skoliose der Brustwirbelsäule, Fingerbodenabstand 25cm, thorakaler Schober 30/33cm, Ott: 10/14cm, Hartspann der Lendenwirbelsäule,

Abdomen: weich, über Thoraxniveau, Hepar und Lien nicht palpabel, keine Resistenz tastbar, blande Narbe nach Appendektomie mediane Laparotomie, ca. 5 cm durchmessende Bruchsack reponierbar, Bauchmieder wird getragen,

Nierenlager: beidseits frei,

obere Extremität: frei beweglich bis auf endlagige Elevationsstörung des rechten Armes, Globalfunktion und grobe Kraft beidseits erhalten, Nacken- und Kreuzgriff möglich, untere Extremität: frei beweglich bis auf endlagige Flexionsstörung beider Hüftgelenke bei Zustand nach Hüftgelenksersatz beidseits, freie Beweglichkeit der Kniegelenke bei festem Bandapparat, Umfang des rechten Kniegelenkes:

38cm (links: 37cm), keine signifikante Involutionsatrophie der Unterschenkelmuskulatur, Umfang des rechten Unterschenkels: 31cm (links: 31,5cm), keine Ödeme, keine trophischen Hautstörungen, Reflex lebhaft auslösbar, Babinski negativ, Zehenballen- und Fersengang möglich,

Gesamtmobilität - Gangbild:

etwas unsicheres leicht hinkendes Gangbild, keine Gehhilfe erforderlich,

Status Psychicus:

zeitlich und örtlich orientiert, ausgeglichene Stimmungslage, normale Kommunikation möglich,

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

Gdb %

1

operierte bösartige Neubildung der Ovarien 12/2016, Zustand nach Hysterektomie und Entfernung des großen Netzes 2 Stufen über dem unteren Rahmensatz, da die Organgrenzen überschritten waren; inkludiert Folgeschäden der stattgehabten Chemotherapie bis 03/2017 (Polyneuropathie) ohne Zeichen eines Fortschreitens der Grundkrankheit, reponierbare Hernia cicatritia und Begleitdepression

13.01.03

70

2

Zustand nach Hüftgelenksersatz beidseits unterer Rahmensatz, da nur endlagige Funktionsstörung nachweisbar

02.05.08

20

3

nicht insulinpflichtiger Diabetes mellitus mittlerer Rahmensatz, da mit milder oraler Medikation befriedigende Stoffwechsellage erzielt werden kann

09.02.01

20

4

Zustand nach tiefer Beinvenenthrombose rechts und subsegmentaler Pulmonalembolie 12/2016 unterer Rahmensatz, da ständige Antikoagulation erforderlich, jedoch keine trophischen Hautschäden fassbar und bei klinisch unauffälligem Pulmonalbefund kein lungenspezifisches Therapieerfordernis besteht

05.08.01

10

5

leichter Bluthochdruck fixer Rahmensatz

05.01.01

10

6

geringgradige Funktionsstörung des rechten Schultergelenkes fixer Rahmensatz

02.06.01

10

Gesamtgrad der Behinderung 70 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Das führende Leiden unter Ifd. Nr. 1) wird durch die Gesundheitsschädigung unter Ifd. Nr. 2) bis 6) nicht erhöht, da kein maßgebliches ungünstiges funktionelles Zusammenwirken besteht.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Erhöhter Blutfettspiegel stellt zwar einen Risikofaktor dar, erreicht jedoch keinen Grad der Behinderung.

...

X Nachuntersuchung 12/2012, da nach Ablauf der Heilungsbewährung eine Reevaluierung des Leidens utner lfd. Nr. 1) erforderlich ist

...

1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?

Keine, da die anerkannten Gesundheitsschädigungen keine erhebliche Einschränkung der Mobilität zur Folge haben. Im Gutachten wurde festgestellt, dass bei der AW keine höhergradige Funktionsstörung der unteren Extremitäten vorliegt. Es finden sich im klinischen Befund keine signifikanten motorischen Ausfälle. Die AW kann eine kurze Wegstrecke von mehr als 300 Metern zu Fuß ohne Unterbrechung, ohne überdurchschnittliche Kraftanstrengung, ohne große Schmerzen und ohne fremde Hilfe zurücklegen. Es sind keine Behelfe erforderlich, die das Ein- und Aussteigen sowie die sichere Beförderung unter Verwendung von Ausstiegshilfen und Haltegriffen in einem öffentlichen Verkehrsmittel wesentlich beeinträchtigen. Ein Herzleiden, welches eine hochgradige Einschränkung der Auswurfleistung zur Folge hat und eine signifikante Belastungsstörung verursacht, kann bei der klinischen Untersuchung und aufgrund der vorliegenden Befunde nicht ermittelt werden. Es besteht keine massive hochgradige Atemnot schon bei geringster Belastung und keine Indikation für eine Langzeitsauerstofftherapie. Sohin sind öffentliche Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der dauernden Gesundheitsschädigungen zumutbar. Es liegen keine erheblichen Einschränkungen der psychischen, neurologischen und intellektuellen Funktionen vor; die Gefahreneinschätzung im öffentlichen Raum ist gegeben. Ein nachweislich therapierefraktäres schweres Anfallsleiden ist nicht dokumentiert.

2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?

Nein, da keine erhebliche Einschränkung des Immunsystems durch objektive medizinische Befunde belegt wird.

..."

Mit angefochtenem Bescheid vom 09.01.2018 wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" in den Behindertenpass ab. In der Begründung des Bescheides gab die belangte Behörde im Wesentlichen die Ausführungen des ärztlichen Sachverständigengutachtens, welche als schlüssig erachtet werden, wieder. Mit dem Bescheid übermittelte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin das ärztliche Sachverständigengutachten.

Mit Schreiben vom 20.02.2018 erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde gegen diesen Bescheid beim Bundesverwaltungsgericht. Dabei brachte sie im Wesentlichen vor, dass sie nach einer Operation eines Eierstockcarzinoms zahlreiche Behandlungen erhalten habe, unter anderem eine Chemotherapie, welche zu einer Polyneuropathie geführt habe, die es ihr unmöglich machen würde, weitere Gehstrecken zu bewältigen. Richtigerweise habe der medizinische Sachverständige ausgeführt, dass sie zu Hause ohne Gehhilfe gehe, und für längere Wegstrecken zwei Stöcke verwenden würde. Tatsächlich sei ihre geographische Wohnsituation so, dass sie zu Fuß überhaupt kein öffentliches Verkehrsmittel erreichen könne. Der Autobus 35A befinde sich in der Krottenbachstraße, die Haltestelle sei über 800 m entfernt. Die nächste Apotheke sei 700 m entfernt, und das nächste Einkaufszentrum auf der Krottenbacherstraße 1 km entfernt. Im Einkaufszentrum bei der Firma XXXX würden sich Behindertenparkplätze befinden, welche ganz nahe zum Aufzug gelegen seien. Hätte sie die begehrte Zusatzeintragung, wäre es ihr möglich, selbstbestimmt mit ihrem PKW hinzufahren und Erledigungen (Friseur, etc.) wahrzunehmen, weil sie ziemlich sicher einen Parkplatz in der Nähe des Aufzuges hätte. Genauso verhalte es sich mit den Behindertenparkplätzen in der Nähe der Staatsoper, bei Theatern, und anderen öffentlichen Orten, die sie dann ebenso gut unter Zurücklegung einer kurzen Wegstrecke erreichen könnte. Auch bei Ärzten und medizinischen Instituten (Labor, Röntgen, etc.) gäbe es Behindertenparkplätze. Hätte sie die begehrte Zusatzeintragung könnte sie am kulturellen und sozialen Leben nach eigenem Ermessen teilnehmen, und wäre nicht auf die Hilfe anderer Personen angewiesen. Im Frühling 2018 sei eine weitere Operation der Bauchdecke notwendig, da sie durch die Operationsnarben starke Schmerzen und einen Bruch der Bauchdecke habe. Eine Besserung der Polyneuropathie sei also nicht vorhersehbar, dadurch habe sie eine dauerhafte Mobilitätseinschränkung. Die Beschwerdeführerin schloss ihrer Beschwerde eine nervenfachärztliche Bestätigung an, wonach sie an Chemotherapie - assoziierter Polyneuropathie mit entsprechender Gangunsicherheit leide. Die Patientin sei nicht in der Lage, länger als 100 m sicher zurückzulegen. Aus diesen Gründen werde das Ansuchen um den Behindertenausweis § 29b StVO unterstützt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin ist Inhaberin eines Behindertenpasses.

Die Beschwerdeführerin hat folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

-

operierte bösartige Neubildung der Ovarien 12/2016, Zustand nach Hysterektomie und Entfernung des großen Netzes samt Folgeschäden der stattgehabten Chemotherapie bis 03/2017 (Polyneuropathie) ohne Zeichen eines Fortschreitens der Grundkrankheit, reponierbare Hernia cicatricea (Narbenbruch) und Begleitdepression

-

Zustand nach Hüftgelenksersatz beidseits

-

nicht insulinpflichtiger Diabetes mellitus

-

Zustand nach tiefer Beinvenenthrombose rechts und subsegmentaler Pulmonalembolie 12/2016

-

leichter Bluthochdruck

-

geringgradige Funktionsstörung des rechten Schultergelenkes

Sie stellte am 16.10.2017 beim Sozialministeriumservice einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO, der auch als Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gilt.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 09.01.2018 wies die belangte Behörde den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" ab. Ein Abspruch über den Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO erfolgte im Spruch des Bescheides nicht.

Die anerkannten Gesundheitsschädigungen haben keine erhebliche Einschränkung der Mobilität der Beschwerdeführerin zur Folge. Bei der Beschwerdeführerin liegen keine höhergradigen Funktionsstörungen der unteren Extremitäten vor. Die Beschwerdeführerin kann eine kurze Wegstrecke von mehr als 300 Metern zu Fuß ohne Unterbrechung, ohne überdurchschnittliche Kraftanstrengung, ohne große Schmerzen und ohne fremde Hilfe zurücklegen. Es sind keine Behelfe erforderlich, die das Ein- und Aussteigen sowie die sichere Beförderung unter Verwendung von Ausstiegshilfen und Haltegriffen in einem öffentlichen Verkehrsmittel wesentlich beeinträchtigen. Ein Herzleiden, welches eine hochgradige Einschränkung der Auswurfleistung zur Folge hat und eine signifikante Belastungsstörung verursacht, konnte bei der klinischen Untersuchung und aufgrund der vorliegenden Befunde nicht ermittelt werden. Es besteht keine massive hochgradige Atemnot schon bei geringster Belastung und keine Indikation für eine Langzeitsauerstofftherapie. Es liegen keine erheblichen Einschränkungen der psychischen, neurologischen und intellektuellen Funktionen bei der Beschwerdeführerin vor; die Gefahreneinschätzung im öffentlichen Raum ist gegeben. Ein nachweislich therapierefraktäres schweres Anfallsleiden ist nicht dokumentiert. Eine erhebliche Einschränkung des Immunsystems ist nicht durch objektive medizinische Befunde belegt.

Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist der Beschwerdeführerin zumutbar.

Hinsichtlich der bei der Beschwerdeführerin bestehenden einzelnen Funktionseinschränkungen, deren Ausmaß, wechselseitiger Leidensbeeinflussung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel werden die Beurteilungen des seitens der belangten Behörde eingeholten allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachtens vom 07.01.2018 zu Grunde gelegt.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum Behindertenpass und zur gegenständlichen Antragstellung ergeben sich aus dem Akteninhalt.

Die Feststellung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel, die zur Abweisung der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" führt, gründet sich auf das allgemeinmedizinische Sachverständigengutachten vom 07.01.2018, beruhend auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 08.11.2017.

Darin wird unter Berücksichtigung der erstatteten Einwendungen und der vorgelegten Befunde vollständig, widerspruchsfrei und schlüssig auf die bestehenden Funktionseinschränkungen und die für eine allfällige Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" geforderten Voraussetzungen eingegangen und nachvollziehbar ausgeführt, dass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel für die Beschwerdeführerin aktuell zumutbar ist.

Die bei der Beschwerdeführerin bestehenden Einschränkungen im Bereich des Stütz- und Bewegungsapparates erreichen kein Ausmaß, das die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar machen würde. In der Statuserhebung im Rahmen der persönlichen Untersuchung zeigten sich eine endlagige Einschränkung der Rotation der Halswirbelsäule und ein Hartspann in der Lendenwirbelsäule. Die oberen Extremitäten sind frei beweglich, bis auf eine endlagige Elevationsstörung des rechten Armes. Die Globalfunktionen und die grobe Kraft sind beidseits erhalten, der Nacken- und Kreuzgriff ist möglich. Die unteren Extremitäten sind bis auf eine endlagige Flexionsstörung beider Hüftgelenke bei Zustand nach Hüftgelenksersatz beidseits frei beweglich. Dies gilt auch für die Kniegelenke bei festem Bandapparat. Der Zehenballen und der Fersengang sind der Beschwerdeführerin möglich. Das Gangbild ist etwas unsicher und leicht hinkend, wobei keine Gehhilfe erforderlich ist. Die Beschwerdeführerin verwendet zur Fortbewegung für längere Wegstrecken zwei Stöcke. Die Sachverständige führt nachvollziehbar aus, dass die Gesamtmobilität der Beschwerdeführerin trotz der anerkannten Gesundheitsschädigungen, wozu als Nebenwirkung der Chemotherapie auch die Polyneuropathie zählt, ausreichend ist, um kurze Wegstrecken von mehr als 300 zurücklegen zu können und Niveauunterschiede zu überwinden.

Die die in der Beschwerde dargestellten und subjektiv empfundenen Leidenszustände konnten im Rahmen der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin in dem von ihr dargestellten Ausmaß nicht objektiviert werden. Die Beschwerdeführerin wies bereits anlässlich der persönlichen Untersuchung am 08.11.2017 auf die Polyneuropathie mit Befall beider Beine, wodurch eine Beeinträchtigung der Gehleistung und eine Unsicherheit beim Gehen vorliegen, hin. Zudem legte die Beschwerdeführerin zur Polyneuropathie einen neurologischen Befund vom 28.09.2017 vor, der eine mäßiggradige überwiegend sensible Polyneuropathie mit Gleichgewichts- und Koordinationsschwierigkeiten attestiert. Dieser Befund floss in das medizinische Sachverständigengutachten vom 07.01.2018 ein. Die Beschwerdeführerin legte in ihrer Beschwerde eine weitere nervenfachärztliche Bestätigung vom 30.01.2018 vor. Dazu ist auszuführen, dass in dieser Bestätigung weder eine Anamnese noch ein nachvollziehbarer Untersuchungsbefund zugrunde liegt, der es dem erkennenden Gericht möglich machen würde zu beurteilen, auf Grundlage welcher Untersuchungsergebnisse diese Bestätigung ausgestellt wurde. Es steht auch für das erkennende Gericht fest, dass die Beschwerdeführerin als Folgewirkung der Chemotherapie an einer Polyneuropathie leidet. Nach dem vollständigen, in sich schlüssigen und nachvollziehbaren medizinischen Sachverständigengutachten des Arztes für Allgemeinmedizin vom 07.01.2018 ist diese Leiden nicht in dem Umfang ausgeprägt, dass es zu einer erheblichem Mobilitätseinschränkung der Beschwerdeführerin führt. Die in der Beschwerde vorgelegte Bestätigung wird mangels Nachvollziehbarkeit der Untersuchungsgrundlage nicht als Sachverständigengutachten angesehen und ist daher nicht geeignet, eine andere Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen herbeizuführen bzw. ist sie nicht geeignet, eine zwischenzeitig eingetretene Verschlechterung der Leidenszustände der Beschwerdeführerin zu belegen.

Damit ist die Beschwerdeführerin mit dem oben wiedergegebenen Beschwerdevorbringen dem Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 07.01.2018 im Lichte obiger Ausführungen daher nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa VwGH 27.06.2000, 2000/11/0093).

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des durch die belangte Behörde eingeholten Sachverständigengutachtens eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 07.01.2018 und wird dieses in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

Insoweit die Beschwerdeführerin vorbringt, dass sie die begehrte Zusatzeintragung benötige, da ihr Wohnort schlecht an das öffentliche Verkehrsnetz angebunden sei, und sie vor Geschäften, vor der Staatsoper, vor Theatern und ärztlichen Praxen den Behindertenparkplatz nutzen wolle, so ist dieses Vorbringen nicht geeignet, zu einer Änderung der Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zu führen. Diesbezüglich wird auf die Ausführungen in der rechtlichen Beurteilung verwiesen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

1. Zur Entscheidung in der Sache

Der Vollständigkeit halber wird zunächst darauf hingewiesen, dass mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 09.01.2018 der Antrag der Beschwerdeführerin auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" gemäß §§ 42 und 45 Bundesbehindertengesetz idgF BGBl I Nr. 155/2017 (in der Folge kurz BBG) abgewiesen wurde. Verfahrensgegenstand ist somit nicht die Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung, sondern ausschließlich die Prüfung der Voraussetzungen der Vornahme der beantragten Zusatzeintragung.

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des BBG lauten auszugsweise:

"§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

...

§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen."

§ 1 Abs. 4 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, idg F BGBl II Nr. 263/2016 lautet - soweit im gegenständlichen Fall relevant - auszugsweise:

"§ 1 ....

(4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:

1. .......

2. ......

3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

-

erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

-

erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

-

erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller

Fähigkeiten, Funktionen oder

-

eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

-

eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1

Abs. 2 Z 1 lit. b oder d vorliegen.

(5) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

(6)......"

Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist, und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung unzumutbar ist (vgl. VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142, und die dort zitierten Erkenntnisse vom 18.12.2006, 2006/11/0211, und vom 17.11.2009, 2006/11/0178, jeweils mwN.).

Ein solches Sachverständigengutachten muss sich mit der Frage befassen, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH 20.03.2001, 2000/11/0321). Dabei ist auf die konkrete Fähigkeit der Beschwerdeführerin zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einzugehen, dies unter Berücksichtigung der hiebei zurückzulegenden größeren Entfernungen, der zu überwindenden Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, der Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt etc. (VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 14.05.2009, 2007/11/0080).

Bei der Beurteilung der zumutbaren Wegstrecke geht der Verwaltungsgericht von städtischen Verhältnissen und der durchschnittlichen Distanz von 300 bis 400 Metern bis zur nächsten Haltestelle eines öffentlichen Verkehrsmittels aus (vgl. das Erkenntnis vom 27. Mai 2014, Zl. Ro 2014/11/0013).

Wie oben im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt - auf die diesbezüglichen Ausführungen wird verwiesen -, wurde im von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten vom 07.01.2018 nachvollziehbar verneint, dass im Fall der Beschwerdeführerin - trotz der bei ihr vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen - die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass vorliegen.

Ausgehend vom vorliegenden Sachverständigengutachten sind bei der Beschwerdeführerin aktuell weder erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren oder oberen Extremitäten noch erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit, erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, oder eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit im Sinne der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und Parkausweisen objektiviert.

Die Beschwerdeführerin legte im Rahmen der Beschwerde, wie bereits erwähnt, keine Befunde vor, die geeignet wären, die durch die medizinischen Sachverständigen getroffenen Beurteilungen zu widerlegen oder zusätzliche Dauerleiden bzw. eine zwischenzeitlich eingetretene Verschlechterung des Zustandes der Beschwerdeführerin zu belegen. Es ist daher im Beschwerdefall zum aktuellen Entscheidungszeitpunkt rechtlich davon auszugehen, dass die Voraussetzungen der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass nicht vorliegen.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Prüfung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in Betracht kommt.

Was das Vorbringen der Beschwerdeführerin betrifft, dass sie die begehrte Zusatzeintragung benötige, da ihr Wohnort schlecht an das öffentliche Verkehrsnetz angebunden sei, und sie vor Geschäften, vor der Staatsoper, vor Theatern und ärztlichen Praxen den Behindertenparkplatz nutzen wolle, so sei der Vollständigkeit halber darauf hingewiesen, dass es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Berechtigung der zusätzlichen Eintragung in den Behindertenpass hinsichtlich der "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung " entscheidend auf die Art und die Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ankommt, nicht aber auf andere Umstände, die die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erschweren (vgl. diesbezüglich das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22.10.2002, Zl. 2001/11/0258).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde und aus dem über deren Veranlassung eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten, das auf einer persönlichen Untersuchung sowie der Aktenlage beruht, auf alle Einwände und vorgelegten Atteste der Beschwerdeführerin in fachlicher Hinsicht eingeht, und welchem die Beschwerdeführerin nicht substantiiert entgegengetreten ist. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens wurden keine diesem Gutachten widersprechende Befunde oder Gegengutachten vorgelegt. Die strittige Tatsachenfrage, genauer die Art und das Ausmaß der Funktionseinschränkungen der Beschwerdeführerin und damit verbunden die Frage der Zumutbarkeit der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel, sind einem Bereich zuzuordnen, der von einem Sachverständigen zu beurteilen ist. Beide Parteien haben keinen Verhandlungsantrag gestellt. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf (oben wiedergegebene) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass, Sachverständigengutachten, Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W261.2187905.1.00

Zuletzt aktualisiert am

19.04.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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