Entscheidungsdatum
10.04.2018Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
W261 2184122-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS als Vorsitzende und den Richter Mag. Markus BELFIN sowie den fachkundigen Laienrichter Herbert PICHLER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 10.01.2018, betreffend Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer stellte am 01.09.2017 beim Sozialministeriumservice (in der Folge als belangte Behörde bezeichnet) einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b Straßenverkehrsordnung (StVO) (Parkausweis), der entsprechend dem von der belangten Behörde zur Verfügung gestellten und vom Beschwerdeführer ausgefüllten Antragsformular auch als Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses sowie auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gilt und legte dabei ein Konvolut an medizinischen Befunden vor.
Die belangte Behörde gab in der Folge ein Sachverständigengutachten eines Facharztes für Lungenheilkunde unter Anwendung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung in Auftrag. In dem auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 25.10.2017 basierenden Gutachten vom 30.12.2017 führte der medizinische Sachverständige Folgendes - hier in den wesentlichen Teilen wiedergegeben - aus:
"Anamnese:
Vorbekannte COPD seit 3-4 Jahren mit Atemnot und regelmäßiger pulmologischer Kontrolle bei Dr. XXXX . Keine Langzeitsauerstofftherapie.
Seit mehreren Jahren bekannte depressive Störung ohne ständige psychiatrische Therapie. Februar 2017 stationärer Aufenthalt im Otto-Wagner-Spital wegen akuter Exazerbation der COPD, welche mit Asthma bronchiale überlappt. Es war eine Beatmungstherapie an der dortigen Intensivstation notwendig. Der Befundbericht vom 23.02.2017 wird eingesehen.
Im Befund des Rehabzentrums XXXX vom 23.05.2017 wird eine COPD IV beschrieben, weiters ein allergisches Asthma bronchiale und depressive Störung. Die Kraft der Atemmuskulatur lag im unteren Normbereich, es konnten Kraft- Ausdauer- und respiratorische Stabilität verbessert werden. Eine Langzeitsauerstofftherapie wurde nicht verordnet.
Lungenfunktionsmessung Dr. XXXX 24.08.2017: hochgradige Obstruktion.
Allergie: keine bekannt
Alkohol: negiert, Nikotin: früher 50 Zigaretten tgl., derzeit nur mehr 5-7 Stk.
Derzeitige Beschwerden:
Atemnot bei körperlichen Belastungen, täglich Husten mit schleimigen Auswurf, Verschlechterung bei Atemwegsinfekten und bei Stressbelastung, depressive Verstimmung, er könne nicht mehr schnell gehen, Gefühlsstörung im linken Bein seit einem Bandscheibenvorfall 2016, einen Stock benötige er allerdings nicht, eine Sauerstoffflasche sei ebenfalls noch nicht verordnet worden, die Leberwerte seien erhöht, weiters bestünde eine leichte Zuckererkrankung, aber ohne Medikamente.
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Pantoloc, Trittico, Sertralin, Halcion, Foster, Spiriva, Berodual
...
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand:
48 jähriger Mann im altersentsprechenden normalen Allgemeinzustand, keine Ruhedyspnoe, keine Lippenzyanose, keine mobile Sauerstoffversorgung, Sauerstoffsättigung bei Raumluftatmung mit 98% im Normbereich
Ernährungszustand:
Normaler Ernährungszustand
Größe: 180,00 cm Gewicht: 86,00 kg Blutdruck: 100/60
Klinischer Status - Fachstatus:
Kopf, Hals: keine obere Einflussstauung, keine Struma, keine Lippenzyanose, die Hirnnerven frei
Brustkorb: symmetrisch, reizlose Narbe unterhalb der Drosselgrube nach Beatmung
02/2017, seitengleiche Atemexkursionen
Herz: reine rhythmische Herztöne, Frequenz: 74 pro Minute
Lunge: hypersonorer Klopfschall, abgeschwächtes Atemgeräusch wie bei Emphysem ohne spastische Nebengeräusche
Gliedmaßen: keine Krampfadern, keine Beinödeme, die großen Gelenke frei beweglich
Gesamtmobilität - Gangbild:
Die Gesamtmobilität innerhalb der Untersuchungsräume altersentsprechend unauffällig, das Entkleiden des Oberkörpers ist selbsttätig, flüssig und ohne erkennbare Atembeschwerden möglich, freier Stand und freies Sitzen möglich, es wird keine Gehhilfe verwendet
Status Psychicus:
Unauffällig, zeitlich- und örtlich orientiert, keine kognitiven Defizite, eher depressiv gefärbte Stimmungslage
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Pos.Nr.
GdB %
1
fortgeschrittene chronisch-obstruktive Atemwegserkrankung überlappend mit Asthma bronchiale, ferner sekundäres Emphysem Oberer Rahmensatz, da ständige höhergradige Einschränkung der respiratorischen Leistungsreserven, wobei keine gehäuften akuten Exazerbationen und keine respiratorische Globalinsuffizienz bzw. keine Indikation für eine Langzeitsauerstofftherapie oder kardiovaskuläre Folgeerscheinungen bestehen.
06.06.03
70
Gesamtgrad der Behinderung 70 v.H.
...
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
Zustand nach Bandscheibenvorfall 2016: die vorliegende Funktionsstörung erreicht keinen Grad der Behinderung
Glukose-Toleranzstörung: keine Therapieerfordernis, ausgeglichene Stoffwechsellage unter Diät
depressive Verstimmung: keine kognitiven Defizite, keine stationären Aufenthalte oder dauernde psychiatrische Therapie, stabiler Verlauf
...
[x] Dauerzustand
...
1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?
Keine. Es besteht ein kardiorespiratorisch stabiler und kompensierter Zustand mit normaler Sauerstoffsättigung und ohne Indikation zu einer Langzeitsauerstofftherapie gemäß Befunden und eigener Messung. Eine hochgradige massive Atemnot schon bei geringen Anstrengungen konnte nicht objektiviert werden. Es besteht keine höhergradige Funktionsstörung am Stütz- und Bewegungsapparat und keine relevanten kognitiven Defizite.
2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?
Nein
...."
Unter Zugrundelegung dieses ärztlichen Sachverständigengutachtens stellte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer am 03.01.2018 einen unbefristeten Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 70 v.H. und der Zusatzeintragung "Der Inhaber des Passes kann die Fahrpreisermäßigung nach dem Bundesbehindertengesetz in Anspruch nehmen" aus.
Hingegen wies die belangte Behörde mit angefochtenem Bescheid vom 10.01.2018 den Antrag des Beschwerdeführers auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" in den Behindertenpass ab. In der Begründung des Bescheides gab die belangte Behörde im Wesentlichen die Ausführungen des ärztlichen Sachverständigengutachtens, welche als schlüssig erachtet würden, wieder. Anmerkend wurde ausgeführt, dass über den Antrag auf Ausstellung eines § 29b-Ausweises nach der Straßenverkehrsordnung (StVO) nicht abgesprochen werde, da die grundsätzlichen Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" nicht vorlägen. Mit dem Bescheid übermittelte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer das ärztliche Sachverständigengutachten.
Der Beschwerdeführer erhob mit Schreiben vom 18.01.2018 fristgerecht Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht. Darin brachte er im Wesentlichen vor, er benötige keine Fahrpreisermäßigung sondern eine Parkmöglichkeit, da er nicht im Stande sei, 30 bis 100 Meter am Stück zu gehen. Er leide aufgrund seines Asthma und COPD IV-Leidens unter Atemnot und sei durch seine Krankheit auf das Auto angewiesen. Sauerstoff sei vorhanden. Der Beschwerdeführer legte im Rahmen der Beschwerdeerhebung ein Konvolut medizinischer Befunde vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer ist Inhaber eines Behindertenpasses mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 70 v.H.
Er stellte am 01.09.2017 beim Sozialministeriumservice einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO, der auch als Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gilt.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 10.01.2018 wies die belangte Behörde den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" ab. Ein Abspruch über den Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO erfolgte im Spruch des Bescheides nicht.
Beim Beschwerdeführer besteht folgende Funktionseinschränkung, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern wird:
- fortgeschrittene chronisch-obstruktive Atemwegserkrankung
Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist dem Beschwerdeführer zumutbar.
Hinsichtlich der beim Beschwerdeführer bestehenden Funktionseinschränkung, deren Ausmaß und medizinischer Einschätzung werden die diesbezüglichen Beurteilungen im seitens der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten eines Facharztes für Lungenheilkunde vom 30.12.2017 der nunmehrigen Entscheidung zu Grunde gelegt.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zum Behindertenpass ergeben sich aus dem Akteninhalt.
Die Feststellung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel, die zur Abweisung der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" führt, gründet sich auf das lungenfachärztliche Sachverständigengutachten vom 30.12.2017, beruhend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 25.10.2017.
Darin wird unter Berücksichtigung der erstatteten Einwendungen und der vorgelegten Befunde vollständig, widerspruchsfrei und schlüssig auf die bestehenden Funktionseinschränkungen und die für eine allfällige Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" geforderten Voraussetzungen eingegangen und nachvollziehbar ausgeführt, dass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel für den Beschwerdeführer aktuell zumutbar ist.
Der Beschwerdeführer leidet an COPD IV, jedoch besteht gemäß der vorgelegten Befunde und der Statuserhebung durch den Sachverständigen ein kardiorespiratorisch stabiler und kompensierter Zustand mit normaler Sauerstoffsättigung. Eine Sauerstoffbehandlung ist nach den vorliegenden ärztlichen Befunden medizinisch derzeit nicht erforderlich und wurde nicht verordnet. Der Beschwerdeführer selbst bestätigte im Rahmen der persönlichen Untersuchung durch den Gutachter selbst, dass keine Sauerstofftherapie verordnet wurde. Diesbezüglich wird auf die noch folgenden Ausführungen unter Punkt II.3 verwiesen, wonach laut den Erläuterungen zur Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II 495/2013, eine Unzumutbarkeit für die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erst bei Bestehen einer COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie angenommen wird. Das Vorbringen in der Beschwerde, wonach "Sauerstoff vorhanden" sei, kann somit nicht objektiviert werden. Insoweit der Beschwerdeführer eine hochgradige massive Atemnot schon bei geringen Anstrengungen und der Zurücklegung einer Wegstrecke von 30 bis 100 Metern vorbringt, ist dies ebenfalls nicht durch medizinische Unterlagen gedeckt. Beim Beschwerdeführer besteht zweifellos eine Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit, jedoch nicht in einem Ausmaß, welches die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar machen würde. Diesbezüglich wird auf die Ausführungen in der rechtlichen Beurteilung verwiesen.
Die im Rahmen der Beschwerde vorgelegten Befunde bestätigen die bisherigen Ergebnisse und sind nicht geeignet, eine andere Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen herbeizuführen bzw. eine zwischenzeitig eingetretene Verschlechterung der Leidenszustände des Beschwerdeführers zu belegen und allenfalls zu einer anderen rechtlichen Beurteilung führen zu können.
Der Beschwerdeführer ist somit mit dem oben wiedergegebenen Beschwerdevorbringen dem auf einer persönlichen Untersuchung am 25.10.2017 basierenden Sachverständigengutachten eines Facharztes für Lungenheilkunde vom 30.12.2017 im Lichte obiger Ausführungen daher nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa VwGH 27.06.2000, 2000/11/0093).
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des seitens der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachtens eines Facharztes für Lungenheilkunde vom 30.12.2017 und wird dieses in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A)
1. Zur Entscheidung in der Sache
Der Vollständigkeit halber wird zunächst darauf hingewiesen, dass mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 10.01.2018 der Antrag des Beschwerdeführers auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" gemäß §§ 42 und 45 Bundesbehindertengesetz idgF BGBl I Nr. 155/2017 (in der Folge kurz BBG) abgewiesen wurde.
Verfahrensgegenstand ist somit nicht die Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung, sondern ausschließlich die Prüfung der Voraussetzungen der Vornahme der beantragten Zusatzeintragung.
Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten:
§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
...
§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.
...
§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen."
§ 1 Abs. 4 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, idg F BGBl II Nr. 263/2016 lautet - soweit im gegenständlichen Fall relevant - auszugsweise:
"§ 1 ....
(4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:
1. .......
2. ......
3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
-
erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
-
erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
-
erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller
Fähigkeiten, Funktionen oder
-
eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
-
eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1
Abs. 2 Z 1 lit. b oder d vorliegen.
(5) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.
(6)......"
In den Erläuterungen zu § 1 Abs. 2 Z 3 zur Stammfassung der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II Nr. 495/2013 wird unter anderem - soweit im gegenständlichen Fall relevant - Folgendes ausgeführt:
"Zu § 1 Abs. 2 Z 3 (neu nunmehr § 1 Abs. 4 Z. 3, BGBl. II Nr. 263/2016):
...
Durch die Verwendung des Begriffes "dauerhafte Mobilitätseinschränkung" hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.
...
Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:
-
arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option
-
Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen
-
hochgradige Rechtsherzinsuffizienz
-
Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie
-
COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie
-
Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie
-
mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden..."
Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist, und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung unzumutbar ist (vgl. VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142, und die dort zitierten Erkenntnisse vom 18.12.2006, 2006/11/0211, und vom 17.11.2009, 2006/11/0178, jeweils mwN.).
Ein solches Sachverständigengutachten muss sich mit der Frage befassen, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH 20.03.2001, 2000/11/0321). Dabei ist auf die konkrete Fähigkeit der Beschwerdeführerin zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einzugehen, dies unter Berücksichtigung der hiebei zurückzulegenden größeren Entfernungen, der zu überwindenden Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, der Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt etc. (VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 14.05.2009, 2007/11/0080).
Bei der Beurteilung der zumutbaren Wegstrecke geht der Verwaltungsgericht von städtischen Verhältnissen und der durchschnittlichen Distanz von 300 bis 400 Metern bis zur nächsten Haltestelle eines öffentlichen Verkehrsmittels aus (vgl. das Erkenntnis vom 27. Mai 2014, Zl. Ro 2014/11/0013).
Wie oben im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt - auf die diesbezüglichen Ausführungen wird verwiesen -, wurde im eingeholten Sachverständigengutachten vom 30.12.2017, beruhend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 25.10.2017, nachvollziehbar verneint, dass im Fall des Beschwerdeführers - trotz der bei ihm vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen - die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass vorliegen. Mit dem Vorliegen der beim Beschwerdeführer objektivierten aktuellen Funktionsbeeinträchtigungen vermag der Beschwerdeführer noch nicht die Überschreitung der Schwelle der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Sinne der Bestimmung des § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen darzutun.
Beim Beschwerdeführer besteht ein COPD IV - Leiden, jedoch ohne Indikation einer Langzeitsauerstofftherapie. Für die Annahme des Vorliegens erheblicher Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit und einer in diesem Zusammenhang vorliegenden Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel entsprechend den Erläuterungen zur Stammfassung der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen ist das Vorliegen von COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie erforderlich ist; dies liegt beim Beschwerdeführer aber nicht vor.
Für das Vorliegen weiterer Tatbestände des § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen (erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten, erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit) haben sich im gegenständlichen Fall keinerlei konkrete Anhaltspunkte ergeben.
Der Beschwerdeführer legte im Rahmen der Beschwerde, wie bereits erwähnt, keine weiteren Befunde vor, die geeignet wären, die durch den medizinischen Sachverständigen getroffenen Beurteilungen zu widerlegen oder zusätzliche Dauerleiden bzw. eine zwischenzeitlich eingetretene Verschlechterung des Zustandes des Beschwerdeführers zu belegen. Es ist daher im Beschwerdefall zum aktuellen Entscheidungszeitpunkt rechtlich davon auszugehen, dass die Voraussetzungen der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass nicht vorliegen.
Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Prüfung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in Betracht kommt.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung
Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde und aus dem über deren Veranlassung eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten, das auf einer persönlichen Untersuchung sowie der Aktenlage beruht, auf alle Einwände und vorgelegten Atteste des Beschwerdeführers in fachlicher Hinsicht eingehen, und welchem der Beschwerdeführer nicht substantiiert entgegengetreten ist. Die strittige Tatsachenfrage, genauer die Art und das Ausmaß der Funktionseinschränkungen des Beschwerdeführers und damit verbunden die Frage der Zumutbarkeit der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel, sind einem Bereich zuzuordnen, der von einem Sachverständigen zu beurteilen ist. Beide Parteien haben keinen Verhandlungsantrag gestellt. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.
Zu Spruchteil B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Behindertenpass, Sachverständigengutachten, ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W261.2184122.1.00Zuletzt aktualisiert am
19.04.2018