TE Bvwg Beschluss 2018/4/10 W209 2165531-1

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Veröffentlicht am 10.04.2018
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Entscheidungsdatum

10.04.2018

Norm

B-VG Art.133 Abs4
GSVG §194
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

W209 2165531-1/4E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Reinhard SEITZ als Einzelrichter in der Beschwerdesache des Dipl.-Kfm. XXXX, XXXX, XXXX, gegen den Bescheid der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, Landesstelle Niederösterreich, vom 21.06.2017 betreffend Abweisung eines Antrages auf Rückzahlung eines Beitragsguthabens in Höhe von € 47.508,58 beschlossen:

A)

Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückverweisen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Dipl.-Kfm. XXXX (im Folgenden Beschwerdeführer) ist seit 1974 (bis dato) selbständig vertretungsbefugter Geschäftsführer und Alleingesellschafter der XXXX GmbH mit Sitz in XXXX und war seit September 1981 in der Pensions- und Krankenversicherung nach dem GSVG pflichtversichert.

2. Mit an die Firmenadresse der o.a. Gesellschaft gerichtetem Schreiben vom 10.12.2007 teilte die belangte Behörde (im Folgenden SVA) dem Beschwerdeführer mit, dass nach den ihr vorliegenden Unterlagen die Voraussetzungen für die Ausnahme von der Pflichtversicherung in der Pensions- und Krankenversicherung nach dem GSVG gegeben seien, weil die Versicherungspflicht auf Grund der VO 1408/71 und der VO 574/72 nicht nach österreichischem Recht zu beurteilen sei. Die Pflichtversicherung des Beschwerdeführers ende daher mit 31.05.2007 (sic!). Abschließend wurde der Beschwerdeführer ersucht, umgehend den restlichen Beitragsrückstand in Höhe von €

8.732,05 zu begleichen.

3. Laut Inhalt eines Telefaxes vom 28.01.2008 übermittelte die steuerliche Vertretung des Beschwerdeführers der SVA ein Formular E 101, aus dem hervorgehe, dass der Beschwerdeführer in Deutschland pflichtversichert sei. Weiters wurde mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer bis dato in Österreich keine Einkünfte bezogen habe, und hinsichtlich der ausstehenden Beiträge um Herabsetzung auf die Mindestbemessungsgrundlage und Stundung ersucht.

4. Mit an die Firmenadresse der Gesellschaft gerichtetem Schreiben vom 12.02.2008 teilte die SVA dem Beschwerdeführer mit, dass die "erforderliche Berichtigung" der "Bemessung für die Jahre 1996 bis 2006" durchgeführt worden sei und derzeit keine Einzahlung erforderlich sei. Die Korrekturbuchungen seien dem Kontoauszug für das 2. Quartal (2008) zu entnehmen.

Der mitübermittelte Kontoauszug für das 2. Quartal 2008 vom 19.04.2008 weist ein Guthaben von € 51.955.78 aus. Einer beigefügten "Erklärung zum Kontoauszug 2/2008" ist zu entnehmen, dass dem Beitragskonto des Beschwerdeführers die im Zeitraum 01.01.1996 bis 31.12.2004 entrichteten Beiträge zur Krankenversicherung und Pensionsversicherung, die im Zeitraum 01.01.1996 bis 31.12.1997 entrichteten Betriebshilfebeiträge sowie die bis 25.01.2008 geleisteten Verzugszinsen gutgeschrieben wurden.

5. Den vorgelegten Verwaltungsakten ist zu entnehmen, dass in der Folge noch weitere Kontoauszüge für das 1. und 3. Quartal 2008 und für das 1. Quartal 2011, die ebenfalls ein Guthaben in der oben angeführten Höhe ausweisen, an die Firmenadresse des Gesellschaft ergingen. Einem ebenfalls an die Firmenadresse ergangenen Kontoauszug für das 2. Quartal 2011 zufolge verringerte sich jedoch das Guthaben wegen Nachbelastung des PV- und des KV-Beitrages für den Zeitraum 01.01.2007 bis 31.05.2007 auf € 47.508,58. Einem weiteren, an die Firmenadresse gerichteten "Kontoauszug vom 20. Juli 2013" ist ebenfalls nur mehr ein Guthaben in Höhe von € 47.508,58 zu entnehmen.

6. Mit an die Firmenadresse gerichtetem Schreiben vom 14.10.2013 teilt die SVA dem Beschwerdeführer schließlich erneut mit, dass nach den ihr vorliegenden Unterlagen die Voraussetzungen für die Ausnahme von der Pflichtversicherung in der Pensions- und Krankenversicherung nach dem GSVG gegeben seien, weil die Versicherungspflicht auf Grund der VO 1408/71 und der VO 574/72 nicht nach österreichischem Recht zu beurteilen sei und die Pflichtversicherung des Beschwerdeführers daher mit 31.12.2004 (sic!) ende. Abschließend wurde mitgeteilt, dass aufgrund "des rückwirkenden Stornos der Pflichtversicherung" ein Beitragsguthaben in Höhe von € 58.490,46 bestehe, welches der Beitragsvorschreibung für das 4. Quartal zu entnehmen sei. Das Guthaben könne nach Vorliegen eines eigenhändig unterfertigten Antrages zurückgezahlt werden.

Einem an die Firmenadresse der Gesellschaft gerichteten "Kontoauszug vom 26. Oktober 2013" ist ein Guthaben in der genannten Höhe zu entnehmen. Diese setze sich aus dem "Saldovortag vom 20.07.2013" und einer "Berichtigung 2005, 2006 und 2007" zusammen. Einer beigefügten "Erklärung zum Kontoauszug vom 26. Oktober 2013" ist zu entnehmen, dass dem Beitragskonto des Beschwerdeführers die im Zeitraum 01.01.2005 bis 31.05.2007 entrichteten Beiträge zur Unfallversicherung nach dem ASVG und die im selben Zeitraum entrichteten Beiträge zur Kranken- und Pensionsversicherung nach dem GSVG in Höhe von insgesamt € 10.981,88 gutgeschrieben wurden.

Ein - nunmehr an die Privatadresse des Beschwerdeführers in Deutschland gerichteter - "Kontoauszug vom 25. April 2015" weist ebenfalls ein Guthaben in Höhe von € 58.490,46 aus.

7. Mit an die Privatadresse des Beschwerdeführers adressiertem Schreiben vom 21.10.2015 wurde der Beschwerdeführer seitens der SVA in Kenntnis gesetzt, dass ein Guthaben bestehe, und um Bekanntgabe seiner Kontodaten ersucht. Darüber hinaus wurde mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer - sollte er an einer Anweisung des Guthabens zum jetzigen Zeitpunkt nicht interessiert sein - selbstverständlich innerhalb der gesetzlichen Frist jederzeit die Möglichkeit habe, der SVA einen Rückzahlungsantrag zu schicken. Beiliegend wurde ein leeres Formular "Rückzahlungsantrag" mit dem Hinweis übermittelt, dass das Recht auf Rückforderung nach Ablauf von fünf Jahren nach deren Zahlung verjährt.

8. Ein an die Privatadresse des Beschwerdeführers gerichteter "Kontoauszug vom 23. Jänner 2016" weist noch ein Guthaben in Höhe von € 58.490,46 aus. Ein weiterer an die Privatadresse gerichteter "Kontoauszug vom 23. April 2016" weist sodann nur mehr ein Guthaben in Höhe von € 10.981,88 aus. In der Erklärung werden in der Spalte Lastschriften € 47.508,58 und "Vereinnahmung 29.02.2016" angeführt. Ein weiterer an die Privatadresse gerichteter "Kontoauszug vom 23. Juli 2016" weist ebenfalls ein Guthaben in Höhe von € 10.981,88 aus.

9. Mit Antrag vom 05.08.2016, bei der SVA eingelangt am 12.08.2016, begehrte der Beschwerdeführer sodann unter Verwendung des ihm zugesandten Formulars die Rückzahlung eines Beitragsguthabens in Höhe von € 58.490,46.

10. Am 17.08.2016 wurde dem Beschwerdeführer seitens des SVA mitgeteilt, dass ihm in den nächsten Tagen (nur) ein Guthaben in Höhe von € 10.981,88 überwiesen werde, weil das restliche Guthaben bereits verjährt sei.

11. Auf die Aufforderung des Beschwerdeführers mit Schreiben vom 03.02.2017, ihm den Differenzbetrag von € 47,508,58 zu überweisen, teilte die SVA mit Schreiben vom 15.02.2017 mit, dass sie den Beschwerdeführer mit Schreiben vom 21.10.2015 über die Rückforderungsverjährung informiert habe.

12. Am 25.04.2017 stellte die steuerliche Vertretung des Beschwerdeführers sodann einen Bescheidantrag betreffend die Weigerung der SVA einen Teilbetrag des bei der SVA vorhandenen Guthabens in Höhe von € 47.508,58 an den Beschwerdeführer zurückzubezahlen.

13. Mit Parteiengehör vom 17.05.2017 informierte die SVA die steuerliche Vertretung des Beschwerdeführers über das Ergebnis der Beweisaufnahme. Demnach unterliege der Beschwerdeführer als geschäftsführender Gesellschafter der XXXX GmbH seit 01.09.1981 der Pflichtversicherung nach dem GSVG. Durch eine Korrektur der Beitragsgrundlagen im Zeitraum 1996 bis 2004 sei es im zweiten Quartal 2008 infolge einer Beitragsgutschrift in Höhe von 51.955,78 € zu einem Beitragsguthaben gekommen. Die Vorschreibung des 2. Quartals 2008 sei an die Adresse der GmbH zugestellt worden. Durch die Vorschreibung der Beiträge für den Zeitraum 01.01.2007 bis 31.05.2007 sei das Beitragsguthaben laut Vorschreibung des 2. Quartals 2011 auf einen Betrag von € 47.508,58 reduziert worden. Die Vorschreibung des 2. Quartals 2011 sei ebenfalls an die Adresse der GmbH übermittelt worden. Mit Schreiben vom 14.10.2013 - übermittelt an die Adresse der GmbH - sei der Beschwerdeführer davon informiert worden, dass die Pflichtversicherung mit 31.12.2004 beendet werde und dass durch die Beendigung der Pflichtversicherung ein Beitragsguthaben in Höhe von 58.490,46 € entstehe. Das Beitragsguthaben sei in der Verschreibung des 4. Quartals 2013 erstmals ersichtlich gewesen. Seitens der deutschen Verbindungsstelle Krankenversicherung Ausland sei der SVA die Wohnadresse des Beschwerdeführers in Deutschland mitgeteilt worden. Mit Schreiben vom 21.10.2015 - ergangen an die deutsche Adresse - sei der Beschwerdeführer darauf hingewiesen worden, dass sich auf dem Beitragskonto ein Guthaben befinde, und das Formular für den Rückzahlungsantrag beigelegt worden. Auf der Rückseite des Schreibens finde sich der Hinweis auf die Verjährung der Rückzahlung. Mit Schreiben vom 05.08.2016 habe der Beschwerdeführer einen Antrag auf Rückzahlung des Beitragsguthabens gestellt. Mit Schreiben vom 17.8.2016 sei er informiert worden, dass ein Beitragsguthaben in Höhe von € 10.981,88 angewiesen werde. Der Bescheid werde auf Grundlage des Ergebnisses der Beweisaufnahme erlassen werden, soweit nicht eine Stellungnahme des Beschwerdeführers anderes erfordere.

14. Am 06.06.2017 nahm die steuerliche Vertretung des Beschwerdeführers zum Parteiengehör vom 17.05.2017 Stellung und führte darin aus, dass das Beitragsguthaben für den Beschwerdeführer erstmals im 4. Quartal 2013 ersichtlich gewesen sei, da er das Schreiben vom 21.10.2015 mit dem Hinweis auf die Rückzahlungsverjährung nicht erhalten habe, andernfalls er sofort die Rückzahlung beantragt hätte.

15. Mit beschwerdegegenständlichem Bescheid vom 21.06.2017 wurde sodann der Antrag vom 03.02.2017 (sic!) auf Rückzahlung des Beitragsguthabens im Ausmaß von € 47.508,58 abgewiesen. Begründend führe die SVA aus, dass ab der Vorschreibung des 2. Quartals 2011 erstmals ein Beitragsguthaben in Höhe von € 47.508,58 ausgewiesen worden sei. Bezüglich dieses Betrages liege daher Verjährung vor, da bis zum Rückzahlungsantrag im August 2016 mehr als fünf Jahre verstrichen seien. Mangels gegenteiligen Vorbringens sei davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer das Vorhandensein des Beitragsguthabens aus den Vorschreibungen bekannt gewesen sei. Auf die Kenntnis der Verjährungsbestimmungen komme es für die Rückforderung nicht an. Angemerkt werde, dass die Bestimmung des § 41 Abs. 1 GSVG entgegen deren Wortlaut zu Gunsten des Beschwerdeführers dahingehend ausgelegt worden sei, dass es für den Beginn der 5-Jahresfrist auf jenen Zeitpunkt ankomme, in dem der Versicherte vom Vorhandensein eines Beitragsguthabens Kenntnis erlangt habe.

16. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, binnen offener Rechtsmittelfrist eingebrachte Beschwerde, die im Wesentlichen damit begründet wird, dass dem Beschwerdeführer eine Vorschreibung des 2. Quartals 2011 nicht vorliege und kein Nachweis erbracht worden sei, dass ihm diese Vorschreibung zugegangen sei. Richtig sei, dass er mit Schreiben vom 14.10.2013 darüber informiert worden sei, dass ein Beitragsguthaben in Höhe von € 58.490,46 bestehe. Da er davon ausgegangen sei, dass dieses Schreiben im unmittelbaren Zusammenhang mit der Vollendung seines 65. Lebensjahres stehe, habe er ihm keine weitere Bedeutung beigemessen, zumal er davon ausgegangen sei, dass zumindest in geringem Umfang eine Rentenzahlung erfolgen werde. Mit diesem Schreiben sei erstmals dargetan worden, dass ein entsprechendes Guthaben bestehe. Gegenteiliges ergebe sich auch nicht aus der Verständigung über das Ergebnis der Beweisaufnahme. Auch das Schreiben vom 17.08.2016, mit welchem ihm laut SVA eine Rückzahlung eines Beitragsguthabens in Höhe von € 10.981,88 mitgeteilt und er darauf hingewiesen worden sei, dass er bereits mit Schreiben vom 21.10.2015 über die Rückforderungsverjährung informiert worden sei, habe er nicht erhalten. Völlig offen sei auch, welcher Hinweis ihm dort gegeben worden sei. Auch aus den vorliegenden "Erklärungen zum Kontoauszug" ergebe sich weder der Beginn noch das Ende der Verjährungsfrist. Die Beiträge als geschäftsführender Gesellschafter seien stets seit dem 01.09.1981 pünktlich und vollständig - auch im Hinblick auf eine Alterssicherung - bezahlt worden. Ihm den Betrag in Höhe von €

47.508,58 mit Hinweis auf eigenes Verschulden als ungerechtfertigt zu verweigern, sei daher unzutreffend.

17. Am 26.07.2017 einlangend legte die SVA die Beschwerde samt den Bezug habenden Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor. In einer beigefügten Stellungnahme führte sie - soweit im vorliegenden Fall relevant - einerseits aus, dass das Beitragsguthaben durch eine Herabsetzung der Beitragsgrundlagen entstanden sei. An anderer Stelle merkte sie an, dass das Guthaben in Zusammenhang mit der Stornierung der Pflichtversicherung mit 31.12.2004 stehe.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Gemäß § 414 Abs. 1 ASVG kann gegen Bescheide der Versicherungsträger in Verwaltungssachen Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben werden.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch einen Senat vorgesehen ist.

Gemäß § 194 Z 5 GSVG gelten hinsichtlich des Verfahrens zur Durchführung des GSVG die Bestimmungen des Siebenten Teiles des ASVG mit der Maßgabe, dass § 414 Abs. 2 und 3 ASVG nicht anzuwenden ist. Die im ASVG vorgesehene Möglichkeit der Antragstellung auf Entscheidung durch einen Senat kommt daher im Bereich des GSVG nicht zum Tragen. Gegenständlich hat die Entscheidung daher mittels Einzelrichters zu erfolgen.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

Gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat und die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst nicht im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Das Modell der Aufhebung des Bescheids und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, setzt im Unterschied dazu aber nicht auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraus. Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung ist allgemein (nur) das Fehlen behördlicher Ermittlungsschritte. Sonstige Mängel, abseits jener der Sachverhaltsfeststellung, legitimieren nicht zur Behebung auf Grundlage von § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013) § 28 Anm. 11).

Der Verwaltungsgerichtshof hat ausgesprochen, dass eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen insbesondere dann in Betracht kommt, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063 und vom 10.09.2014, Ro 2014/08/0005).

Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben:

Vor der Entscheidung über den gegenständlichen Antrag auf Rückforderung ungebührlich entrichteter Beiträge ist zunächst als Vorfrage zu prüfen, ob und in welchem Umfang Beiträge zu Ungebühr entrichtet worden sind.

Im vorliegenden Fall ist eine nachprüfende Kontrolle der Beurteilung dieser Frage durch das Verwaltungsgericht nicht möglich, da weder dem angefochtenen Bescheid noch den mitübermittelten Verwaltungsakten mit der nötigen Klarheit entnommen werden kann, woraus sich das von der belangten Behörde ermittelte Guthaben ergibt.

Einerseits geht die belangte Behörde in ihrem Schreiben vom 14.10.2013 davon aus, dass die Voraussetzungen für die Ausnahme von der Pflichtversicherung in der Pensions- und Krankenversicherung nach dem GSVG gegeben sind, weil die Versicherungspflicht des Beschwerdeführers auf Grund der VO 1408/71 und der VO 574/72 nicht nach österreichischem Recht zu beurteilen ist und das Guthaben infolge "des rückwirkenden Stornos die Pflichtversicherung" entstanden ist.

Ebenso wird in der anlässlich der Beschwerdevorlage übermittelten Stellungnahme darauf hingewiesen, dass das Guthaben in Zusammenhang mit der Stornierung der Pflichtversicherung steht.

Auch der dem Kontoauszug für das 2. Quartal 2008 beigefügten "Erklärung zum Kontoauszug 2/2008" ist zu entnehmen, dass dem Beitragskonto des Beschwerdeführers die im Zeitraum 01.01.1996 bis 31.12.2004 entrichteten Beiträge zur Krankenversicherung und Pensionsversicherung, die im Zeitraum 01.01.1996 bis 31.12.1997 entrichteten Betriebshilfebeiträge sowie die bis 25.01.2008 geleisteten Verzugszinsen gutgeschrieben worden sind.

Andererseits wird sowohl im Schreiben vom 12.02.2008 als auch im Parteiengehör vom 17.05.2017 und in der anlässlich der Beschwerdevorlage übermittelten Stellungnahme darauf hingewiesen, dass das Guthaben infolge einer Korrektur der Beitragsgrundlagen (betreffend die Jahre 1996 bis 2004) bzw. durch eine Nachbelastung (betreffend die Jahren 2005 bis 2007) entstanden ist, was jedoch zwangsläufig den Bestand einer Pflichtversicherung nach dem GSVG voraussetzt.

Zudem stellte die Behörde mit Schreiben vom 10.12.2007 und vom 14.10.2013 (ebenso in sich widersprüchlich) fest, dass die Pflichtversicherung auf Grund der Anwendung der VO 1408/71 mit 31.05.2008 bzw. mit 31.12.2004 geendet hat, woraus der Schluss zu ziehen ist, dass nach Ansicht der Behörde jeweils davor eine Pflichtversicherung bestanden hat.

Das am 28.01.2008 von der steuerlichen Vertretung des Beschwerdeführers übermittelte Formular E 101, auf dessen Inhalt sich die belangte Behörde offensichtlich bei der Beurteilung der Versicherungspflicht und damit der Ungebührlichkeit der entrichteten Beiträge bezieht, wurde dem Verwaltungsgericht nicht vorgelegt, und vermag daher diesbezüglich keine Klarheit zu verschaffen.

Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde daher zunächst nachvollziehbare Feststellungen zum Bestehen bzw. Nichtbestehen einer Pflichtversicherung nach dem GSVG zu treffen haben, wobei sie zu berücksichtigen hat, dass eine in mehreren Mitgliedstaaten ausgeübte selbständige Erwerbstätigkeit und der Umstand, dass der Beschwerdeführer (laut Akt seit Anfang an) seinen Wohnsitz in Deutschland hat, gemäß Art. 14a Abs. 2 der im vorliegenden Fall zeitraumbezogen anzuwendenden VO 1408/71 jedenfalls ab dem Beitritt Österreichs zum EWR am 01.01.1994 keine Pflichtversicherung nach dem GSVG nach sich zieht.

Die Annahme einer Formalversicherung gemäß § 14 GSVG wäre in diesem Fall ebenfalls unzulässig, weil sich aus der Bestimmung des Art. 15 Abs. 1 VO 1408/71, die selbst den Bestand einer freiwilligen Versicherung in einem weiteren Mitgliedstaat neben einer Pflichtversicherung iSd Art. 14a Abs. 2 VO 1408/71 im zuständigen Mitgliedstaat ausschließt, im Größenschluss ergibt, dass im Anwendungsbereich der VO 1408/71 die Begründung einer Formalversicherung im nicht zuständigen Mitgliedstaat ausscheidet.

Auch ein sonstiger Ausschlussgrund des § 41 Abs. 2 GSVG liegt nach der Aktenlage nicht vor, zumal den übermittelten Verwaltungsakten zu entnehmen ist, dass weder die SVA noch ein anderer Versicherungsträger jemals Leistungen erbracht hat.

Völlig ungeeignete Ermittlungsschritte hat die belangte Behörde schließlich hinsichtlich der Frage der Verjährung gesetzt. In Verkennung der Rechtslage ging sie davon aus, dass die Verjährungsfrist des § 41 Abs. 1 GSVG mit dem Zeitpunkt zu laufen beginnt, in dem dem Versicherten bekannt gewesen ist, dass er zu Ungebühr Beiträge entrichtet hat. Dies widerspricht nicht nur dem Wortlaut der Bestimmung, wie die Behörde auch zutreffend festgestellt hat, sondern auch der ständigen Rechtsprechung des VwGH. Dieser hat nämlich bereits mit Erkenntnis vom 07.07.1992, Zl. 92/08/0079, zur im Wesentlichen gleichlautenden Bestimmung des § 69 Abs. 1 ASVG klargestellt, dass das Recht auf Rückforderung zu Ungebühr entrichteter Sozialversicherungsbeiträge nach Ablauf von drei (hier gemäß § 41 Abs. 1 GSVG, auch in der zeitraumbezogen anzuwendenden Fassung des BGBl. Nr. 314/1994: fünf) Jahren nach der Zahlung verjährt.

Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass gemäß § 41 Abs. 1 dritter Satz leg.cit. die Verjährung durch die Einleitung eines Verwaltungsverfahrens zur Herbeiführung einer Entscheidung, aus der sich die Ungebührlichkeit der Beitragsentrichtung ergibt, bis zu einem Anerkenntnis durch den Versicherungsträger bzw. bis zum Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung im Verwaltungsverfahren unterbrochen wird.

Demensprechend ist im vorliegenden Fall von entscheidender Bedeutung, wann das beschwerdegegenständliche Verwaltungsverfahren eingeleitet wurde, um feststellen zu können, wann die Verjährung der zu Ungebühr entrichteten Beiträge eingetreten ist und wann diese unterbrochen wurde.

Hierzu hat die belangte Behörde keinerlei Feststellungen getroffen, sondern lediglich festgestellt, ab wann der Beschwerdeführer vom Guthaben Kenntnis hatte, was aber der o.a. Rechtsprechung zufolge ebenso wie die Frage des Verschuldens (vgl. VwGH 20.09.2000, Zl. 97/08/0535) irrelevant ist.

Laut den (in dieser Hinsicht ebenfalls nicht vollständig) vorgelegten Verwaltungsakten bestand jedenfalls bereits am 10.12.2007 ein solches Verfahren, da an diesem Tag ein Schreiben der SVA an den Beschwerdeführer erging, in dem diesem mitgeteilt wurde, dass nach den der Behörde vorliegenden Unterlagen die Voraussetzungen für die Ausnahme von der Pflichtversicherung in der Pensions- und Krankenversicherung nach dem GSVG gegeben seien.

Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde daher unter Wahrung des Parteiengehörs weiters festzustellen haben, wann das vorliegende Verfahren zur Herbeiführung einer Entscheidung über die Ungebührlichkeit der entrichteten Beiträge und die Höhe des Rückerstattungsbetrages eingeleitet wurde. Aus diesem Zeitpunkt ergibt sich sodann nach der oben zitierten Rechtsprechung, dass alle zu Ungebühr entrichteten Beiträge die fünf Jahre davor fällig wurden, bereits verjährt sind, wobei zu beachten ist, dass die Verjährungsfrist bis dato unterbrochen ist, weil infolge der strittigen Frage der Verjährung noch keine rechtskräftige Entscheidung über die Höhe des Rückerstattungsbetrages vorliegt.

Eine Nachholung des mangelhaften Ermittlungsverfahrens durch das Bundesverwaltungsgericht liegt im Lichte der eingangs erwähnten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei Setzung völlig ungeeigneter Ermittlungsschritte nicht im Sinne des Gesetzes. Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden wäre, ist - angesichts des Umstandes, dass sich der vollständige Beitragsakt bei der Behörde befindet und die Behörde direkten Zugang zum Beitragskonto des Beschwerdeführers hat - auch nicht ersichtlich.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Ermittlungspflicht, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung,
Pflichtversicherung, Verjährung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W209.2165531.1.00

Zuletzt aktualisiert am

18.04.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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