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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
BStMG 2002 §20 Abs2;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2018/06/0002Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler und die Hofrätinnen Dr. Bayjones und Mag. Rehak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber, über die Revisionen des E M, vertreten durch die Dr. Wolfgang Schimek Rechtsanwalt GmbH in 3300 Amstetten, Niederösterreich, Graben 42, gegen die Erkenntnisse des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 14. November 2017, LVwG-S-2504/001-2016 (Ra 2018/06/0001), und vom 18. November 2017, LVwG-S-2125/001-2016 (Ra 2018/06/0002), jeweils betreffend eine Übertretung des Bundesstraßen-Mautgesetzes 2002 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht in beiden Verfahren:
Bezirkshauptmannschaft Mödling), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revisionen werden zurückgewiesen.
Begründung
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).
2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
4 Mit Straferkenntnissen der Bezirkshauptmannschaft Mödling vom 25. August 2016 und vom 19. Juli 2016 wurde der Revisionswerber jeweils der Übertretung der §§ 6, 7 Abs. 1 und 8 Abs. 2 in Verbindung mit § 20 Abs. 2 Bundesstraßen-Mautgesetz 2002 (BStMG) schuldig erkannt und es wurden über ihn gemäß § 20 Abs. 2 BStMG Geldstrafen in der Höhe von jeweils EUR 300,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 72 Stunden) verhängt. Dem Revisionswerber wurde zur Last gelegt, ein näher bezeichnetes Fahrzeug am 12. Oktober 2015 um 16.03 Uhr sowie am 13. Oktober 2015 um
10.18 Uhr im mautpflichtigen Straßennetz an verschiedenen Tatorten der S1 gelenkt zu haben, ohne dass die fahrleistungsabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet worden sei. Es sei festgestellt worden, dass keine Mautabbuchungen stattgefunden hätten. Eine Einhaltung der gesetzlichen Mitwirkungspflicht, die in der Vergewisserung der technischen Funktionsfähigkeit des Fahrzeuggerätes bestehe, habe nicht stattgefunden.
5 Mit den angefochtenen Erkenntnissen wurden die gegen diese Straferkenntnisse erhobenen Beschwerden des Revisionswerbers als unbegründet abgewiesen und der Revisionswerber zum Ersatz der Kosten des Beschwerdeverfahrens verpflichtet. Das Verwaltungsgericht sprach jeweils aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
6 Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (LVwG) legte seinen Entscheidungen jeweils die Feststellung zugrunde, dass die verwendete GO-Box defekt gewesen sei und deshalb keine Abbuchung der für die Verwendung der S1 im jeweiligen Bereich zu entrichtenden fahrleistungsabhängigen Maut stattgefunden habe. Die Funktionslosigkeit der GO-Box habe wenigstens seit 12. Oktober 2015, 10.31 Uhr bestanden (wird näher ausgeführt). Das Nichterfolgen der Abbuchung wäre für den Kraftfahrzeuglenker wegen des Nichtertönens des entsprechenden akustischen Signals erkennbar gewesen. Außerdem sei die Funktionslosigkeit der GO-Box durch das Nichtfunktionieren der LED-Anzeige sichtbar gewesen.
7 Weiters hielt das LVwG fest, dass der Lenker gemäß § 8 Abs. 2 BStMG verpflichtet sei, sich regelmäßig von der Funktionsfähigkeit des Gerätes zur elektronischen Entrichtung der Maut, also der GO-Box, zu überzeugen. Dazu gehöre einerseits die Funktionskontrolle vor Fahrtantritt, wozu die entsprechenden LEDs vorgesehen seien. Während der Fahrt habe dies "durch Achten auf die ordnungsgemäße Abbuchung hinsichtlich des Wahrnehmens der akustischen Signale zu geschehen". Eine derartige Beobachtung sei jedem Fahrzeuglenker zweifellos auch neben der Beobachtung des Verkehrs und der Einhaltung der Verkehrsvorschriften zumutbar (wird näher ausgeführt). Das Vorliegen einer besonderen Situation, die die Aufmerksamkeit des Lenkers so in Anspruch genommen hätte, dass ausnahmsweise eine Kontrolle nicht möglich oder zumutbar gewesen wäre, habe der Revisionswerber nicht darzutun vermocht.
8 Soweit der Revisionswerber das Vorliegen eines fortgesetzten Delikts (im Hinblick auf die Tatvorwürfe bezüglich verschiedener Übertretungen zwischen dem 12. Oktober 2015 und dem 21. Oktober 2015) geltend mache, sei ihm entgegenzuhalten, dass es diesbezüglich schon am Erfordernis des einheitlichen Tatvorsatzes fehle (Hinweis auf VwGH 25.8.2010, 2010/03/0025), weil im vorliegenden Fall von einer fahrlässigen Begehung auszugehen sei. Die Überlegungen im Erkenntnis VwGH 3.5.2017, Ra 2016/03/0108, ließen sich nicht auf den vorliegenden Fall übertragen (wird näher ausgeführt). Das LVwG sehe sich daher nicht veranlasst, von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Übertretung des BStMG, wonach es sich um eine Reihe von Einzeldelikten und nicht um ein fortgesetztes Delikt handle, abzugehen. Im Übrigen begründete das LVwG die vorgenommene Strafbemessung.
9 Gegen diese Erkenntnisse richten sich die vorliegenden außerordentlichen Revisionen, in denen die Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, in eventu die Entscheidung in der Sache durch den Verwaltungsgerichtshof, sowie Kostenersatz beantragt wurden.
10 Zur Zulässigkeit führt der Revisionswerber aus, es sei von einem fortgesetzten Delikt auszugehen. Auch eine fahrlässige Begehung eines Dauerdeliktes sei möglich (Hinweis auf VwGH 3.5.2017, Ra 2016/03/0108). Diesem Erkenntnis hätte das LVwG zu folgen gehabt. Zudem liege keine einheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor, ob eine fahrlässige Begehung eines Dauerdeliktes möglich sei.
11 Ob eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt, ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu beurteilen. Wurde die zu lösende Rechtsfrage daher in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - auch nach Entscheidung des Verwaltungsgerichtes oder selbst nach Einbringung der Revision - bereits geklärt, ist eine Revision wegen fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht (mehr) zulässig (vgl. VwGH 30.8.2016, Ro 2015/06/0015, mwN).
12 Zu der für die Zulässigkeit der vorliegenden Revisionen vom Revisionswerber aufgegriffenen strittigen Rechtsfrage, ob mit Blick auf die dem Revisionswerber angelasteten Verwaltungsübertretungen von einem fortgesetzten Delikt auszugehen ist, hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 25. Jänner 2018, Ra 2016/06/0025, ausführlich Stellung genommen. Auf die Begründung dieses Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.
13 Es liegt somit eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der strittigen Rechtsfrage vor, anhand der sich auch die gegenständlichen Fälle lösen lassen. Die angefochtenen Entscheidungen stehen im Einklang mit diesen höchstgerichtlichen Leitlinien.
14 Mit dem Hinweis auf eine vermeintlich nicht einheitliche Rechtsprechung zur Möglichkeit eines fortgesetzten Delikts auch bei fahrlässiger Tatbegehung zeigt die Revision im Hinblick auf die auch nach dem Erkenntnis vom 3. Mai 2017 maßgebliche jeweilige Eigenart des Delikts und das zum hier angewendeten Straftatbestand ergangene Erkenntnis vom 25. Jänner 2018 keine grundsätzliche Rechtsfrage auf.
15 Da somit keine Rechtsfragen aufgeworfen werden, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, waren die Revisionen zurückzuweisen.
Wien, am 28. Februar 2018
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018060001.L00Im RIS seit
17.04.2018Zuletzt aktualisiert am
27.08.2018