Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P***** W*****, vertreten durch Mag. Boris Knirsch, Mag. Michael Braun und Mag. Christian Fellner, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei F***** B*****, vertreten durch Dr. Friedrich Lorenz, Rechtsanwalt in Baden, wegen 100.931,58 EUR sA über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. November 2017, GZ 2 R 158/17w-44, womit über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 28. Mai 2017, GZ 26 Cg 129/15y-25, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Die Parteien sind Gesellschafter der im Jahr 2008 gegründeten B***** OG – *****. Mit Schreiben vom 11. 5. 2015 kündigte der Beklagte die Gesellschaft.
Der Kläger begehrt zuletzt 100.931,58 EUR. Die Streitteile hätten vereinbart, zu gleichen Teilen an Gewinnen und Verlusten beteiligt zu sein. Der Beklagte sei für die Akquise und die Buchhaltung zuständig gewesen, während der Kläger für die manuelle Abarbeitung der Aufträge zuständig sei. Der Beklagte habe seine Tätigkeiten nicht im Sinne der Vereinbarung durchgeführt. Er habe Privatentnahmen von insgesamt 83.791,39 EUR getätigt, wodurch das Konto überschuldet gewesen und das Einkommen des Klägers zur Tilgung der Schulden herangezogen worden sei. Der Kläger habe keine Entnahmen getätigt, sodass ihm die Hälfte der Entnahmen zu ersetzen seien. Weiters habe der Beklagte von der Gesellschaft erworbene Sachen im Wert von insgesamt 22.980 EUR für sich in Besitz und verweigere die Herausgabe. Forderungen gegen die Gesellschaft in Höhe von zumindest 4.500 EUR seien noch offen, sodass der Beklagte dem Kläger zum Ersatz der Hälfte dieser Forderungen verpflichtet sei. Weitere Forderungen gegen die Gesellschaft seien vom Kläger allein beglichen worden. Aus diesem Titel stehe ihm ein Anspruch auf 31.247,88 EUR zu. Schließlich habe der Kläger Forderungen gegen den Beklagten für dessen Privathaus in Höhe von insgesamt 2.558 EUR gezahlt.
Der Beklagte bestritt das Klagebegehren und beantragte die Klagsabweisung. Er habe keine Privatentnahmen getätigt. Auch habe er nicht Betriebsvermögen in unzulässiger Weise verwendet. Er habe auch niemals die Herausgabe von Materialien und Gerätschaften, die im Eigentum der Gesellschaft stünden, verweigert. Die Aufwendungen für das Privathaus beträfen den Geschäftssitz der OG. Außerdem wandte der Beklagte mehrere Gegenforderungen ein.
Das Erstgericht sprach aus, dass die Klagsforderung mit 58.056,19 EUR zu Recht und die geltend gemachten Gegenforderungen nicht zu Recht bestehen, und verurteilte den Beklagte zur Zahlung von 58.056,19 EUR sA. Dabei ging es im Wesentlichen von folgendem Sachverhalt aus:
Die Gesellschaft nahm am 11. 2. 2010 einen Kredit in Höhe von 75.000 EUR auf. Der Kläger zahlte am 8. 7. 2015 den aushaftenden Kreditbetrag von 34.503,25 EUR ein. Dabei fielen auch Kontoschließungskosten von 42,70 EUR an. Außerdem überwies er von seinem Privatkonto einen Betrag von 6.111,58 EUR zur Abdeckung einer Verbindlichkeit der Gesellschaft. Weiters überwies er von seinem Privatkonto 7.000 EUR an R***** P***** zur Begleichung einer Rechnung, an die Steuerberaterin 2.292 EUR, an das Finanzamt Baden 7.546,73 EUR. Von letzterem Betrag wurden dem Kläger 5.000 EUR von der Gesellschaft ersetzt. Außerdem zahlte der Kläger von seinem Privatkonto 357,82 EUR und 578,20 EUR Versicherungsprämien, eine Rechnung der Firma Q***** von 2.065,28 EUR, 2.200 EUR an die S***** GmbH, sowie 358,62 EUR an die A*****.
Rechtlich würdigte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahingehend, das keine vom Verhältnis 50:50 abweichende Aufbringung von Sach- und Kapitaleinlagen vorliege, sodass eine Aufteilung der Aufwendungen und Erlöse zu gleichen Teilen vorzunehmen seien. Da die Entnahmen durch den Beklagten zum privaten Gebrauch erfolgten, habe der Kläger Anspruch auf die Hälfte der entnommenen 34.360 EUR. Außerdem müsse der Beklagte die Hälfte des Werts der aus dem Gesellschaftsvermögen stammenden Gegenstände leisten, somit 10.638 EUR.
Gleiches gelte für die Aufwendungen, die der Kläger aus seinem Privatvermögen für die Gesellschaft bestritten habe. Insgesamt habe der Kläger aus privaten Mitteln 58.056,19 EUR für die Gesellschaft aufgewendet. Insgesamt ergebe sich daraus ein Anspruch auf Zahlung von 56.846,10 EUR. Die geltend gemachten Gegenforderungen bestünden demgegenüber nicht zu Recht, da keine der behaupteten Forderungen nachgewiesen worden sei.
Das Berufungsgericht hob diese Entscheidung auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Im Rahmen der gebotenen allseitigen rechtlichen Prüfung des Sachverhalts sei aufzugreifen, dass das Klagebegehren unschlüssig sei. Der Kläger dürfe mit dieser Rechtsansicht nicht überrascht werden, sodass mit Aufhebung des Ersturteils vorzugehen sei. Nach § 145 Abs 1 UGB habe eine Liquidation stattzufinden. Abgesehen davon, dass ein Kläger davor die Höhe eines ihm zustehenden Betrags (mangels Verwertung) nicht beweisen könne, sei der Ausgleichsanspruch vor Abschluss der Liquidation nicht fällig. Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil zur Frage, wann ein Ausgleichsanspruch ohne Liquidation geltend gemacht werden könne, Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehle.
Rechtliche Beurteilung
Hiezu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:
Der Rekurs ist aus Gründen der Rechtssicherheit zulässig; er ist aber nicht berechtigt.
1. Da die Gesellschaft am 27. 10. 2008 gegründet wurde, ist das Recht der Offenen Gesellschaft nach der Handelsrechtsreform 2005, in Kraft getreten mit 1. 1. 2007, anzuwenden.
2.1. Die Kündigung hatte gemäß § 131 Z 6 UGB die Auflösung der Gesellschaft zur Folge. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass die im Gesellschaftsvertrag enthaltene Übernahmeklausel nur eine Übernahmebefugnis, also ein Recht des Klägers, vorsieht, von dem er keinen Gebrauch gemacht hat, wird im Rekurs nicht bekämpft. Damit hat aber gemäß § 145 Abs 1 UGB grundsätzlich eine Liquidation stattzufinden, sofern nicht eine andere Art der Auseinandersetzung von den Gesellschaftern vereinbart oder über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet ist. Eine Klage auf Zustimmung zur Liquidation ist nicht erforderlich, weil mit der Auflösung der Gesellschaft die Liquidation stattfindet, sofern nicht eine andere Art der Auseinandersetzung von den Gesellschaftern vereinbart wurde (RIS-Justiz RS0062213).
2.2. Unter einer „anderen Art der Auseinandersetzung“ wurden von der Rechtsprechung die Übernahme des Geschäfts durch einen der Gesellschafter (RIS-Justiz RS0062225) oder die Einbringung in eine andere Gesellschaft (RIS-Justiz RS0061871) subsumiert. In der Literatur werden die Gesamtrechtsnachfolge, die Naturalteilung des Gesellschaftsvermögens und bestimmte Fälle der Veräußerung des Unternehmens genannt (näher U. Torggler in Straube/Ratka/Rauter, UGB I4 § 145 Rz 72 f). Jedenfalls bedarf eine andere Art der Auseinandersetzung einer gesellschaftsvertraglichen Grundlage (5 Ob 89/93d; RIS-Justiz RS0062217; 4 Ob 503/79; U. Torggler in Straube/Ratka/Rauter, UGB I4 § 145 Rz 70 und 75 f); es ist also eine Vereinbarung unter den Gesellschaftern erforderlich (4 Ob 503/79), wobei grundsätzlich die Zustimmung sämtlicher Gesellschafter notwendig ist (RIS-Justiz RS0062225).
2.3. Der Rekurs steht demgegenüber auf dem Standpunkt, die Gesellschafter hätten durch die Klagsführung hier konkludent eine „andere Form der Auseinandersetzung“ iSd § 145 Abs 1 UGB vereinbart. Dem kann nicht gefolgt werden: Die bloße Einlassung auf das vorliegende Verfahren kann nicht als Zustimmung zu einer „anderen Art der Auseinandersetzung“ gesehen werden, zumal § 863 ABGB für schlüssiges Handeln verlangt, dass kein vernünftiger Grund gegeben sein darf, am Vorliegen einer Willenserklärung zu zweifeln. Auch sonst bieten die Verfahrensergebnisse keinerlei Hinweis in Richtung auf eine diesbezügliche konkludente Vereinbarung.
3.1. Die Liquidation dient vor allem den Interessen der Gesellschafter und nicht vorrangig denen der Gläubiger (RIS-Justiz RS0119052). Die Liquidation (einer Personenhandelsgesellschaft) ist daher entbehrlich, wenn überhaupt kein gemeinsames Aktivvermögen oder sonstige gemeinschaftliche Beziehungen vorhanden sind: Hat die Gesellschaft nur Verbindlichkeiten oder steht bloß noch der innere Ausgleich zwischen den Gesellschaftern aus, kann die Liquidation entfallen, weil die Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger aus dem Privatvermögen der Gesellschafter nicht Aufgabe der Liquidatoren ist und der Ausgleich zwischen den Gesellschaftern entweder einvernehmlich erfolgt oder im Prozessweg auszutragen ist (RIS-Justiz RS0062180).
3.2. Es gibt daher Fälle, in denen eine Liquidation deshalb unterbleiben kann, weil kein Liquidationsbedarf besteht (U. Torggler in Straube/Ratka/Rauter, UGB I4 § 145 Rz 23 ff): Dazu gehört der erwähnte Fall, dass die Gesellschaft über kein Aktivvermögen verfügt. Dabei ist der Begriff des „Aktivvermögens“ jedoch weit zu verstehen und umfasst auch bloß gemietete (vgl RIS-Justiz RS0021209 [T9, T13]) oder nur prekaristisch überlassene Gegenstände. Unverwertbare Gegenstände oder uneinbringliche Forderungen sind aber nach hM kein Aktivvermögen, doch müssen auch sie verteilt bzw zediert oder erlassen werden (U. Torggler in Straube/Ratka/Rauter, UGB I4 § 145 Rz 25 mwN). Gesellschaftsverbindlichkeiten stehen der Vollbeendigung hingegen nicht entgegen (RIS-Justiz RS0021209 [T3]).
3.3. Im vorliegenden Fall steht hingegen fest, dass der Beklagte noch über mehrere Gegenstände, wie insbesondere Material, Maschinen und Geräte verfügt, die im Eigentum der Gesellschaft stehen. Damit ist aber der Rechtsansicht des Berufungsgerichts beizupflichten, dass zunächst im Rahmen einer Liquidation diese Gegenstände einer Verwertung zuzuführen sein werden (vgl § 149 Abs 1 UGB), sind doch grundsätzlich alle Vermögensgegenstände, die zum Gesellschaftsvermögen zählen, von den Liquidatoren in Geld umzusetzen (Jabornegg/Artmann, UGB² § 149 Rz 30).
4.1. Tritt eine Gesellschaft in den Stand der Liquidation, dann erlischt sie nicht schon dadurch, sondern unabhängig von ihrer Löschung oder ihrem Verbleib im Firmenbuch erst mit der Beendigung der Liquidation (RIS-Justiz RS0061815). Eine Kündigung führt zwar zur Auflösung, nicht aber zum Erlöschen der Gesellschaft; die Kündigung verwandelt die bisher werbende Gesellschaft in eine Abwicklungsgesellschaft (RIS-Justiz RS0061938).
4.2. Zur Liquidation gehört gemäß § 149 Abs 1 UGB auch die Einziehung der Forderungen der Gesellschaft. Dazu gehören grundsätzlich auch Forderungen gegen die Gesellschafter, insbesondere Sozialansprüche, also Ansprüche aus dem Gesellschaftsverhältnis wie beispielsweise auf Herausgabe von Vermögensgegenständen der Gesellschaft (Jabornegg/Artmann, UGB² § 149 Rz 25); der geänderte Gesellschaftszweck führt aber dazu, dass solche Sozialansprüche nur noch eingeschränkt geltend gemacht werden können (U. Torggler in Straube/Ratka/Rauter, UGB I4 § 149 Rz 24 ff): Während des Liquidationsstadiums können Ansprüche aus dem Gesellschaftsverhältnis ebenso wie Sozialansprüche der Gesellschaft nur noch nach Maßgabe des Liquidationszwecks isoliert geltend gemacht werden; sonst fließen sie in der Regel als unselbständige Rechnungsposten in eine kontokorrentähnliche Gesamtabrechnung ein (U. Torggler in Straube/Ratka/Rauter, UGB I4 § 145 Rz 54 f mwN; Dellinger/Schellner in Zib/Dellinger, UGB § 149 Rz 26 mwN). Dies bedeutet, dass sie nur geltend gemacht werden können, wenn und soweit dies für die Liquidation erforderlich ist; im Übrigen sind sie als Rechnungsposten in der Schlussabrechnung zu berücksichtigen, sodass sie nur im Wege einer Gesamtabrechnung geltend gemacht werden können (U. Torggler in Straube/Ratka/Rauter, UGB I4 § 149 Rz 29; vgl zu Privatentnahmen eines Gesellschafters 6 Ob 39/10v ErwGr 7.4–7.6; vgl auch Dellinger/Schellner in Zib/Dellinger, UGB § 149 Rz 36 f).
4.3. Ebenso können Regressansprüche unter den Gesellschaftern in der Liquidation nur geltend gemacht werden, wenn und soweit feststeht, dass der Regressanspruch gegen die Gesellschaft nicht im Rahmen der Schlussabrechnung getilgt werden wird (U. Torggler in Straube/Ratka/Rauter, UGB I4 § 145 Rz 59 mwN aus der deutschen Rechtsprechung).
4.4. Nach § 155 Abs 1 UGB ist schließlich das nach Berücksichtigung der Schulden verbleibende Vermögen der Gesellschaft von den Liquidatoren nach dem Verhältnis der Beteiligung der Gesellschafter unter Berücksichtigung ihrer Guthaben und Verbindlichkeiten aus dem Gesellschaftsverhältnis, wie sie sich aufgrund der Schlussbilanz ergeben, unter die Gesellschafter zu verteilen. Die Schlussverteilung ist aber grundsätzlich erst nach Abschluss der Liquidationsmaßnahmen vorzunehmen (U. Torggler in Straube/Ratka/Rauter, UGB I4 § 155 Rz 18). Dabei kann jeder Gesellschafter den Anspruch auf Auszahlung des Liquidationsguthabens mittels Klage gegen die Gesellschaft, nicht aber gegen die Mitgesellschafter durchsetzen (Dellinger/Schellner in Zib/Dellinger, UGB § 155 Rz 34 f mwN).
4.5. Besteht zwischen den Gesellschaftern Streit über die Höhe der ihnen zustehenden Kapitalanteile oder über die Gewinnanteile, falls diese als Verteilungsschlüssel zugrunde zu legen wären, dann kann eine Zuteilung durch die Abwickler nicht erfolgen. Sie müssen vielmehr die Verteilung bis zur Entscheidung des Rechtsstreites aussetzen. Die Klage ist weder gegen die Abwickler noch gegen die Gesellschaft, sondern gegen die den Anspruch bestreitenden Gesellschafter zu richten (RIS-Justiz RS0061907). Gegenstand des Streits kann jede Meinungsverschiedenheit der Gesellschafter über die Vornahme der Verteilung sein (7 Ob 518/87). Die Austragung des Streits unter den Gesellschaftern hat mittels Feststellungsklage zu erfolgen (RIS-Justiz RS0061907 [T4]). Bei einem Streit der Gesellschafter über die Verteilung ist das Vorliegen der Schlussbilanz nicht Voraussetzung der Prozessführung gegen den bestreitenden Gesellschafter; der klagende Gesellschafter muss nur seinen Anspruch nachweisen können (RIS-Justiz RS0061916). Ein derartiger Nachweis ist dem Kläger im vorliegenden Fall aber nicht gelungen.
4.6. § 155 Abs 4 UGB sieht für den Fall, dass das Gesellschaftsvermögen zur Deckung der Guthaben von Gesellschaftern aus dem Gesellschaftsverhältnis nicht ausreicht, vor, dass die übrigen Gesellschafter ihnen gegenüber verpflichtet sind, für den Betrag im Verhältnis ihrer Verbindlichkeiten aus dem Gesellschaftsverhältnis aufzukommen. Kann von einem Gesellschafter der auf ihn entfallende Betrag nicht erlangt werden, so wird der Ausfall auf die übrigen Gesellschafter wie ein Verlust verteilt. Nach dieser Bestimmung hat also ein Gesellschafter mit einem positiven Liquidationsanteil einen Ausgleichsanspruch gegen Gesellschafter mit einem negativen Liquidationsanteil (U. Torggler in Straube/Ratka/Rauter, UGB I4 § 155 Rz 30 ff). Der Ausgleich erfolgt aber – mangels abweichender Vereinbarung – erst nach Abschluss der Liquidation (Dellinger/Schellner in Zib/Dellinger, UGB § 155 Rz 64). Das Vorliegen der Schlussbilanz ist nicht Voraussetzung für die Klagsführung; der Kläger trägt dann jedoch die Beweislast dafür, welcher Anspruch ihm zusteht (RIS-Justiz RS0061916).
5.1. Auch aus § 155 Abs 3 UGB ist für den Rechtsstandpunkt des Klägers nichts zu gewinnen. Nach dieser Bestimmung haben die Liquidatoren für den Fall der Uneinigkeit unter den Gesellschaftern die Verteilung des Gesellschaftsvermögens bis zur Entscheidung des Streits auszusetzen. Der Kläger hat in erster Instanz jedoch weder ein Liquidationsguthaben, das zudem nicht gegen den Mitgesellschafter, sondern gegen die Gesellschaft geltend zu machen wäre, noch einen Ausgleichsanspruch nach § 155 Abs 4 UGB, noch Fragen der Verteilung nach § 155 Abs 3 UGB, sondern schlicht zahlreiche Einzelpositionen geltend gemacht. Gerade dies ist aber im Stadium der Liquidation nicht zulässig (6 Ob 39/10v ErwGr 7.4–7.6).
5.2. Auch besteht entgegen der Rechtsansicht des Erstgerichts keine Grundlage dafür, den Wert der Gegenstände aus dem Gesellschaftsvermögen, über die der Beklagte verfügt, einfach nach der letzten Inventur anzusetzen und den Beklagten dann zum Ersatz der Hälfte davon an den Kläger zu verpflichten, weil die Art und Weise, wie die Umsetzung des Gesellschaftsvermögens in Geld stattzufinden hat, von den Liquidatoren nach pflichtgemäßem Ermessen bestimmt wird (RIS-Justiz RS0062306); mehrere Liquidatoren können dabei gemäß § 150 Abs 1 UGB nur gemeinsam handeln (vgl dazu auch 3 Ob 175/01h). Ebenso ist die Verteilung von Gegenständen an die Gesellschafter in natura nur mit allseitiger Zustimmung möglich (U. Torggler in Straube/Ratka/Rauter, UGB I4 § 149 Rz 32). Für die Annahme eines Verkaufs der Gegenstände an den Beklagten (vgl RIS-Justiz RS0062306 [T1]) fehlt es schließlich an Anhaltspunkten dafür, dass der Beklagte die Gegenstände kaufen wollte. Zutreffend hat daher das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass der Kläger den ihm letztlich zustehenden Anspruch derzeit schon deshalb nicht beweisen kann, weil noch keine vollständige Verwertung des Gesellschaftsvermögens stattgefunden hat.
5.3. Auch wenn man davon ausginge, dass die hier geltend gemachten Ansprüche solche der Gesellschaft und nicht des Klägers seien, würde dies zu keinem anderen Ergebnis führen: Zwar kann bei einer in Abwicklung befindlichen OG ein Gesellschafter einen der Gesellschaft zustehenden Anspruch im eigenen Namen geltend machen, wenn es sich bei diesem Anspruch um den letzten Vermögenswert der Gesellschaft handelt und der Vermögenswert nach dem Auseinandersetzungsverfahren diesem Gesellschafter allein zukommt (RIS-Justiz RS0062062). Im vorliegenden Fall hat aber noch keine Liquidation stattgefunden, sodass derzeit noch nicht abschließend beurteilt werden kann, welcher Betrag dem Kläger letztlich zukommen wird.
6. Zusammenfassend erweist sich damit die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, wonach zunächst eine Liquidation mit einer Verwertung des vollständigen Vermögens und einer Gesamtabrechnung erforderlich ist, als frei von Rechtsirrtum. Weil dies in erster Instanz nicht erörtert wurde, hat das Berufungsgericht auch zutreffend die Entscheidung des Erstgerichts aufgehoben, da die Parteien mit dieser Rechtsansicht nicht überrascht werden dürfen (RIS-Justiz RS0037300 [T1]). Dem unbegründeten Rekurs war daher ein Erfolg zu versagen.
7. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.
Textnummer
E121152European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2018:0060OB00028.18P.0228.000Im RIS seit
18.04.2018Zuletzt aktualisiert am
23.11.2018