TE Vwgh Beschluss 2000/3/28 99/14/0069

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Veröffentlicht am 28.03.2000
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §93 Abs2;
VwGG §46 Abs1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 99/14/0070

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Doralt, über den Antrag des R O in K, vertreten durch Dr. Reinhard Kohlhofer, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Fasangartengasse 35, auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist und über die Beschwerde gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 16. September 1998, RV/422-16/04/97, betreffend Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer 1987 und 1988, den Beschluss gefasst:

Spruch

1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen;

2. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 4.565 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer erhob mit dem am 19. März 1999 zur Post gegebenen Schriftsatz Bescheidbeschwerde gegen die im Spruch dieses Beschlusses genannte Berufungsentscheidung der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (angefochtener Bescheid). In der Beschwerde wurde behauptet, der angefochtene Bescheid sei dem bevollmächtigten Rechtsanwalt Dr. Kohlhofer am 12. März 1999 zugestellt worden.

Der Beschwerdeführer stellte in der Beschwerde auch den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist. Im Berufungsverfahren, welches mit dem angefochtenen Bescheid beendet worden sei, sei vor der belangten Behörde ordnungsgemäß die Vollmacht des Rechtsanwaltes Dr. Kohlhofer ausgewiesen worden. Dr. Kohlhofer habe dem Beschwerdeführer seinerzeit mitgeteilt, dass die Zustellung der Berufungsentscheidung an seine Kanzlei erfolgen werde. Der angefochtene Bescheid sei in der Folge am 23. September 1998 dem Steuerberater Dr. Keppert zugestellt worden. Im Berufungsverfahren habe der Beschwerdeführer Dr. Keppert weder Auftrag noch Vollmacht erteilt. Dr. Keppert habe daher den angefochtenen Bescheid, nachdem er ihm zugestellt gewesen sei, zu Beginn des Oktober 1998 ohne weiteren Kommentar an den Beschwerdeführer weitergeleitet. Der Beschwerdeführer habe dem ihm von Dr. Keppert übermittelten Bescheid keinerlei Bedeutung beigemessen, weil er eine Zustellung an Dr. Kohlhofer erwartet habe. Es sei ihm nicht bewusst gewesen, dass der Dr. Keppert zugestellte Bescheid jener sein könnte, dessen Zustellung Rechtsanwalt Dr. Kohlhofer entgegensehe. Das "Nicht-Registrieren" bzw das "Nicht-zur-Kennntnis nehmen" der von Dr. Keppert übermittelten Berufungsentscheidung durch den Beschwerdeführer könne nicht als auffallende Sorglosigkeit qualifiziert werden. Die Zustellung an Dr. Keppert sei völlig unvorhersehbar gewesen. Der Beschwerdeführer sei dadurch an der rechtzeitigen Einbringung der Beschwerde gehindert gewesen. Am 5. März 1999 habe in der Kanzlei des Rechtsanwalts Dr. Kohlhofer eine Besprechung in einer Mietenangelegenheit stattgefunden, anlässlich derer Dr. Kohlhofer darauf verwiesen habe, dass ihm die erwartete Berufungsentscheidung noch immer nicht zugestellt worden sei. Daraufhin habe der Beschwerdeführer erwidert, dass ihm sein Steuerberater Dr. Keppert zu Beginn des Monates Oktober 1998 kommentarlos eine Entscheidung in steuerrechtlichen Angelegenheiten übermittelt habe, welche dem Beschwerdeführer nicht verständlich gewesen sei und welcher er keine Bedeutung beigemessen habe. Nachdem der Beschwerdeführer diese Entscheidung Dr. Kohlhofer auf dessen Ersuchen hin übermittelt hatte, habe er von diesem am 8. März 1999 telefonisch die Mitteilung erhalten, dass es sich bei dem an Dr. Keppert zugestellten Bescheid um die erwartete Berufungsentscheidung handle. Richtigerweise hätte die Berufungsentscheidung Dr. Kohlhofer zugestellt werden müssen. Auf dessen Antrag hin habe ihm die belangte Behörde die Berufungsentscheidung am 12. März 1999 übermittelt.

Im gegenständlichen Fall ist von Bedeutung, dass dem Finanzamt im Mai 1996 eine allgemeine schriftliche Vollmacht des Beschwerdeführers an den Steuerberater Dr. Keppert zur Vertretung vor den Finanzbehörden vorgelegt worden ist. Diese Vollmacht umfasst ausdrücklich auch die Zustellung von Schriftstücken. Ein Widerruf dieser Vollmacht ist nicht erfolgt.

Bei einer im Zuge des Berufungsverfahrens erfolgten Einvernahme des Beschwerdeführers durch die belangte Behörde am 28. Jänner 1998 ist Mag. Paul, ein bei Dr. Kohlhofer tätiger Rechtsanwaltsanwärter, anwesend gewesen. Zur Vorlage einer schriftlichen Vollmacht ist es dabei nicht gekommen. Nach der Aktenlage verfasste Dr. Kohlhofer für den Beschwerdeführer in diesem Berufungsverfahren die schriftlichen Eingaben vom 24. Februar 1998 und vom 17. Juli 1998, in denen er jeweils den Vermerk "Vollmacht gem. § 8 RAO erteilt" auswies.

Nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers hat sich die Vollmacht an Dr. Kohlhofer nur auf das betreffende Berufungsverfahren bezogen. Im Hinblick auf die Bestimmung des § 103 Abs. 2 BAO, wonach eine Zustellbevollmächtigung Abgabenbehörden gegenüber unwirksam ist, wenn sie sich nicht auf alle dem Vollmachtgeber zugedachten Erledigungen erstreckt, die im Zuge eines Verfahrens ergehen oder Abgaben betreffen, hinsichtlich derer die Gebarung gemäß § 213 BAO zusammengefasst verbucht wird, wird die Vollmacht an Dr. Kohlhofer nicht als Zustellvollmacht angesehen werden können (vgl. die bei Ritz, BAO-Kommentar, § 103 Tz 8 zitierte hg Rechtsprechung).

Im Hinblick auf die aufrechte Vollmacht an Dr. Keppert ist die Zustellung an ihn am 23. September 1998 wirksam erfolgt. Selbst unter der Annahme, dass auch Dr. Kohlhofer wirksam Zustellvollmacht erteilt worden wäre, ist gemäß § 9 Abs. 2 ZustellG der Bescheid bereits mit der ersten Zustellung wirksam erlassen worden.

Wenn eine Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so etwa dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist gemäß § 46 Abs. 1 VwGG dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Ein Verschulden der Partei an der Fristversäumung, das über einen minderen Grad des Versehens hinausgeht, schließt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus. Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt, das heißt die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Verhältnissen zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben.

Nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers treffe ihn an der Fristversäumung deshalb kein Verschulden, weil er die Zustellung des Bescheides an Dr. Kohlhofer erwartet habe und daher dem vom Zustellbevollmächtigten Dr. Keppert übermittelten Bescheid keine Bedeutung beigelegt habe.

Mit diesem Vorbringen hat der Beschwerdeführer aber das Nichtvorliegen eines Verschuldens bzw. den bloß minderen Grad des Versehens am Unterbleiben der Einbringung einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde bzw der Versäumung der für deren Erhebung vorgesehenen Frist nicht dargetan. Aus dem Spruch des mit "Berufungsentscheidung" überschriebenen angefochtenen Bescheides ist ersichtlich, dass mit ihm über die Berufung betreffend Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer abgesprochen worden ist. Wer einen an ihn gerichteten Bescheid von seinem bevollmächtigten Steuerberater übergeben erhält und dabei den Spruch dieses Bescheides nicht zur Kenntnis nimmt, handelt zumindest auffallend sorglos.

Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher gemäß § 46 VwGG keine Folge zu geben.

Bei diesem Ergebnis erweist sich die Beschwerde als verspätet. Sie war gemäß § 34 Abs. 1 VwGG in nicht öffentlicher Sitzung durch Beschluss zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. 416/1994.

Wien, am 28. März 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1999140069.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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