Entscheidungsdatum
01.03.2018Index
40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
VStG §22 Abs1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Hohenhorst über die Beschwerde von AA, geboren am XX.XX.XXXX, Adresse 1, **** Z, vertreten durch RA BB, Adresse 2, **** Y, vom 06.12.2017 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Y vom 14.11.2017, ****, betreffend eine Übertretung der Straßenverkehrsordnung und des Kraftfahrgesetzes, nach Durchführung zweier öffentlicher mündlicher Verhandlungen,
zu Recht:
1. Die Beschwerde wird nach Maßgabe folgender Spruchberichtigungen als unbegründet abgewiesen:
A) Die Tatzeit wird auf „ca 15:00 Uhr“ konkretisiert.
B) An den Beginn des Klammerausdrucks im zweiten Satz des Tatvorwurfes wird das Wort „Straßenkilometer“ eingefügt.
C) In lit a des Tatvorwurfes lautet der erste Teilsatz wie folgt:
„die linke für den Gegenverkehr bestimmte Fahrbahnhälfte befuhren und damit nicht so weit rechts fuhren, …“
D) Beim Strafausspruch werden die Bezeichnungen „1.“ durch „a)“ und „2.“ durch „b)“ ersetzt.
2. Der Beschwerdeführer hat einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von Euro 100,00 zu leisten.
3. Hinsichtlich Spruchpunkt b) ist die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, hinsichtlich Spruchpunkt a) ist die Revision ausgeschlossen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensgang:
Im bekämpften Straferkenntnis werden Herrn A folgende Übertretungen angelastet und Strafen über ihn verhängt:
„Tatzeit: 31.07.2016, zwischen 13:00 und 17:00 Uhr
Tatort: B *** X-Straße, Fahrtrichtung W
Fahrzeug: C,**-****
Sie haben als Lenker des oben angeführten Fahrzeuges nachstehende Verwaltungsübertretungen begangen, was anhand einer CD (Videoaufzeichnung) dokumentiert ist:
Sie haben in zwei Kurven (10,5-10,7 und 10,93-11,05) jeweils einen „Fahrzeugdrift“ vorgenommen, wobei Sie jeweils
a) Auf die Gegenfahrbahn berieten und damit nicht so weit rechts fuhren, wie Ihnen das zumutbar und ohne Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer möglich gewesen wäre sowie
b) durch „Aufheulen“ des Motors und „Quietschen“ der Reifen mehr üblen Geruch/schädliche Luftverunreinigung und Lärm verursacht haben, als dies bei sachgemäßem Betrieb des Fahrzeuges unvermeidbar war.
Verwaltungsübertretung(en) nach:
c) a) § 7 Abs. 1 der Straßenverkehrsordnung,
d) b) § 102 Abs. 4 des Kraftfahrgesetzes.
Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wird über Sie folgende Strafe verhängt:
Geldstrafe (€):
Gemäß:
Ersatzfreiheitsstrafe:
1. 400,00
gemäß § 99 Abs. 3 lit. a Straßenverkehrsordnung
4 Tag(e)
2. 100,00
gemäß § 134 Abs. 1 des Kraftfahrzeuggesetzes
1 Tag
Im Falle der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe tritt an deren Stelle die Ersatzfreiheitsstrafe.
Weitere Verfügungen (z.B. Verfallsausspruch, Anrechnung von Vorhaft):
Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:
€ 50,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10% der Strafe, wobei jedoch mindestens € 10,00 zu bemessen sind.
Bei Freiheitsstrafen ist zur Berechnung der Kosten ein Tag Freiheitsstrafe mit 100 Euro anzusetzen.
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher: EURO 550,00“
Dagegen richtet sich die fristgerechte und zulässige Beschwerde, in welcher der Beschuldigte durch seinen Rechtsvertreter im Wesentlichen vorbringt, dass überhaupt nicht ersichtlich sei, ob er tatsächlich zum gegenständlichen Zeitpunkt das Fahrzeug gelenkt hat. Es seien mehrere Zeugen einvernommen worden, die Behörde habe jedoch nur eine Zeugeneinvernahme eingeholt. Dieser Zeuge sei der Meinung, dass der Beschuldigte am 31.07.2016 das Fahrzeug gelenkt hat. Aufgrund der vorgeworfenen Tatzeit zwischen 13:00 Uhr und 17:00 Uhr könne der Zeuge tatsächlich nicht einwandfrei bestätigen, dass der Beschwerdeführer die Verwaltungsübertretungen begangen hat. Es habe sich um eine Gruppe von Leuten gehandelt, wo es jederzeit zu Fahrerwechseln hätte kommen können. Mit den übrigen Zeugeneinvernahmen habe sich die Behörde nicht auseinandergesetzt, weshalb die Beweiswürdigung unzulässig sei. Wegen derselben Tat seien bereits in W und bei der Staatsanwaltschaft N Strafverfahren geführt worden, die beide eingestellt wurden. Gemäß § 22 Abs 1 VStG ist eine Verwaltungsübertretung nur dann strafbar, wenn sie nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet. Da wegen derselben Tat bereits Verfahren in W und Österreich gerichtlich anhängig waren, sei sie als Verwaltungsübertretung in Österreich nicht mehr strafbar. Es sei dafür nicht einmal ein gerichtliches Verfahren notwendig, sondern reiche, dass die Tat einen gerichtlichen Strafbestand bildet. Dadurch dass die Erstbehörde den Akt der Staatsanwaltschaft übermittelt hat, sei sie selbst der Meinung, dass eine gerichtlich strafbare Handlung vorliegen könnte. Darüber hinaus sei der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses unverständlich, unvollständig und unrichtig. Als Tatzeitraum seien vier Stunden angegeben, was für die beiden vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen unmöglich sei. Dies behindere den Beschuldigten in seinen Verteidigungsrechten. Auch sei der Tatort zu wenig konkretisiert, da nur die B*** X-Straße, Fahrtrichtung W angegeben sei. Wenn weiter unten im Spruch die Kurven mit irgendwelchen Ziffern in Klammer bezeichnet werden, sei dies unverständlich und nicht nachvollziehbar, wo die angeblichen Verwaltungsübertretungen begangen worden wären. Die belangte Behörde habe zwei Strafen verhängt, welche sie mit 1. und 2. bezeichne. Diese Strafen könnten den angeblichen Verwaltungsübertretungen nicht zugeordnet werden, da diese mit a) und b) bezeichnet worden sind. Zugunsten des Beschuldigten müsste daher für die jeweilige Verwaltungsübertretung die niedrigere Strafe herangezogen werden, da ansonsten das Verschlechterungsverbot verletzt werde. Unabhängig davon seien die Strafen bei weitem überhöht. Zum Beweis dafür, dass der Beschuldigte das Fahrzeug zum Zeitpunkt nicht gelenkt hat, werde die Einholung der zeugenschaftlichen Einvernahmen von der PI V beantragt. Es ergehe der Antrag auf Verfahrenseinstellung, in eventu Ausspruch einer Ermahnung, in eventu Herabsetzung der Strafhöhen.
Im Zuge der mündlichen Verhandlungen gab der Beschuldigte Folgendes an:
„Wenn ich gefragt werde, wer am 31.07.2016 gegen 15.00 Uhr den weißen C mit dem wischen Kennzeichen **-**** gelenkt hat, so führe ich an, dass ich dies aufgrund des lange zurückliegenden Zeitpunktes nicht mehr genau sagen kann, da es öfters einen Fahrerwechsel gegeben hat. Es stimmt, das ich damals bei dieser Gruppe dabei gewesen bin, die diese Ausfahrt unternommen hat. Wir waren damals etwa vier bis fünf Autos und haben uns bereits zu Hause in V gesammelt. Die Runde führte uns von V auf einem nicht mehr mir bekannten Weg Richtung U und von U auf der X Straße nach Norden Richtung T wieder nach W. Der Verhandlungsleiter zeigt mir aus dem Akt den TIRIS Ausdruck, auf dem die beiden angelasteten Tatorte eingezeichnet sind. Aufgrund mangelnder Ortskenntnis kann ich mir unter diesem Plan nichts vorstellen und deswegen auch nicht sagen, wer zur angelasteten Tatzeit den genannten C an dieser Stelle gelenkt hat.
Dieser Wagen ist nicht auf mich zugelassen. Es handelt sich um ein Firmenfahrzeug, mit dem natürlich auch andere Personen als ich fahren. Innerhalb unserer Gruppe kommt es auch immer wieder zu Fahrzeugtäuschen, sodass also der eine den anderen mit seinem Fahrzeug fahren lässt.
Wenn es zu einem Fahrerwechsel kommt, kann es sein, dass ein solcher alle 15 bis 20 Minuten stattfindet. In V bin ich als Lenker dieses Wagens losgefahren. Meiner Erinnerung nach sind wir damals über S nach Tirol eingefahren. Bei der Einfahrt nach S bin ich nicht mehr am Steuer gewesen, daran kann ich mich noch erinnern. Es hat dann ein Wechsel mit dem Lenker eines anderen Autos stattgefunden. Ich kann mich noch daran erinnern, dass ich im Bereich S mit einem weißen Audi gefahren bin; da es aber zu einem sogenannten Dreiertausch gekommen ist, so, dass nicht der Lenker dieses weißen Audis mit dem von mir zuvor gelenkten C gefahren ist; wer zu dieser Zeit mit dem weißen C mit dem Kennzeichen **-**** gefahren ist, bzw wer diesen gelenkt hat, kann ich heute nicht mehr sagen. Warum FF die Meinung vertritt, dass ich zur fraglichen Zeit der Lenker dieses Wagens gewesen bin, kann ich nicht eruieren; er ist schließlich hinter dem C gefahren und konnte deshalb den Lenker nicht erkennen.“
II. Sachverhalt:
Am 31.07.2016 gegen 15:00 Uhr lenkte AA den auf die Baudekoration DD GmbH & Co KG in der Adresse 1 in **** Z zugelassenen PKW der Marke C, Type ****, Farbe Weiß, Baujahr 2014, mit dem wischen Kennzeichen **-**** auf der Landesstraße B*** X-Straße im Gemeindegebiet von R im Bereich der Ortsteile Q und P in Fahrtrichtung W. In der Linkskurve bei km 10,6 driftete der Lenker mit quer gestelltem Fahrzeug durch die Kurve, sodass das Fahrzeug dafür beide Fahrstreifen beanspruchte. Es kam zu diesem Zweck zu einem Reifenquietschen und einem deutlich hörbaren Motoraufheulen. Nach der Kurvenausfahrt wurde der Wagen noch kurze Strecke auf dem linken Fahrstreifen gefahren, bevor sich der Lenker wieder nach rechts hinter die vor ihm fahrenden Fahrzeuge einordnete.
In der Rechtskurve bei km 10,95 wurde dieser C wieder quergestellt durch die Kurve gedriftet, wobei annähernd die gesamte Straßenbreite in Anspruch genommen wurde. Aus der Gegenrichtung kam zu dieser Zeit der von EE gelenkte PKW dem Beschuldigten entgegen. Bei dem vom Beschuldigten gelenkten C war Reifenquietschen zu hören und Rauch der durchdrehenden Räder zu erkennen, nachdem der Lenker den Gegenverkehr sah, um wieder auf die rechte Fahrspur zurück zu gelangen. EE musste durch eine Vollbremsung seinen Wagen bis zum Stillstand abbremsen, um eine Kollision zu vermeiden. Durch dieses Fahrmanöver von Brockelt verblieb noch ein Abstand von ca 5 m zwischen beiden Fahrzeugen. Dafür, dass der C des Beschuldigten mit durchdrehenden Rädern wieder auf den rechten Fahrstreifen zurückgelangen konnte, musste der Motor hochgedreht werden, wodurch er zwangsläufig aufheulte.
Die Verwaltungsstrafbehörde übermittelte eine Kopie des Aktes an die Staatsanwaltschaft N mit dem Ersuchen um strafrechtliche Beurteilung. Die Staatsanwaltschaft N trat mit ihrem Schreiben vom 09.06.2017 das Verfahren gegen AA an die Staatsanwaltschaft M mit dem Ersuchen um Übernahme der Strafverfolgung ab. Begründet wurde dies damit, dass sowohl der Beschuldigte als auch die Zeugen in W aufhältig sind und damit eine Strafverfolgung in W zweckmäßiger ist als in Österreich. Die Staatsanwaltschaft N stützte ihre Erhebungen auf § 89 StGB, Gefährdung der körperlichen Sicherheit. Mit Schreiben des leitenden Oberstaatsanwaltes in M vom 26.07.2017 an die Staatsanwaltschaft N wurde bezüglich dieses Ersuchens um Übernahme der Strafverfolgung mitgeteilt, dass wegen desselben Sachverhalts bei der Staatsanwaltschaft M bereits unter dem Aktenzeichen 410 Js 2105/17 ein Ermittlungsverfahren wegen Gefährdung des Straßenverkehrs geführt wurde. Dieses wurde jedoch mit Verfügung vom 25.01.2017 gemäß § 170 Abs 2 der wischen Strafprozessordnung eingestellt, weil ein Tatnachweis vorliegend nicht zu führen war. Insbesondere war eine konkrete Gefährdung nicht nachweisbar, da zum Zeitpunkt der Vollbremsung noch ein Abstand von ca 5 m zwischen den beiden Fahrzeugen bestand. Daher wurde das Verfahren eingestellt. Mit Schreiben vom 02.08.2017 benachrichtigte die Staatsanwaltschaft N die Polizeiinspektion U über die Einstellung des Verfahrens gegen AA gemäß § 190 Z 1 StPO, weil die dem Ermittlungsverfahren zu Grunde liegende Tat nicht mit gerichtlicher Strafe bedroht ist oder sonst die weitere Verfolgung aus rechtlichen Gründen unzulässig wäre.
III. Beweiswürdigung:
Beweis aufgenommen wurde in zwei mündlichen Verhandlungen durch die Einvernahme des Beschuldigten sowie die Verlesung der Akten der Bezirkshauptmannschaft Y, des Landesverwaltungsgerichts Tirol und der Staatsanwaltschaft N zu AZ: ** BAZ ****.
In den Akten befinden sich auch die in W im Rechtshilfeweg durchgeführten Zeugeneinvernahmen von EE, FF und GG sowie die telefonische Befragung des JJ.
EE gab dabei zusammengefasst an, dass er im gegenständlichen Bereich seinen PKW mit maximal 50 km/h lenkte. Es herrschte reger Sonntagsverkehr. Ihm kamen in einer steilen Linkskurve (gemeint km 10,95) vier getunte PKW entgegen, die laute Musik abspielten. Am Ende der Kolonne fuhr ein weißer C, der in die von ihm aus gesehen Rechtskurve hineindriftete und in der Kurve quer stand. Er musste bis zum Stillstand abbremsen, der Abstand zum C betrug beim Stillstand ca 5 m. Ohne seine Vollbremsung wäre es zum Unfall gekommen.
Der Zeuge FF führte an, dass er mit dem Beschuldigten und GG, jeder mit seinem Fahrzeug, eine Ausfahrt am 31.07.2016 unternommen hatte. Beim Start der Tour am Bahnhofsvorplatz war der Beschuldigte am Steuer seines Fahrzeuges. In L machte die Gruppe mit ihren Fahrzeugen eine Pause, bevor die Fahrt Richtung X-Straße weiterging. Seines Wissens nach war auch wieder der Beschuldigte allein mit seinem C losgefahren. Bis es dann zu den gefährlichen Situationen kam, ist er ständig hinter A gefahren und hatte Blickkontakt, wodurch ein möglicher Fahrerwechsel daher auszuschließen ist. AA war zum besagten Zeitpunkt der Fahrzeugführer.
GG sagte aus, dass er mit einer Gruppe von Bekannten am 31.07.2016 eine Ausfahrt im Grenzbereich zwischen K und Tirol unternahm. Dabei waren mehrere Fahrzeuge aus dem weiteren Bekanntenkreis. Er kann sich noch an die Personen AA, FF und JJ erinnern. Neben ihm saß seine Freundin MM. Die verfahrensgegenständlichen Situationen hat er selbst nicht wahrgenommen, sondern erst später auf Video gesehen. Ab ihrem Start am NN lenkte der Beschuldigte seinen PKW selbst. Ob er unterwegs mit jemanden getauscht hat, kann er nicht sagen, da sie sich zeitweise aus den Augen verloren hatten. Seiner Vermutung nach aber ist er (A) gefahren. Er weiß jedoch nicht, ob bei dieser Aktion auf dem Video A selbst am Steuer saß.
JJ gab der Polizei V gegenüber an, dass er seit Sommer 2016 viele Ausfahrten gemacht hat und sich nicht mehr genau erinnern kann.
Der Beschuldigte AA gab anlässlich seiner Einvernahme an, dass er aufgrund des langen Zeitablaufes nicht mehr angeben kann, wer an den beiden gegenständlichen Tatorten den weißen C mit dem Kennzeichen **-**** gelenkt hat. Er verwies darauf, dass es öfters einen Fahrerwechsel gegeben hatte. Die Tatsache, dass er damals mit dieser Gruppe diese Ausfahrt unternommen hat, wurde von ihm bestätigt. Der Beschuldigte hat dabei weder bestätigt noch abgestritten, dass er an den Tatorten Lenker war. GG vermutete, dass der Beschuldigte zur Tatzeit Lenker war, FF war sich sicher, dass AA an den beiden Tatorten den weißen C selbst gelenkt hatte.
In Anbetracht dieser Aussagen kann das Verwaltungsgericht keinen Grund dafür erkennen, dass AA das Lenken des weißen C von der Erstbehörde in aktenwidriger oder unlogischer Weise zur Last gelegt wurde. Ein Zeuge war sich sicher, bezüglich der Lenkereigenschaft des Beschuldigten, ein anderer Zeuge vermutete sie und der Beschuldigte selbst konnte zum Lenker keine Angaben mehr machen. In Anbetracht dieser Aussagen kann die Lenkereigenschaft von A mit einer für den Schuldspruch hinreichenden Sicherheit festgestellt werden.
Die beiden anlastungsgegenständlichen Fahrmanöver sind durch eine Videoaufzeichnung anschaulich dokumentiert, weshalb sich die Feststellung des Geschehensablaufes auf diese Videoaufzeichnung bezieht sowie die Aussage von EE.
IV. Rechtslage:
Im gegenständlichen Verfahren sind folgende Rechtsvorschriften maßgebend:
Verwaltungsstrafgesetz:
„§ 22
Zusammentreffen von strafbaren Handlungen
(1) Soweit die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen, ist eine Tat als Verwaltungsübertretung nur dann strafbar, wenn sie nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet.
(2) Hat jemand durch mehrere selbstständige Taten mehrere Verwaltungsübertretungen begangen oder fällt eine Tat unter mehrere einander nicht ausschließende Strafdrohungen, so sind die Strafen nebeneinander zu verhängen. Dasselbe gilt bei einem Zusammentreffen von Verwaltungsübertretungen mit anderen von einer Verwaltungsbehörde zu ahndenden strafbaren Handlungen.“
Strafgesetzbuch:
„§ 89
Gefährdung der körperlichen Sicherheit
Wer vorsätzlich, grob fahrlässig (§ 6 Abs. 3) oder fahrlässig unter den in § 81 Abs. 2 umschriebenen Umständen, eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder die körperliche Sicherheit eines anderen herbeiführt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen zu bestrafen.“
V. Erwägungen:
Der Beschwerdeführer bestreitet die Zulässigkeit einer verwaltungsstrafrechtlichen Bestrafung unter Hinweis auf die von den Staatsanwaltschaften M und N eingestellten Verfahren wegen desselben Vorfalls.
Dazu ist festzuhalten, dass die Staatsanwaltschaft N mit Schreiben vom 02.08.2017 die Polizeiinspektion U über die Verfahrenseinstellung benachrichtigte, weil die Strafverfolgung von den wischen Behörden übernommen und das Verfahren dort eingestellt wurde. Dieser Verfahrensschritt beruht auf dem Schreiben der Staatsanwaltschaft M vom 26.07.2017, worin die Verfahrenseinstellung gegen A im Wesentlichen damit begründet wurde, dass eine konkrete Gefährdung nicht nachweisbar war, da zum Zeitpunkt der Vollbremsung noch ein Abstand von ca 5 m zwischen den beiden Fahrzeugen bestand.
Nach § 22 Abs 1 VStG ist eine Verwaltungsübertretung nur dann strafbar, wenn sie nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet.
Primäres Deliktserfordernis des § 89 StGB ist ein für Leib oder Leben sozialinadäquat gefährliches Verhalten, wozu weiter erforderlich ist, dass dieses Verhalten als Erfolg eine sogenannte konkrete Gefährdung eines Menschen nach sich gezogen hat. Dies ist dann gegeben, wenn die Wahrscheinlichkeit einer Beeinträchtigung von Leib oder Leben einer vom Täter verschiedenen Person außergewöhnlich hoch ist. Eine Konkretisierung der „besonders gefährlichen Verhältnisse“ speziell für den Tatbestand des § 89 StGB findet man in der publizierten Judikatur des OGH etwa für folgende Konstellation: Für das Überschreiten der Mitte einer Fahrbahn mit Gegenverkehr fast mit der gesamten Breite eines unbeleuchteten Fahrzeuges bei Dunkelheit durch einen alkoholisierten Lenker, der mit nicht unbeträchtlicher Geschwindigkeit fuhr (ZVR 185/18). Die von § 89 geforderte Gefährdung setzt eine Situation voraus, die nicht bloß allgemein, sondern auch und gerade im besonderen Fall die Möglichkeit eines schädigenden Ereignisses für das Leben, die Gesundheit oder körperliche Sicherheit einer vom Täter verschiedenen Person besorgen lässt. Dass der Körper des in concreto unverletzt Gebliebenen bereits mechanischen Einwirkungen (zB Gestoßen werden, Geschleudert werden) oder bestimmten Lagenveränderungen (zB Überschlagen mit einem Kraftwagen oder doch Veränderung der Sitzposition in ihm, Stürzen mit einem einspurigen Fahrzeug) ausgesetzt war, die üblicherweise Verletzungen nach sich ziehen, ist ein gewichtiges Indiz für das Gegebensein einer konkreten Gefährdung.
Im Hinblick darauf, dass im konkreten Fall die oben beschriebenen mechanischen Einwirkungen auf EE ausgeblieben sind und dieser „lediglich“ eine Vollbremsung durchführen musste, nach welcher noch ca 5 m Abstand zum gegnerischen Fahrzeug geblieben war, bleibt festzustellen, dass die konkrete Situation bei km 10,95 keine besonders gefährlichen Verhältnisse iSd §§ 89 bzw 81 StGB nach sich gezogen hat, weshalb das Tatbild des § 89 StGB nicht verwirklicht wurde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 22.11.2016, Ra 2016/03/0095, ausgesprochen, dass § 22 Abs 1 VStG nur darauf abstellt, dass die Tat auch den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet; auf die tatsächliche Einleitung (oder gar den Abschluss) eines Strafverfahrens kommt es daher ebenso wenig an wie auf die Frage, ob der Beschuldigte die Tat verschuldet hat; dies ist für die Subsidiarität der Verwaltungsstrafdrohung nicht entscheidend. Der Verwaltungsgerichtshof führt in dieser Entscheidung weiters aus, dass wenn sich die Tathandlung, die von der Verwaltungsstrafbehörde in den Blick genommen wird, in einem Verhalten erschöpft, das den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, die Verwaltungsübertretung gemäß § 22 Abs 1 VStG nicht strafbar ist. Weiters führt der Gerichtshof aus, dass die Frage, ob die dem Beschuldigten vorgeworfene Tat den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, dabei von der Verwaltungsstrafbehörde – im Fall einer Beschwerde vom Verwaltungsgericht – als Vorfrage zu beurteilen ist.
Diese Vorfragebeurteilung hat mit obigen Ausführungen stattgefunden.
Da der Tatbestand des § 89 StGB in der Kurve bei km 10,95 nicht vorliegt, sind die Taten in beiden Kurven als Verwaltungsübertretungen strafbar. Nachdem die Taten nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung verwirklichen, ist der Fall des § 99 Abs 6 lit c StVO nicht gegeben, wonach eine Verwaltungsübertretung nicht vorliege. Deshalb war die verwaltungsstrafrechtliche Sanktionierung dieses Verhaltens rechtmäßig.
Die spruchgemäße Konkretisierung der Tatzeit auf ca 15:00 Uhr erfolgte aufgrund der Angaben in der Zeugeneinvernahme des EE vom 21.12.2016. Die Beschwerderüge, wonach die Tatzeit zu unkonkret wäre, ist durch die Konkretisierung im Rechtsmittelverfahren geheilt. Die Tatorte sind durch die Kilometerangaben auf der Landesstraße B*** (Klammerausdrücke) genau angegeben; in dieser Hinsicht erfolgte auch noch eine Ergänzung des Spruches.
Auf einer Videoaufzeichnung können selbstredend übler Geruch bzw schädliche Luftverunreinigungen olfaktorisch nicht wahrgenommen werden. Da in beiden Kurven das Ausscheren des Fahrzeughecks durch ein Hochdrehen des Motors herbeigeführt wurde, was am Lärm bzw dem Rauch durch die durchdrehenden Räder am Video zu erkennen ist, wurden mehr Lärm und schädliche Luftverunreinigung (Abgase, Rauch) verursacht, als bei sachgemäßem Betrieb des Fahrzeuges unvermeidbar gewesen wäre.
Die belangte Behörde führt in ihrer Begründung aus, dass sie von fortgesetzten Delikten ausgeht, was aufgrund der zeitlichen und örtlichen Nähe völlig zutreffend ist. Beide Taten wurden somit an beiden Tatorten hintereinander begangen, was die Formulierung des Spruches auch zum Ausdruck bringt („jeweils“).
Bezüglich des Verschuldens ist von Vorsatz auszugehen, weil die auf dem Video zu sehenden Fahrzeugdriften nur absichtlich und ganz bewusst herbeigeführt werden konnten. Die Beeinträchtigungsintensität des Verhaltens ist hoch, da es in der Kurve bei km 10,95 zu einem Zusammenstoß gekommen wäre, wenn der Lenker des entgegenkommenden Fahrzeuges nicht geistesgegenwärtig eine Vollbremsung unternommen und sein Fahrzeug zum Stillstand gebracht hätte.
Der Strafrahmen zu a) wurde zu 55 % ausgeschöpft, was aufgrund der akuten Gefährdung der Verkehrssicherheit durch den Beinaheunfall auch dann nicht als überhöht anzusehen ist, wenn der Beschuldigte im Zuständigkeitsbereich der Bezirkshauptmannschaft Y noch nicht verwaltungsstrafvorgemerkt aufscheint. Im Strafausmaß muss unter anderem auch zum Ausdruck kommen, dass von der Behörde ein derartiges Rowdytum im öffentlichen Straßenverkehr nicht toleriert wird.
Der Strafrahmen zu b) mit 2 % wurde bereits im untersten Bereich zur Anwendung gebracht.
Eine Herabsetzung der Strafhöhen war deshalb nicht angebracht. Eine Anwendung des § 45 Abs 1 Z 4 VStG würde schon an der hohen Form von Verschulden und Beeinträchtigungsintensität der Taten scheitern.
Durch die Spruchberichtigungen wurden Ungenauigkeiten (vgl Strafverfügung hinsichtlich a, b) beseitigt, die an den Inhalten der Anlastungen zu keinen Änderungen führten, weshalb diese auch nach Ablauf der Verfolgungsverjährungsfrist erfolgen konnten.
VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.
Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.
Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen, und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.
Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.
Hinweis:
Rechtskräftig verhängte Geldstrafen (sowie Verfahrenskostenbeiträge) sind bei der Behörde einzubezahlen (vgl § 54b Abs 1 VStG).
Landesverwaltungsgericht Tirol
Dr. Hohenhorst
(Richter)
Schlagworte
Zusammentreffen von strafbaren HandlungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2018:LVwG.2017.25.2827.10Zuletzt aktualisiert am
17.04.2018