Entscheidungsdatum
06.03.2018Index
81/01 Wasserrechtsgesetz;Norm
WRG 1959 §5Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Mag. Dünser über die Beschwerde von Herrn AA, Adresse 1, **** Z, gegen den Bescheid der Bürgermeisterin der Stadt Z vom 17.03.2017, Zl ****, betreffend Verweigerung der Akteneinsicht,
zu Recht:
1. Der angefochtene Bescheid wird behoben und festgestellt, dass die Verweigerung der Einsicht in den Akt betreffend das Versickerungsprojekt auf dem Gst **1 in der KG Y (GZ ****) rechtswidrig war.
2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensgang:
Mit Antrag vom 18.09.2016 hat der Beschwerdeführer „volle Akteneinsicht in B Wegsanierungsprojekt aus dem Jahr 2012“ beantragt. Ausdrücklich wurde dabei angeführt, dass zumal das ursprüngliche Projekt offenbar auf drei Teilprojekte verteilt worden sei dieser Antrag für alle drei Teilprojekte gelte.
Diesen Antrag hat die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen. Begründend führt die belangte Behörde dabei auf das Wesentliche zusammengefasst aus, dass der Beschwerdeführer nicht Partei des jeweiligen Verfahrens sei, zumal die reine Nachbarschaft eine Parteistellung im wasserrechtlichen Verfahren nicht begründe. Gemäß § 17 AVG stehe das Recht auf Akteneinsicht nur Parteien eines Verwaltungsverfahrens zu. Nachdem dies durch die bloße Grundnachbarschaft nicht gegeben sei, könne die Akteneinsicht nicht gewährt werden und sei der Antrag daher abzuweisen gewesen.
Dagegen hat der Beschwerdeführer ein Rechtsmittel erhoben in welchem er zusammenfassend ausführt, dass der Privatweg, Zufahrt zu den Häusern Y Straße *1 bis *2, ein Servitutsweg sei. Dieser stehe im Eigentum von vier unmittelbaren Anrainern. Aus diesem Grund habe er auch in dem Verfahren betreffend die Sanierung dieses Weges Parteistellung. Weiters bezieht sich der Beschwerdeführer auf eine Stellungnahme des zuständigen Bundesministers und führt dazu zusammenfassend aus, dass die bloße Möglichkeit einer Rechtsbeeinträchtigung ausreichend für die Begründung einer Parteistellung sei. So bezieht sich der Beschwerdeführer ausdrücklich auf eine potenzielle Beeinträchtigung durch verunreinigte Sickerwässer.
II. Sachverhalt:
Zur Erschließung der Grundstücke Y Straße *1, *2a, *2b, *2c und *2d besteht auf den genannten Grundstücken ein Privatweg. Das Gst **1, Y Straße *1, ist das höchstgelegene Grundstück an diesem Privatweg und ist zwischen hm 614 üa und hm 607,5 üa gelegen. Anschließend daran ist das Grundstück mit der Nr **2, Adresse 1, des Beschwerdeführers gelegen, welches zwischen Höhenmeter 607,5 und Höhenmeter 603,5 situiert ist. Die anderen Grundstücke Y Straße *2b, *2c und *2d sind zwischen Höhenmeter 603,5 und Höhenmeter 594 situiert, sohin unterhalb des Grundstücks des Beschwerdeführers gelegen.
Betreffend diesen Privatweg wurden von der belangten Behörde an den Grundstücken **1, Y Straße *1, **3, Y Straße *2b und **4, Y Straße *2c (alle Grundstücke beziehen sich auf das Grundbuch Y) jeweils gesonderte wasserrechtliche Bewilligungsverfahren zur Versickerung von Oberflächenwässern durchgeführt. Auf diese Verfahren bezieht sich der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung von Akteneinsicht.
III. Beweiswürdigung:
Der Umfang des Antrages auf Akteneinsicht ergibt sich aus dem Antrag des Beschwerdeführers. Dass lediglich das Grundstück mit der Parzellennummer **1 in der KG Y oberhalb des Beschwerdeführers gelegen ist, sohin nur durch Versickerung auf diesem Grundstück eine potenzielle Beeinträchtigung von Rechten des Beschwerdeführers betreffend sein Grundwasser erfolgen können, ergibt sich aus den eingereichten Plänen.
IV. Rechtslage:
WRG 1959
„Privatgewässer.
§ 3. (1) Außer den im § 2 Abs. 2 bezeichneten Gewässern sind folgende Gewässer Privatgewässer und gehören, wenn nicht von anderen erworbene Rechte vorliegen, dem Grundeigentümer:
a) das in einem Grundstück enthaltene unterirdische Wasser (Grundwasser) und das aus einem Grundstücke zutage quellende Wasser;
[…]
Von der Benutzung der Gewässer
Benutzungsberechtigung.
§ 5. (1) Die Benutzung der öffentlichen Gewässer ist innerhalb der durch die Gesetze gezogenen Schranken jedermann gestattet. Bezieht sich die Benutzung jedoch lediglich auf das Bett und geht sie hiebei über den Gemeingebrauch (§ 8) hinaus, so ist jedenfalls die Einwilligung des Grundeigentümers erforderlich.
(2) Die Benutzung der Privatgewässer steht mit den durch Gesetz oder durch besondere Rechtstitel begründeten Beschränkungen denjenigen zu, denen sie gehören.
Grundsätze für die Bewilligung hinsichtlich öffentlicher Interessen und fremder Rechte.
§ 12. (1) Das Maß und die Art der zu bewilligenden Wasserbenutzung ist derart zu bestimmen, daß das öffentliche Interesse (§ 105) nicht beeinträchtigt und bestehende Rechte nicht verletzt werden.
(2) Als bestehende Rechte im Sinne des Abs. 1 sind rechtmäßig geübte Wassernutzungen mit Ausnahme des Gemeingebrauches (§ 8), Nutzungsbefugnisse nach § 5 Abs. 2 und das Grundeigentum anzusehen.
[…]
Parteien und Beteiligte.
§ 102. (1) Parteien sind:
a) der Antragsteller;
b) diejenigen, die zu einer Leistung, Duldung oder Unterlassung verpflichtet werden sollen oder deren Rechte (§ 12 Abs. 2) sonst berührt werden, sowie die Fischereiberechtigten (§ 15 Abs. 1) und die Nutzungsberechtigten im Sinne des Grundsatzgesetzes 1951 über die Behandlung der Wald- und Weidenutzungsrechte sowie besonderer Felddienstbarkeiten, BGBl. Nr. 103, sowie diejenigen, die einen Widerstreit (§§ 17, 109) geltend machen;
ferner
c) im Verfahren über die Auflassung von Wasseranlagen oder über das Erlöschen von Wasserrechten die im § 29 Abs. 1 und 3 genannten Personen;
d) Gemeinden im Verfahren nach § 111a, sonst nur zur Wahrung des ihnen nach § 13 Abs. 3 und § 31c Abs. 3 zustehenden Anspruches;
e) diejenigen, die als Mitglieder einer Wassergenossenschaft oder eines Wasserverbandes herangezogen werden sollen;
f) im Verfahren über die Auflösung von Wassergenossenschaften oder Wasserverbänden die im § 83 Abs. 3 genannten Personen und Stellen;
g) diejenigen, deren wasserwirtschaftliche Interessen durch ein Regionalprogramm (§ 55g Abs. 1 Z 1) als rechtliche Interessen anerkannt wurden;
h) das wasserwirtschaftliche Planungsorgan in Wahrnehmung der in § 55 Abs. 2 lit. a bis g genannten Aufgaben, nach Maßgabe des § 55 Abs. 5.
[…]“
AVG
„Akteneinsicht
§ 17. (1) Soweit in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, können die Parteien bei der Behörde in die ihre Sache betreffenden Akten Einsicht nehmen und sich von Akten oder Aktenteilen an Ort und Stelle Abschriften selbst anfertigen oder auf ihre Kosten Kopien oder Ausdrucke erstellen lassen. Soweit die Behörde die die Sache betreffenden Akten elektronisch führt, kann der Partei auf Verlangen die Akteneinsicht in jeder technisch möglichen Form gewährt werden.
(2) Allen an einem Verfahren beteiligten Parteien muß auf Verlangen die Akteneinsicht in gleichem Umfang gewährt werden.
(3) Von der Akteneinsicht sind Aktenbestandteile ausgenommen, insoweit deren Einsichtnahme eine Schädigung berechtigter Interessen einer Partei oder dritter Personen oder eine Gefährdung der Aufgaben der Behörde herbeiführen oder den Zweck des Verfahrens beeinträchtigen würde.
(4) Die Verweigerung der Akteneinsicht gegenüber der Partei eines anhängigen Verfahrens erfolgt durch Verfahrensanordnung.“
VwGVG
„Erkenntnisse
§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
[…]“
V. Erwägungen:
Die belangte Behörde hat den Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung von Akteneinsicht deshalb abgewiesen, weil die Parteistellung in einem wasserrechtlichen Verfahren nicht alleine auf die Tatsache der Nachbarschaft gestützt werden könne. Dazu zitiert die belangte Behörde auch entsprechende Judikatur.
Diese Feststellung ist zwar grundsätzlich zutreffend, bedeutet allerdings im vorliegenden Fall nicht, dass dem Beschwerdeführer eine Parteistellung im wasserrechtlichen Verfahren betreffend das grundwasserstromaufwärts gelegene Grundstück nicht zukäme: Nach der Judikatur (vgl VwGH 08.07.2004, 2003/07/0090) kann die Möglichkeit einer Beeinträchtigung des Grundwassers dem Grundeigentümer grundsätzlich Parteistellung im Wasserrechtsverfahren schaffen, auch wenn er das Grundwasser nicht nützt. Es ist somit für die Geltendmachung des Rechtes der Nutzungsbefugnis nach § 5 Abs 2 WRG nicht erforderlich, dass der Berechtigte von der ihm zustehenden Nutzungsbefugnis tatsächlich Gebrauch macht. Es genügt vielmehr, dass durch das begehrte Wasserbenutzungsrecht die künftige Ausübung dieser Befugnis beeinträchtigt wird (VwGH 06.08.1998, 97/07/0014). Nach dieser Entscheidung des VwGH wird durch die Behauptung einer Verschmutzung des Grundwassers im Übrigen auch eine Beeinträchtigung des Grundeigentums geltend gemacht, sohin eines weiteren nach § 12 Abs 2 WRG 1959 geschützten Rechts (vgl dazu Bumberger/Hinterwirth, WRG2, E 68 zu § 12 WRG 1959). Soweit sich der Beschwerdeführer allerdings zur Begründung seiner Parteistellung auf ein bestehendes Servitutsrecht am Erschließungsweg bezieht, so verschafft ihm dies kein Mitspracherecht im wasserrechtlichen Verfahren: Alleine aus einem Nutzungsrecht an einem Weg wird kein für das wasserrechtliche Verfahren relevantes Recht begründet. Insofern besteht auch kein Recht auf Akteneinsicht betreffend die anderen angeführten Verfahren.
Festgehalten wird, dass vom Landesverwaltungsgericht Tirol nicht festzustellen war, dass es tatsächlich zu einer Beeinträchtigung der Rechte des Beschwerdeführers kommt. Für die Frage, inwiefern ihm Parteistellung – und somit auch das Recht auf Akteneinsicht – im Verfahren betreffend die wasserrechtliche Genehmigung zur Versickerung von Oberflächenwässern betreffend das grundwasserstromaufwärts gelegene Grundstück zukommt, ist eine potenzielle Beeinträchtigung der Rechte des Beschwerdeführers ausreichend. Eine derartige potenzielle Beeinträchtigung ist bei einer Versickerung von Oberflächenwässern eines, wenn gleich auch nur geringfügig genutzten, Straßenkörpers grundsätzlich nicht von vorn herein auszuschließen.
Ebenso wird darauf hingewiesen, dass vom Landesverwaltungsgericht Tirol im vorliegenden Verfahren nicht zu überprüfen war, inwiefern es sich bei dieser Versickerung überhaupt um eine wasserrechtlich bewilligungspflichtige Maßnahme gemäß § 32 Abs 1 WRG 1959 handelt oder eben das Maß der Geringfügigkeit hier nicht überschritten wird und daher eine Bewilligungspflicht von vorn herein nicht besteht. Das Landesverwaltungsgericht Tirol hatte sohin weder die Bewilligungspflicht der Maßnahme, noch die Frage der tatsächlichen Beeinträchtigung zu prüfen sondern ausschließlich die Frage der potentiellen Beeinträchtigung im oben geschilderten Zusammenhang.
Unter Hinweis auf § 28 Abs 2 VwGVG wird festgehalten, dass wenn einem Antrag durch Auskunft, Ausstellung usw zu entsprechen ist nur bei Nichterteilung ein abwesender Bescheid zu erlassen ist. In einem derartigen Verfahren hat das Verwaltungsgericht, so es die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung feststellt, den Bescheid aufzuheben und hinsichtlich des unterbliebenen Rechtsaktes festzustellen, dass die Verweigerung rechtswidrig war (in diesem Sinne VwGH 13.09.2016, Ra 2015/03/0038; Götzl/Gruber/Reisner/Winkler, Das neue Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte2, Rz 24 zu § 28 VwGVG).
Zusammenfassend wird daher festgehalten, dass die belangte Behörde dem Beschwerdeführer Akteneinsicht in das zur Zl **** geführte Verfahren zu erteilen hat.
VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Dazu wird auf die in der Begründung wiedergegebene Judikatur verwiesen.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen, und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.
Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.
Landesverwaltungsgericht Tirol
Mag. Dünser
(Richter)
Schlagworte
Recht auf AkteneinsichtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2018:LVwG.2017.15.1260.4Zuletzt aktualisiert am
17.04.2018