TE Bvwg Erkenntnis 2018/3/30 W207 2189603-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.03.2018
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Entscheidungsdatum

30.03.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §18 Abs1 Z4
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1a

Spruch

W207 2189603-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.02.2018, Zahl 1108018909-160362247, zu Recht:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler Einreise am 09.03.2016 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der am 10.03.2016 abgehaltenen Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer an, am XXXX in Herat, Afghanistan geboren zu sein, dort bis zum vierten Lebensjahr und danach im Iran gelebt zu haben. Er gehöre der Volksgruppe der "Perser" sowie dem moslemischen Glauben schiitischer Ausrichtung an. Er sei nirgendwo Mitglied gewesen. Im Iran habe er vier bis fünf Jahre lang die Grundschule besucht und zuletzt als Hilfsarbeiter gearbeitet. Seine Eltern und eine Schwester würden sich noch im Iran aufhalten. Der Beschwerdeführer habe den Iran einen Monat zuvor verlassen und sei über die Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien und Ungarn nach Österreich gereist. Zu seinem Fluchtgrund befragt gab er an, er habe dort keine Zukunftsperspektive, er wolle sich in Österreich eine neue Zukunft aufbauen. In Maschhad/Iran habe es teilweise monatelang keine Arbeit für ihn gegeben, als Afghane sei er schlecht behandelt worden. Bezogen auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan brachte der Beschwerdeführer keine Fluchtgründe vor.

Nach Zulassung des Verfahrens wurden der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA; in der Folge auch als belangte Behörde bezeichnet) am 19.12.2017 im Beisein eines Dolmetschers der Sprache Farsi niederschriftlich einvernommen. Dabei brachte der Beschwerdeführer Folgendes vor (LA=Leiter der Amtshandlung; VP=Verfahrenspartei):

"LA: Wie verstehen Sie die anwesenden Dolmetscher?

VP: Gut.

LA: Sie werden ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Sie im Fall von Verständigungsschwierigkeiten jederzeit rückfragen können. Ich möchte sicher sein können, das alles, was Sie gesagt haben, auch so gemeint wurde. Wenn Sie eine Pause brauchen sagen Sie das bitte.

VP: Ja.

LA: Werden Sie rechtsfreundlich vertreten?

VP: Nein.

LA: Möchten Sie Ihre Angaben bezüglich der Erstbefragung ergänzen? Haben Sie bis dato die Wahrheit gesagt?

VP: Ja ich habe die Wahrheit gesagt.

LA: Haben Sie Ihre Asylkarte mit?

VP: Ja.

LA: Geben Sie bitte Ihren Namen, geb. Datum - und Ort an!

VP: Mein Name ist XXXX und ich bin am XXXX im, Mashad geboren.

Vorhalt Bei der Erstbefragung gaben Sie an in Herat geboren zu sein?

VP: Nein ich bin in Mashad geboren.

LA: Welcher Volksgruppe bzw. Religion gehören Sie an?

VP: Ich bin Moslem (Shiit) und gehöre der Volksgruppe der Ozbek an.

LA: Sind Sie streng gläubig?

VP: Normal.

LA: Wie oft am Tag beten Sie?

VP: Ich bete nicht. Befragt gebe ich an, dass ich einfach nicht bete. Ich kann nicht beten und habe keine Korankenntnisse.

LA: Besuchen Sie eine Moschee?

VP: Im heiligen Monat, aber sonst nicht regelmäßig.

LA: Mussten Sie dieses Jahr bereits einen Arzt aufsuchen?

VP: Ich war einmal verkühlt aber derzeit geht es mir gut.

LA: Wie lange haben Sie im Iran gelebt?

VP: Seit meiner Geburt, ca. 18 Jahre.

LA: Wann und warum ist Ihre Familie in den Iran gegangen?

VP: In der Zeit der Taliban. Damals gab es Krieg und mein Vater ist in den Iran geflüchtet. Dann bin ich dort geboren.

LA: Wo ist Ihre Familie jetzt?

VP: Sie sind im Iran. Meine Eltern und meine Schwester leben dort.

LA: Nennen Sie bitte Ihre Wohnadressen!

VP: Ich habe zuletzt in Mashad (Stadt), A. (Straße) gelebt. Ich habe in Mashad in verschiedenen Wohnungen mit meiner Familie gelebt.

LA: Waren Sie auch in Afghanistan?

VP: Nein noch nie.

LA: Haben Sie noch Kontakt zur Familie?

VP: Ja wir telefonieren. Befragt gebe ich an, dass es ihnen gut geht. Ich habe meinen Eltern gesagt dass sie für mich beten sollen.

LA: Wo sind Ihre weiteren Verwandten in Afghanistan?

VP: In Afghanistan habe ich niemanden. Im Iran habe ich noch eine Cousine.

LA: Wo ist Ihre restliche Familie?

VP: Ich habe sonst niemanden.

LA: Wo ist Ihre Tante bzw. Onkel Ihrer Cousine im Iran?

VP: Im Iran.

LA: Wann haben Sie den Iran verlassen?

VP: Genaues Datum weiß ich keines aber ich bin seit 2 Jahren hier.

LA: Sind Sie verheiratet haben Sie Sorgepflichten?

VP: Ich bin ledig und habe keine Kinder.

LA: Welche Sprachen sprechen Sie?

VP: Ich spreche Farsi, ein bisschen Dari und etwas Deutsch.

LA: Haben Sie in Österreich familiäre und soziale Bindungen?

VP: Nein.

LA: Wo bzw. wie wohnen Sie derzeit?

VP: Ich bin derzeit in XXXX Wien, Y-Straße gemeldet.

Ich wohne dort als Untermieter und bezahle 150 Euro im Monat.

LA: Wie finanzieren Sie das?

VP: Ich bekomme Unterstützung von der Caritas aber ich habe noch keines bekommen.

Befragt gebe ich an, dass ich noch keine Miete bezahlen musste.

LA: Wie finanzieren Sie sich Ihren Lebensunterhalt Österreich?

VP: ich bin in der Grundversorgung.

LA: Haben Sie Schulen besucht?

VP: Ich habe im Iran 5 Jahre eine private iranische Schule besucht und anschließend als Tischler gearbeitet.

LA: Haben Sie Beweismittel?

VP:

• Nutzungsvereinbarung (Wohnung)

• Diverse Teilnahmebestätigungen

• Deutschkursbesuchsbestätigungen

• Antrag auf Mitgliedschaft (Mc Fit)

Dokumente aus Afghanistan bzw. Iran habe ich keine.

LA: Wer hat Ihre Reise in Richtung Europa organisiert?

VP: Mein Vater.

LA: Was haben Sie bezahlt?

VP: Ich selbst.

LA: War Österreich Ihr Zielland?

VP: Ich hatte zwei Länder, Österreich und Deutschland und habe mich dann entschieden hier zu bleiben.

LA: Haben Sie auch in einem anderen Land um Asyl angesucht?

VP: Nein.

LA: Sie hatten nachweislich behördlichen Kontakt in Griechenland bzw. Ungarn! Warum haben Sie dort keinen Asylantrag gestellt?

VP: Mir wurden die Fingerabdrücke mit Gewalt abgenommen. Die Lage für Flüchtlinge war dort nicht gut. Ich wollte dort keinen Antrag stellen.

LA: Warum war die Lage so schlecht?

VP: Die Lage war sehr schlecht. Die Polizei ist sehr streng und sie belästigen die Flüchtlinge.

LA: Schildern Sie mir bitte Ihre Fluchtgründe! Warum haben Sie einen Asylantrag gestellt?

VP: Ich war nie in Afghanistan und hatte auch keine Probleme dort.

Im Iran war mein Problem, dass die iranischen Behörden mich nach Syrien in den Krieg schicken. Meine Familie war dagegen. Die Behörden wollten mich nach Syrien schicken und ich wollte das nicht. Deswegen bin ich geflüchtet.

LA: Gibt es noch weitere Probleme?

VP: Es ist schwer für Afghanen im Iran zu leben. Ich wollte mir eine Sim Karte kaufen und es war mir nicht möglich. Die Behörden belästigen immer die Afghanen.

LA: Gab es ein ausschlaggebendes Ereignis, das Sie veranlasste den Iran zu verlassen?

VP: Nein nur wegen diesem syrischen Krieg.

Schildern Sie mir bitte die Situation!

VP: Es waren iranische Zivilpolizisten und sie haben mir 2 Briefe geschickt die ich ignoriert habe. Dann kamen sie zu mir und an dem Tag war ich aber nicht zu Hause. Dann hat mich meine Mutter angerufen und gesagt, dass ich nicht nach Hause kommen soll weil die Polizei nach mir gefragt hat. Ich hatte Angst und ging nicht mehr nach Hause. Dann bin ich einfach geflüchtet und habe den Iran verlassen.

LA: Haben Sie diese Briefe noch?

VP: Nein, meine Mutter hatte diese glaube ich weggeschmissen.

LA: Waren Sie im Iran legal aufhältig?

VP: Nein, ich war illegal. Meine ganze Familie war illegal dort.

LA: Wo haben Sie gelebt nachdem Sie nicht mehr nach Hause konnten?

VP: Ich war drei Tage bei meiner Tante wohnhaft. Befragt gebe ich an, dass ich danach bereits ausgereist bin.

LA: Wann haben Ihre Probleme angefangen?

VP: Ich weiß es nicht und kann kein Datum nennen. Ich war ca. 17 oder 18 Jahre.

LA: Wie alt sind Sie jetzt?

VP: Ich bin 20 Jahre alt.

LA: Hat Ihr Vater bzw. Ihre Familie auch Probleme mit den Behörden?

VP: Mein Vater wurde 2-3 Mal befragt wegen mir wo ich bin. Sie wollten ihn verhaften.

LA: Warum haben Sie nicht versucht nach Afghanistan zurückzukehren, um Ihren Problemen zu entgehen?

VP: Ich war noch nie in Afghanistan, wie kann ich dort leben. Ich kann die Sprache auch nicht gut.

LA: Können Sie Deutsch?

VP: Jetzt ein wenig.

LA: Waren Sie jemals zuvor in Österreich?

VP: Nein.

Vorhalt: In Österreich waren SIE auch noch nicht und der Sprache waren Sie auch nicht mächtig! Was sagen Sie dazu?

VP: Ich kann die Sprache lernen, aber dort gibt es keine Sicherheit.

LA: Wurden Sie jemals von den iranischen Behörden persönlich angetroffen?

VP: Nein.

LA: Wie genau wurden Sie aufgefordert in den syrischen Krieg zu ziehen?

VP: Die iranischen Behörden haben sie für Flüchtlinge ein Meldesystem. Sie haben deswegen viele Hazare nach Syrien geschickt. Dies hat mit den Drohbriefen funktioniert.

LA: Waren Sie nun illegal im Iran oder wurden Sie durch dieses System erfasst?

VP: Wir hatten Flüchtlingskarten und die waren nicht gültig. Sie haben immer Geld von uns für die Verlängerung verlangt.

LA: Warum haben Sie bei Ihrer Erstbefragung lediglich darüber gesprochen, dass es keine Arbeit für Sie im Iran gäbe?

VP: Damals war ich durcheinander und hatte nicht die Möglichkeit viel zu reden. Ich sollte mich kurz fassen und konnte meine Problem nicht im Detail erzählen.

LA: Wie sieht Ihr Freundes- und Bekanntenkreis in Österreich aus? Zum wem haben Sie Kontakt, mit wem haben Sie Umgang?

VP: Ich habe österr. Freunde. Im Deutschkurs habe ich auch syrische Freunde

LA: Was machen Sie in Ihrer Freizeit?

VP: Ich gehe ins Fitnessstudio und lerne zu Hause Deutsch und mache Sport.

LA: Wie stellen Sie sich Ihr zukünftiges Leben in Österreich vor?

VP: Ich erhoffe mir eine gute Zukunft. Ich werde alles machen und kann in jedem Bereich arbeiten.

LA: Was befürchten Sie im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan?

VP: Ich kann mir das Leben dort nicht vorstellen. Es gibt dort keine Sicherheit.

Anmerkung: Ihnen wird nun die Möglichkeit eingeräumt, in das vom BFA zur Beurteilung Ihres Falles herangezogene Länderinformationsblatt zu Ihrem Heimatland Afghanistan samt den darin enthaltenen Quellen Einsicht und gegebenenfalls schriftlich Stellung zu nehmen. Diese Quellen berufen sich vorwiegend unter anderem auf Berichte von EU-Behörden von Behörde von EU-Ländern aber auch Behörden anderer Länder, aber auch Quellen aus Ihrer Heimat wie auch zahlreichen NGOs und auch Botschaftsberichten, die im einzelnen auch eingesehen werden können.

VP: Nein.

LA: Haben Sie Einwände dagegen, dass erforderlichenfalls weitere Ermittlungen zu Ihrem Vorbringen in, auch unter Einschaltung eines Verbindungsbeamten oder eines Vertrauensanwaltes, durchgeführt werden? Es werden dabei keinesfalls persönliche Daten an die Behörden Ihres Heimatstaates weitergegeben.

VP: Nein, Sie können gerne ermitteln.

LA: Die Einvernahme wird Ihnen nun rückübersetzt werden. Mit Ihrer Unterschrift bestätigen Sie die Richtigkeit und Vollständigkeit der Niederschrift und die erfolgte Rückübersetzung!

LA: Wie haben Sie den Dolmetscher verstanden?

VP: Gut.

LA: Möchten Sie sonst noch etwas angeben?

VP: Nein.

Anmerkung: Die gesamte Niederschrift wird wortwörtlich rückübersetzt."

Wie diesen Ausführungen zu entnehmen ist, verzichtete der Beschwerdeführer auf eine Einsichtnahme in die seitens der Behörde herangezogenen Berichte zur Situation in Afghanistan sowie auf die Abgabe einer diesbezüglichen Stellungnahme. Bezogen auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan brachte der Beschwerdeführer keine konkret und gezielt gegen seine Person gerichtete individuelle Verfolgungsgefahr und somit keine Fluchtgründe vor, vielmehr gab er an, er sei nie in Afghanistan gewesen und habe auch keine Probleme dort gehabt. Es gebe aber in Afghanistan keine Sicherheit.

Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gem. § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) sowie festgestellt, dass seine Abschiebung gem. § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt V.). Gemäß 55 Abs. 1a FPG wurde festgestellt, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 18 Absatz 1 Ziffer 4 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. Nr. 87/2012, (BFA-VG) idgF wurde einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VII.).

Die belangte Behörde stellte fest, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen volljährigen Staatsangehörigen Afghanistans handle, welcher der moslemisch-schiitischen Glaubensrichtung sowie der Volksgruppe der Ozbek (Usbeken) angehöre. Die Identität des Beschwerdeführers könne nicht festgestellt werden. Er stamme aus der Provinz Herat/Afghanistan, habe aber den überwiegenden Teil seines Lebens im Iran zugebracht. Der Beschwerdeführer spreche Dari und Farsi. Der Aufenthaltsort der Kernfamilie (Eltern und Geschwister) sei im Iran. Der Beschwerdeführer habe Kontakt zur seinen Verwandten im Iran, die ihm Unterstützung zukommen lassen könnten. Er verfüge über eine mehrjährige Schulbildung und Berufserfahrungen als Tischler. Er sei arbeitsfähig und leide an keiner lebensbedrohlichen Erkrankung. Er sei wirtschaftlich genügend abgesichert und könne für seinen Unterhalt grundsätzlich sorgen. Der Beschwerdeführer sei ledig und habe keine Kinder. Er habe keine Angehörigen in Österreich. Es könne keine Integrationsverfestigung in Österreich festgestellt werden. Der Beschwerdeführer besuche in Österreich keine Schulen und gehe keiner Arbeit nach. Es bestünden keine besonderen sozialen Kontakte, die den Beschwerdeführer an Österreich bänden. Der Beschwerdeführer sei illegal in das Bundesgebiet eingereist, wo er sich seit einem vergleichsweise kurzen Zeitraum aufhalte und über keine Familienangehörigen verfüge, er spreche Deutsch auf niedrigem Niveau, auch wenn er Deutschkurse besuche, es sei nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer eine wesentliche integrative Bindung zu Österreich erreicht hätte. Zur Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten führte die belangte Behörde begründend aus, dass der Beschwerdeführer künftig in Afghanistan eine Verfolgung zu befürchten hätte, habe der Beschwerdeführer nicht vorgebracht und nicht glaubhaft machen können; ebensowenig sei in einer Gesamtschau davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer nach einer Rückkehr nach Afghanistan - konkret nach Kabul oder Herat - eine Artikel 2, 3 EMRK entsprechende Notlage zu erwarten hätte. Der Beschwerdeführer habe eigenen Angaben zufolge - je nach Darstellung - nur die ersten vier Lebensjahre bzw. nie in Afghanistan gelebt und sei dort demnach keiner konkreten individuellen Verfolgung ausgesetzt gewesen. Die allgemeine Lage in der Heimatprovinz Herat sei relativ stabil. Herat verfüge über einen Flughafen, diesen könne der Beschwerdeführer auch über Kabul und im Anschluss über den Verkehrsweg (Herat City Airport Road) erreichen, ohne einer besonderen Gefährdung ausgesetzt zu sein. Die vom Beschwerdeführer geschilderten Gründe für das Verlassen des Irans würden sich für das gegenständliche Asylverfahren nicht als prüfungsrelevant erweisen, zumal die afghanische Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers aufgrund der von ihm getätigten Angaben unzweifelhaft feststehe. Der Beschwerdeführer habe bezogen auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan keine individuelle Verfolgung vorgebracht und damit auch nicht glaubhaft machen können. Trotz der als instabil zu bezeichnenden allgemeinen Sicherheitslage in Afghanistan sei eine Ansiedelung in Afghanistan, insbesondere in Kabul, im Hinblick auf die regional unterschiedliche Sicherheitslage nicht grundsätzlich ausgeschlossen, dem Beschwerdeführer sei aufgrund seiner individuellen Situation eine Aufenthaltnahme in der Hauptstadt Kabul, in der Herkunftsstadt Herat oder in einer anderen Großstadt Afghanistans zumutbar. Dem Beschwerdeführer sei es zumutbar, sich in Afghanistan durch Aufnahme einer eigenen Arbeitstätigkeit (sowie durch Unterstützung seiner im Iran aufhältigen Angehörigen und in Kabul ansässiger Hilfsorganisationen) den Lebensunterhalt zu sichern, weshalb er nicht in eine ausweglose finanzielle bzw. wirtschaftliche Notlage geraten würde. Seitens der afghanischen Regierung sei man sich des Problems möglicherweise fehlenden familiären Rückhalts afghanischer Staatsbürger bewusst und bestrebt, diesbezüglich Unterstützung zu leisten. Zudem würden Rückkehrer aus Europa besser versorgt werden als jene aus dem Iran und Pakistan, da die meisten europäischen Staaten eigene Programme haben, um die Rückkehrer zu unterstützen. So unterstütze beispielsweise auch IOM die Rückkehr mit finanziellen und sonstigen Unterstützungsleistungen. Im konkreten Fall des Beschwerdeführers seien - unter Berücksichtigung der für alle Einwohner Afghanistans prekären Verhältnisse, insbesondere was den Zugang zu Arbeit, Nahrung, Wohnraum und Gesundheitsversorgung betrifft - keine weitergehenden außergewöhnlichen Umstände festzustellen, vor deren Hintergrund sich eine Rückkehr nach Afghanistan tatsächlich als unmöglich erweisen würde. Es habe auch nicht festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer angesichts seines langjährigen Aufenthalts im Iran bei einer Wiedereingliederung in die afghanische Gesellschaft mit unüberwindlichen Hindernissen konfrontiert sein würde, zumal der Beschwerdeführer auch im Iran vornehmlich in einem afghanischen Umfeld aufgewachsen wäre.

Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer durch seine nunmehrige Rechtsvertretung mit Schriftsatz vom 15.03.2018 fristgerecht Beschwerde ein, die dem Bundesverwaltungsgericht samt dem Verwaltungsakt am 19.03.2018 vorgelegt wurde. Der Beschwerde beigelegt wurden Länderberichte betreffend Afghanistan, konkret

* Präsentation von Aurvasi PATEL, International Protection Needs of Asylum-Seekers from Afghanistan 12 March 2018 - Vienna, Austria;

* Friederike Stahlmann: "Überleben in Afghanistan? - Zur humanitären Lage von Rückkehrenden und ihren Chancen auf familiäre Unterstützung", in ASYLMAGAZIN 3/2017;

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

Zur Person des Beschwerdeführers: Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan, gehört der Volksgruppe der Usbeken an und ist Muslim schiitischer Ausrichtung. Seine Identität steht nicht fest. Nicht festgestellt werden kann, ob der Beschwerdeführer in Herat/Afghanistan oder im Iran geboren wurde. Festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer aus Herat/Afghanistan stammt und jedenfalls seit seinem vierten Lebensjahr im Iran gelebt hat, wo er mit seiner Familie lebte, in die Schule ging und als Tischler arbeitete. In seinem Herkunftsstaat Afghanistan hat er sich jedenfalls seit seinem vierten Lebensjahr nicht mehr aufgehalten, sämtliche seiner Angehörigen befinden sich derzeit im Iran.

Festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer keine konkret und gezielt gegen seine Person gerichtete Verfolgungsgefahr bezogen auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan vorgebracht hat.

Beim Beschwerdeführer handelt es sich um einen alleinstehenden gesunden leistungsfähigen Mann im berufsfähigen Alter ohne festgestellten besonderen Schutzbedarf. Der Beschwerdeführer leidet an keinen körperlichen und an keinen psychischen Erkrankungen. Er spricht Farsi und etwas Dari.

Der in Österreich strafgerichtlich unbescholtene Beschwerdeführer ist seit seiner Antragstellung im März 2016 durchgehend auf Grund des vorläufigen Aufenthaltsrechts in seinem Asylverfahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig und bestreitet den Lebensunterhalt im Rahmen der Grundversorgung. Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder. Er leidet an keiner schwerwiegenden Erkrankung, hat im Iran fünf Jahre eine Schule besucht, ist arbeitsfähig und hat insofern Berufserfahrung, als er im Iran als Tischler gearbeitet hat. Der Beschwerdeführer verfügt über geringe Deutschkenntnisse; er hat in Österreich Deutschkurse besucht, aber keine Zertifikate über abgelegte Prüfungen vorgelegt. Er hat in Österreich keine Verwandten und keine sonstigen engen familienähnlichen Bindungen. Für außergewöhnliche Integrationsbestrebungen des Beschwerdeführers gibt es keine Anhaltspunkte.

Zur Lage im Herkunftsstaat:

...

Sicherheitslage

Die Sicherheitslage ist beeinträchtigt durch eine tief verwurzelte militante Opposition. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädten und den Großteil der Distriktzentren. Die afghanischen Sicherheitskräfte zeigten Entschlossenheit und steigerten auch weiterhin ihre Leistungsfähigkeit im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand. Die Taliban kämpften weiterhin um Distriktzentren, bedrohten Provinzhauptstädte und eroberten landesweit kurzfristig Hauptkommunikationsrouten; speziell in Gegenden von Bedeutung wie z.B. Kunduz City und der Provinz Helmand (USDOD 12.2016). Zu Jahresende haben die afghanischen Sicherheitskräfte (ANDSF) Aufständische in Gegenden von Helmand, Uruzgan, Kandahar, Kunduz, Laghman, Zabul, Wardak und Faryab bekämpft (SIGAR 30.1.2017).

In den letzten zwei Jahren hatten die Taliban kurzzeitig Fortschritte gemacht, wie z.B. in Helmand und Kunduz, nachdem die ISAF-Truppen die Sicherheitsverantwortung den afghanischen Sicherheits- und Verteidigungskräften (ANDSF) übergeben hatten. Die Taliban nutzen die Schwächen der ANDSF aus, wann immer sie Gelegenheit dazu haben. Der IS (Islamischer Staat) ist eine neue Form des Terrors im Namen des Islam, ähnlich der al-Qaida, auf zahlenmäßig niedrigerem Niveau, aber mit einem deutlich brutaleren Vorgehen. Die Gruppierung operierte ursprünglich im Osten entlang der afghanisch-pakistanischen Grenze und erscheint, Einzelberichten zufolge, auch im Nordosten und Nordwesten des Landes (Lokaler Sicherheitsberater in Afghanistan 17.2.2017).

(INSO 2017).

INSO beziffert die Gesamtzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle in Afghanistan im Jahr 2016 mit 28.838 (INSO 2017).

...

Mit Stand September 2016, schätzen Unterstützungsmission der NATO, dass die Taliban rund 10% der Bevölkerung beeinflussen oder kontrollieren. Die afghanischen Verteidigungsstreitkräfte (ANDSF) waren im Allgemeinen in der Lage, große Bevölkerungszentren zu beschützen. Sie hielten die Taliban davon ab, Kontrolle in bestimmten Gegenden über einen längeren Zeitraum zu halten und reagierten auf Talibanangriffe. Den Taliban hingegen gelang es, ländliche Gegenden einzunehmen; sie kehrten in Gegenden zurück, die von den ANDSF bereits befreit worden waren, und in denen die ANDSF ihre Präsenz nicht halten konnten. Sie führten außerdem Angriffe durch, um das öffentliche Vertrauen in die Sicherheitskräfte der Regierung, und deren Fähigkeit, für Schutz zu sorgen, zu untergraben (USDOD 12.2016). Berichten zufolge hat sich die Anzahl direkter Schussangriffe der Taliban gegen Mitglieder der afghanischen Nationalarmee (ANA) und afghaninischen Nationalpolizei (ANP) erhöht (SIGAR 30.1.2017).

Einem Bericht des U.S. amerikanischen Pentagons zufolge haben die afghanischen Sicherheitskräfte Fortschritte gemacht, wenn auch keine dauerhaften (USDOD 12.2016). Laut Innenministerium wurden im Jahr 2016 im Zuge von militärischen Operationen - ausgeführt durch die Polizei und das Militär - landesweit mehr als 18.500 feindliche Kämpfer getötet und weitere 12.000 verletzt. Die afghanischen Sicherheitskräfte versprachen, sie würden auch während des harten Winters gegen die Taliban und den Islamischen Staat vorgehen (VOA 5.1.2017).

Obwohl die afghanischen Sicherheitskräfte alle Provinzhauptstädte sichern konnten, wurden sie von den Taliban landesweit herausgefordert: intensive bewaffnete Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften verschlechterten die Sicherheitslage im Berichtszeitraum (16.8. - 17.11.2016) (UN GASC 13.12.2016; vgl. auch: SCR 30.11.2016). Den afghanischen Sicherheitskräften gelang es im August 2016, mehrere große Talibanangriffe auf verschiedene Provinzhauptstädte zu vereiteln, und verlorenes Territorium rasch wieder zurückzuerobern (USDOD 12.2016).

Kontrolle von Distrikten und Regionen

Den Aufständischen misslangen acht Versuche, die Provinzhauptstadt einzunehmen; den Rebellen war es möglich, Territorium einzunehmen. High-profile Angriffe hielten an. Im vierten Quartal 2016 waren 2,5 Millionen Menschen unter direktem Einfluss der Taliban, während es im 3. Quartal noch 2,9 Millionen waren (SIGAR 30.1.2017).

Laut einem Sicherheitsbericht für das vierte Quartal, sind 57,2% der 407 Distrikte unter Regierungskontrolle bzw. -einfluss; dies deutet einen Rückgang von 6,2% gegenüber dem dritten Quartal: zu jenem Zeitpunkt waren 233 Distrikte unter Regierungskontrolle, 51 Distrikte waren unter Kontrolle der Rebellen und 133 Distrikte waren umkämpft. Provinzen, mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Rebelleneinfluss oder -kontrolle waren: Uruzgan mit 5 von 6 Distrikten, und Helmand mit 8 von 14 Distrikten. Regionen, in denen Rebellen den größten Einfluss oder Kontrolle haben, konzentrieren sich auf den Nordosten in Helmand, Nordwesten von Kandahar und die Grenzregion der beiden Provinzen (Kandahar und Helmand), sowie Uruzgan und das nordwestliche Zabul (SIGAR 30.1.2017).

Rebellengruppen

Regierungsfeindliche Elemente versuchten weiterhin durch Bedrohungen, Entführungen und gezielten Tötungen ihren Einfluss zu verstärken. Im Berichtszeitraum wurden 183 Mordanschläge registriert, davon sind 27 gescheitert. Dies bedeutet einen Rückgang von 32% gegenüber dem Vergleichszeitraum im Jahr 2015 (UN GASC 13.12.2016). Rebellengruppen, inklusive hochrangiger Führer der Taliban und des Haqqani Netzwerkes, behielten ihre Rückzugsgebiete auf pakistanischem Territorium (USDOD 12.2016).

Afghanistan ist mit einer Bedrohung durch militante Opposition und extremistischen Netzwerken konfrontiert; zu diesen zählen die Taliban, das Haqqani Netzwerk, und in geringerem Maße al-Qaida und andere Rebellengruppen und extremistische Gruppierungen. Die Vereinigten Staaten von Amerika unterstützen eine von Afghanen geführte und ausgehandelte Konfliktresolution in Afghanistan - gemeinsam mit internationalen Partnern sollen die Rahmenbedingungen für einen friedlichen politischen Vergleich zwischen afghanischer Regierung und Rebellengruppen geschaffen werden (USDOD 12.2016).

Zwangsrekrutierungen durch die Taliban, Milizen, Warlords oder kriminelle Banden sind nicht auszuschließen. Konkrete Fälle kommen jedoch aus Furcht vor Konsequenzen für die Rekrutierten oder ihren Familien kaum an die Öffentlichkeit (AA 9.2016).

Taliban und ihre Offensive

Die afghanischen Sicherheitskräfte behielten die Kontrolle über große Ballungsräume und reagierten rasch auf jegliche Gebietsgewinne der Taliban (USDOD 12.2016). Die Taliban erhöhten das Operationstempo im Herbst 2016, indem sie Druck auf die Provinzhauptstädte von Helmand, Uruzgan, Farah und Kunduz ausübten, sowie die Regierungskontrolle in Schlüsseldistrikten beeinträchtigten und versuchten, Versorgungsrouten zu unterbrechen (UN GASC 13.12.2016). Die Taliban verweigern einen politischen Dialog mit der Regierung (SCR 12.2016).

Die Taliban haben die Ziele ihrer Offensive "Operation Omari" im Jahr 2016 verfehlt (USDOD 12.2016). Ihr Ziel waren großangelegte Offensiven gegen Regierungsstützpunkte, unterstützt durch Selbstmordattentate und Angriffe von Aufständischen, um die vom Westen unterstütze Regierung zu vertreiben (Reuters 12.4.2016). Gebietsgewinne der Taliban waren nicht dauerhaft, nachdem die ANDSF immer wieder die Distriktzentren und Bevölkerungsgegenden innerhalb eines Tages zurückerobern konnte. Die Taliban haben ihre lokalen und temporären Erfolge ausgenutzt, indem sie diese als große strategische

Veränderungen in sozialen Medien und in anderen öffentlichen Informationskampagnen verlautbarten (USDOD12.2016). Zusätzlich zum bewaffneten Konflikt zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Taliban kämpften die Taliban gegen den ISIL-KP (Islamischer Staat in der Provinz Khorasan) (UN GASC 13.12.2016).

Der derzeitig Talibanführer Mullah Haibatullah Akhundzada hat im Jänner 2017 16 Schattengouverneure in Afghanistan ersetzt, um seinen Einfluss über den Aufstand zu stärken. Aufgrund interner Unstimmigkeiten und Überläufern zu feindlichen Gruppierungen, wie dem Islamischen Staat, waren die afghanischen Taliban geschwächt. hochrangige Quellen der Taliban waren der Meinung, die neu ernannten Gouverneure würden den Talibanführer stärken, dennoch gab es keine Veränderung in Helmand. Die südliche Provinz - größtenteils unter Talibankontrolle - liefert der Gruppe den Großteil der finanziellen Unterstützung durch Opium. Behauptet wird, Akhundzada hätte nicht den gleichen Einfluss über Helmand, wie einst Mansour (Reuters 27.1.2017).

Im Mai 2016 wurde der Talibanführer Mullah Akhtar Mohammad Mansour durch eine US-Drohne in der Provinz Balochistan in Pakistan getötet (BBC News 22.5.2016; vgl. auch: The National 13.1.2017). Zum Nachfolger wurde Mullah Haibatullah Akhundzada ernannt - ein ehemaliger islamischer Rechtsgelehrter - der bis zu diesem Zeitpunkt als einer der Stellvertreter diente (Reuters 25.5.2016; vgl. auch:

The National 13.1.2017). Dieser ernannte als Stellvertreter Sirajuddin Haqqani, den Sohn des Führers des Haqqani-Netzwerkes (The National 13.1.2017) und Mullah Yaqoub, Sohn des Talibangründers Mullah Omar (DW 25.5.2016).

Haqqani-Netzwerk

Das Haqqani-Netzwerk ist eine sunnitische Rebellengruppe, die durch Jalaluddin Haqqani gegründet wurde. Sirajuddin Haqqani, Sohn des Jalaluddin, führt das Tagesgeschäft, gemeinsam mit seinen engsten Verwandten (NCTC o.D.). Sirajuddin Haqqani, wurde zum Stellvertreter des Talibanführers Mullah Haibatullah Akhundzada ernannt (The National 13.1.2017).

Das Netzwerk ist ein Verbündeter der Taliban - dennoch ist es kein Teil der Kernbewegung (CRS 26.5.2016). Das Netzwerk ist mit anderen terroristischen Organisationen in der Region, inklusive al-Qaida und den Taliban, verbündet (Khaama Press 16.10.2014). Die Stärke des Haqqani-Netzwerks wird auf 3.000 Kämpfer geschätzt (CRS 12.1.2017). Das Netzwerk ist hauptsächlich in Nordwaziristan (Pakistan) zu verorten und führt grenzübergreifende Operationen nach Ostafghanistan und Kabul durch (NCTC o.D.).

Das Haqqani-Netzwerk ist fähig - speziell in der Stadt Kabul - Operationen durchzuführen; finanziert sich durch legale und illegale Geschäfte in den Gegenden Afghanistans, in denen es eine Präsenz hat, aber auch in Pakistan und im Persischen Golf. Das Netzwerk führt vermehrt Entführungen aus - wahrscheinlich um sich zu finanzieren und seine Wichtigkeit zu stärken (CRS 12.1.2017).

Kommandanten des Haqqani Netzwerk sagten zu Journalist/innen, das Netzwerk sei bereit eine politische Vereinbarung mit der afghanischen Regierung zu treffen, sofern sich die Taliban dazu entschließen würden, eine solche Vereinbarung einzugehen (CRS 12.1.2017).

Al-Qaida

Laut US-amerikanischen Beamten war die Präsenz von al-Qaida in den Jahren 2001 bis 2015 minimal (weniger als 100 Kämpfer); al-Qaida fungierte als Unterstützer für Rebellengruppen (CRS 12.1.2017). Im Jahr 2015 entdeckten und zerstörten die afghanischen Sicherheitskräfte gemeinsam mit US-Spezialkräften ein Kamp der al-Quaida in der Provinz Kandahar (CRS 12.1.2017; vgl. auch: FP 2.11.2015); dabei wurden 160 Kämpfer getötet (FP 2.11.2015). Diese Entdeckung deutet darauf hin, dass al-Qaida die Präsenz in Afghanistan vergrößert hat. US-amerikanische Kommandanten bezifferten die Zahl der Kämpfer in Afghanistan mit 100-300, während die afghanischen Behörden die Zahl der Kämpfer auf 300-500 schätzten (CRS 12.1.2017). Im Dezember 2015 wurde berichtet, dass al-Qaida sich primär auf den Osten und Nordosten konzertierte und nicht wie ursprünglich von US-amerikanischer Seite angenommen, nur auf Nordostafghanistan (LWJ 16.4.2016).

Hezb-e Islami Gulbuddin (HIG)

Siehe Kapitel 2 - Politische Lage - Friedens- und Versöhnungsprozesse

IS/ISIS/ISIL/ISKP/ISIL-K/Daesh - Islamischer Staat

Seit dem Jahr 2014 hat die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) eine kleine Präsenz in Afghanistan etabliert (RAND 28.11.2016). Die Führer des IS nennen diese Provinz Wilayat Khorasan - in Anlehnung an die historische Region, die Teile des Irans, Zentralasien, Afghanistan und Pakistan beinhaltete (RAND 28.11.2016; vgl. auch:

MEI 5.2016). Anfangs wuchs der IS schnell (MEI 5.2016). Der IS trat im Jahr 2014 in zwei getrennten Regionen in Afghanistan auf: in den östlichsten Regionen Nangarhars, an der AfPak-Grenze und im Distrikt Kajaki in der Provinz Helmand (USIP 3.11.2016).

Trotz Bemühungen, seine Macht und seinen Einfluss in der Region zu vergrößern, kontrolliert der IS nahezu kein Territorium außer kleineren Gegenden wie z.B. die Distrikte Deh Bala, Achin und Naziyan in der östlichen Provinz Nangarhar (RAND 28.11.2016; vgl. auch: USIP 3.11.2016). Zwar kämpfte der IS hart in Afghanistan, um Fuß zu fassen. Die Gruppe wird von den Ansässigen jedoch Großteils als fremde Kraft gesehen (MEI 5.2016). Nur eine Handvoll Angriffe führte der IS in der Region durch. Es gelang ihm nicht, sich die Unterstützung der Ansässigen zu sichern; auch hatte er mit schwacher Führung zu kämpfen (RAND 28.11.2016). Der IS hatte mit Verslusten zu kämpfen (MEI 5.2016). Unterstützt von internationalen Militärkräften, führten die afghanischen Sicherheitskräfte regelmäßig Luft- und Bodenoperationen gegen den IS in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch - dies verkleinerte die Präsenz der Gruppe in beiden Provinzen. Eine kleinere Präsenz des IS existiert in Nuristan (UN GASC 13.12.2016).

Auch wenn die Gruppierung weiterhin interne Streitigkeiten der Taliban ausnützt, um die Präsenz zu halten, ist sie mit einem harten Kampf konfrontiert, um permanenter Bestandteil komplexer afghanischer Stammes- und Militärstrukturen zu werden. Anhaltender Druck durch US-amerikanische Luftangriffe haben weiterhin die Möglichkeiten des IS in Afghanistan untergraben; auch wird der IS weiterhin davon abgehalten, seinen eigenen Bereich in Afghanistan einzunehmen (MEI 5.2016). Laut US-amerikanischem Außenministerium hat der IS keinen sicherheitsrelevanten Einfluss außerhalb von isolierten Provinzen in Ostafghanistan (SIGAR 30.1.2017).

Unterstützt von internationalen Militärkräften, führten die afghanischen Sicherheitskräfte regelmäßig Luft- und Bodenoperationen gegen den IS in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch - dies verkleinerte die Präsenz der Gruppe in beiden Provinzen. Eine kleinere Präsenz des IS existiert in Nuristan (UN GASC 13.12.2016).

Presseberichten zufolge betrachtet die afghanische Bevölkerung die Talibanpraktiken als moderat im Gegensatz zu den brutalen Praktiken des IS. Kämpfer der Taliban und des IS gerieten, aufgrund politischer oder anderer Differenzen, aber auch aufgrund der Kontrolle von Territorium, aneinander (CRS 12.1.2017).

Drogenanbau und Gegenmaßnahmen

Einkünfte aus dem Drogenschmuggel versorgen auch weiterhin den Aufstand und kriminelle Netzwerke (USDOD 12.2016). Laut einem Bericht des afghanischen Drogenbekämpfungsministeriums, vergrößerte sich die Anbaufläche für Opium um 10% im Jahr 2016 auf etwa 201.000 Hektar. Speziell in Nordafghanistan und in der Provinz Badghis, verstärkte sich der Anbau: Blaumohn wächst in 21 der 34 Provinzen, im Vergleich zum Jahr 2015, wo nur 20 Provinzen betroffen waren. Seit dem Jahr 2008 wurde zum ersten Mal von Opiumanbau in der Provinz Jawzjan berichtet. Helmand bleibt mit 80.273 Hektar (40%) auch weiterhin Hauptanbauprovinz, gefolgt von Badghis, Kandahar und der Provinz Uruzgan. Die potentielle Opiumproduktion im Jahr 2016 macht insgesamt 4.800 Tonnen aus - eine Steigerung von 43% (3.300 Tonnen) im Gegensatz zum Jahr 2015. Die hohe Produktionsrate kann einer Steigerung des Opiumertrags pro Hektar und eingeschränkter Beseitigungsbemühungen, aufgrund von finanziellen und sicherheitsrelevanten Ressourcen, zugeschrieben werden. Hauptsächlich erhöhten sich die Erträge aufgrund von vorteilhaften Bedingungen, wie z.B. des Wetters und nicht vorhandener Pflanzenkrankheiten (UN GASC 17.12.2016).

Zivile Opfer

Die Mission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UNAMA) dokumentiert weiterhin regierungsfeindliche Elemente, die illegale und willkürliche Angriffe gegen Zivilist/innen ausführen (UNAMA 10.2016). Zwischen 1.1. und 31.12.2016 registrierte UNAMA 11.418 zivile Opfer (3.498 Tote und 7.920 Verletzte) - dies deutet einen Rückgang von 2% bei Getöteten und eine Erhöhung um 6% bei Verletzten im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Jahres 2015 an. Bodenkonfrontation waren weiterhin die Hauptursache für zivile Opfer, gefolgt von Selbstmordangriffen und komplexen Attentaten, sowie unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtung (IED), und gezielter und willkürlicher Tötungen (UNAMA 6.2.2017).

UNAMA verzeichnete 3.512 minderjährige Opfer (923 Kinder starben und 2.589 wurden verletzt) - eine Erhöhung von 24% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres; die höchste Zahl an minderjährigen Opfern seit Aufzeichnungsbeginn. Hauptursache waren Munitionsrückstände, deren Opfer meist Kinder waren. Im Jahr 2016 wurden 1.218 weibliche Opfer registriert (341 Tote und 877 Verletzte), dies deutet einen Rückgang von 2% gegenüber dem Vorjahr an (UNAMA 6.2.2017).

Hauptsächlich waren die südlichen Regionen von dem bewaffneten Konflikt betroffen: 2.989 zivilen Opfern (1.056 Tote und 1.933 Verletzte) - eine Erhöhung von 17% gegenüber dem Jahr 2015. In den zentralen Regionen wurde die zweithöchste Rate an zivilen Opfern registriert: 2.348 zivile Opfer (534 Tote und 1.814 Verletzte) - eine Erhöhung von 34% gegenüber dem Vorjahreswert, aufgrund von Selbstmordangriffen und komplexen Angriffe auf die Stadt Kabul. Die östlichen und nordöstlichen Regionen verzeichneten einen Rückgang bei zivilen Opfern: 1.595 zivile Opfer (433 Tote und 1.162 Verletzte) im Osten und 1.270 zivile Opfer (382 Tote und 888 Verletzte) in den nordöstlichen Regionen. Im Norden des Landes wurden 1.362 zivile Opfer registriert (384 Tote und 978 Verletzte), sowie in den südöstlichen Regionen 903 zivile Opfer (340 Tote und 563 Verletzte). Im Westen wurden 836 zivile Opfer (344 Tote und 492 Verletzte) und 115 zivile Opfer (25 Tote und 90 Verletzte) im zentralen Hochgebirge registriert (UNAMA 6.2.2017).

Laut UNAMA waren 61% aller zivilen Opfer regierungsfeindlichen Elementen zuzuschreiben (hauptsächlich Taliban), 24% regierungsfreundlichen Kräften (20% den afghanischen Sicherheitskräften, 2% bewaffneten regierungsfreundlichen Gruppen und 2% internationalen militärischen Kräften); Bodenkämpfen zwischen regierungsfreundlichen Kräften und regierungsfeindlichen Kräften waren Ursache für 10% ziviler Opfer, während 5% der zivilen Opfer vorwiegend durch Unfälle mit Munitionsrückständen bedingt waren (UNAMA 6.2.2017).

Mitarbeiter/innen internationaler Organisationen und der US-Streitkräfte

Die Taliban greifen weiterhin Mitarbeiter/innen lokaler Hilfsorganisationen und internationaler Organisationen an - nichtsdestotrotz sind der Ruf der Organisationen innerhalb der Gemeinschaft und deren politischer Einfluss ausschlaggebend, ob ihre Mitarbeiter/innen Problemen ausgesetzt sein werden. Dieser Quelle zufolge, sind Mitarbeiter/innen von NGOs Einschüchterungen der Taliban ausgesetzt. Einer anderen Quelle zufolge kam es im Jahr 2015 nur selten zu Vorfällen, in denen NGOs direkt angegriffen wurden (IRBC 22.2.2016). Angriffe auf Mitarbeiter/innen internationaler Organisationen wurden in den letzten Jahren registriert; unter anderem wurden im Februar 2017 sechs Mitarbeiter/innen des Int. Roten Kreuzes in der Provinz Jawzjan von Aufständischen angegriffen und getötet (BBC News 9.2.2017); im April 2015 wurden 5 Mitarbeiter/innen von "Save the Children" in der Provinz Uruzgan entführt und getötet (The Guardian 11.4.2015).

Die norwegische COI-Einheit Landinfo berichtet im September 2015, dass zuverlässige Berichte über konfliktbezogene Gewalt gegen Afghanen im aktiven Dienst für internationale Organisationen vorliegen. Andererseits konnte nur eine eingeschränkte Berichtslage bezüglich konfliktbezogener Gewalt gegen ehemalige Übersetzer, Informanten oder andere Gruppen lokaler Angestellter ziviler oder militärischer Organisationen festgestellt werden (Landinfo 9.9.2015). Ferner werden reine Übersetzerdienste, die auch geheime Dokumente umfassen, meist von US-Staatsbürgern mit lokalen Wurzeln durchgeführt, da diese eine Sicherheitszertifizierung benötigen (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014).

Grundsätzlich sind Anfeindungen gegen afghanische Angestellte der US-Streitkräfte üblich, da diese im Vergleich zu ihren Mitbürger/innen verhältnismäßig viel verdienen. Im Allgemeinen hält sich das aber in Grenzen, da der wirtschaftliche Nutzen für die gesamte Region zu wichtig ist. Tätliche Übergriffe kommen vor, sind aber nicht nur auf ein Arbeitsverhältnis bei den internationalen Truppen zurückzuführen. Des Weiteren bekommen afghanische Angestellte bei den internationalen Streitkräften Uniformen oder Dienstbekleidung, Verpflegung und Zugang zu medizinischer Versorgung nach westlichem Standard. Es handelt sich somit meist um Missgunst. Das Argument der Gefahr im Beruf für lokale Dolmetscher wurde von den US-Streitkräften im Bereich der SOF (Special Operation Forces), die sehr sensible Aufgaben durchführen, dadurch behoben, dass diesen Mitarbeitern nach einer gewissen Zeit die Mitnahme in die USA angeboten wurde. Dieses Vorgehen wurde von einer militärischen Quelle aus Deutschland bestätigt (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014).

Quellen:

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BBC News (9.2.2017): Afghanistan killings: Red Cross halts aid after attack, http://www.bbc.com/news/world-asia-38912482, Zugriff 23.2.2017

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BBC News (22.5.2016): Taliban leader Mullah Akhtar Mansour killed, Afghans confirm, http://www.bbc.com/news/world-asia-36352559, Zugriff 26.1.2017

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http://www.bbc.com/news/world-asia-35169478, Zugriff 12.1.2016

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BBC (29.6.2015): Taliban ambush in Herat province 'kills 11 soldiers', http://www.bbc.com/news/world-asia-33308094, Zugriff 12.1.2016

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BBC (2.9.2014): Afghan militant fighters 'may join Islamic State', http://www.bbc.com/news/world-asia-29009125, Zugriff 27.10.2014

? CRS - Congressional Research Service (26.5.2016): Taliban Leadership Succession, https://fas.org/sgp/crs/row/IN10495.pdf, Zugriff 30.1.2017

-

CRS (12.1.2017): Afghanistan: Post Taliban Governance, Security, and U.S. Policy https://www.fas.org/sgp/crs/row/RL30588.pdf, Zugriff 30.1.2017

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DS - The Daily Signal (6.1.2016): It Would Be a Mistake to Not Hold Steady in Afghanistan,

http://dailysignal.com/2016/01/06/it-would-be-a-mistake-to-not-hold-steady-in-afghanistan/, Zugriff 13.1.2016

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DW - Deutsche Welle (25.5.2016): Taliban names Mansour's deputy Haibatullah Akhundzada as new leader, http://www.dw.com/en/taliban-names-mansours-deputy-haibatullah-akhundzada-as-new-leader/a-19281225, Zugriff 1.3.2017

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DW - Deutsche Welle (17.10.2014): Capture of senior leaders to 'further weaken' Haqqani network, http://www.dw.de/capture-of-senior-leaders-to-further-weaken-haqqani-network/a-18001448, Zugriff 27.10.2014

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Die Zeit (22.9.2016): Kabul schließt Friedensabkommen mit berüchtigtem Milizenführer Hekmatjar, http://www.zeit.de/news/2016-09/22/afghanistan-kabul-schliesst-friedensabkommen-mit-beruechtigtem-milizenfuehrer-hekmatjar-22113008, Zugriff 5.10.2016

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DW - Deutsche Welle (29.9.2016): Friedensabkommen in Afghanistan unterzeichnet,

http://www.dw.com/de/friedensabkommen-in-afghanistan-unterzeichnet/a-35923949, Zugriff 5.10.2016

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FP-Foreign Policy (2.11.2015): Massive

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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