TE Bvwg Erkenntnis 2018/4/3 W202 2172715-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.04.2018
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Entscheidungsdatum

03.04.2018

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch

W202 2172715-1/2E

W202 2172715-2/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Bernhard SCHLAFFER als Einzelrichter über die Beschwerden von XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, zu Recht erkannt:

A)

I.) In Erledigung der Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.09.2017, Zl. 115768701-170739887, wird der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mangels Fristversäumnis als unzulässig zurückgewiesen.

II.) Die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.07.2017, Zl. 115768701-170739887 wird gemäß §§ 3, 8, 10, 57 AsylG idgF, § 9 BFA-VG sowie §§ 46, 52 und 55 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, stellte am 23.06.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde dazu am folgenden Tag durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich einvernommen.

Zu seinem Fluchtgrund brachte der Beschwerdeführer vor, dass sein Vater, sein Bruder und er Mitglieder der XXXX gewesen seien, sie hätten Werbung für sie gemacht, aus diesem Grund sei sein Vater vor eineinhalb Jahren vergiftet und vor einem Jahr sei sein Bruder erstochen worden. Wer die Täter seien, wisse er nicht, er habe sich nicht mehr sicher in Indien gefühlt und habe das Land verlassen. Er habe keine weiteren Gründe hinsichtlich seiner Asylantragstellung. Im Falle einer Rückkehr habe er Angst um sein Leben.

Der Beschwerdeführer habe 12 Jahre die Grundschule besucht, er bekenne sich zum Hinduismus und sei zuletzt als Politiker tätig gewesen. Seine Eltern und sein Bruder seien verstorben. Er sei mittels Schiff in ein ihm unbekanntes Land gebracht worden, danach sei er über den Landweg bis hierher gelangt.

Im Zuge seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 04.07.2017 gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen Folgendes zu Protokoll:

" . . .

LA: Verstehen Sie heute den Dolmetscher gut?

VP: ja

LA: Haben Dolmetsch oder VP gegen eine der anwesenden Personen aufgrund einer möglichen Befangenheit oder aus sonstigen Gründen irgendwelche Einwände?

VP: Keine

Dolmetsch: Keine

LA: Werden Sie in Ihrem Verfahren vertreten?

VP: nein

Dem VP wird Wasser angeboten. Wird angenommen. Dem VP wird gesagt, dass er die Einvernahme jederzeit unterbrechen kann, sollte er eine Pause benötigen.

Ich werde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ich im Fall von Verständigungsschwierigkeiten jederzeit rückfragen kann.

LA: Haben Sie eine aktuelle Telefonnummer oder Email-Adresse für eventuelle Rückfragen?

Telefon: XXXX

Alle Anwesenden werden gebeten, ihre Mobiltelefone auszuschalten bzw. lautlos zu schalten.

LA: Fühlen Sie sich heute psychisch und physisch in der Lage, Angaben zu Ihrem Asylverfahren zu machen?

VP: ja

LA: Sind Sie gesund?

VP: nein - alles ok

LA: Befinden Sie sich zurzeit in ärztlicher Behandlung/Therapie oder nehmen Sie Medikamente?

VP: nein

LA: Haben Sie ansteckende Krankheiten?

VP: nein

Es folgt eine kurze Darstellung des bisherigen Ablaufs des Verfahrens, eine Belehrung, Grund und Ablauf der nunmehrigen Einvernahme werden mitgeteilt.

(Antrag: 23.06.2017, PI Bad Deutsch Altenburg - AGM 25.06.2017, Zulassung Verfahren: 24.06.2017)

...................

LA: Haben Sie die Belehrung verstanden?

VP: ja

Sie haben bei der Polizei eine Erstaufnahme (24.06.2017) gehabt, in der Sie Angaben über Ihre Person, den Fluchtgrund und die Reiseroute nach Österreich getätigt haben. Von der Behörde wurde festgestellt, dass Österreich für Ihren Fall zuständig ist. Die heute Einvernahme dient der Beweisführung Ihrer Angaben und zur Feststellung ob und aus welchen Gründen Ihnen Österreich Schutz gewähren soll/muss.

LA: Haben Sie im Verfahren bis dato der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht?

VP: ja

LA: Wurden diese korrekt protokolliert und wurde Ihnen das Protokoll rückübersetzt?

VP: ja

LA: Haben Sie damals den Dolmetscher gut verstanden?

VP: ja

LA: Ist Ihr Name richtig geschrieben? ( XXXX )

VP: ja

LA: Wann sind Sie geboren?

VP: XXXX

LA: Wo sind Sie geboren?

VP: XXXX , Haryana, Indien, Indien

LA: Welcher Volksgruppe gehören Sie an?

VP: Ror ist meine Kaste

LA: Welche Staatsangehörigkeit haben Sie?

VP: Indien

LA: Welcher Religion gehören Sie an?

VP: Hinduismus

LA: Besitzen Sie einen Reisepass oder haben Sie Dokumente, aus denen Ihre Identität hervorgeht oder können Sie solche besorgen oder sich schicken lassen?

VP: ich habe einen Reisepass - ich habe ihn nicht dabei

LA: Wo ist er?

VP: im Dorf XXXX

LA: Haben Sie hier einen Ausweis oder Dokument aus Ihrer Heimat?

VP: nein

LA: ein Foto oder Kopie?

VP: nein

LA: Haben Sie weitere Beweismittel (Dokumente, Urkunden, Zeugnisse, ...) vorzulegen, bzw. geltend zu machen - aus Ihrer Heimat, von Ihrer Reise, aus Österreich?

VP: nein

LA: Wo lebten Sie bis zu Ihrer Ausreise aus "Indien" (Adresse)?

VP: XXXX , XXXX , Haryana, Indien - es gibt keine Straßennamen oder Hausnummer

LA: Was war dort (Haus/Wohnung/Eigentum/Miete)?

VP: ein eigenes Haus - es ist unseres

LA: Was war Ihre letzte Tätigkeit vor Ihrer Ausreise - Was haben Sie gemacht (Arbeit/Ausbildung/etc.)?

VP: Politiker

LA: Was haben Sie da gemacht?

VP: ich bin ein Mitglied einer internationalen Partei

LA: Wie heißt diese Partei?

VP: XXXX

LA: Haben Sie Geld für Tätigkeit bekommen?

VP: nein ich habe kein Geld erhalten

LA: Von was haben Sie gelebt?

VP: ich habe Landbesitz

LA: Wie viel Land besitzen Sie?

VP: 5 "Kile" das sind 8 bis 9 Kanal

LA: Welche Ausbildung haben Sie (Schule/Beruf), wo und in welchen Zeitraum machten Sie diese?

VP: ich habe die Grundschule mit 12 Klassen besucht. Berufsausbildung habe ich keine - ich habe als Landwirt zu Hause gearbeitet

LA: Welche Sprachen sprechen Sie?

VP: Hindi, ein bisschen Englisch

LA: Können Sie lesen und schreiben und in welchen Sprachen können Sie das?

VP: Hindi und ein bisschen Englisch

LA: Sind Sie verheiratet/verlobt/geschieden/verwitwet?

VP: ledig

LA: Haben Sie Kinder?

VP: nein

LA: Erzählen Sie mir von Ihren Eltern (Aufenthaltsort/Beruf/etc.)?

VP: Meine Eltern sind verstorben

LA: Wann?

VP: ca. vor einem halben Jahr - zuerst mein Vater danach meine Mutter

LA: Was war die Todesursache?

VP: Mein Vater hat sehr viel Alkohol getrunken - jemand hat Gift in seinen Alkohol getan

LA: Wie alt war Ihr Vater?

VP: zwischen 50 und 55

LA: Warum ist Ihre Mutter gestorben?

VP: sie hat sehr am Tod von meinem Vater gelitten

LA: Wie alt war Ihre Mutter?

VP: ca. 55

Namen:

Vater: XXXX

Mutter: XXXX

LA: Haben Sie Geschwister - Brüder/Schwestern?

VP: ich hatte einen Bruder - er ist vor kurzem verstorben

LA: Name und Alter vom Bruder?

VP: XXXX , er war 25 Jahre alt

LA: Wann und warum ist er gestorben?

VP: er ist vor einem Jahr verstorben - warum er gestorben ist, das weiß ich nicht

LA: Wo ist er verstorben?

VP: in Karnal

LA: Ihr Bruder und Ihr Vater heißen mit Familiennamen XXXX - Sie XXXX - warum?

VP: meine Eltern haben mir den Namen gegeben

LA: ist es nicht üblich in Indien, dass Vater und Sohn den gleichen Familiennamen haben?

VP: es ist eigentlich nicht üblich - meine Eltern haben mir einfach diesen Namen gegeben haben. XXXX sind eigentlich die mit dem Turban - diese geben " XXXX " als Familiennamen weiter - bei uns ist das nicht so

LA: Haben Sie im Heimatland noch weitere Verwandte?

VP: einen Onkel mütterlicherseits und einen Onkel väterlicherseits - mit dem habe ich keinen Kontakt

LA: Der Onkel mütterlicherseits - wie heißt er - wo wohnt er - was arbeitet er?

VP: XXXX , XXXX , Immobilienmakler

LA: XXXX ist wie weit von XXXX ?

VP: 20 Kilometer

LA: Haben Sie zu jemanden in Ihrer Heimat Kontakt?

VP: nein

LA: Warum nicht?

VP: nein ich habe keinen Kontakt

LA: Warum nicht?

VP: ich möchte nicht gerne anrufen

LA: Haben Sie Verwandte in Österreich?

VP: keine

LA: Haben Sie Bekannte, Freunde in Österreich?

VP: nein

LA: Haben Sie Familienangehörige im EU-Raum: (einschließlich Norwegen, Island und Schweiz)?

VP: keine

LA: Erzählen Sie mir von Ihrer Reise von Indien nach Europa - wo es begonnen hat und die Strecke?

VP: ich bin von XXXX mit dem Schiff losgefahren - danach bin ich an einem Wald angekommen. Danach haben Sie mich nach Österreich gebracht.

LA: Was war das für ein Schiff?

VP: weiß ich nicht

LA: Wie groß war es?

VP: (überlegt) sowie ein großes Schiff am Meer - nur kleiner

LA: Wie lange waren Sie auf diesem Schiff?

VP: (überlegt) 3 Tage

LA: in welchem Land sind Sie an Land - vom Schiff gegangen?

VP: das weiß ich nicht

LA: Von dort sind Sie wie weiter - wie sind Sie weiter transportiert worden?

VP: zu Fuß

LA: nach Österreich?

VP: hier nach Österreich bin ich mit dem Auto angekommen

LA: wie lange sind Sie zu Fuß gegangen?

VP: 10 bis 11 Tage durchgehend - 3 bis 4 Monate haben sie mich in einem Haus gehalten

LA: in welchem Land war dieses Haus?

VP: das weiß ich nicht

LA: in dieses Haus sind Sie zu Fuß gekommen?

VP: ja

LA: von diesem Haus zu Fuß weiter oder mit dem Auto?

VP: wieder zu Fuß - es war in einem Wald

LA: Wie lange waren Sie da unterwegs?

VP: 8 bis 9 Tage

LA: Wann haben Sie Indien verlassen (Datum)?

VP: ca. vor 6 Monaten

LA: Wie viel kostete die Reise?

VP: 8000 $

LA: Woher hatten Sie die Mittel?

VP: es war das ganze Einkommen von der Landwirtschaft

LA: Was haben Sie angebaut?

VP: Reis und Weizen

LA: hatten Sie auch Tiere?

VP: 2 Büffel für Milch

LA: Aus welchem Grund suchten Sie in Österreich um Asyl an? Schildern Sie möglichst ausführlich und konkret Ihre Flucht- und Asylgründe! (Freie Erzählung)

VP: ich war in Indien in Gefahr - ich hatte Angst, nachdem mein Bruder und Vater gestorben sind - dass ich auch ermordet werden. - das ist alles - das ist auch der Grund warum ich hier her gekommen bin.

LA: Warum wissen Sie, dass Ihr Vater ermordet wurde?

VP: In seinen Alkohol wurde Gift gemischt - es war eine Art Kugel - Medikament - im Glas.

LA: Wo ist das passiert?

VP: in XXXX

LA: Wo genau?

VP: in XXXX ist eine Produktionsstätte für Alkohol - dort ca. 500 Meter entfernt

LA: Was hat er dort gemacht?

VP: er hat meistens Alkohol von dort getrunken - er war ein richtiger Alkoholiker - er hat von dort immer Alkohol getrunken

LA: Von wem wurde er ermordet?

VP: das weiß ich nicht

LA: Warum soll er ermordet worden sein?

VP: er war auch in der Politik

LA: Was hat er gemacht?

VP: er war auch ein Mitglied von XXXX

LA: Was hat er für diese Partei gemacht?

VP: er hat öffentliche Reden für diese Partei gemacht

LA: Welche Funktion hatte er in der Partei?

VP: er war nur ein Mitglied - er hat nur die Reden gehalten

LA: Wer ist der Chef von dieser Partei?

VP: XXXX

LA: ist er vom Dorf, von der Provinz der Chef in dieser Partei?

VP: von Haryana

LA: Wer ist der Chef der Partei in XXXX und in XXXX ?

VP: BJP ist zurzeit in XXXX und in XXXX die stärkste Partei

LA: Wer ist von XXXX in XXXX und in XXXX der Chef?

VP: XXXX

LA: Wie oft hat Ihr Vater diese Reden gehalten?

VP: das weiß ich nicht genau - er hat sehr oft Reden gehalten -ich war auch ab und zu dabei.

LA: Bei welchen Gelegenheiten waren diese Reden?

VP: es wurden immer Reden über die Partei gehalten

LA: Was wurde da geredet?

VP: wir haben über XXXX geredet und dass die Partei sehr gut ist

LA: Warum ist die Partei sehr gut?

VP: ich bin bei der Partei - deshalb weiß ich, dass sie sehr gut ist

LA: ich bin nicht bei der Partei - wie würden Sie mir erklären warum ich XXXX wählen soll?

VP: ich würde es so erklären, dass XXXX ein guter Führer ist, BJP und Congress Partei haben nichts Gutes geleistet.

LA: Was hat XXXX Gutes geleistet?

VP: alles was sehr teuer war hat XXXX extrem vergünstigt.

LA: Wie haben Sie erfahren, dass Ihr Vater vergiftet wurde?

VP: Als ich dort ankam, habe ich ein Medikament gesehen

LA: Hat ein Arzt die Vergiftung festgestellt?

VP: nein - es kam kein Arzt

LA: Waren Sie bei der Polizei deshalb?

VP: (überlegt) nein war ich nicht - in der Nacht habe ich einen Anruf erhalten - dann bin ich dorthin gegangen - mit meinem Vater war noch ein Mann dort

LA: Wohin sind Sie gegangen?

VP: dorthin zur Alkoholproduktionsstätte

LA: Wer hat Sie angerufen?

VP: ein Mann der auch gerade in XXXX war

LA: Kennen Sie diesen Mann?

VP: nein

LA: Wo hat er angerufen?

VP: zu Hause

LA: Was für ein Telefon ist dort?

VP: ein Mobiltelefon

LA: Wem gehört das?

VP: es ist meines

LA: Wie hat er Ihre Nummer vom Telefon gehabt?

VP: die Nummer war im Telefon von meinem Vater unter "Sohn" gespeichert

LA: Warum waren Sie nicht bei der Polizei - Ihr Vater wurde vergiftet?

VP: ich bin deshalb nicht zur Polizei gegangen, dass es nicht schlimmer wird - deshalb habe ich es gelassen

LA: Was soll schlimmer werden?

VP: Sie hätten eine Obduktion gemacht - das wollte ich nicht - es schaut nicht schön aus.

LA: hatte Ihr Vater vorher schon einmal Probleme gehabt?

VP: (überlegt) jemand hat ihn hinten am Nacken mit einem Stock gehaut

LA: Wann war das?

VP: ca. vor 3 Jahren

LA: Wer war das?

VP: das weiß ich nicht

LA: Was hat Ihr Vater deswegen gemacht - weil er geschlagen wurde?

VP: er ist weggelaufen

LA: Wie haben Sie erfahren, dass Ihr Bruder ermordet wurde?

VP: ich habe einen Verdacht, da mein Vater ermordet wurde auch mein Bruder ermordet wurde

LA: Wie ist er gestorben?

VP: das habe ich nie erfahren

LA: Wo war er, als er gestorben ist?

VP: in XXXX

LA: Was hat er dort gemacht?

VP: er war wegen einer Arbeit dort

LA: Was hat er gearbeitet?

VP: auch in der Landwirtschaft

LA: hat er eine eigene oder in der von der Familie?

VP: in unserer Landwirtschaft

LA: Was hat Ihr Bruder dann in XXXX - das ist eine Stadt - gearbeitet?

VP: er hat nicht dort gearbeitet - er war nur wegen einer Arbeit dort

LA: Was war das?

VP: das weiß ich nicht - ich weiß nicht was er dort erledigen wollte

LA: War Ihr Bruder oft wegen solchen Dingen in XXXX ?

VP: ja - er war öfters dort

LA: waren Sie wegen dem Tod von Ihrem Bruder bei der Polizei?

VP: ja ich war bei der Polizei

LA: Was hat die Polizei gesagt?

VP: Sie hat gesagt: ja wir werden schauen

LA: Was ist passiert?

VP: ich habe nie eine Antwort bekommen

LA: Was ist nach dem Tod Ihres Bruders weiter passiert?

VP: es ist nichts passiert

LA: Wie lange nach dem Tod von Ihrem Vater ist Ihr Bruder gestorben?

VP: ca. 5 -6 Monate danach

LA: Sie haben ca. 6 Monate nach dem Tod Ihres Bruders Indien verlassen?

VP: ja danach habe ich mich Indien zu verlassen

LA: Gibt es einen Verdacht wer Ihren Vater oder Bruder getötet haben soll?

VP: ich habe keinen Verdacht

LA: Was hat Sie bewogen schließlich Indien zu verlassen?

VP: Nachdem mein Bruder gestorben ist habe ich mir überlegt Indien zu verlassen.

LA: Sie gaben an, wegen dem Tod von Ihrem Vater und Bruder, die durch Unbekannte ermordet wurden sind, Ihre Heimat verlassen zu haben. Haben sie alle Fluchtgründe genannt?

VP: Ja, ich konnte alles sagen.

LA: Hatten Sie jemals Schwierigkeiten oder Probleme mit den Behörden Ihres Heimatlandes "Indien"?

VP: nein - so nicht - ich war nur einmal wegen meinem Bruder bei der Polizei - sonst war ich nie bei der Polizei

LA: Wurden Sie jemals persönlich konkret bedroht oder verfolgt?

VP: ich wurde einmal bedroht

LA: Erzählen Sie mir davon?

VP: es war jemand von einer anderen Partei - ich weiß den Namen nicht - er meinte zu mir wir sollen mit den Reden aufhören - sonst bringen wir dich um

LA: von welcher Partei war der Mann?

VP: das weiß ich nicht

LA: Wann war das?

VP: (überlegt) ca. vor 9 Monaten

LA: Wo war das?

VP: in XXXX

LA: ist das ein Ort - was ist dort?

VP: es ist eine Stadt

LA: Was haben Sie dort gemacht?

VP: ich habe dort eine Rede gehalten

LA: Wie weit ist XXXX von XXXX entfernt?

VP: 8 Kilometer

LA: Sie gehören der XXXX an - haben Sie einen Mitglieds-Ausweis von der Partei?

VP: jetzt habe ich nicht

LA: hatten Sie einen - wo ist er?

VP: in Indien

LA: hat die Partei XXXX ein Symbol?

VP: es ist eine Brille

LA: Ist gegen Sie ein Gerichtsverfahren anhängig?

VP: nein

LA: Waren Sie in Haft oder wurden Sie festgenommen? Wenn ja, wie oft insgesamt?

VP: nein

LA: Wie stellen Sie sich Ihre Zukunft vor?

VP: ich möchte hier Leben

LA: Stimmen sie einer Überprüfung ihrer Angaben in ihrem Heimatland - unter Wahrung Ihrer Anonymität gegenüber Behörden in Ihrem Heimatland oder Drittstaaten und bei Bedarf unter Einschaltung eines Vertrauensanwaltes - zu?

VP: ja - ich habe keine Einwände

Mit mir werden die Feststellungen der Staatendokumentation zur Situation in meinem Heimatland erörtert (Länderinformationsblatt Indien der Staatendokumentation mit Stand vom 9.1.2017 letzte Kurzinformation eingefügt am 11.4.2017).

Die VP wird darauf hingewiesen, dass nach Prüfung des Vorbringens und bei einer negativen Entscheidung eine Rückführung nach Indien aus Sicht der österreichischen Behörden vertretbar ist.

LA: Möchten Sie etwas ergänzen bzw. hinzufügen?

VP: nein möchte ich nicht.

LA: Möchten Sie hierzu schriftlich Stellung nehmen?

VP: Schriftlich möchte ich nicht Stellung nehmen.

Dem VP werden die Vorteile einer freiwilligen Rückkehr und das Rückkehrberatungsangebot näher gebracht. (Adresse VMÖ am Ende der EV).

LA: Ich beende jetzt die Befragung. Sie werden nochmals auf das Neuerungsverbot aufmerksam gemacht. Ich frage Sie daher jetzt nochmals ob Sie noch etwas Asylrelevantes oder sonst etwas Bedeutendes angeben möchten, das Ihnen wichtig erscheint, jedoch bislang nicht gefragt wurde?

VP: Nein, ich konnte alles sagen. Ich möchte hier bleiben und nicht nach Indien zurück.

LA: Haben Sie den Dolmetscher einwandfrei verstanden?

VP: Ja - keine Probleme.

LA: Möchten Sie eine Kopie der Niederschrift?

VP: ja

...................

Ich habe alles verstanden und möchte folgendes ändern/ergänzen:

Tabelle kann nicht abgebildet werden

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 05.07.2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien (Spruchpunkt II.) ab, erteilte einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht, erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG und stellte fest, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gem. § 55 Abs. 1-3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

Begründend führte das BFA aus, dass der Beschwerdeführer eine politische Tätigkeit und eine relevante politische Verfolgung durch ihm Unbekannte nicht habe glaubhaft darlegen können. Seine politische Tätigkeit und die seines Vaters habe er nicht so beschreiben können, dass sich daraus eine relevante Bedrohung ableiten ließe, da eine politische Tätigkeit durch ihn für die Behörde nicht nachvollziehbar sei. Rudimentäre Angaben über die Art seiner Tätigkeit hätten kein Bild einer glaubhaften politischen Tätigkeit darlegen können - er habe keine lokalen Führer seiner Partei nennen können - lediglich jenen der Provinz Haryana. Seine Arbeit für die Partei habe er durch "öffentliche Reden" dargestellt. Ein Parteiprogramm oder Gründe, warum seine Partei gewählt werden sollte, habe er nicht vorbringen können. Ein Redner für eine politische Partei, der diese öffentlich glaubhaft vertreten sollte, habe Grundkenntnisse, die über seine Angaben hinausgingen.

Wenn er tatsächlich aus Angst vor eventueller Ermordung aus politischen Gründen gehabt hätte und deshalb das Land verlassen hätte, hätte er sein Hab und Gut, da niemand seiner Familie mehr am Leben zu sein scheine, verkauft und hätte den Erlös auf einer Flucht mitgenommen. Er hätte auch die Obduktion seines Vaters in Kauf genommen, um eine Verfolgung durch die indische Exekutive voranzutreiben. Die entscheidende Behörde komme zum Schluss, dass weder die Ermordung seines vermutlich alkoholkranken Vaters noch die seines Bruders glaubhaft seien. Er habe lediglich aus persönlichen Gründen sein Land verlassen.

(Vergleiche EV: "VP: Mein Vater hat sehr viel Alkohol getrunken --- VP: er hat meistens Alkohol von dort getrunken - er war ein richtiger Alkoholiker - er hat von dort immer Alkohol getrunken) (Vergleiche EV: "LA: Wie haben Sie erfahren, dass Ihr Bruder ermordet wurde? VP: ich habe einen Verdacht, da mein Vater ermordet wurde auch mein Bruder ermordet wurde LA: Wie ist er gestorben? VP:

das habe ich nie erfahren") versus (Vergleiche EB: "---und vor einem Jahr wurde mein Bruder erstochen")

Rechtlich führte das BFA zu Spruchpunkt I. aus, dass sich auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergebe, dass die behauptete Furcht, in seinem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der GFK genannten Gründen verfolgt zu werden, nicht begründet sei. Nachteile, die auf die in einem Staat allgemein vorherrschenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Lebensbedingungen zurückzuführen seien, stellten keine Verfolgung im Sinne der GFK dar. Die Voraussetzungen der GFK seien nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor der konkreten Verfolgung findet. Stehe dem Asylwerber die Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben könne und sei ihm dies zumutbar, so bedürfe er des asylrechtlichen Schutzes nicht. Selbst bei Wahrunterstellung des Vorbringens liege eine sogenannte "inländische Fluchtalternative" vor.

Da eine aktuelle oder zum Fluchtzeitpunkt bestehende asylrelevante Verfolgung auch sonst im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht hervorgekommen sei, sei in der Folge davon auszugehen gewesen, dass eine asylrelevante Verfolgung nicht existiere.

Zu Spruchpunkt II. führte das BFA aus, dass beim Beschwerdeführer keine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung habe festgestellt werden können. Gerade das Vorliegen einer solchen Gefahr stelle eine Grundvoraussetzung für die Gewährung von subsidiärem Schutz dar. Auf Grund seiner Ausbildung sei es jedenfalls möglich, die existenziellen Grundbedürfnisse wie Nahrung und Unterkunft zu befriedigen. Weiters sei festzuhalten, dass sich aus den Länderfeststellungen weder ergebe, dass bei einer Rückkehr in sein Heimatland die Tatsache einer Asylantragstellung eine Verfolgung zu Folge habe, noch dass in Indien eine Situation vorherrsche, in der die Staatsgewalt zusammengebrochen wäre oder systematische schwere Menschenrechtsverletzungen zu erkennen wären.

Bei einer Rückkehr würde der Beschwerdeführer im Herkunftsstaat in der Lage sein, eine ausreichende Lebensgrundlage zu finden. Auch der Gang zu Behörden sei ihm möglich und zumutbar.

Zu Spruchpunkt III. führte das Bundesamt aus, dass die Voraussetzungen zur Erteilung eines Aufenthaltsrechts gem. § 57 AsylG nicht vorlägen.

Der Beschwerdeführer habe keine familiären Anknüpfungspunkte im österreichischen Bundesgebiet, es bestehe daher kein Eingriff in sein Familienleben im Falle einer Außerlandesbringung. Weiters führte das BFA eine Abwägung im Sinne des Artikel 8 Abs. 2 EMRK durch und kam zu dem Schluss, dass der Eingriff durch die Rückkehrentscheidung auch als im Sinne des Artikels 8 Abs. 2 EMRK als verhältnismäßig angesehen werden könne.

Wie bereits zu Spruchpunkt II. dargelegt, ergebe sich in seinem Fall keine Gefährdung im Sinne des § 50 Abs. 1 FPG, es sei auch verneint worden, dass dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft zukomme. Eine Empfehlung im Sinne des § 50 Abs. 3 FPG bestehe nicht. Es sei somit auszusprechen, dass im Falle der Durchsetzbarkeit der Rückkehrentscheidung sowie bei Vorliegen der in § 46 Abs. 1 Z 1-4 FPG genannten Voraussetzungen seine Abschiebung nach Indien zulässig sei.

Zu Spruchpunkt IV. führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl rechtlich aus, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

Am 02.08.2017 langte beim BFA ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sowie eine Beschwerde gegen den Bescheid vom 05.07.2017 ein.

Zum Wiedereinsetzungsantrag brachte der Beschwerdeführer vor, dass der Antragsteller die negative Entscheidung erhalten, aber nicht gewusst habe, was er zu tun habe. Zu spät habe er den Kontakt zu einer Rechtsberatung gefunden. Die "unglücklichen" Umstände, die zu dem Fristversäumnis geführt hätten, seien dadurch verwirklicht, dass der Beschwerdeführer rechtlich nicht kundig sei und zu spät eine Rechtsberatung gefunden habe.

In seiner Beschwerde gegen den Bescheid vom 05.07.2017 brachte der Beschwerdeführer vor, dass er das Land habe verlassen müssen, eine innerstaatliche Fluchtalternative gebe es nicht. Der Beschwerdeführer habe in der Einvernahme vor dem Hintergrund der Geschehnisse seine persönliche Gefährdung geschildert. Konkrete Recherchen zum Vorbringen habe das BFA nicht angestellt. Der Beschwerdeführer habe sich in Österreich sozial und beruflich integriert, er führe Gelegenheitsarbeiten durch und wohne mit Freunden. Er habe sich in Österreich nichts zu Schulden kommen lassen und nehme keine sozialen Geldhilfen in Anspruch. Er verstehe und spreche die deutsche Sprache. Es hätten sich weiters keine Anhaltspunkte ergeben, dass der Beschwerdeführer hinsichtlich der Identität und Herkunft unwahre Angaben erstattet hätte. Ein Leben in Indien sei für den Beschwerdeführer nicht mehr möglich. Zur inhaltlichen Bearbeitung eines Asylvorbringens gehörten konkrete persönliche Recherchen. Allgemeine Ausführungen, mögen diese auch aktuell sein, genügten zur Erfüllung der Pflicht zur Plausibilitätsüberprüfung regelmäßig nicht. Das Vorbringen des Beschwerdeführers enthalte genügend Anknüpfungspunkte für eine fallbezogene Recherche. Verwiesen wurde hiebei auf höchstgerichtliche Judikatur. Die Beweiswürdigung der belangten Behörde erweise sich als unbrauchbar. Aus der Befragung und dem diesbezüglichen Protokoll ergäben sich eine detailreiche Schilderung und die Fähigkeit des Beschwerdeführers sämtliche nachgefragten Einzelheiten zufriedenstellend zu "bearbeiten". Die Meinung des BFA, das Vorbringen litte an Glaubwürdigkeit und sei nicht asylrelevant, sei in den Raum gestellt und nur auf Leerbegründungen gestützt.

Der Beschwerdeführer sei ein arbeitsamer, freundlicher und integrationswilliger Mensch, der seine Chancen hier in Österreich nützen wolle. Er führe manchmal Gelegenheitsarbeiten durch und sei bereit, ehrenamtlich zu helfen. Er könne sich in der deutschen Sprache gut verständigen. Negative Faktoren seien keine ersichtlich und von der Behörde auch nicht behauptet worden. Die Prognose bezüglich seines weiteren Aufenthaltes im Bundesgebiet müsse als äußerst positiv beurteilt werden. Die geforderte Interessensabwägung im Sinne des Artikel 8 EMRK hätte somit zu Gunsten des Beschwerdeführers ausgehen können.

Mit Bescheid vom 18.09.2017, Zl. 115768701-170739887, wies das Bundesamt den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 Abs. 2 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51/1991 idgF, zurück.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Indien, stammt aus der Provinz Haryana und bekennt sich zum Hinduismus. In Indien besuchte der Beschwerdeführer 12 Jahre die Grundschule. Anfang des Jahres 2017 verließ der Beschwerdeführer sein Heimatland, reiste im Juni 2017 im Bundesgebiet ein und stellte am 23.06.2017 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Den Lebensunterhalt bestritt der Beschwerdeführer in Indien durch seinen Landbesitz, er arbeitete zu Hause als Landwirt. Der Beschwerdeführer spricht Hindi und ein bisschen Englisch. In Indien halten sich ein Onkel mütterlicherseits und ein Onkel väterlicherseits auf, Kontakt hatte der Beschwerdeführer nur mit dem Onkel mütterlicherseits. Der Beschwerdeführer ist gesund und erwerbsfähig.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Vater des Beschwerdeführers wegen seiner Parteitätigkeit vergiftet worden sei und der Bruder ebenfalls wegen der Parteitätigkeit zu Tode gekommen sei, weiters kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer wegen einer Parteitätigkeit in seiner Heimat bedroht werde.

Im Bundesgebiet verfügt der Beschwerdeführer über keinerlei Familienangehörige. Er geht keiner geregelten Arbeit nach und bestehen keine Anhaltspunkte, dass fortgeschrittene Deutschkenntnisse bestünden. Eine fortgeschrittene Integration des Beschwerdeführers besteht nicht.

Zur Lage in Indien:

Politische Lage

Indien ist mit über 1,2 Milliarden Menschen und einer multireligiösen und multiethnischen Gesellschaft die bevölkerungsreichste Demokratie der Welt (CIA Factbook 12.12.2016; vgl. auch: AA 16.8.2016, BBC 27.9.2016). Die - auch sprachliche - Vielfalt Indiens wird auch in seinem föderalen politischen System reflektiert, in welchem die Macht von der Zentralregierung und den Bundesstaaten geteilt wird (BBC 27.9.2016). Die Zentralregierung hat deutlich größere Kompetenzen als die Regierungen der Bundesstaaten (AA 9.2016a). Im Einklang mit der Verfassung haben die Bundesstaaten und Unionsterritorien ein hohes Maß an Autonomie und tragen die Hauptverantwortung für Recht und Ordnung (USDOS 13.4.2016). Die Hauptstadt New Delhi hat einen besonderen Rechtsstatus (AA 9.2016a).

Die Gewaltenteilung zwischen Parlament und Regierung entspricht britischem Muster (AA 16.8.2016), der Grundsatz der Gewaltenteilung von Legislative, Exekutive und Judikative ist durchgesetzt (AA 9.2016a). Die Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit, die über einen dreistufigen Instanzenzug verfügt, ist verfassungsmäßig garantiert (AA 16.8.2016). Das oberste Gericht in New Delhi steht an der Spitze der Judikative (GIZ 11.2016). Die Entscheidungen der staatlichen Verwaltung (Bürokratie, Militär, Polizei) unterliegen überdies der Kontrolle durch die freie Presse des Landes, die nicht nur in den landesweiten Amtssprachen Hindi und Englisch, sondern auch in vielen der Regionalsprachen publiziert wird. Indien hat zudem eine lebendige Zivilgesellschaft (AA 9.2016a).

Indien ist eine parlamentarische Demokratie und verfügt über ein Mehrparteiensystem und ein Zweikammerparlament (USDOS 13.4.2016). Die Legislative besteht aus einer Volkskammer (Lok Sabha) und einer Staatenkammer (Rajya Sabha). Darüber hinaus gibt es Parlamente auf Bundesstaatsebene (AA 16.8.2016).

Der Präsident ist das Staatsoberhaupt und wird von einem Wahlausschuss gewählt, während der Premierminister Leiter der Regierung ist (USDOS 13.4.2016). Das Präsidentenamt bringt vor allem repräsentative Aufgaben mit sich, im Krisenfall verfügt der Präsident aber über weitreichende Befugnisse. Seit Juli 2012 ist Präsident Pranab Kumar Mukherjee indisches Staatsoberhaupt (AA 9.2016a). Das wichtigste Amt innerhalb der Exekutive bekleidet aber der Premierminister (GIZ 11.2016).

Wahlen zum Unterhaus finden nach einfachem Mehrheitswahlrecht ("first-past-the-post") alle fünf Jahre statt, zuletzt im April/Mai 2014 mit knapp 830 Millionen Wahlberechtigten (AA 16.8.2016). Dabei standen sich drei große Parteienbündnisse gegenüber: Die United Progressive Alliance (UPA) unter Führung der Kongresspartei, die National Democratic Alliance (NDA) unter Führung der Bharatiya Janata Party (BJP - Indische Volkspartei) und die so genannte Dritte Front, die aus elf Regional- und Linksparteien besteht sowie die aus einem Teil der India-Against-Corruption-Bewegung hervorgegangene Aam Aadmi Party (AAP) (GIZ 11.2016; vgl. auch: FAZ 16.5.2014). Abgesehen von kleineren Störungen, verliefen die Wahlen korrekt und frei (AA 16.8.2016).

Als deutlicher Sieger mit 336 von 543 Sitzen löste das Parteienbündnis NDA (AA 16.8.2016), mit der hindu-nationalistischen BJP (AA 9.2016a) als stärkster Partei (282 Sitze), den Kongress an der Regierung ab (AA 16.8.2016). Die seit 2004 regierende Kongress-geführte Koalition unter Manmohan Singh erlitt hingegen große Verluste, womit Sonia Gandhi und Sohn Rahul nun auf die Oppositionsbank rücken (Eurasisches Magazin 24.5.2014; vgl. auch:

FAZ 16.5.2014, GIZ 11.2016). Die AAP, die 2013 bei der Wahl in Delhi 28 von 70 Sitzen erringen konnte, errang landesweit nun nur vier Sitze (GIZ 11.2016; vgl. auch: FAZ 16.5.2014). Der BJP Spitzenkandidat, der bisherige Ministerpräsident von Gujarat, Narendra Modi, wurde zum Premierminister gewählt (AA 16.8.2016) und steht seit 16.5.2014 (GIZ 11.2016) einem 65-köpfigen Kabinett vor (AA 16.8.2016).

Die seit 2014 im Amt befindliche neue Regierung will nicht nur den marktwirtschaftlichen Kurs fortsetzen, sondern ihn noch intensivieren, indem bürokratische Hemmnisse beseitigt und der Protektionismus verringert werden soll. Ausländische Investoren sollen verstärkt aktiv werden (GIZ 12.2016).

Unter Premierminister Modi betreibt Indien eine aktivere Außenpolitik als zuvor. Die frühere Strategie der "strategischen Autonomie" wird zunehmend durch eine Politik "multipler Partnerschaften" mit allen wichtigen Ländern in der Welt überlagert. Wichtigstes Ziel der indischen Außenpolitik ist die Schaffung eines friedlichen und stabilen globalen Umfelds für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes und die Profilierung als aufstrebende Großmacht (AA 9.2016b). Ein ständiger Sitz im VN-Sicherheitsrat ist dabei weiterhin ein strategisches Ziel (GIZ 12.2016). Gleichzeitig strebt Indien eine stärkere regionale Verflechtung mit seinen Nachbarn an. Indien ist Dialogpartner der südostasiatischen Staatengemeinschaft (Association of Southeast Asian Nations - ASEAN) und Mitglied im "ASEAN Regional Forum" (ARF). Auch bilateral hat Indien in den letzten Monaten seine Initiativen in den Nachbarländern verstärkt. Überdies nimmt Indien am East Asia Summit und seit 2007 auch am Asia-Europe Meeting (ASEM) teil. In der BRICS-Staatengruppe (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) hat Indien im Februar 2016 von Russland den diesjährigen Vorsitz übernommen. Bei ihrem Treffen in Ufa im Juli 2015 beschloss die Shanghai Cooperation Organisation (SCO), Indien und Pakistan nach Abschluss der Beitrittsprozeduren als Vollmitglieder aufzunehmen (AA 9.2016b).

Die Beziehungen zum gleichfalls nuklear gerüsteten Nachbarn Pakistan haben sich jüngst erneut zugespitzt. In den Jahrzehnten seit der Unabhängigkeit haben sich wiederholt Phasen des Dialogs und der Spannungen bis hin zur kriegerischen Auseinandersetzung abgelöst.

Größtes Hindernis für eine Verbesserung der Beziehungen ist weiterhin das Kaschmirproblem (AA 9.2016b).

Indien ist durch das Nuklearabkommen mit den USA ein Durchbruch gelungen. Obwohl es sich bis heute weigert, dem Atomwaffensperrvertrag beizutreten, bedeutet das Abkommen Zugang zu Nukleartechnologie. Ebenfalls positiv hat sich das Verhältnis Indiens zu China entwickelt. Zwar sind die strittigen Grenzfragen noch nicht geklärt, aber es wurden vertrauensbildende Maßnahmen vereinbart, um zumindest in dieser Frage keinen Konflikt mehr herauf zu beschwören. Auch ist man an einer weiteren Steigerung des bilateralen Handels interessiert, der sich binnen eines Jahrzehnts mehr als verzehnfacht hat (GIZ 12.2016).

Die Beziehungen zu Bangladesch sind von besonderer Natur, teilen die beiden Staaten doch eine über 4.000 km lange Grenze, kontrolliert Indien die Oberläufe der wichtigsten Flüsse Bangladeschs, und war Indien maßgeblich an der Entstehung Bangladeschs beteiligt. Schwierige Fragen wie Transit, Grenzverlauf, ungeregelter Grenzübertritt und Migration, Wasserverteilung und Schmuggel werden in regelmäßigen Regierungsgesprächen erörtert. Die Beziehungen des Landes zur EU sind vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht von besonderer Bedeutung. Die EU ist der größte Handels- und Investitionspartner Indiens. Der Warenhandel in beide Richtungen hat sich faktisch stetig ausgeweitet (GIZ 12.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

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AA - Auswärtiges Amt (9.2016a): Indien, Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_AC539C62A8F3AE6159C84F7909652AC5/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Indien/Innenpolitik_node.html, Zugriff 5.12.2016

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AA - Auswärtiges Amt (9.2016b): Indien, Außenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_F210BC76845F7B2BE813A33858992D23/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Indien/Aussenpolitik_node.html, Zugriff 29.12.2016

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BBC - British Broadcasting Corporation (27.9.2016): India country profile - Overview,

http://www.bbc.co.uk/news/world-south-asia-12557384, Zugriff 5.12.2016

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CIA - Central Intelligence Agency (15.11.2016): The World Factbook

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India,

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/in.html, Zugriff 9.1.2017

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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