Entscheidungsdatum
04.04.2018Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W248 2160790-1/15E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. NEUBAUER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch den XXXX , Pulverturmgasse 4, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.05.2017, Zl. XXXX / XXXX /BMI-BFA_STM_AST_01, wegen §§ 3, 8, 10, 55 und 57 AsylG 2005, sowie §§ 46, 52 und 55 FPG 2005 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 19.02.2018
A)
beschlossen:
I. Das Verfahren über die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wird wegen Zurückziehung der Beschwerde gemäß § 28 Abs. 1, § 31 Abs. 1 VwGVG eingestellt.
und zu Recht erkannt:
II. Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und XXXX gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.
III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum XXXX erteilt.
IV. Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt III. und IV. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und diese gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
I.1. XXXX , geb. XXXX (in der Folge Beschwerdeführer), ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 25.11.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
I.2. Am 26.11.2015 fand vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers im Beisein eines Dolmetschers, welcher in die Sprache Dari übersetzte, statt. Dort gab der Beschwerdeführer an, sein Name sei XXXX , geboren am 01.01.1999, in der Provinz Ghazni, Distrikt Jaghori, Dorf XXXX , afghanischer Staatsangehöriger, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und schiitischer Moslem. Er sei ledig und spreche Dari. Er habe sechs Jahre lang die Grundschule in der Provinz Ghazni, Distrikt Jaghori besucht. Eine Berufsausbildung besitze er nicht. Die finanzielle Situation der Familie sei schlecht gewesen. Sein Vater sei bereits verstorben. Seine verbliebene Familie sei seine Mutter, eine minderjährige Schwester und ein minderjähriger Bruder. Diese befänden sich noch in Afghanistan. Im Oktober 2015 sei der Beschwerdeführer teilweise schlepperunterstützt über den Iran, die Türkei, Griechenland und weitere, dem Beschwerdeführer unbekannte Länder nach Österreich gelangt.
Als Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer an, in seinem Heimatbezirk sei die Sicherheitslage sehr schlecht. Immer wieder seien Leute entführt oder umgebracht worden. Aufgrund dieser Angst habe er sich entschlossen Afghanistan zu verlassen und sei geflüchtet.
I.3. Aufgrund des anlässlich der Erstbefragung gewonnenen Eindrucks vom Beschwerdeführer hatte die Erstbehörde Zweifel an seinem angegebenen Alter und veranlasste eine sachverständige medizinische Altersschätzung durch das Ludwig Boltzmann Institut. Als Ergebnis dieser medizinischen Altersschätzung wurde für das weitere Verfahren ein spätestmögliches Geburtsdatum XXXX ermittelt.
I.4. Bei seiner Einvernahme am 31.01.2017 vor dem BFA bestätigte der Beschwerdeführer im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Dari die Richtigkeit seiner bisher gemachten Angaben.
Der Beschwerdeführer gab an, er sei afghanischer Staatsbürger und sei in der Provinz Ghazni im Distrikt Jaghori geboren, wo er bis zu seiner Ausreise mit seiner Familie gelebt habe. Er habe seinen Wohnsitz im September 2015 schlepperunterstützt endgültig verlassen, wobei seine Mutter die Ausreise finanziert habe.
Er sei schiitischer Muslim und gehöre der Volksgruppe der Hazara an. Sein Vater habe als Kohlebergarbeiter gearbeitet und sei in Pakistan unter dem Beschwerdeführer unbekannten Umständen getötet worden. Seine Mutter sei Hausfrau.
Der Beschwerdeführer gab an, in Jaghori 6 Jahre die Grundschule besucht zu haben, aber über keine Berufsausbildung zu verfügen. Arbeitserfahrung habe er nur innerhalb der Familie, wo er seiner Mutter bei landwirtschaftlichen Tätigkeiten geholfen habe.
Identitätsdokumente habe er niemals besessen oder beantragt. Probleme mit der Polizei oder anderen staatlichen Stellen habe er in Afghanistan nie gehabt.
Zu seinen Fluchtgründen gab der Beschwerdeführer an, die Taliban würden die Hazara hassen, sie würden sie ohne Grund töten. Besonders dort wo er gelebt habe, sei es aufgrund der Talibanpräsenz sehr schwer gewesen. Auch der IS sei nach Afghanistan gekommen, und die seien noch gefährlicher. Da es für die Familie des Beschwerdeführers keine Zukunft gegeben habe und es zu gefährlich geworden sei, habe der Onkel väterlicherseits die Familie nach Pakistan geholt. Nur der Beschwerdeführer sei nach Europa gegangen, weil er in Pakistan keine Aufenthaltspapiere und keine Arbeitsbewilligung bekommen hätte. In Afghanistan habe er keine Verwandten mehr. Mit seiner Familie in Pakistan habe er nur unregelmäßigen Kontakt.
Für den Fall einer Rückkehr nach Afghanistan gab der Beschwerdeführer an, er fürchte sich vor den Taliban und dem IS und - da er sich vom Islam abgewendet habe und diesen nicht mehr praktiziere - auch vor Zivilisten. Seit er in Österreich sei, interessiere er sich für das Christentum.
In Österreich lebe er in der Grundversorgung, er selbst spreche wenig Deutsch und habe einen Deutschkurs besucht. Der Beschwerdeführer legte diverse Integrationsurkunden vor.
I.5. Mit Bescheid vom 18.05.2017, Zl. XXXX / XXXX /BMI-BFA_STM_AST_01, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm. § 9 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG) wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 des Bundesgesetzes über die Ausübung der Fremdenpolizei, die Ausstellung von Dokumenten für Fremde und die Erteilung von Einreisetitel (Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG) erlassen. Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt III.).
In der Bescheidbegründung traf die belangte Behörde Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers und zur Lage in seinem Herkunftsstaat. Insbesondere wurde festgestellt, der Beschwerdeführer sei afghanischer Staatsbürger, gehöre zur Volksgruppe der Hazara und sei moslemischen Glaubens (Schiit). Er sei in Ghazni im Distrikt Jaghori geboren und habe dort gemeinsam mit seiner Familie bis zu seiner Ausreise gelebt. Aus den medizinischen Sachverständigengutachten vom Ludwig Boltzmann Institut vom 18.05.2016 ergebe sich, unter Berücksichtigung sämtlicher Teiluntersuchungsergebnisse, als spätmögliches fiktives Geburtsdatum der XXXX . Der Beschwerdeführer sei ledig, jung, gesund und arbeitsfähig. Er leide an keiner schwerwiegenden Erkrankung, sei nicht in ärztlicher Behandlung und nehme auch keine Medikamente.
Der Beschwerdeführer sei in Ghazni sechs Jahre zur Schule gegangen. Die Familie habe vom Einkommen des Vaters, der in Pakistan als Kohlebergarbeiter tätig gewesen sei, und vom Anbau von Gemüse auf einem familieneigenen Grundstück gelebt.
Der Vater des Beschwerdeführers sei in Pakistan getötet worden. Danach sei die Familie von einem Onkel väterlicherseits von Pakistan aus finanziell mitunterstützt worden.
Der Beschwerdeführer sei alleine und illegal aus seinem Heimatland Afghanistan ausgereist und habe am 25.11.2015 einen Asylantrag gestellt.
Der Beschwerdeführer sei im Heimatland weder vorbestraft, noch sei er erkennungsdienstlich behandelt worden. Er sei nie im Gefängnis gewesen und habe nie Probleme mit den Behörden seines Heimatstaates gehabt.
Da die Kernfamilie des Beschwerdeführers in Pakistan lebe, habe er keine Angehörigen mehr in Afghanistan.
Die vom Beschwerdeführer vorgebrachte Furcht vor Verfolgung sei nicht glaubhaft, es drohe ihm daher keine Verfolgung im Herkunftsstaat.
Rechtlich wurde zur Nichtgewährung von Asyl (Spruchpunkt I.) zusammengefasst ausgeführt, der Beschwerdeführer habe eine konkrete, individuell gegen ihn selbst gerichtete Verfolgung oder Furcht vor Verfolgung nicht glaubhaft machen können, weshalb keine Verfolgungsgefahr im Sinne der GFK vorliege.
Hinsichtlich der Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zur Volksgruppe der Hazara führte das BFA im angefochtenen Bescheid aus, dass es zwar in Afghanistan immer wieder Diskriminierung der schiitischen Hazara gebe, die jedoch nicht ein Ausmaß erreiche, dass davon ausgegangen werden könnte, dass bereits jeder der dort lebenden schiitischen Hazara mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine asylrelevante Verfolgung zu fürchten hätte.
Insgesamt komme dem Beschwerdeführer hinsichtlich seines behaupteten Fluchtvorbringens keine Glaubwürdigkeit zu. Eine konkret und gezielt gegen ihn persönlich gerichtete aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität, welche ihre Ursache in einem der GFK genannten Gründe hätte, habe er nicht glaubhaft machen können.
Zur Nichtzuerkennung von subsidiärem Schutz (Spruchpunkt II.) führte das BFA begründend aus, der Beschwerdeführer habe während des gesamten asylrechtlichen Verfahrens keinerlei glaubhafte Indizien oder Anhaltspunkte aufzuzeigen vermocht bzw. behauptet, welche die Annahme rechtfertigen hätten können, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit konkret Gefahr laufen würde, im Fall einer Rückkehr in die Heimat einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden. Aus der allgemeinen Lage in Afghanistan allein ergebe sich keine Gefährdungslage im Sinne des § 8 AsylG 2005, sei demnach auch kein Abschiebungshindernis ersichtlich gewesen und erscheine eine Rückkehr trotz der insgesamt als prekär zu bezeichnenden Sicherheitslage in Afghanistan, insbesondere im Hinblick auf die regional und innerhalb der Provinzen von Distrikt zu Distrikt sehr wohl unterschiedliche Sicherheitslage, aufgrund der individuellen Situation des Beschwerdeführers insgesamt durchaus zumutbar. Für den Beschwerdeführer ergebe sich gegenwärtig kein Abschiebungshindernis nach Afghanistan, weil eine landesweite allgemeine, extreme Gefährdungslage, in der jeder Antragsteller im Fall seiner Abschiebung dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert werden würde, nicht gegeben sei. Eine Rückkehr des Beschwerdeführers in seine Heimatprovinz Ghazni wurde vom BFA nicht in Erwägung gezogen. Für den Beschwerdeführer bestehe aber eine innerstaatliche Schutzalternative etwa in der Hauptstadt Kabul, und auch die Provinzen Bamyan und Daikundi, wo die Volksgruppe der Hazara einen hohen Prozentsatz der Bevölkerung ausmache, würde unter Berücksichtigung der persönlichen Umstände des Beschwerdeführers sowie auch im Hinblick auf die allgemeine Versorgungslage in Afghanistan in zumutbarer Weise zur Verfügung stehen. Dabei sei unbedingt zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer jung, arbeitsfähig und arbeitswillig sei.
Für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde dem Beschwerdeführer mit Verfahrensanordnung vom 18.05.2017 gemäß § 63 Abs. 2 AVG die XXXX gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig als Rechtsberatung zur Seite gestellt.
I.6. Gegen den genannten Bescheid des BFA richtet sich die mit Schreiben vom 02.06.2017 fristgerecht eingebrachte Beschwerde. Der Bescheid wurde wegen Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens, in Folge derer eine unrichtige rechtliche Beurteilung vorgenommen worden sei, sowie infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften in gesamtem Umfang angefochten.
Der Beschwerdeführer beantragte, das Bundesverwaltungsgericht möge
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den angefochtenen Bescheid zur Gänze beheben, und dem Beschwerdeführer den Status des Asylberechtigten gem. § 3 AsylG zuerkennen;
in eventu
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den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit zur Gänze zu beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt zurückverweisen (§ 66 Abs. 2 AVG, § 28 Abs. 3 und 4 VwGVG).
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für den Fall der Abweisung des obigen Beschwerdeantrages gem. § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG feststellen, dass dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat zukommt;
sowie
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feststellen, dass die gem. § 52 FPG erlassene Rückkehrentscheidung gem. § 9 Abs. 3 BVA-VG auf Dauer unzulässig ist und feststellen, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung (plus) gem. § 55 AsylG vorliegen und dem Beschwerdeführer daher gem. § 58 Abs. 2 AsylG eine Aufenthaltsberechtigung (plus) von Amts wegen zu erteilen ist,
sowie
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in eventu feststellen, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gem. § 57 AsylG vorliegen und dem Beschwerdeführer daher eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gem. § 57 Abs. 1 AsylG von Amts wegen zu erteilen ist.
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jedenfalls eine mündliche Verhandlung gem. § 24 Abs.1 VwGVG durchführen (der vorliegende Sachverhalt sei so mangelhaft ermittelt worden, dass die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gem. § 24 Abs.1 VwGVG zur ganzheitlichen Würdigung des individuellen Vorbringens unter Berücksichtigung der persönlichen Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers unvermeidlich erscheine) (Art 47 Abs 2 iVm Art 52 Abs 3 und 7 Charta der Grundrechte der Europäischen Union).
In der Beschwerdebegründung kritisiert der Beschwerdeführer zunächst die vom BFA herangezogenen, "lediglich sehr allgemein gehaltenen" Länderberichte, die "zu einem Großteil nichts mit dem Vorbringen bzw. der Situation des Beschwerdeführers zu tun" hätten. Wieso die Beschwerde gerade in diesem Zusammenhang eine "aktuelle" APA-Meldung vom 31.05.2016 (!) zitiert, die weder zum Beschwerdeführer noch zu seiner Heimatprovinz irgendeinen Bezug aufweist, bleibt unerfindlich. In der Beschwerde werden im Wesentlichen Quellen zur allgemeinen Sicherheitslage in Afghanistan, zur Schutzfähigkeit der afghanischen Behörden, zur humanitären Lage in Afghanistan und zur Lage für humanitäre Hilfsleistungen in Afghanistan zitiert, die allesamt keinen konkreten Bezug zum Beschwerdeführer aufweisen, und die vom BFA vorgenommene Ermittlungstätigkeit und Beweiswürdigung sowie rechtliche Beurteilung kritisiert.
Eine innerstaatliche Fluchtalternative stehe dem Beschwerdeführer nicht zur Verfügung, da die ihm drohende Verfolgung sich auf das gesamte Staatsgebiet erstrecke.
I.7. Die Beschwerde samt Verwaltungsakt langte am 08.06.2017 beim BVwG ein.
I.8. Aufgrund der eingebrachten Beschwerde wurde für 18.12.2017 eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht anberaumt. Da allerdings die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers diesen trotz ordnungsgemäßer, rechtzeitiger Ladung nicht vom Verhandlungstermin verständigt hatte und weder der Beschwerdeführer noch seine Vertretung zur Verhandlung erschien, wurde für 19.02.2018 ein weiterer Verhandlungstermin anberaumt. Zu diesem Termin erschien der Beschwerdeführer in Begleitung seiner neuen, gewillkürten Rechtsvertretung, des XXXX , für den mit Schreiben vom 02.01.2018 eine Vollmacht vorgelegt worden war.
I.9. Vor dem BVwG wurde durch den erkennenden Richter in der gegenständlichen Rechtssache am 19.02.2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Beisein seines Rechtsvertreters sowie einer Dolmetscherin für die Sprache Dari durchgeführt. Die belangte Behörde nahm an der Verhandlung nicht teil.
In der Verhandlung wurde der Beschwerdeführer insbesondere zu seinen persönlichen Verhältnissen, zu seinem Leben in Österreich und zu seinen Fluchtgründen befragt. Der Beschwerdeführer blieb bei seinen bis dahin im Verfahren gemachten Angaben und präzisierte sie zum Teil auf Nachfrage weiter. Aktuelle Länderinformationen und Erkenntnisquellen zu Afghanistan wurden mit dem Beschwerdeführer und seiner Rechtsvertretung diskutiert. Dem Beschwerdeführer wurde eine Frist zur Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme eingeräumt.
I.10. Am 22.02.2018 langte eine Stellungnahme des Beschwerdeführers ein, mit der die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des bekämpften Bescheides zurückgezogen wurde. Außerdem enthält die Stellungnahme Ausführungen zur Sicherheitslage in Afghanistan, zu den Risikoprofilen iSd UNHCR-Richtlinien vom April 2016, zur aktuellen Offensive der Taliban und zur persönlichen Situation des Beschwerdeführers.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
II.1. Feststellungen:
Folgende Feststellungen werden aufgrund des glaubhaft gemachten
Sachverhaltes getroffen:
II.1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX , geboren spätestens am XXXX , ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara, ursprünglich schiitischer Muslim, nun jedoch ohne religiöses Bekenntnis. Der Beschwerdeführer befindet sich seit spätestens 25.11.2015 in Österreich. Er ist illegal in das Bundesgebiet eingereist. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Dari. Der Beschwerdeführer ist gesund. Das Alter des Beschwerdeführers wurde durch ein medizinisches Altersgutachten belegt. Soweit im Übrigen in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität (Name, Geburtsdatum und Geburtsort) getroffen wurden, beruhen diese auf den glaubwürdigen Angaben des Beschwerdeführers. Diese Feststellungen gelten ausschließlich für die Identifizierung der Person des Beschwerdeführers im Asylverfahren.
II.1.2. Lebensumstände des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer wurde im Dorf XXXX , Distrikt Jaghori, Provinz Ghazni geboren und ist dort aufgewachsen. Sein Vater arbeitete als Kohlebergarbeiter in Pakistan und ist dort ca. 2013 unter nicht näher bekannten Umständen verstorben. Die Mutter des Beschwerdeführers und seine beiden minderjährigen Geschwister (eine Schwester und ein Bruder) haben Afghanistan nach der Ausreise des Beschwerdeführers ebenfalls verlassen und halten sich bei einem Onkel väterlicherseits des Beschwerdeführers in Pakistan auf. Der Beschwerdeführer hat keine Familie in Österreich.
Der Beschwerdeführer hat sechs Jahre lang in Jaghori die Grundschule besucht, aber keine Berufsausbildung absolviert. Der Beschwerdeführer war nie berufstätig, sondern hat lediglich landwirtschaftliche Hilfstätigkeiten innerhalb der Familie vollführt.
II.1.3. Anknüpfungspunkte im Herkunftsstaat:
Der Beschwerdeführer hat keine Verwandten in Afghanistan; er pflegt auch sonst keine Kontakte zu Personen, die sich in Afghanistan aufhalten.
II.1.4. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer hat Afghanistan primär aufgrund der schlechten Sicherheitslage in seiner Heimatprovinz verlassen. Außerdem fürchtete er, nach religiösen Diskussionen mit Gleichaltrigen und nachdem zwei Emissäre des Mullahs ihn, weil er weder betete noch die Moschee besuchte, mit dem Tod bedroht hatten, aufgrund seiner kritischen Haltung gegenüber der in seiner Heimatregion verbreiteten Interpretation des Islam als vermeintlich "Ungläubiger" in ernste Schwierigkeiten zu geraten. Der Beschwerdeführer folgt keiner Religion (mehr). Er lehnt den konservativen Islam ab und hält sich nicht an dessen religiöse Vorschriften. Er fastet (auch im Ramadan) nicht, er betet nicht, er geht nicht in die Moschee und trinkt Alkohol. Er scheut sich nicht, diese seine Ansichten in Österreich auch gegenüber anderen Asylwerbern in seiner Unterkunft zu vertreten.
Der Beschwerdeführer wurde nach eigenen Angaben in seinem Herkunftsstaat niemals inhaftiert, ist nicht vorbestraft und hatte mit den Behörden seines Herkunftsstaates weder auf Grund seines Religionsbekenntnisses oder seiner Volksgruppenzugehörigkeit noch sonst irgendwelche Probleme. Der Beschwerdeführer war nicht politisch tätig und gehörte keiner politischen Partei an.
Eine konkrete Verfolgung des Beschwerdeführers wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara sowie als (damals noch) schiitischer Muslim konnte nicht festgestellt werden.
II.1.5. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:
Dem Beschwerdeführer würde derzeit bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat Afghanistan (insbesondere in seine Heimatprovinz Ghazni) ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen.
Eine Rückkehr und Ansiedelung außerhalb der Provinz Ghazni, etwa in Kabul, Bamyan oder Daikundi, ist dem Beschwerdeführer aufgrund seiner individuellen Umstände (keine sozialen Anknüpfungspunkte, keine Kenntnis der dortigen Gegebenheiten, Örtlichkeiten und Lebensgewohnheiten, der Beschwerdeführer war noch nie in Kabul aufhältig, hat keine Berufsausbildung, war auch noch nie erwerbstätig) nicht zumutbar, zumal er auch dort Gefahr liefe, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose Situation zu geraten, wobei sich seine Abwendung vom Islam zusätzlich erschwerend auswirkt.
II.1.6. Zu den Lebensumständen des Beschwerdeführers in Österreich:
Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich über Kontakte zu anderen Afghanen und Flüchtlingen, aber auch zu Österreichern. Er hat nicht nur ein klares Bild von seiner Zukunft (Deutschkenntnisse weiter verbessern, Ausbildung absolvieren, Schneiderlehre, Arbeit als Schneider), sondern auch bereits im Rahmen seiner Möglichkeiten Schritte gesetzt, um sich in die österreichische Gesellschaft zu integrieren (Ablegung der A1-Prüfung, sportliche und künstlerische Aktivitäten, Bemühen um gemeinnützige Tätigkeit) und in weiterer Folge für sich selbst zu sorgen.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
II.1.7. Zur Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers:
Dem Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht wurden zugrunde gelegt:
II.1.7.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA zu Afghanistan (auszugsweise werden nur die für die Person des Beschwerdeführers relevanten Stellen angeführt)
II.1.7.1.1. Länderinformationsblatt, Gesamtaktualisierung vom 02.03.2017:
"Politische Lage:
Nach dem Sturz des Taliban-Regimes im Jahr 2001 wurde eine neue Verfassung erarbeitet (IDEA o.D.) und im Jahre 2004 angenommen (Staatendokumentation des BFA 7.2016; vgl. auch: IDEA o.D.). Sie basiert auf der Verfassung aus dem Jahre 1964. Bei Ratifizierung sah diese Verfassung vor, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürger Afghanistans, Mann und Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA Staatendokumentation des BFA 3.2014; vgl. Max Planck Institute 27.01.2004).
Die Innenpolitik ist seit der Einigung zwischen den Stichwahlkandidaten der Präsidentschaftswahl auf eine Regierung der Nationalen Einheit (RNE) von mühsamen Konsolidierungsbemühungen geprägt. Nach langwierigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Lagern der Regierung unter Führung von Präsident Ashraf Ghani und dem Regierungsvorsitzenden (Chief Executive Officer, CEO) Abdullah Abdullah sind kurz vor dem Warschauer NATO-Gipfel im Juli 2016 schließlich alle Ministerämter besetzt worden (AA 9.2016). Das bestehende Parlament bleibt erhalten (CRS 12.01.2017), nachdem die für Oktober 2016 angekündigten Parlamentswahlen wegen bisher ausstehender Wahlrechtsreformen nicht am geplanten Termin abgehalten werden konnten (AA 9.2016; vgl. CRS 12.01.2017).
Parlament und Parlamentswahlen:
Generell leidet die Legislative unter einem kaum entwickelten Parteiensystem und mangelnder Rechenschaft der Parlamentarier gegenüber ihren Wähler/innen. Seit Mitte 2015 ist die Legislaturperiode des Parlamentes abgelaufen. Seine fortgesetzte Arbeit unter Ausbleiben von Neuwahlen sorgt für stetig wachsende Kritik (AA 9.2016). Im Jänner 2017 verlautbarte das Büro von CEO Abdullah Abdullah, dass Parlaments- und Bezirksratswahlen im nächsten Jahr abgehalten werden (Pajhwok 19.01.2017).
Die afghanische Nationalversammlung besteht aus dem Unterhaus, Wolesi Jirga, und dem Oberhaus, Meshrano Jirga, auch Ältestenrat oder Senat genannt. Das Unterhaus hat 249 Sitze, die sich proportional zur Bevölkerungszahl auf die 34 Provinzen verteilen. Verfassungsgemäß sind für Frauen 68 Sitze und für die Minderheit der Kutschi 10 Sitze im Unterhaus reserviert (USDOS 13.04.2016 vgl. auch: CRS 12.01.2017).
Das Oberhaus umfasst 102 Sitze. Zwei Drittel von diesen werden von den gewählten Provinzräten vergeben. Das verbleibende Drittel, wovon 50% mit Frauen besetzt werden müssen, vergibt der Präsident selbst. Zwei der vom Präsidenten zu vergebenden Sitze sind verfassungsgemäß für die Kutschi-Minderheit und zwei weitere für Behinderte bestimmt. Die verfassungsmäßigen Quoten gewährleisten einen Frauenanteil von 25% im Parlament und über 30% in den Provinzräten. Ein Sitz im Oberhaus ist für einen Sikh- oder Hindu-Repräsentanten reserviert (USDOS 13.04.2016).
Die Rolle des Zweikammern-Parlaments bleibt trotz mitunter erheblichem Selbstbewusstsein der Parlamentarier begrenzt. Zwar beweisen die Abgeordneten mit der kritischen Anhörung und auch Abänderung von Gesetzentwürfen in teils wichtigen Punkten, dass das Parlament grundsätzlich funktionsfähig ist. Zugleich nutzt das Parlament seine verfassungsmäßigen Rechte, um die Regierungsarbeit destruktiv zu behindern, deren Personalvorschläge zum Teil über längere Zeiträume zu blockieren und sich Zugeständnisse teuer abkaufen zu lassen. Insbesondere das Unterhaus spielt hier eine unrühmliche Rolle und hat sich dadurch sowohl die RNE als auch die Zivilgesellschaft zum Gegner gemacht (AA 9.2016).
Parteien:
Der Terminus Partei umfasst gegenwärtig eine Reihe von Organisationen mit sehr unterschiedlichen organisatorischen und politischen Hintergründen. Trotzdem existieren Ähnlichkeiten in ihrer Arbeitsweise. Einigen von ihnen war es möglich, die Exekutive und Legislative der Regierung zu beeinflussen (USIP 3.2015).
Die afghanische Parteienlandschaft ist mit über 50 registrierten Parteien stark zersplittert. Die meisten dieser Gruppierungen erscheinen jedoch mehr als Machtvehikel ihrer Führungsfiguren denn als politisch-programmatisch gefestigte Parteien. Ethnischer Proporz, persönliche Beziehungen und ad hoc geformte Koalitionen genießen traditionell mehr Einfluss als politische Organisationen. Die Schwäche des sich noch entwickelnden Parteiensystems ist auf fehlende strukturelle Elemente (wie z.B. ein Parteienfinanzierungsgesetz) zurückzuführen sowie auf eine allgemeine Skepsis der Bevölkerung und der Medien. Reformversuche sind im Gange, werden aber durch die unterschiedlichen Interessenlagen immer wieder gestört, etwa durch das Unterhaus selbst (AA 9.2016).
Im Jahr 2009 wurde ein neues Parteiengesetz eingeführt, das von allen Parteien verlangte, sich neu zu registrieren, und zum Ziel hatte, ihre Anzahl zu reduzieren. Anstatt wie zuvor die Unterschrift von 700 Mitgliedern müssen sie nun 10.000 Unterschriften aus allen Provinzen erbringen. Diese Bedingung reduzierte tatsächlich die Zahl der offiziell registrierten Parteien von mehr als 100 auf 63, trug aber anscheinend nur wenig zur Konsolidierung des Parteiensystems bei (USIP 3.2015).
Unter der neuen Verfassung haben sich seit 2001 zuvor islamistisch-militärische Fraktionen, kommunistische Organisationen, ethno-nationalistische Gruppen und zivilgesellschaftliche Gruppen zu politischen Parteien gewandelt. Sie repräsentieren einen vielgestaltigen Querschnitt der politischen Landschaft und haben sich in den letzten Jahren zu Institutionen entwickelt. Keine von ihnen ist eine weltanschauliche Organisation oder ein Mobilmacher von Wähler/innen, wie es Parteien in reiferen Demokratien sind (USIP 3.2015). Eine Diskriminierung oder Strafverfolgung aufgrund exilpolitischer Aktivitäten nach Rückkehr aus dem Ausland ist nicht anzunehmen. Auch einige Führungsfiguren der RNE sind aus dem Exil zurückgekehrt, um Ämter bis hin zum Ministerrang zu übernehmen. Präsident Ashraf Ghani verbrachte selbst die Zeit der Bürgerkriege und der Taliban-Herrschaft in den 1990er Jahren weitgehend im pakistanischen und US-amerikanischen Exil (AA 9.2016).
Friedens- und Versöhnungsprozess:
Im afghanischen Friedens- und Versöhnungsprozess gibt es weiterhin keine greifbaren Fortschritte. Die von der RNE sofort nach Amtsantritt konsequent auf den Weg gebrachte Annäherung an Pakistan stagniert, seit die afghanische Regierung Pakistan der Mitwirkung an mehreren schweren Sicherheitsvorfällen in Afghanistan beschuldigte. Im Juli 2015 kam es erstmals zu direkten Vorgesprächen zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban über einen Friedensprozess, die aber nach der Enthüllung des jahrelang verschleierten Todes des Taliban-Führers Mullah Omar bereits nach der ersten Runde wieder eingestellt wurden. Die Reintegration versöhnungswilliger Aufständischer bleibt weiter hinter den Erwartungen zurück, auch wenn bis heute angeblich ca. 10.000 ehemalige Taliban über das "Afghanistan Peace and Reintegration Program" in die Gesellschaft reintegriert wurden (AA 9.2016).
Hezb-e Islami Gulbuddin (HIG):
Nach zweijährigen Verhandlungen (Die Zeit 22.09.2016) unterzeichneten im September 2016 Vertreter der afghanischen Regierung und der Hezb-e Islami ein Abkommen (CRS 12.01.2017), das der Hezb-e Islami Immunität für "vergangene politische und militärische" Taten zusichert. Dafür verpflichtet sich die Gruppe, alle militärischen Aktivitäten einzustellen (DW 29.09.2016). Einen Tag nach Unterzeichnung des Friedensabkommens zwischen der Hezb-e Islami und der Regierung erklärte erstere in einer Stellungnahme eine Waffenruhe (The Express Tribune 30.09.2016). Das Abkommen beinhaltet unter anderem die Möglichkeit eines Regierungspostens für Hekmatyar; auch soll sich die afghanische Regierung bemühen, internationale Sanktionen gegen Hekmatyar aufheben zu lassen (CRS 12.01.2017). Sobald internationale Sanktionen aufgehoben sind, wird von Hekmatyar erwartet, nach 20 Jahren aus dem Exil nach Afghanistan zurückkehren. Im Jahr 2003 war Hekmatyar von den USA zum "internationalen Terroristen" erklärt worden (NYT 29.09.2016). Schlussendlich wurden im Februar 2017 die Sanktionen gegen Hekmatyar von den Vereinten Nationen aufgehoben (BBC News 04.02.2017).
Sicherheitslage:
Die Sicherheitslage ist beeinträchtigt durch eine tief verwurzelte militante Opposition. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädte und den Großteil der Distriktzentren. Die afghanischen Sicherheitskräfte zeigten Entschlossenheit und steigerten auch weiterhin ihre Leistungsfähigkeit im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand. Die Taliban kämpften weiterhin um Distriktzentren, bedrohten Provinzhauptstädte und eroberten landesweit kurzfristig Hauptkommunikationsrouten; speziell in Gegenden von Bedeutung wie z.B. Kunduz City und der Provinz Helmand (USDOD 12.2016). Zu Jahresende haben die afghanischen Sicherheitskräfte (ANDSF) Aufständische in Gegenden von Helmand, Uruzgan, Kandahar, Kunduz, Laghman, Zabul, Wardak und Faryab bekämpft (SIGAR 30.01.2017).
In den letzten zwei Jahren hatten die Taliban kurzzeitig Fortschritte gemacht, wie z.B. in Helmand und Kunduz, nachdem die ISAF-Truppen die Sicherheitsverantwortung den afghanischen Sicherheits- und Verteidigungskräften (ANDSF) übergeben hatten. Die Taliban nutzen die Schwächen der ANDSF aus, wann immer sie Gelegenheit dazu haben. Der IS (Islamischer Staat) ist eine neue Form des Terrors im Namen des Islam, ähnlich der al-Qaida, auf zahlenmäßig niedrigerem Niveau, aber mit einem deutlich brutaleren Vorgehen. Die Gruppierung operierte ursprünglich im Osten entlang der afghanisch-pakistanischen Grenze und erscheint Einzelberichten zufolge auch im Nordosten und Nordwesten des Landes (Lokaler Sicherheitsberater in Afghanistan 17.02.2017).
INSO beziffert die Gesamtzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle in Afghanistan im Jahr 2016 mit 28.838 (INSO 2017).
Mit Stand September 2016 schätzt die Unterstützungsmission der NATO, dass die Taliban rund 10% der Bevölkerung beeinflussen oder kontrollieren. Die afghanischen Verteidigungsstreitkräfte (ANDSF) waren im Allgemeinen in der Lage, große Bevölkerungszentren zu beschützen. Sie hielten die Taliban davon ab, Kontrolle in bestimmten Gegenden über einen längeren Zeitraum zu halten und reagierten auf Talibanangriffe. Den Taliban hingegen gelang es, ländliche Gegenden einzunehmen; sie kehrten in Gegenden zurück, die von den ANDSF bereits befreit worden waren und in denen die ANDSF ihre Präsenz nicht halten konnten. Sie führten außerdem Angriffe durch, um das öffentliche Vertrauen in die Sicherheitskräfte der Regierung und deren Fähigkeit, für Schutz zu sorgen, zu untergraben (USDOD 12.2016). Berichten zufolge hat sich die Anzahl direkter Schussangriffe der Taliban gegen Mitglieder der afghanischen Nationalarmee (ANA) und afghanischen Nationalpolizei (ANP) erhöht (SIGAR 30.01.2017).
Einem Bericht des U.S. amerikanischen Pentagons zufolge haben die afghanischen Sicherheitskräfte Fortschritte gemacht, wenn auch keine dauerhaften (USDOD 12.2016). Laut Innenministerium wurden im Jahr 2016 im Zuge von militärischen Operationen - ausgeführt durch die Polizei und das Militär - landesweit mehr als 18.500 feindliche Kämpfer getötet und weitere 12.000 verletzt. Die afghanischen Sicherheitskräfte versprachen, sie würden auch während des harten Winters gegen die Taliban und den Islamischen Staat vorgehen (VOA 05.01.2017).
Obwohl die afghanischen Sicherheitskräfte alle Provinzhauptstädte sichern konnten, wurden sie von den Taliban landesweit herausgefordert: Intensive bewaffnete Zusammenstöße zwischen den Taliban und afghanischen Sicherheitskräften verschlechterten die Sicherheitslage im Berichtszeitraum (16.08. - 17.11.2016) (UN GASC 13.12.2016; vgl. auch: SCR 30.11.2016). Den afghanischen Sicherheitskräften gelang es im August 2016, mehrere große Talibanangriffe auf verschiedene Provinzhauptstädte zu vereiteln und verlorenes Territorium rasch wieder zurückzuerobern (USDOD 12.2016).
Kontrolle von Distrikten und Regionen:
Den Aufständischen misslangen acht Versuche, die Provinzhauptstadt einzunehmen; den Rebellen war es möglich, Territorium einzunehmen. High-profile Angriffe hielten an. Im vierten Quartal 2016 waren 2,5 Millionen Menschen unter direktem Einfluss der Taliban, während es im dritten Quartal noch 2,9 Millionen waren (SIGAR 30.01.2017).
Laut einem Sicherheitsbericht für das vierte Quartal sind 57,2% der 407 Distrikte unter Regierungskontrolle bzw. -einfluss; dies deutet einen Rückgang von 6,2% gegenüber dem dritten Quartal an: Zu jenem Zeitpunkt waren 233 Distrikte unter Regierungskontrolle, 51 Distrikte waren unter Kontrolle der Rebellen und 133 Distrikte waren umkämpft. Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Rebelleneinfluss oder -kontrolle waren: Uruzgan mit fünf von sechs Distrikten und Helmand mit acht von 14 Distrikten. Regionen, in denen Rebellen den größten Einfluss oder Kontrolle haben, konzentrieren sich auf den Nordosten in Helmand, Nordwesten von Kandahar und die Grenzregion der beiden Provinzen (Kandahar und Helmand), sowie Uruzgan und das nordwestliche Zabul (SIGAR 30.01.2017).
Rebellengruppen:
Regierungsfeindliche Elemente versuchten weiterhin, durch Bedrohungen, Entführungen und gezielte Tötungen ihren Einfluss zu verstärken. Im Berichtszeitraum wurden 183 Mordanschläge registriert, davon sind 27 gescheitert. Dies bedeutet einen Rückgang von 32% gegenüber dem Vergleichszeitraum im Jahr 2015 (UN GASC 13.12.2016). Rebellengruppen, inklusive hochrangiger Führer der Taliban und des Haqqani Netzwerkes, behielten ihre Rückzugsgebiete auf pakistanischem Territorium (USDOD 12.2016).
Afghanistan ist mit einer Bedrohung durch militante Opposition und extremistische Netzwerken konfrontiert; zu diesen zählen die Taliban, das Haqqani Netzwerk und in geringerem Maße al-Qaida und andere Rebellengruppen und extremistische Gruppierungen. Die Vereinigten Staaten von Amerika unterstützen eine von Afghanen geführte und ausgehandelte Konfliktresolution in Afghanistan - gemeinsam mit internationalen Partnern sollen die Rahmenbedingungen für einen friedlichen politischen Vergleich zwischen afghanischer Regierung und Rebellengruppen geschaffen werden (USDOD 12.2016).
Zwangsrekrutierungen durch die Taliban, Milizen, Warlords oder kriminelle Banden sind nicht auszuschließen. Konkrete Fälle kommen jedoch aus Furcht vor Konsequenzen für die Rekrutierten oder ihre Familien kaum an die Öffentlichkeit (AA 9.2016).
Taliban und ihre Offensive:
Die afghanischen Sicherheitskräfte behielten die Kontrolle über große Ballungsräume und reagierten rasch auf jegliche Gebietsgewinne der Taliban (USDOD 12.2016). Die Taliban erhöhten das Operationstempo im Herbst 2016, indem sie Druck auf die Provinzhauptstädte von Helmand, Uruzgan, Farah und Kunduz ausübten sowie die Regierungskontrolle in Schlüsseldistrikten beeinträchtigten und versuchten, Versorgungsrouten zu unterbrechen (UN GASC 13.12.2016). Die Taliban verweigern einen politischen Dialog mit der Regierung (SCR 12.2016).
Die Taliban haben die Ziele ihrer Offensive "Operation Omari" im Jahr 2016 verfehlt (USDOD 12.2016). Ihr Ziel waren großangelegte Offensiven gegen Regierungsstützpunkte, unterstützt durch Selbstmordattentate und Angriffe von Aufständischen, um die vom Westen unterstützte Regierung zu vertreiben (Reuters 12.04.2016). Gebietsgewinne der Taliban waren nicht dauerhaft, nachdem die ANDSF immer wieder die Distriktzentren und Bevölkerungsgegenden innerhalb eines Tages zurückerobern konnte. Die Taliban haben ihre lokalen und temporären Erfolge ausgenutzt, indem sie diese als große strategische Veränderungen in sozialen Medien und in anderen öffentlichen Informationskampagnen verlautbarten (USDOD 12.2016). Zusätzlich zum bewaffneten Konflikt zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Taliban kämpften die Taliban gegen den ISIL-KP (Islamischer Staat in der Provinz Khorasan) (UN GASC 13.12.2016).
Der derzeitige Talibanführer Mullah Haibatullah Akhundzada hat im Jänner 2017 16 Schattengouverneure in Afghanistan ersetzt, um seinen Einfluss über den Aufstand zu stärken. Aufgrund interner Unstimmigkeiten und Überläufern zu feindlichen Gruppierungen, wie dem Islamischen Staat, waren die afghanischen Taliban geschwächt. Hochrangige Quellen der Taliban waren der Meinung, die neu ernannten Gouverneure würden den Talibanführer stärken, dennoch gab es keine Veränderung in Helmand. Die südliche Provinz - größtenteils unter Talibankontrolle - liefert der Gruppe den Großteil der finanziellen Unterstützung durch Opium. Behauptet wird, Akhundzada hätte nicht den gleichen Einfluss über Helmand wie einst Mansour (Reuters 27.01.2017).
Im Mai 2016 wurde der Talibanführer Mullah Akhtar Mohammad Mansour durch eine US-Drohne in der Provinz Balochistan in Pakistan getötet (BBC News 22.05.2016; vgl. auch: The National 13.01.2017). Zum Nachfolger wurde Mullah Haibatullah Akhundzada ernannt - ein ehemaliger islamischer Rechtsgelehrter - der bis zu diesem Zeitpunkt als einer der Stellvertreter diente (Reuters 25.05.2016; vgl. auch:
The National 13.01.2017). Dieser ernannte als Stellvertreter Sirajuddin Haqqani, den Sohn des Führers des Haqqani-Netzwerkes (The National 13.01.2017), und Mullah Yaqoub, Sohn des Talibangründers Mullah Omar (DW 25.05.2016).
Haqqani-Netzwerk:
Das Haqqani-Netzwerk ist eine sunnitische Rebellengruppe, die durch Jalaluddin Haqqani gegründet wurde. Sirajuddin Haqqani, Sohn des Jalaluddin, führt das Tagesgeschäft gemeinsam mit seinen engsten Verwandten (NCTC o.D.). Sirajuddin Haqqani wurde zum Stellvertreter des Talibanführers Mullah Haibatullah Akhundzada ernannt (The National 13.01.2017).
Das Netzwerk ist ein Verbündeter der Taliban - dennoch ist es kein Teil der Kernbewegung (CRS 26.05.2016). Das Netzwerk ist mit anderen terroristischen Organisationen in der Region, inklusive al-Qaida und den Taliban, verbündet (Khaama Press 16.10.2014). Die Stärke des Haqqani-Netzwerks wird auf 3.000 Kämpfer geschätzt (CRS 12.01.2017). Das Netzwerk ist hauptsächlich in Nordwaziristan (Pakistan) zu verorten und führt grenzübergreifende Operationen nach Ostafghanistan und Kabul durch (NCTC o.D.).
Das Haqqani-Netzwerk ist fähig - speziell in der Stadt Kabul -, Operationen durchzuführen; es finanziert sich durch legale und illegale Geschäfte in den Gegenden Afghanistans, in denen es eine Präsenz hat, aber auch in Pakistan und im Persischen Golf. Das Netzwerk führt vermehrt Entführungen aus - wahrscheinlich, um sich zu finanzieren und seine Wichtigkeit zu stärken (CRS 12.01.2017).
Kommandanten des Haqqani Netzwerk sagten zu Journalist/innen, das Netzwerk sei bereit, eine politische Vereinbarung mit der afghanischen Regierung zu treffen, sofern sich die Taliban dazu entschließen würden, eine solche Vereinbarung einzugehen (CRS 12.01.2017).
Al-Qaida:
Laut US-amerikanischen Beamten war die Präsenz von al-Qaida in den Jahren 2001 bis 2015 minimal (weniger als 100 Kämpfer); al-Qaida fungierte als Unterstützer für Rebellengruppen (CRS 12.01.2017). Im Jahr 2015 entdeckten und zerstörten die afghanischen Sicherheitskräfte gemeinsam mit US-Spezialkräften ein Camp der al-Quaida in der Provinz Kandahar (CRS 12.01.2017; vgl. auch: FP 02.11.2015); dabei wurden 160 Kämpfer getötet (FP 02.11.2015). Diese Entdeckung deutet darauf hin, dass al-Qaida die Präsenz in Afghanistan vergrößert hat. US-amerikanische Kommandanten bezifferten die Zahl der Kämpfer in Afghanistan mit 100-300, während die afghanischen Behörden die Zahl der Kämpfer auf 300-500 schätzten (CRS 12.01.2017). Im Dezember 2015 wurde berichtet, dass al-Qaida sich primär auf den Osten und Nordosten konzentrierte und nicht, wie ursprünglich von US-amerikanischer Seite angenommen, nur auf Nordostafghanistan (LWJ 16.04.2016).
Hezb-e Islami Gulbuddin (HIG):
Siehe oben.
IS/ISIS/ISIL/ISKP/ISIL-K/Daesh - Islamischer Staat:
Seit dem Jahr 2014 hat die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) eine kleine Präsenz in Afghanistan etabliert (RAND 28.11.2016). Die Führer des IS nennen diese Provinz Wilayat Khorasan - in Anlehnung an die historische Region, die Teile des Irans, Zentralasien, Afghanistan und Pakistan beinhaltete (RAND 28.11.2016; vgl. auch:
MEI 5.2016). Anfangs wuchs der IS schnell (MEI 5.2016). Der IS trat im Jahr 2014 in zwei getrennten Regionen in Afghanistan auf: in den östlichsten Regionen Nangarhars, an der AfPak-Grenze und im Distrikt Kajaki in der Provinz Helmand (USIP 03.11.2016).
Trotz Bemühungen, seine Macht und seinen Einfluss in der Region zu vergrößern, kontrolliert der IS nahezu kein Territorium außer kleineren Gegenden wie z.B. die Distrikte Deh Bala, Achin und Naziyan in der östlichen Provinz Nangarhar (RAND 28.11.2016; vgl. auch: USIP 03.11.2016). Zwar kämpfte der IS hart in Afghanistan, um Fuß zu fassen, die Gruppe wird von den Ansäßigen jedoch großteils als fremde Kraft gesehen (MEI 5.2016). Nur eine Handvoll Angriffe führte der IS in der Region durch. Es gelang ihm nicht, sich die Unterstützung der Ansäßigen zu sichern; auch hatte er mit schwacher Führung zu kämpfen (RAND 28.11.2016). Der IS hatte mit Verlusten zu kämpfen (MEI 5.2016). Unterstützt von internationalen Militärkräften führten die afghanischen Sicherheitskräfte regelmäßig Luft- und Bodenoperationen gegen den IS in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch - dies verkleinerte die Präsenz der Gruppe in beiden Provinzen. Eine kleinere Präsenz des IS existiert in Nuristan (UN GASC 13.12.2016).
Auch wenn die Gruppierung weiterhin interne Streitigkeiten der Taliban ausnützt, um die Präsenz zu halten, ist sie mit einem harten Kampf konfrontiert, um permanenter Bestandteil komplexer afghanischer Stammes- und Militärstrukturen zu werden. Anhaltender Druck durch US-amerikanische Luftangriffe haben weiterhin die Möglichkeiten des IS in Afghanistan untergraben; auch wird der IS weiterhin davon abgehalten, seinen eigenen Bereich in Afghanistan einzunehmen (MEI 5.2016). Laut US-amerikanischem Außenministerium hat der IS keinen sicherheitsrelevanten Einfluss außerhalb von isolierten Provinzen in Ostafghanistan (SIGAR 30.10.2017).
Unterstützt von internationalen Militärkräften führten die afghanischen Sicherheitskräfte regelmäßig Luft- und Bodenoperationen gegen den IS in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch - dies verkleinerte die Präsenz der Gruppe in beiden Provinzen. Eine kleinere Präsenz des IS existiert in Nuristan (UN GASC 13.12.2016).
Presseberichten zufolge betrachtet die afghanische Bevölkerung die Talibanpraktiken als moderat im Gegensatz zu den brutalen Praktiken des IS. Kämpfer der Taliban und des IS gerieten aufgrund politischer oder anderer Differenzen, aber auch aufgrund der Kontrolle von Territorium, aneinander (CRS 12.01.2017).
Drogenanbau und Gegenmaßnahmen:
Einkünfte aus dem Drogenschmuggel versorgen auch weiterhin den Aufstand und kriminelle Netzwerke (USDOD 12.2016). Laut einem Bericht des afghanischen Drogenbekämpfungsministeriums vergrößerte sich die Anbaufläche für Opium um 10% im Jahr 2016 auf etwa 201.000 Hektar. Speziell in Nordafghanistan und in der Provinz Badghis verstärkte sich der Anbau: Blaumohn wächst in 21 der 34 Provinzen im Vergleich zum Jahr 2015, wo nur 20 Provinzen betroffen waren. Seit dem Jahr 2008 wurde zum ersten Mal von Opiumanbau in der Provinz Jawzjan berichtet. Helmand bleibt mit 80.273 Hektar (40%) auch weiterhin Hauptanbauprovinz, gefolgt von Badghis, Kandahar und der Provinz Uruzgan. Die potenzielle Opiumproduktion im Jahr 2016 macht insgesamt 4.800 Tonnen aus - eine Steigerung von 43% (3.300 Tonnen) im Gegensatz zum Jahr 2015. Die hohe Produktionsrate kann einer Steigerung des Opiumertrags pro Hektar und eingeschränkten Beseitigungsbemühungen aufgrund von finanziellen und sicherheitsrelevanten Ressourcen zugeschrieben werden. Hauptsächlich erhöhten sich die Erträge aufgrund von vorteilhaften Bedingungen, wie z.B. des Wetters und nicht vorhandener Pflanzenkrankheiten (UN GASC 17.12.2016).
Zivile Opfer:
Die Mission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UNAMA) dokumentiert weiterhin regierungsfeindliche Elemente, die illegale und willkürliche Angriffe gegen Zivilist/innen ausführen (UNAMA 10.2016). Zwischen 01.01. und 31.12.2016 registrierte UNAMA 11.418 zivile Opfer (3.498 Tote und 7.920 Verletzte) - dies deutet einen Rückgang von 2% bei Getöteten und eine Erhöhung um 6% bei Verletzten im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Jahres 2015 an. Bodenkonfrontation war weiterhin die Hauptursache für zivile Opfer, gefolgt von Selbstmordangriffen und komplexen Attentaten sowie unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtung (IED) und gezielten und willkürlichen Tötungen (UNAMA 06.02.2017).
UNAMA verzeichnete 3.512 minderjährige Opfer (923 Kinder starben und 2.589 wurden verletzt) - eine Erhöhung von 24% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres; die höchste Zahl an minderjährigen Opfern seit Aufzeichnungsbeginn. Hauptursache waren Munitionsrückstände, deren Opfer meist Kinder waren. Im Jahr 2016 wurden 1.218 weibliche Opfer registriert (341 Tote und 877 Verletzte), dies deutet einen Rückgang von 2% gegenüber dem Vorjahr an (UNAMA 06.02.2017).
Hauptsächlich waren die südlichen Regionen von dem bewaffneten Konflikt betroffen: 2.989 zivile Opfer (1.056 Tote und 1.933 Verletzte) - eine Erhöhung von 17% gegenüber dem Jahr 2015. In den zentralen Regionen wurde die zweithöchste Rate an zivilen Opfern registriert: 2.348 zivile Opfer (534 Tote und 1.814 Verletzte) - eine Erhöhung von 34% gegenüber dem Vorjahreswert aufgrund von Selbstmordangriffen und komplexen Angriffen auf die Stadt Kabul. Die östlichen und nordöstlichen Regionen verzeichneten einen Rückgang bei zivilen Opfern: 1.595 zivile Opfer (433 Tote und 1.162 Verletzte) im Osten und 1.270 zivile Opfer (382 Tote und 888 Verletzte) in den nordöstlichen Regionen. Im Norden des Landes wurden 1.362 zivile Opfer registriert (384 Tote und 978 Verletzte) sowie in den südöstlichen Regionen 903 zivile Opfer (340 Tote und 563 Verletzte). Im Westen wurden 836 zivile Opfer (344 Tote und 492 Verletzte) und 115 zivile Opfer (25 Tote und 90 Verletzte) im zentralen Hochgebirge registriert (UNAMA 06.02.2017).
Laut UNAMA waren 61% aller zivilen Opfer regierungsfeindlichen Elementen zuzuschreiben (hauptsächlich Taliban), 24% regierungsfreundlichen Kräften (20% den afghanischen Sicherheitskräften, 2% bewaffneten regierungsfreundlichen Gruppen und 2% internationalen militärischen Kräften); Bodenkämpfe zwischen regierungsfreundlichen Kräften und regierungsfeindlichen Kräften waren Ursache für 10% zivile Opfer, während 5% der zivilen Opfer vorwiegend durch Unfälle mit Munitionsrückständen bedingt waren (UNAMA 06.02.2017).
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Kabul
Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul Stadt. Die Provinz Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan, im Nordosten an Kapisa, im Osten an Laghman, Nangarhar im Südosten, Logar im Süden und (Maidan) Wardak im Südwesten. Kabul ist mit den Provinzen Kandahar, Herat und Mazar durch die sogenannte Ringstraße und mit Peshawar in Pakistan durch die Kabul-Torkham Autobahn verbunden. Die Stadt hat 22 Stadtgemeinden und 14 administrative Einheiten (Pajhwok o.D.z). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.523.718 geschätzt (CSO 2016)
Distrikt Kabul
Im Zeitraum 01.09.2015 - 31.05.2016 wurden im Distrikt Kabul 151 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).
Provinz Kabul
Im Zeitraum 01.09.2015. - 31.05.2016 wurden in der gesamten Provinz Kabul 161 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).
Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Transitrouten, Provinzhauptstädte und fast alle Distriktzentren (USDOD 12.2015). Aufständischengruppen planen oft Angriffe auf Gebäude und Individuen mit afghanischem und amerikanischem Hintergrund: afghanische und US-amerikanische Regierungseinrichtungen, ausländische Vertretungen, militärische Einrichtungen, gewerbliche Einrichtungen, Büros von Nichtregierungsorganisation, Restaurants, Hotels und Gästehäuser, Flughäfen und Bildungszentren (Khaama Press 13.01.2017). Nach einem Zeitraum länger andauernder relativer Ruhe in der Hauptstadt, explodierte im Jänner 2017 in der Nähe des afghanischen Parlaments eine Bombe; bei diesem Angriff starben mehr als 30 Menschen (DW 10.01.2017). Die Taliban bekannten sich zu diesem Vorfall und gaben an, hochrangige Beamte des Geheimdienstes wären ihr Ziel gewesen (BBC News 10.01.2017).
In der Provinz Kabul finden regelmäßig militärische Operationen statt (Afghanistan Times 08.02.2017; Khaama Press 10.01.2017; Tolonews 04.01.2017a; Bakhtar News 29.06.2016). Taliban Kommandanten der Provinz Kabul wurden getötet (Afghan Spirit 18.07.2016). Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften finden statt (Tolonews 04.01.2017a).
Regierungsfeindliche Aufständische greifen regelmäßig religiöse Orte, wie z.B. Moscheen, an. In den letzten Monaten haben eine Anzahl von Angriffen, gezielt gegen schiitische Muslime, in Hauptstädten, wie Kabul und Herat stattgefunden (Khaama Press 02.01.2017; vgl. auch: UNAMA 06.02.2017).
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Ghazni
Ghazni ist eine der wichtigsten Zentralprovinzen Afghanistans. Ghazni liegt 145 km süd