TE Bvwg Erkenntnis 2018/4/5 W201 2179488-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.04.2018
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Entscheidungsdatum

05.04.2018

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W201 2179488-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Angela Schidlof als Vorsitzende und die Richterin Dr. Margit Möslinger-Gehmayr sowie den fachkundigen Laienrichter Franz Groschan als Beisitzer über die Beschwerde der XXXX, geb. XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien vom 23.10.2017, OB:XXXX, betreffend Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Einlangend am 13.06.2017 stellte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses. Medizinische Unterlagen legte sie ihrem Antrag bei.

2. Am 16.10.2017 erfolgte die Untersuchung der Beschwerdeführerin durch eine Fachärztin für Orthopädie. Das Sachverständigengutachten enthält auszugsweise:

"Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

MRT rechtes Kniegelenk vom 11.04.2017 (Deutliche mucoide Degenerationszeichen an beiden Menisci, am Hinterhorn aber kein Einriss. Osteochondrale Veränderung an der Belastungszone des lateralen Tibiacondyls,)

Röntgen rechtes Kniegelenk vom 24.01.2017 (incip. Gonarthrose)

Entlassungsbericht XXXX vom 16.11.2016 (seropositive PCP, Beckenschiefstand, Streckfehlhaltung HWS mit Kyphoseknick C4/C5, rec PHS li. bei Bursitis subdeltoidea )

Röntgen linke Schulter und WS 16.06.2016 (Geringe Acromioclaviculargelenksarthrose, linkskonvexe Skoliose der BWS mit einem Cobbwinkel von 10,5 Grad. Rechtskonvexe Skoliose der LWS mit einem Cobbwinkel von 17,1 Grad. Tiefertreten des rechten Schenkelkopfes um 5 mm und der rechten Beckenschaufel um 14 mm.)

Nachgereichte Befunde:

MRT rechtes Kniegelenk vom einer 30. 8. 2017 (im Vergleich zu 04/2017 neu aufgetreten gewellter Verlauf am Meniscushinterhorn wie bei Einriss, keine Knorpeldefekte)

Labor vom 14. 6. 2017 (Rheumafaktor positiv 78; Normbereich 0-20, CCP-Antikörper 550,5: Normbereich 0-25)

Entlassungsbericht Gesundheitszentrum XXXX vom 11.10. 2017

Klinischer Status - Fachstatus:

Caput/Colium: klinisch unauffälliges Hör- und Sehvermögen Thorax:

symmetrisch, elastisch

Atemexkursion seitengleich, sonorer Klopfschall, VA. HAT rein, rhythmisch.

Abdomen: klinisch unauffällig, keine pathologischen Resistenzen tastbar, kein Druckschmerz.

Integument: unauffällig

Schultergürtel und beide oberen Extremitäten:

Rechtshänder. Der Schultergürtel steht horizontal, symmetrische Muskelverhältnisse.

Die Durchblutung ist ungestört, die Sensibilität wird als ungestört angegeben.

Die Benützungszeichen sind seitengleich vorhanden.

Sämtliche Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.

Aktive Beweglichkeit: Schultern, Ellbogengelenke, Unterarmdrehung, Handgelenke, Daumen und Langfinger seitengleich frei beweglich. Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar. Der Faustschluss ist komplett, Fingerspreizen beidseits unauffällig, die grobe Kraft in etwa seitengleich, Tonus und Trophik unauffällig.

Nacken- und Schürzengriff sind uneingeschränkt durchführbar.

Becken und beide unteren Extremitäten:

Freies Stehen sicher möglich, Zehenballengang und Fersengang beidseits ohne Anhalten und ohne Einsinken durchführbar.

Der Einbeinstand ist ohne Anhalten möglich. Die tiefe Hocke ist zu einem Drittel möglich. Die Beinachse ist im Lot. Annähernd symmetrische Muskelverhältnisse.

Beinlänge ident.

Die Durchblutung ist ungestört, keine Ödeme, keine Varizen, die Sensibilität wird als ungestört angegeben. Die Beschwielung ist in etwa seitengleich.

Kniegelenk rechts: diskrete Umfangsvermehrung, keine Überwärmung, kein Erguss, Druckschmerz über den medialen und lateralen Gelenkspalt, deutliche Beugeschmerzen und Beugehemmung, Patella nicht verbacken, jedoch retropatellare Schmerzen auslösbar. Vorfüße beidseits: Narbe im Bereich des 3. Strahls über Zehengrundgelenk links, Krallenstellung alle Zehen 2-5 beidseits, abgeflachtes Quergewölbe, Druckschmerzen im Bereich der Vorfüße, Gaenslen positiv links mehr als rechts Sämtliche weiteren Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.

Aktive Beweglichkeit: Hüften S beidseits 0/110, IR/AR 10/0/35, Knie links 0/0/140, rechts 0/0/110, Sprunggelenke und Zehen sind seitengleich frei beweglich.

Das Abheben der gestreckten unteren Extremität ist beidseits bis 60° bei KG 5 möglich.

Wirbelsäule:

Schultergürtel und Becken stehen horizontal, in etwa im Lot, regelrechte Krümmungsverhältnisse. Die Rückenmuskulatur ist symmetrisch ausgebildet. Mäßig Hartspann paralumbal. Kein Klopfschmerz über der Wirbelsäule, ISG und Ischiadicusdruckpunkte sind frei.

Aktive Beweglichkeit:

HWS: in allen Ebenen frei beweglich

BWS/LWS: FBA: 10 cm, in allen Ebenen frei beweglich

Lasegue bds. negativ, Muskeleigenreflexe seitengleich mittellebhaft auslösbar.

Gesamtmobilität - Gangbild:

Kommt selbständig gehend mit Halbschuhen ohne Hilfsmittel, das Gangbild hinkfrei und unauffällig, barfuß diskret gehemmtes Abrollen links mehr als rechts.

Das Aus- und Ankleiden wird selbständig im Sitzen durchgeführt.

Status Psychicus:

Allseits orientiert; Merkfähigkeit, Konzentration und Antrieb unauffällig; Stimmungslage ausgeglichen.

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Rahmensätze:

Position

GdB %

 

Chronische Polyarthritis Unterer Rahmensatz, da unter Basistherapie, prothrahierter Verlauf, geringe funktionelle Einschränkungen und Beschwerden vor allem im Bereich der Füße und linken Schulter.

02.02.02

30

 

Degenerative und entzündliche Veränderungen rechtes Kniegelenk Unterer Rahmensatz, da geringgradige Beugehemmung und keine wesentliche Umfangsvermehrung.

02.05.18

10

 

Bluthochdruck Fixer Richtsatzwert

05.01.01

10

Gesamtgrad der Behinderung 30 v.H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Leiden 1 wird durch Leiden 2 nicht erhöht, da teilweise Leidensüberschneidung mit Leiden 1.

Leiden 3 erhöht nicht, da kein ungünstiges Zusammenwirken mit führendem Leiden 1.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

keine

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

kein Vorgutachten vorliegend

X Dauerzustand

Die Antragstellerin kann trotz ihrer Funktionsbeeinträchtigung mit Wahrscheinlichkeit auf einem geschützten Arbeitsplatz oder in einem Integrativen Betrieb (allenfalls unter Zuhilfenahme von Unterstützungsstrukturen) einer Erwerbstätigkeit nachgehen: X ja"

3. Mit Bescheid vom 23.10.2017 wies das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien (in weiterer Folge: belangte Behörde) den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses ab. Begründet wurde die Abweisung mit dem Ergebnis der ärztlichen Untersuchung, die einen Grad der Behinderung von 30% ergeben hat.

4. Gegen den Bescheid erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht einlangend am 01.12.2017 Beschwerde.

Sie habe seit dem Beginn der chronischen Polyarthritis im Jahr 2005, am 16.10.17 das zweite Mal beim Bundesozialamt vorgesprochen. Es sei ihren Leidenszuständen sowie den daraus resultierenden Einschränkungen in Beruf und Alltag kein Interesse entgegengebracht worden. Sie habe der Ärztin mehrmals zu vermitteln versucht, dass das Krankheitsbild nach 4 1/2 Wochen Kuraufenthalt ohne berufliche und private Pflichten bzw. ohne Stress nicht dem alltäglichen Gesundheitszustand entspreche, mit dem sie leben müsse. Leider sei dies in keiner Weise berücksichtigt worden.

Zum ermitteltem Sachverhalt führte die BF aus:

Auf Seite 5 des Bescheides vom 23.10.17 stehe, dass sie trotz Ihrer Funktionsbeeinträchtigung mit Wahrscheinlichkeit auf einem geschützten Arbeitsplatz oder in einem integrativen Betrieb (allenfalls unter Zuhilfenahme von Unterstützungsstrukturen) einer Erwerbstätigkeit nachgehen könne.

Der Grund, warum sie jetzt um neuerliche Begutachtung angesucht habe sei, weil sie leider NICHT auf einem geschützten Arbeitsplatz sei und Angst habe wegrationalisiert zu werden. Um die Beschwerden erträglich zu halten fahre sie jährlich in einen Heilstollen und sei daher 3-4 Wochen im Krankenstand, was keine Begeisterung beim Arbeitsgeber hervorrufe.

Sie sei nicht pragmatisiert und chronisch krank, daher habe sie begründete Ängste den Arbeitsplatz zu verlieren. Sie habe noch 6 Jahre bis zur Pensionierung und keinerlei Kündigungsschutz.

Zu den Ausführungen im Gutachten betreffend Becken und beide untere Extremitäten (Seite 3): Freies Stehen sei noch möglich, Zehenballengang nicht. Sie wisse nicht, wie die Gutachterin zu diesem Schluss komme. Es sei lediglich untersucht worden ob sie sich auf die Zehen stellen könne, dies sei auch möglich, da sie ihr Gewicht auf die Großzehe verlagere und daher die MTP Gelenke 3 und 4, die ihr größtes Problem seien, entlaste. Sie hätte auf keinen Fall auf den Zehen gehen können. Fersengang sei möglich (sei aber nicht verlangt worden).

Seit Jahren habe sie bei den Einlagen auf Grund der ungleichen Beinlängen einen Höhenausgleich von 6 mm rechts. Wenn sie liege oder mit ausgestreckten Beinen sitze und die Fersen zusammen gebe spüre sie den Unterschied der Beinlängen. Ihr Orthopäde, bei dem sie seit 25 Jahren in Betreuung sei, habe leider kein Schreiben verfassen können, da er kein eidesstattlicher Gutachter sei. Als Beilage habe sie aber einen Ausdruck ihrer Krankengeschichte beigelegt.

Beckenschiefstand sei seit Jahren diagnostiziert. Sie sei 4 Wochen intensiver Therapie nach Kuraufenthalt nur temporär mäßig verspannt gewesen. Sie sei seit ca 2 Jahren unglücklich, weil sie nicht mehr mit normalen Halbschuhen gehen könne. Sie gehe seit 2 Jahren ausschließlich mit Gelschuhen.

Da ihr, wenn sie von einer sitzenden Position nach dem Aufstehen immer für einige Schritte die Hüften wehtun würden, beschreibe sie ihr Gangbild mit nichtmedizinisch gebildeten Worten, als "watschelnd" nicht als unauffällig.

Ihre Stimmungslage sei aufgrund des Bescheides und der beruflichen Zukunftsängste nicht mehr ausgeglichen.

Zum Schluss möchte sie noch richtigstellen, dass sie seit einigen Monaten eine Orthese (linkes Knie) trage. Dies sei im Bescheid mit NEIN angekreuzt ohne entsprechende Nachfrage.

Da sie mit dem Auto zur Untersuchung gekommen sei und ihr Bandagist ihr geraten habe, aus versicherungstechnischen Gründen die Orthese nicht beim Autofahren zu tragen, habe sie diese beim Untersuchungstermin am 23.10.17 nicht angelegt.

Sie trage die Orthese immer im privaten Bereich. Im Büro trage sie sehr häufig bei Schmerzen eine orthopädische Handstütze, und bei Haushalt und privaten Arbeiten Gelenkstützen.

5. Mit Schreiben vom 13.12.2017 übermittelte die belangte Behörde den Beschwerdeakt an das Bundesverwaltungsgericht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführerin hat ihren Wohnsitz in Österreich. Sie stellte einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses.

1.2. Aufgrund des vorliegenden Sachverständigengutachtens ergibt sich ein Grad der Behinderung von 30%.

1.3. Die Beschwerdeführerin erfüllt nicht die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt und dem darin enthaltenen fachärztlichen Gutachten.

Das eingeholte Sachverständigengutachten steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war dem Vorbringen kein Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit des befassten Sachverständigen oder dessen Beurteilung beziehungsweise Feststellungen in Zweifel zu ziehen. Im Zuge der persönlichen Untersuchung wurden sämtliche Befunde in die Bewertung des Grades der Behinderung mit einbezogen. Das Sachverständigengutachten wird daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt.

Die Beschwerdeführerin legte im Zuge ihrer Beschwerde keine neuen Befunde vor. Die vorgelegte Krankengeschichte des behandelnden Orthopäden fasst die Behandlungen aus dem Zeitraum 02/2009 bis 11/2017 zusammen, enthält jedoch keine zusätzlichen Befundungen, welche nicht schon Grundlage des vorliegenden Gutachtens für die Beurteilung des Grades der Behinderung gewesen sind.

Dass das von der belangten Behörde eingeholte Gutachten den Tatsachen entspricht geht auch aus der Beschwerde hervor, wo die BF selbst zugesteht, dass ihr freies Stehen möglich ist.

Wenn die BF vorbringt, dass die Orthese für das linke Knie von der Sachverständigen nicht angekreuzt wurde, ist ihr zu entgegnen, dass sie selbst es verabsäumte, bei der Untersuchung den Umstand zu erwähnen, dass sie Orthesenträgerin ist. Die BF gibt selbst an, die Orthese bei der Untersuchung nicht getragen zu haben. Darüber hinaus hat die BF weder im Rahmen der Untersuchung noch im Rahmen der Beschwerde entsprechende Unterlagen (zB. Ärztliche Verordnung) vorgelegt. Dem Gutachten ist vielmehr zu entnehmen, dass die BF nur Befunde das rechte Knie betreffend vorgelegt hat. Diese wurden auch bei der Einschätzung entsprechend berücksichtigt (Pos.Nr.02.05.18).

Auch die von der BF angeführten Beinlängenunterschiede sind nicht durch Befunde belegt. und finden auch in der Anamnese im Gutachten keine Erwähnung. Nur der im Rahmen der Beschwerde erstmals vorgelegten Rechnung der Fa. XXXX ist zu entnehmen, dass der Bf Einlagen verschrieben wurden, die einen Höhenausgleich bis 1 cm bewirken.

Für die von der BF angeführten Gelschuhe legte die BF lediglich eine Rechnung für den Kauf vor, es gibt offensichtlich keine ärztliche Verordnung dieser Schuhe womit auch keine medizinische Notwendigkeit belegt ist.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. In der gegenständlichen Sachverhaltskonstellation liegen die Voraussetzungen für eine meritorische Entscheidung vor (Vgl. VwGH vom 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063; VwGH vom 10.09.2014, Zl. Ra 2014/08/0005).

Zu Spruchpunkt A)

Gemäß § 1 Abs. 2 BBG ist unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Gemäß § 40 Abs. 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

Gemäß § 41 Abs. 1 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

Auf den Fall bezogen:

Die Beschwerdeführerin hat eine Beschwerde gegen den Bescheid eingebracht, der den Grad der Behinderung mit 30% feststellt.

Zum Beschwerdevorbringen in Bezug auf das Sachverständigengutachten:

Im Sachverständigengutachten zur Untersuchung vom 16.10.2017 wurde auf sämtliche von der Beschwerdeführerin bei ihrer Antragstellung geltend gemachten und durch Befunde belegten Beeinträchtigungen und Erkrankungen eingegangen und diese gemäß der Anlage zur Einschätzungsverordnung gewürdigt. Zudem wurde nachvollziehbar der Gesamtgrad der Behinderung, der sich aus dem Zusammenwirken der weiteren Leiden mit dem führenden Leiden ergibt, dargelegt. Es konnten keine Anhaltspunkte dahingehend festgestellt werden, dass die Sachverständige - wie von der Beschwerdeführerin vorgebracht - den Zustand nach einem Kuraufenthalt mit dem alltäglichen Gesundheitszustand gleichgesetzt hat.

Die Sachverständige führte im Gutachten an, dass annähernd symmetrische Muskelverhältnisse im Bereich der unteren Extremitäten vorliegen. Überdies stellt die Sachverständige eine in etwa gleiche Beschwielung fest. Von der Sachverständigen wurde weiter festgestellt, dass ein Zehenballengang möglich ist - was jedoch von der Beschwerdeführerin verneint wird, ohne jedoch dem Sachverständigengutachten auf gleicher fachlicher Ebene entgegenzutreten bzw diese Behauptung durch Befunde zu untermauern. Unbestritten ist, dass jedenfalls ein Zehenballenstand möglich war.

Eine medizinische Indikation für das Tragen von Gelschuhen war zum Zeitpunkt der Untersuchung nicht durch Befunde belegt, solche wurden von der Beschwerdeführerin auch im Beschwerdeverfahren nicht beigebracht. Das Gangbild wurde zum Zeitpunkt der Untersuchung als hinkfrei erkannt, wobei jedoch barfuß ein diskret gehemmtes Abrollen links festgestellt wurde.

Das Erfordernis zum Tragen einer Orthese wurde von der Beschwerdeführerin nicht durch Befunde nachgewiesen, die Orthese wurde zudem am Tag der Untersuchung nicht getragen und deren Verwendung im Zuge der Untersuchung nicht angeführt.

Insgesamt wurden bei der Beurteilung des Grades der Behinderung sehr wohl geringe funktionelle Einschränkungen und Beschwerden vor allem im Bereich der Füße und der rechten Schulter festgestellt und entsprechend der Anlage zur Einschätzungsverordnung unter der Pos.Nr. 02.02.02 mit einem Grad der Behinderung von 30% eingeschätzt.

In ihrer Beschwerde machte die Beschwerdeführerin durchwegs jene Leiden geltend, die schon bei der durch die belangte Behörde veranlasste Untersuchung Berücksichtigung fanden und im Ergebnis einen Grad der Behinderung von 30% ergaben.

Sie ist dem Sachverständigengutachten insgesamt nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten und brachte im Zuge der Beschwerde keine neuen Befunde vor, die eine Änderung dieser Einschätzung bewirken hätten können. Die Beschwerdeführerin vermochte daher im Rahmen ihrer Beschwerde nicht darzulegen, aufgrund welcher Befunde sich eine weitere Erhöhung des Grades der Behinderung ergeben würde.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Falls sich der Leidenszustand der Beschwerdeführerin maßgebend verschlechtert, ist es zulässig, abermals einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses zu stellen und es kommt eine neuerliche Feststellung des Grades der Behinderung in Betracht (vgl. dazu etwa VwGH 20.11.2012, 2011/11/0118 zu § 14 BEinstG). In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass gemäß § 41 Abs. 2 BBG, falls der nochmalige Antrag innerhalb eines Jahres seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung gestellt wird, eine offenkundige Änderung des Leidenszustandes glaubhaft geltend zu machen ist, ansonsten der Antrag ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen ist.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen

Weiters kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).

Im gegenständlichen Fall sind maßgebend für die Entscheidung die Art und das Ausmaß der bei der Beschwerdeführerin festgestellten Gesundheitsschädigungen und der daraus resultierende Gesamtgrad der Behinderung. Zur Klärung des Sachverhaltes wurde ein ärztliches Sachverständigengutachten eingeholt. Wie bereits ausgeführt, wurde dieses als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet. Sohin ist der Sachverhalt geklärt und konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben. Im Übrigen wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Beschwerdeverfahren nicht beantragt.

Zu Spruchpunkt B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung (vgl. VwGH vom 24.04.2014, Zl. Ra 2014/01/0010; VwGH vom 24.03.2014, Zl. Ro 2014/01/0011) zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W201.2179488.1.00

Zuletzt aktualisiert am

17.04.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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