TE Bvwg Erkenntnis 2018/4/5 W201 2174475-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.04.2018
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Entscheidungsdatum

05.04.2018

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W201 2174475-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Angela Schidlof als Vorsitzende und die Richterin Dr. Margit Möslinger-Gehmayr sowie den fachkundigen Laienrichter Franz Groschan als Beisitzer über die Beschwerde der XXXX, geb. XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien vom 14.09.2017, OB: XXXX, betreffend Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Einlangend am 12.05.2017 stellte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses. Medizinische Unterlagen legte sie ihrem Antrag bei.

2. Am 11.07.2017 erfolgte die Untersuchung der Beschwerdeführerin durch einen Arzt für Allgemeinmedizin. Das Sachverständigengutachten enthält auszugsweise:

"Anamnese:

Vorgutachten vom 4. Dezember 2012: mildes bis moderates persistierendes Asthma bronchiale, Depressio, Diabetes mellitus.

Gesamtgrad der Behinderung: 30 %.

Insulinpflichtiger Diabetes mellitus II, Asthma bronchiale, beginnendes Karpaltunnelsyndrom beidseits, Diskusprolaps L4/5. Anamnestisch Zustand nach Nasenpolypenentfernung und Blinddarmentfernung.

Derzeitige Beschwerden:

Schmerzen in der Lendenwirbelsäule und der Halswirbelsäule, sie erhalte jede Woche Infiltrationen. Weiters bestehen wegen einer Gastritis Probleme mit der Speiseröhre und sie habe fallweise eine Übelkeit. Eine Gastroskopie sei vorgesehen. Seit 2008 sei ein Diabetes mellitus Typ II bekannt, seit September 2016 sei die Zuckerkrankheit insulinbehandelt. Sie sei im AKH auf Insulin eingestellt worden im Rahmen einer stationären Aufnahme. Die Zuckerwerte seien gut eingestellt, fallweise etwas erhöht. Die Blutdruckwerte zu Hause seien in Ordnung. Sie verliere immer wieder besonders beim Kämmen Haare. Eine Durchuntersuchung habe keine Ursache für den Haarausfall erbracht. Bei bekanntem Allergieleiden werde eine Desensibilisierungstherapie durchgeführt. Fallweise komme es zu einem Hautjucken. Sie sei von den Medikamenten müde, der Appetit sei herabgesetzt. Es falle ihr teilweise schwer, die Arbeit zu Hause zu erledigen.

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:

Paroxat, Deanxit, Trittico, Novomix 30 10-0-10, Santizor, Psychopax bei Bedarf, Avamys bei Bedarf, Lomusol, Dymista, Norgesic, Daflon. Eucreas, Atorvastatin, Enalapril, Nexium, Singulär, Legalon, Sultanol, Symbicort.

Sozialanamnese:

Verheiratet, getrennt lebend, 4 Kinder, 2 Söhne leben im gemeinsamen Haushalt, Hausfrau.

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

HNO-ärztlicher Befund vom 30. Mai 2017: Fokussuche bei Alopezie, kein Hinweis auf fokales Geschehen im HNO-Bereich. Diagnose:

Zungengrundhyperplasie, chronische Gastritis, Alopezie.

Orthopädischer Befund vom 26. Juni 2017: Karpaltunnelsyndrom beidseits, Diskusprolaps L4/5, Diabetes II, Asthma bronchiale, Gräserpollenallergie, Depressio, Lumboischialgie rechts. Infiltrationen mit Xyloneural, Handschiene für Karpaltunnelsyndrom.

Internistischer Befund vom 1. Mai 2017: Diabetes mellitus, Typ II, tablettenpflichtig, Hypertonie, Depressio, Lumbalgie, Gastritis mit Zustand nach Eradikation, Schluckbeschwerden. Seit 9 Monaten intensivierte Insulintherapie. Lungenärztlicher Befund vom 24. 4. 2017: mildes persistierendes allergisches saisonales Asthma bronchiale, Zustand nach akutem respiratorischem Infekt 10/2015. Derzeit keine Kontraindikation gegen die geplante Hyposensibilisierungstherapie. Allergie gegen Gräser, Birke bekannt. Lungenfunktion altersentsprechend unauffällig, keine Atemstrombehinderung.

Nervenleitgeschwindigkeit vom 22. Dezember 2016: beginnendes Karpaltunnelsyndrom beidseits.

MRT der Lendenwirbelsäule vom 15. November 2016: Diskusprolaps L4/5.

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand:

gut

Ernährungszustand:

sehr gut

Größe: 150,00 cm Gewicht: 72,00 kg Blutdruck: 125/75 Klinischer

Status - Fachstatus:

Aus- und Ankleiden, Aufstehen und Lagewechsel selbständig möglich,

Caput: ua., keine Lippenzyanose, die AW trägt eine Kopfbedeckung, diese wird nicht abgelegt, auf eine Begutachtung der Alopezie wird h. o. verzichtet, keine Halsvenenstauung,

Cor: reine Herztöne, rhythmische Herzaktion,

Pulmo: V.A., sonorer KS, Basen atemversch., keine Sprechdyspnoe

Abdomen: weich, keine Druckpunkte, keine path. Resistenzen paip., Leber am Ribo palp.,

Milz n.p., Darmgeräusche normal und unauffällig, Nierenlager bds. frei,

HWS: Kopfdrehung und -seitneigung: nach rechts und links, Inkl. und Rekl. frei,

BWS: gerade, LWS: Rumpfdrehung und -seitneigung frei,

Extremitäten:

OE: Rechtshändigkeit

Schultergelenk rechts: Abduktion und Anteversion frei,

Schultergelenk links: Abduktion und Anteversion frei, Nacken- und Schürzengriff beidseits frei durchführbar Ellenbogengelenke: frei, Handgelenke frei beweglich, Fingergelenke bds. frei, Daumengelenke bds. frei,

Faustschluß bds. komplett durchführbar, Zangengriff bds. durchführbar, die Muskulatur an den Fingern und Händen unauffällig und symmetrisch ausgeprägt, blande Narbe rechte Handfläche innenseitig etwa 3 cm haltend nach Schnittverletzung,

UE: Hüftgelenk rechts: Flexion 110°, Abd. und Add.

altersentsprechend frei,

Hüftgelenk links: Flexion 110°, Abduktion endlagig schmerzeingeschränkt wegen Beschwerden in der Lendenwirbelsäule, Adduktion frei,

Kniegelenk rechts: Beweglichkeit frei, bandstabil,

Kniegelenk links: Beweglichkeit frei, bandstabil,

Sprunggelenke bds. frei,

sonstige Gelenke altersentsprechend frei,

Fußheben und -senken bds. durchführbar,

1-Beinstand bds. durchführbar,

Hocke durchführbar,

beide UE können von der Unterlage abgehoben werden,

Fußpulse bds. palp.,

Venen: unauffällig, Ödeme: keine

Stuhl: fallweise obstipiert, fallweise Durchfall, Harnanamnese:

unauffällig

Gesamtmobilität - Gangbild:

unauffällig, flüssig, flott, sicher, ohne Hilfsmittel, freies Stehen unauffällig möglich, Zehenspitzen- und Fersenstand beidseits durchführbar

Status Psychicus:

klar, wach, in allen Qualitäten orientiert, keine Denkstörungen, Denkziel wird erreicht, Stimmung ausgeglichen, Anamneseerhebung gut möglich.

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Rahmensätze:

Position

GdB %

01

Asthma bronchiale bei Allergieneigung Unterer Rahmensatz dieser Position, da mildes persistierendes Asthma mit saisonalem Auftreten bei unter Dauermedikation unauffälliger Lungenfunktion und auskultatorisch unauffälliger Lunge.

06.05.02

30

02

Diabetes mellitus Typ II Wahl dieser Position mit dem unteren Rahmensatz, da Einstellung mittels geringerer zweimal täglicher Insulintherapie sowie oraler Therapie bei gutem Allgemeinzustand.

09.02.02

30

03

Depressio 1 Stufe über dem unteren Rahmensatz, da laufende medikamentös-fachärztliche Behandlungen bei Fehlen stationärer Aufenthalte an einer Fachabteilung.

03.06.01

20

04

Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule Oberer Rahmensatz dieser Position, da Bandscheibenvorfall in Höhe L4/5 beschrieben bei geringgradigen funktionellen Einschränkungen.

02.01.01

20

05

Karpaltunnelsyndrom beidseits Unterer Rahmensatz, da beginnend bei Fehlen muskulärer Atrophien.

04.05.06

10

Gesamtgrad der Behinderung 30 v.H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Leiden 2 wirkt mit dem führenden Leiden 1 nicht maßgeblich funktionell negativ zusammen und erhöht nicht weiter. Die Leiden 3-5 wirken mit dem führenden Leiden 1 ebenso nicht maßgeblich ungünstig zusammen und erhöhen nicht weiter.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Eine Gastritis ist mittels der zeitgemäßen Therapiemaßnahmen sowie Ernährungsmodifikation behandelbar und erreicht keinen Behinderungsgrad.

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

Aktuelles Gutachten wird erstmals nach der nun geltenden Einschätzungsverordnung erstellt. Im Vergleich zum Vorgutachten Anhebung des Behinderungsgrades hinsichtlich Leiden Nummer 2, da Therapieausweitung. Neuaufnahme der Leiden Nummer 4 und 5.

X Dauerzustand"

3. Mit Bescheid vom 14.09.2017 wies das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien (in weiterer Folge: belangte Behörde) den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses ab. Begründet wurde die Abweisung mit dem Ergebnis der ärztlichen Untersuchung, die einen Grad der Behinderung von 30% ergeben hat.

4. Gegen den Bescheid erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht einlangend am 17.10.2017 Beschwerde.

Sie sei mit 30% Behinderung nicht einverstanden. Sie habe neue Befunde beigelegt und möchte einen neuen Bescheid.

5. Mit Schreiben vom 24.10.2017 übermittelte die belangte Behörde den Beschwerdeakt an das Bundesverwaltungsgericht.

6. Das Bundesverwaltungsgericht erteilte der Beschwerdeführerin am 26.10.2017 einen Mängelbehebungsauftrag. Sie habe den angefochtenen Bescheid zu bezeichnen, ebenso die belangte Behörde, weiters die Gründe auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützte und ihr Begehren darzulegen.

7. Die Beschwerdeführerin übermittelte einlangend am 09.11.2017 die verbesserte Beschwerde.

Sie begehrt, dass der zu Unrecht negativ beurteilende Bescheid aufgehoben und neue Feststellungen hinsichtlich des Grades der bei ihr vorliegenden Behinderungen getroffen werden. Denn laut dem Gutachten sei festgestellt worden, dass ihr Gesundheitszustand nur 30% Behinderung ausmache. Sie stimme dieser Beurteilung nicht zu, da sie unter allergischem saison. Asthma bronch., Allergie gegen Gräser und Schimmelpilzsporen, Diab. mellitus Typ II mit BZ - Schwankungen, Adipositas, End. Depression, Somatisierungsstörung, rez. Cervikasyndrom mit wiederholender Schwindelanfällen, nuchalen Schmerzen, Übelkeit und Erbrechen, St.p. Discusproblaps L 4/ L5, CTS bds, chron. Gastritis, Claustrophobie. Endogenen Depressionen (Somatisierungsstörungen bestünden seit 2008) leide. Sie erhalte seit 2002 Allergie Therapien. Seit 2008 leide sie unter Zuckerkrankheit/ Diabetes Mellitus und sei seitdem in Insulinbehandlung.

Medikamentenbehandlung: Paroxat 40 Mg, Deanxit, Trittico 75 Mg, Saroten 10 Mg, Pregabalin 25 Mg. FIWS Streckfehlhaltung - Behandlung Sirdalud 2 Mg.

Sie leide unter diesen Krankheiten, es sei dauerhaft und sie erhalte nur 30 % Beurteilung. Das sei Ungerecht, daher bitte sie um Neufeststellung. Ihre behandelnden Ärzte seien mit dieser Beurteilung nicht zufrieden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführerin hat ihren Wohnsitz in Österreich. Sie stellte einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses.

1.2. Aufgrund des vorliegenden Sachverständigengutachtens ergibt sich ein Grad der Behinderung von 30%. Die BF befindet sich körperlich in einem guten Allgemeinzustand. Lagewechsel sowie Aus- und Ankleiden sind selbständig möglich. Gesamtmobilität und Gangbild sind flüssig, flott und sicher.

Es liegt ein mildes persistierendes Asthma mit saisonalem Auftreten bei unter Medikation unauffälliger Lungenfunktion vor. Im Befund des Lungenfacharztes vom 24.04.2017 wird festgestellt, dass bei der Lungenfunktion ein altersentsprechender Befund vorliegt, und keine Atemstrombehinderung gegeben ist. Wie aus der im Rahmen der Beschwerde vorgelegten ärztlichen Bestätigung vom 06.10.2017 hervorgeht, wurde zum damaligen Zeitpunkt eine Immuntherapie durchgeführt.

Die von der BF vorgelegten Befunde wurden bei der Begutachtung berücksichtigt. So auch der Diabetes mellitus Typ II., der einer regelmäßigen Insulintherapie bedarf. Auch die bei der BF vorliegende Depression wurde berücksichtigt. Der neu vorgelegte Befund eines Facharztes für Psychiatrie bestätigt die Einschätzung, wonach eine laufend medikamentös- fachärztliche Behandlung bei Fehlen stationärer Aufenthalte an Fachabteilungen vorliegt. Auch die vorgelegten Befunde hinsichtlich degenerativer Veränderungen der Wirbelsäule sowie des beidseitigen Karpaltunnelsyndroms fanden Berücksichtigung.

1.3. Die Beschwerdeführerin erfüllt nicht die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt und dem darin enthaltenen fachärztlichen Gutachten.

Das eingeholte Sachverständigengutachten steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war dem Vorbringen kein Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit des befassten Sachverständigen oder dessen Beurteilung beziehungsweise Feststellungen in Zweifel zu ziehen. Das Sachverständigengutachten wird daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt

Die Beschwerdeführerin legte im Zuge der Beschwerde zwar neue Befunde vor. Die vorgelegte Bestätigung einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 06.10.2017 fasst jedoch lediglich zusammen, dass die Beschwerdeführerin bei ihr wegen jener Beschwerden in Behandlung ist, welche auch die Grundlage für die Beurteilung des Grades der Behinderung bildeten und entsprechend Berücksichtigung fanden. Auch der ärztliche Befundbericht des behandelnden Psychiaters ergab nicht, dass die BF in stationäre Behandlung aufgenommen werden musste. Lediglich eine Änderung der Medikation, wie im ärztlichen Befundbericht beschrieben, bedeutet keine Änderung der Bewertung des im Gutachten festgestellten psychischen Leidenszustandes. Die übrigen Befunde lagen bereits dem von der belangten Behörde bestellten Sachverständigen vor und wurden auch sämtlich von diesem berücksichtigt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. In der gegenständlichen Sachverhaltskonstellation liegen die Voraussetzungen für eine meritorische Entscheidung vor (Vgl. VwGH vom 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063; VwGH vom 10.09.2014, Zl. Ra 2014/08/0005).

Zu Spruchpunkt A)

Gemäß § 1 Abs. 2 BBG ist unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Gemäß § 40 Abs. 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

Gemäß § 41 Abs. 1 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

Auf den Fall bezogen:

Die Beschwerdeführerin hat eine Beschwerde gegen den Bescheid eingebracht, der den Grad der Behinderung mit 30% feststellt.

Im Sachverständigengutachten zur Untersuchung vom 11.07.2017 wurde auf sämtliche von der Beschwerdeführerin bei ihrer Antragstellung geltend gemachten und durch Befunde belegten Beeinträchtigungen und Erkrankungen eingegangen und diese gemäß der Anlage zur Einschätzungsverordnung gewürdigt. Zudem wurde nachvollziehbar der Gesamtgrad der Behinderung, der sich aus dem Zusammenwirken der weiteren Leiden mit dem führenden Leiden ergibt, dargelegt. Ebenso wurde dargelegt, warum die beider BF vorliegende Gastritis keinen Grad der Behinderung erreicht.

In ihrer Beschwerde machte die Beschwerdeführerin durchwegs jene Leiden geltend, die schon bei der Untersuchung durch den Sachverständigen Berücksichtigung gefunden hatten und im Ergebnis einen Grad der Behinderung von 30% ergaben.

Sie ist dem Sachverständigengutachten nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten und erstattete auch kein Vorbringen, warum von einem höheren Grad der Behinderung auszugehen sei.

Die mit der Beschwerde vorgelegt Bestätigung einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 06.10.2017 fasst lediglich zusammen, dass die Beschwerdeführerin bei ihr wegen jener Beschwerden in Behandlung ist, die bereits die Grundlage für die Beurteilung des Grades der Behinderung darstellten.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen

Weiters kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).

Im gegenständlichen Fall sind maßgebend für die Entscheidung die Art und das Ausmaß der bei der Beschwerdeführerin festgestellten Gesundheitsschädigungen und der daraus resultierende Gesamtgrad der Behinderung. Zur Klärung des Sachverhaltes wurde ein ärztliches Sachverständigengutachten eingeholt. Wie bereits ausgeführt, wurde dieses als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet. Sohin ist der Sachverhalt geklärt und konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben. Im Übrigen wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Beschwerdeverfahren nicht beantragt.

Zu Spruchpunkt B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung (vgl. VwGH vom 24.04.2014, Zl. Ra 2014/01/0010; VwGH vom 24.03.2014, Zl. Ro 2014/01/0011) zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W201.2174475.1.00

Zuletzt aktualisiert am

17.04.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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