Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
BAO §119 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Doralt, über die Beschwerde des L N in K, vertreten durch Dr. Manfred Haslinglehner, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Pfarrhofgasse 2, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Kärnten (Berufungssenat I) vom 10. Juni 1996, Zl. 126/1-3/94, betreffend Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer sowie Abgabe von alkoholischen Getränken für die Jahre 1988 bis 1990, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer betreibt eine Gaststätte, deren Gewinn er im Wege eines Betriebsvermögensvergleiches gemäß § 4 Abs. 1 EStG ermittelt. Anlässlich einer die Jahre 1988 bis 1990 umfassenden abgabenbehördlichen Prüfung stellte der Prüfer folgenden Sachverhalt fest:
Der Beschwerdeführer habe im Prüfungszeitraum Bareinlagen im Gesamtbetrag von ca. S 974.000,-- getätigt. Auf die Frage der Herkunft dieser Beträge habe der Beschwerdeführer auf regelmäßige Casinogewinne hingewiesen. Nach Ansicht des Prüfers widerspreche es jedoch der Erfahrung des täglichen Lebens, dass Casinogewinne regelmäßig in derartiger Höhe jahrelang zu erzielen wären. Es läge daher ein unaufgeklärter Vermögenszuwachs vor, der zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen berechtige. Die erklärten Umsätze seien demnach in Höhe der unaufgeklärten Privateinlagen (1988:
S 380.000,--, 1989: S 271.000,-- und 1990: S 323.000,--, jeweils brutto) und die Bemessungsgrundlagen für die Abgabe von alkoholischen Getränken dementsprechend (1988: S 89.500,--, 1989: S 72.800,--und 1990: S 92.300,--) zu erhöhen. Der Gewinn werde im Wege einer Reingewinnzuschätzung mit 15 % der Umsatzerhöhung ermittelt.
Das Finanzamt folgte der Ansicht des Prüfers und erließ entsprechend geänderte Bescheide.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung und wandte ein, es läge kein unaufgeklärter Vermögenszuwachs vor. Vielmehr habe er seine Casinogewinne schon im Betriebsprüfungsverfahren durch Vorlage der Eintrittskarten diverser Casinos und seiner laufenden Aufzeichnungen über die dabei erzielten Gewinne und Verluste nachgewiesen. Es sei ihm jedoch nicht möglich - wie vom Prüfer verlangt - Casino-Bestätigungen beizubringen oder Zeugen namhaft zu machen. Der Beschwerdeführer spiele jeweils nur mit geringen Beträgen und erziele aus diesem Grund lediglich kleinere Gewinne, die im Casinobetrieb nicht weiter auffielen. Aus demselben Grund habe er auch kein Konto bei den Casinos, wie bei Spielern mit großem Umsatzvolumen üblich, eingerichtet. Gewinnbestätigungen würden von den Casinos prinzipiell nicht ausgestellt. Der Beschwerdeführer habe aber dem Prüfer angeboten, ihn bei Casinobesuchen zu begleiten und seine Spielmethode mitzuschreiben. Er setze sich pro Abend ein bis zwei Schecks als Limit. Sobald er dieses Spiel gewonnen habe, verlasse er das Casino. Das Gleiche mache er, wenn der Einsatz verspielt sei. Die Spielweise des Beschwerdeführers gleiche jener wie sie in dem Buch "Megatrend auf Transversalen-Plein" beschrieben werde. Demnach verlören zwar fast 98 % aller Casino-Besucher ihr Geld. Betrete jedoch ein Spieler das Casino nicht zum Spielen, sondern nur zum Gewinnen, unterscheide er sich grundsätzlich von diesen 98 % spielbesessenen Besuchern, indem er ruhig und konsequent auf das Monatsgewinnziel hinarbeite. Da seine Bücher und Aufzeichnungen keinerlei Mängel aufwiesen, werde beantragt, die Hinzuschätzungen ersatzlos zu streichen und die Gewinne erklärungsgemäß zu veranlagen.
Im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung räumte der Beschwerdeführer zwar ein, dass sich auf lange Sicht die Gesetze des Zufalles zugunsten des Casinos auswirkten, doch träfe dies auf ihn nicht zu. Er beobachte zunächst das Spielgeschehen, indem er von Tisch zu Tisch gehe und steige erst dann in das Spiel ein, wenn er Regelmäßigkeiten erkennen könne. Auch die Privateinlagen der Jahre 1986 und 1987 sowie der Jahre 1991 bis 1993 stammten aus Casinogewinnen.
Die belangte Behörde sah im angefochtenen Bescheid die Spielgewinne nicht als erwiesen an und gab der Berufung des Beschwerdeführers daher keine Folge. Die Eintrittskarten seien bestenfalls ein Indiz dafür, dass der Beschwerdeführer zu einer bestimmten Zeit ein bestimmtes Casino besucht habe. Eindeutig lasse sich dies aber auch aus den Eintrittskarten nicht ableiten, zumal - wie bei derartigen Eintrittskarten üblich - die Karten keinerlei Hinweis auf den tatsächlichen Besucher enthielten. Bei den Kalenderaufschreibungen des Beschwerdeführers wiederum handle es sich um bloße Eigenbelege, deren Richtigkeit nicht verifizierbar sei. Der Beschwerdeführer behaupte über die Streitjahre hinaus für die Jahre 1986 bis 1993 etwa S 3,3 Millionen beim Roulette gewonnen zu haben. Dies erscheine völlig ungewöhnlich, bedenke man, dass es sich beim Roulette um ein Spiel im Sinne des § 1 Abs. 1 Glückspielgesetz handle, bei dem Gewinn oder Verlust vom Zufall abhingen, und sich dabei gerade um so länger man spiele, desto mehr die für das Casino günstigen Gesetze des Zufalles wirkten. Angesichts der Ungewöhnlichkeit seiner Behauptung gehe ein allfälliger Beweisnotstand zu Lasten des Beschwerdeführers. Da somit ein unaufgeklärter Vermögenszuwachs vorliege, sei eine Schätzungsberechtigung auch im Fall einer ordnungsgemäßen Buchführung gegeben.
Dagegen wendet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Gemäß § 184 Abs. 1 BAO hat die Abgabenbehörde, soweit sie die Grundlagen für die Abgabenerhebung nicht ermitteln oder berechnen kann, diese zu schätzen, wobei alle Umstände zu berücksichtigen sind, die für die Schätzung von Bedeutung sind.
Zu schätzen ist nach dem zweiten Absatz dieser Bestimmung insbesondere auch dann, wenn der Abgabepflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft über Umstände verweigert, die für die Ermittlung der Grundlagen wesentlich sind.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dann, wenn in einem mängelfreien Verfahren ein Vermögenszuwachs festgestellt wird, den der Abgabepflichtige nicht aufklären kann, die Annahme gerechtfertigt, dass der unaufgeklärte Vermögenszuwachs aus nicht einbekannten Einkünften stammt; das Vorliegen eines unaufgeklärten Vermögenszuwachses löst diesfalls die Schätzungsbefugnis der Behörde nach § 184 Abs. 2 BAO aus, wobei eine solche Schätzung in einer dem ungeklärten Vermögenszuwachs entsprechenden Zurechnung zu den vom Abgabepflichtigen erklärten Einkünften zu bestehen hat. Ob ein Vermögenszuwachs als aufgeklärt oder als ungeklärt geblieben anzusehen ist, ist eine auf der Ebene der Beweiswürdigung zu lösende Sachfrage. Die Sachgrundlagenermittlung der Behörde unterliegt der Beurteilung des Verwaltungsgerichtshofes dahin, ob der Sachverhalt genügend erhoben und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut entsprechen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 2000, 95/14/0077, mit weiteren Nachweisen).
Wie schon im Verwaltungsverfahren vertritt der Beschwerdeführer die Ansicht, durch die Vorlage der Eintrittskarten sowie seiner Aufschreibungen der erzielten Gewinne bzw. erlittenen Spielverluste seien die Spielgewinne in der strittigen Höhe nachgewiesen. Zutreffend hat die belangte Behörde diesem Vorbringen im angefochtenen Bescheid entgegengehalten, aus den Eintrittskarten lasse sich bestenfalls auf entsprechende Casinobesuche, nicht jedoch auf die behaupteten Spielgewinne schließen, die Kalenderaufschreibungen wiederum ließen sich nicht verifizieren.
Soweit der Beschwerdeführer meint, für seine Gewinnaufzeichnungen müsste in ähnlicher Weise wie für den Bereich seiner betrieblichen Buchführung eine Vermutung ihrer sachlichen Richtigkeit (§ 163 BAO) bestehen, lässt er außer Acht, dass seinen Gewinnaufschreibungen keinerlei Belege zugrunde liegen. Gewinnbestätigungen werden nach seinen eigenen Angaben von den von ihm besuchten ausländischen Casinos nämlich nicht ausgestellt. Der belangten Behörde kann daher nicht entgegengetreten werden, wenn sie die diesbezüglichen Aufzeichnungen des Beschwerdeführers im Ergebnis als beweislose Behauptungen angesehen hat.
Die belangte Behörde war auch nicht gehalten, den Beschwerdeführer - wie angeboten - bei seinen Casinobesuchen zu begleiten, um auf diese Weise das Spielsystem des Beschwerdeführers kennen zu lernen. Geht es doch nicht darum, ob der Beschwerdeführer Spielgewinne erzielen konnte, sondern darum, wie viel er in den Streitjahren tatsächlich beim Roulette gewonnen hat bzw. ob er tatsächlich so viel gewann, dass der "unaufgeklärte Vermögenszuwachs" aufgeklärt erscheint.
Zu Recht durfte die belangte Behörde der Behauptung des Beschwerdeführers, in den Jahren 1986 bis 1993 etwa S 3,3 Millionen beim Roulette gewonnen zu haben, die zu Gunsten des Casinos wirkenden Gesetze des Zufalles entgegenhalten. Dies wird auch von der Beschwerde eingeräumt. Dass aber diese allgemeine Lebenserfahrung gerade auf den Beschwerdefall nicht zutreffe, ist eine Behauptung, für die der Beschwerdeführer auf Grund ihrer Ungewöhnlichkeit und Unwahrscheinlichkeit gehalten war, Nachweise zu erbringen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 31. Juli 1996, 92/13/0020). Wenn der Beschwerdeführer für seine nachhaltigen, erfolgreichen Casinobesuche nicht einmal Zeugen anbieten konnte, durfte die belangte Behörde ohne gegen Denkgesetze zu verstossen, vom Vorliegen eines unaufgeklärten Vermögenszuwachses ausgehen.
Dem Einwand des Beschwerdeführers gegen die Schätzungsmethode (Reingewinnschätzung mit 15 % der Umsatzerhöhung), auf der die Abgabenfestsetzung im Beschwerdefall beruht, ist entgegenzuhalten, dass er im Verwaltungsverfahren immer nur die Schätzungsberechtigung der Abgabenbehörde, nicht jedoch die Schätzungsmethode selbst in Frage stellte. Die Beschwerdeausführungen zu den im österreichischen Gastgewerbe erzielbaren Reingewinnen, verstossen demnach - worauf die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zutreffend hingewiesen hat - gegen das Neuerungsverbot.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 28. März 2000
Schlagworte
Verfahrensgrundsätze im Anwendungsbereich des AVG Offizialmaxime Mitwirkungspflicht Manuduktionspflicht VwRallg10/1/1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1996140107.X00Im RIS seit
11.07.2001