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66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;Norm
ASVG §79 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Nowakowski und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde der Dr. H in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwältin in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 5. November 1997, Zl. MA 15-II-SCH 40/97, betreffend Beitragsrückforderung (mitbeteiligte Partei: Wiener Gebietskrankenkasse, Wienerbergstraße 15-19, 1100 Wien), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenbegehren der mitbeteiligten Partei wird abgewiesen.
Begründung
Die gemäß § 16 Abs. 1 ASVG in der Krankenversicherung selbstversicherte Beschwerdeführerin war seit dem 22. April 1994 zusätzlich nach dem Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz in der Krankenversicherung pflichtversichert. Die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft verständigte die Beschwerdeführerin am 1. Juli 1994 von der dort bestehenden Pflichtversicherung. Die mitbeteiligte GebKK erhielt von diesem Umstand jedoch keine Kenntnis.
Die Beschwerdeführerin entrichtete termingemäß sowohl die Beiträge für ihre freiwillige Krankenversicherung als auch für die Pflichtversicherung nach dem Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz.
Mit Schreiben vom 4. Februar 1997 forderte die Beschwerdeführerin die mitbeteiligte Partei auf, die "überbezahlten Beträge" (aus der freiwilligen Krankenversicherung) zurückzubezahlen.
Mit dem Bescheid der mitbeteiligten Partei vom 28. Juli 1997 wurde dieser Antrag auf Rückerstattung von zu Ungebühr entrichteten Beiträgen aus der Selbstversicherung in der Krankenversicherung gemäß § 16 ASVG für die Zeit vom 22. April 1994 bis zum 28. Februar 1997 mit der wesentlichen Begründung abgewiesen, dass die Beschwerdeführerin Leistungen aus der Selbstversicherung in der Krankenversicherung in Anspruch genommen habe, weshalb eine Rückerstattung gemäß § 69 Abs. 2 ASVG für den gesamten Zeitraum ausgeschlossen sei. Auch eine Überweisung der zu Ungebühr entrichteten Beiträge an den zuständigen Versicherungsträger, die Sozialversicherungsanstalt der Gewerblichen Wirtschaft, gemäß § 69 Abs. 3 ASVG komme nicht in Frage, weil von der Beschwerdeführerin an diese keine Beiträge nachträglich zu entrichten seien.
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Einspruch gegen den genannten Bescheid der mitbeteiligten Partei abgewiesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, diesen wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei legten die Verwaltungsakten vor und erstatteten Gegenschriften, in denen jeweils die Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Unstreitig ist, dass die mitbeteiligte Partei die Kosten für stationäre Krankenhausaufenthalte des mitversicherten Ehegatten der Beschwerdeführerin in der Zeit vom 17. bis zum 18. Juli 1996 und vom 19. bis zum 20. September 1996 getragen hat. Die Beschwerdeführerin vertritt nun die Auffassung, dass sich - unbeschadet der Erbringung der genannten Leistungen aus der freiwilligen Krankenversicherung - ein Rückforderungsanspruch aus dem § 69 Abs. 3 ASVG ergebe, weil der unzuständige Sozialversicherungsträger (die mitbeteiligte Partei) die an ihn ungebührlich entrichteten und ohne Rechtsgrund in Empfang genommenen Beiträge an den zuständigen Sozialversicherungsträger (die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft) hätte überweisen müssen, der diese Beiträge dann entweder der Beitragsschuldnerin gutzuschreiben oder zu erstatten gehabt hätte. Wie sich insbesondere aus dem letzten Satz des § 69 Abs. 3 ASVG ergebe, könne es nicht darauf ankommen, ob an den zuständigen Versicherungsträger nachträglich Beiträge zu entrichten seien, weil sonst derjenige Versicherte, der Beiträge korrekt und pünktlich bezahlt habe, schlechter gestellt wäre als der säumige Beitragszahler.
Die belangte Behörde hält dem entgegen, dass eine Überweisung bzw. Erstattung von Beiträgen an den zuständigen Versicherungsträger auch nach dem Erlass des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 28. Juli 1989, Zl. 26.016/1-5/89, nicht in Betracht komme, wenn die Beiträge beim zuständigen Versicherungsträger vollständig entrichtet worden seien. Dieser von der belangten Behörde zitierte Erlass des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 28. Juli 1989, hat auszugsweise folgenden Wortlaut:
"§ 69 Abs. 3 ASVG knüpft die Überweisung ungebührlich entrichteter Beiträge durch den unzuständigen Versicherungsträger an den zuständigen Versicherungsträger an mehrere Voraussetzungen. Einerseits muss ein anderer Versicherungsträger als jener, der die Beiträge entgegengenommen hat, zur Leistungserbringung zuständig gewesen sein. Andererseits muss der unzuständige Versicherungsträger eine Leistung erbracht haben, derentwegen ihm gegenüber dem zuständigen Versicherungsträger ein Ersatzanspruch gemäß § 320b ASVG zusteht. Dies bedeutet, dass die letzte derartige Leistung nicht länger als 6 Jahre zurückliegen darf, da dieser Ersatzanspruch nach § 320b ASVG binnen diesem Zeitraum von dem Tag an, an dem der Versicherungsträger die letzte Leistung erbracht hat, verjährt.
Sind die genannten Voraussetzungen gegeben, so hat der Versicherungsträger, an den die Beiträge zu Ungebühr entrichtet worden sind, diese Beiträge ohne Rücksicht auf die Verjährungsfrist des § 69 Abs. 1 ASVG für den gesamten Zeitraum, für den an den zuständigen Versicherungsträger nachträglich Beiträge zu entrichten sind, an diesen zu überweisen.
Aus der Formulierung des Gesetzes geht eindeutig hervor, dass in diesem Zusammenhang die Verjährungsfrist nach § 69 Abs. 1 ASVG nicht zur Anwendung gelangen soll. Die Regelung des § 68 ASVG (bzw. § 40 GSVG) bleibt davon unberührt. Weiters schränkt § 69 Abs. 3 ASVG den Zeitraum, für den die Beiträge zu überweisen sind, auf jene Zeiten ein, für die an den zuständigen Versicherungsträger nachträglich Beiträge zu entrichten sind.
Bleibt aber § 68 ASVG (bzw. § 40 GSVG) anwendbar, so wären in Folge der in dieser Bestimmung bezüglich des Rechtes auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen genannten Verjährungsfrist maximal für die letzten 5 Jahre nachträglich Beiträge zu entrichten gewesen. Dies führt im Zusammenhalt mit § 69 Abs. 3 ASVG zu dem Ergebnis, dass nur Beiträge für die letzen 5 Jahre von der Gebietskrankenkasse an die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft zu überweisen sind, da für einen längeren Zeitraum an den zuständigen Versicherungsträger Beiträge nicht zu entrichten wären. (...)"
Die §§ 69 und 79 ASVG lauten auszugsweise:
"Rückforderung ungebührlich entrichteter Beiträge
§ 69. (1) Zu Ungebühr entrichtete Beiträge können, soweit im Folgenden nichts anderes bestimmt wird, zurückgefordert werden. Das Recht auf Rückforderung verjährt nach Ablauf von fünf Jahren nach deren Zahlung. Der Lauf der Verjährung des Rückforderungsrechtes wird durch Einleitung eines Verwaltungsverfahrens zur Herbeiführung einer Entscheidung, aus der sich die Ungebührlichkeit der Beitragsentrichtung ergibt, bis zu einem Anerkenntnis durch den Versicherungsträger bzw. bis zum Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung im Verwaltungsverfahren unterbrochen.
(2) Die Rückforderung von Beiträgen, durch welche eine Formalversicherung begründet wurde, sowie von Beiträgen zu einer Versicherung, aus welcher innerhalb des Zeitraumes, für den Beiträge ungebührlich entrichtet worden sind, eine Leistung erbracht wurde, ist für den gesamten Zeitraum ausgeschlossen. Desgleichen ist die Rückforderung ausgeschlossen, wenn nach dem Zeitraum, für den Beiträge ungebührlich entrichtet worden sind, eine Leistung zuerkannt worden ist und die Beiträge auf den Bestand oder das Ausmaß des Leistungsanspruches von Einfluss waren, es sei denn, der zur Leistungserbringung zuständige Versicherungsträger hatte die Möglichkeit, im Wege einer Wiederaufnahme des Verfahrens (§ 69 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1950, BGBl. Nr. 172) neuerlich über den Leistungsanspruch zu entscheiden und konnte die zu Unrecht geleisteten Beträge mit Erfolg zur Gänze zurückfordern.
(3) Wenn statt des Versicherungsträgers, an den die Beiträge zu Ungebühr entrichtet worden sind, ein anderer Versicherungsträger zur Leistungserbringung zuständig war und dem ersteren Versicherungsträger gegenüber dem letzteren ein Ersatzanspruch für zu Unrecht erbrachte Leistungen gemäß § 320b zusteht, hat der unzuständige Versicherungsträger die ungebührlich entrichteten Beiträge ohne Rücksicht auf die Verjährungsfrist (Abs. 1) für den gesamten Zeitraum, für den an den zuständigen Versicherungsträger nachträglich Beiträge zu entrichten sind, an den zuständigen Versicherungsträger zu überweisen. Der überwiesene Betrag ist auf die dem zuständigen Versicherungsträger geschuldeten Beiträge anzurechnen. Der zuständige Versicherungsträger hat einen hiedurch allenfalls entstehenden Überschuss an Beiträgen dem Beitragsschuldner gutzuschreiben bzw., falls dies nicht möglich ist, zu erstatten.
(4) ...
(5) ...
(6) ... ."
"Sonstige Bestimmungen
§ 79. (1) Auf die Beiträge zur freiwilligen Versicherung sind die Bestimmungen des § 69 über die Rückforderung von Beiträgen mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass die Rückforderung von Beiträgen ungeachtet einer allfälligen Leistungserbringung auch dann möglich ist, wenn eine Bescheinigung für die vorläufige Krankenversicherung gemäß § 10 Abs. 7 für den gleichen Zeitraum ausgestellt worden ist, für den Beiträge zur Selbstversicherung in der Krankenversicherung entrichtet wurden, desgleichen auch im Falle einer rückwirkenden Einbeziehung in die Pflichtversicherung nach diesem oder einem anderen Bundesgesetz. Auf die Beiträge zur Selbstversicherung in der Krankenversicherung sind überdies die Bestimmungen der §§ 59, 62, 64 bis 66 und 68 entsprechend anzuwenden.
(2) ... ."
§ 69 Abs. 1 ASVG geht von der grundsätzlichen Rückforderbarkeit zu Ungebühr entrichteter Beiträge aus. Eine solche Rückforderung ist jedoch gemäß § 69 Abs. 2 ASVG für den gesamten Zeitraum ihrer Entrichtung u.a. dann ausgeschlossen, wenn - wie im vorliegenden Fall - innerhalb dieses Zeitraumes eine Leistung erbracht wurde. Selbst nach einer Leistungserbringung kennt das Gesetz aber wiederum Ausnahmen vom Rückforderungsausschluss, nämlich die Fälle des § 69 Abs. 3 ASVG (Gutschrift bzw. Erstattung der Beiträge im Rahmen einer internen Verrechnung zwischen dem zuständigen und dem unzuständigen Versicherungsträger) und - eingeschränkt auf (auch hier verfahrensgegenständliche) Beiträge zu einer freiwilligen Versicherung - des § 79 Abs. 1 ASVG (Vorliegen einer vorläufigen Krankenversicherung oder einer rückwirkenden Einbeziehung in die Pflichtversicherung).
Die Ausnahmebestimmung des § 69 Abs. 3 ASVG ist im Gegensatz zur Auffassung der Beschwerdeführerin hier nicht anwendbar, weil danach nur dann zu Unrecht bezahlte Beiträge an den zuständigen Versicherungsträger zu überweisen wären, wenn an diesen nachträglich Beiträge zu entrichten gewesen wären. Gegenüber der SVA der gewerblichen Wirtschaft waren aber keine Beitragszahlungen offen. Im Übrigen hätte die Beschwerdeführerin derartige Erstattungsansprüche nicht bei der mitbeteiligten Partei, sondern bei der SVA der gewerblichen Wirtschaft geltend machen müssen.
Auch die Voraussetzungen für die in § 79 Abs. 1 ASVG geregelten Ausnahmen, nämlich das Vorliegen einer vorläufigen Krankenversicherung oder eine rückwirkende Einbeziehung in die Pflichtversicherung (letzteres im Rahmen eines Bescheides gemäß § 410 Abs. 1 ASVG: Fürböck/Teschner ASVG, Anm. 2 zu § 410), sind hier nicht erfüllt, weil die Selbstversicherung in der Krankenversicherung nicht rückwirkend, sondern zugleich mit dem Beginn der Pflichtversicherung nach dem GSVG am 22. April 1994 erloschen ist und, die Beschwerdeführerin die Beiträge zur freiwilligen Versicherung ungeachtet dessen weiter bezahlt hat, und zwar selbst dann, als sie am 1. Juli 1994 vom Bestehen einer Pflichtversicherung verständigt worden war. Für diesen Fall kennt das Gesetz keinen Ausnahmetatbestand, der eine Rückforderung trotz Leistungserbringung ermöglichen würde.
Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Kostenersatzbegehren der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse war abzuweisen, weil der Ersatz von Schriftsatzaufwand mangels anwaltlicher Vertretung nicht in Betracht kommt (vgl. hiezu etwa das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 1998, Zl. 94/17/0385).
Wien, am 29. März 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1997080641.X00Im RIS seit
20.11.2000