TE Lvwg Beschluss 2018/2/21 LVwG-AV-137/001-2018

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Veröffentlicht am 21.02.2018
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Entscheidungsdatum

21.02.2018

Norm

B-VG Art130 Abs1 Z3
VwGVG 2014 §8 Abs1
VwGVG 2014 §9 Abs5

Text

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich fasst durch den Richter Hofrat Mag. Hubmayr über die als „Devolutionsantrag“ bezeichnete Beschwerde des
FJW, ***, ***, vertreten durch Mag. Manfred Sigl, Rechtsanwalt in ***, vom 25. Jänner 2018, wegen behaupteter Verletzung der Entscheidungspflicht durch die Marktgemeinde ***, den

BESCHLUSS:

1.   Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

2.   Gegen diesen Beschluss ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.

Rechtsgrundlagen:

§§ 8, 28, 31 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG

§ 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG

Begründung:

1. Zum verwaltungsbehördlichen Verfahren:

Am 23. Februar 2017 brachte Herr FJW bei der Marktgemeinde *** ein als „Beantragung Umwidmung“ bezeichnetes Schreiben ein und beantragte die Umwidmung der Parzelle Nr. ***, KG ***, von Grünland Grüngürtel auf Bauland Agrar.

Mit Schriftsatz vom 25. Jänner 2018, eingelangt am 29. Jänner 2018, brachte Herr FJW durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter beim Landesverwaltungsgericht Niederösterreich ein als Devolutionsantrag bezeichnetes Schreiben ein.

Die Marktgemeinde *** habe seinen Antrag auf Umwidmung vom 23. Februar 2017 bereits über 6 Monate hinaus nicht behandelt. Er stellte den Antrag, die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde möge gemäß § 73 Abs. 2 AVG anstelle der Marktgemeinde *** die beantragte Umwidmung der Parzelle Nr. ***, KG *** von Grünland Grüngürtel auf Bauland Agrar vornehmen.

2. Anzuwendende Rechtsvorschriften:

2.1. Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG):

Artikel 130.

(1) Die Verwaltungsgerichte erkennen über Beschwerden

3. wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde;

...

2.2. Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG)

§ 8. (1) Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG (Säumnisbeschwerde) kann erst erhoben werden, wenn die Behörde die Sache nicht innerhalb von sechs Monaten, wenn gesetzlich eine kürzere oder längere Entscheidungsfrist vorgesehen ist, innerhalb dieser entschieden hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

§ 9. (1) Die Beschwerde hat zu enthalten:

1. die Bezeichnung des angefochtenen Bescheides, der angefochtenen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder der angefochtenen Weisung,

2. die Bezeichnung der belangten Behörde,

3. die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt,

4. das Begehren und

5. die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob die Beschwerde rechtzeitig eingebracht ist.

(…)

(5) Bei Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG entfallen die Angaben nach Abs. 1 Z 1 bis 3 und 5. Als belangte Behörde ist die Behörde zu bezeichnen, deren Entscheidung in der Rechtssache begehrt wurde. Ferner ist glaubhaft zu machen, dass die Frist zur Erhebung der Säumnisbeschwerde gemäß § 8 Abs. 1 abgelaufen ist.

§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(…)

§ 31. (1) Soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss.

(…)

3. Erwägungen:

3.1. Zu Spruchpunkt 1:

In dem am 29. Jänner 2018 beim Landesverwaltungsgericht Niederösterreich eingelangten, als Devolutionsantrag bezeichneten Schriftsatz, wird eine Verletzung der Entscheidungspflicht durch die Marktgemeinde *** über einen vom Beschwerdeführer am 23. Februar 2017 gestellten Antrag auf Umwidmung eines Grundstückes von Grünland auf Bauland geltend gemacht.

Gemäß Art 130 Abs. 1 Z 3 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte generell über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch Verwaltungsbehörden. Parallel zur grundsätzlichen Abschaffung des administrativen Instanzenzugs gegen Bescheide wurde also auch der Rechtsbehelf des Devolutionsantrags durch die Säumnisbeschwerde gemäß § 8 Abs. 1 VwGVG an das Verwaltungsgericht ersetzt (VwGH 22.6.2016, Ra 2016/03/0027).

Bei der vorliegenden, direkt beim Landesverwaltungsgericht Niederösterreich eingebrachten Eingabe vom 29. Jänner 2018, handelt es sich dementsprechend um eine Säumnisbeschwerde gemäß § 8 Abs. 1 VwGVG.

Gemäß § 8 Abs. 1 VwGVG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht (Säumnisbeschwerde) nach Art. 130 Abs. 1 Z. 3 B-VG erst erhoben werden, wenn die Behörde die Sache nicht binnen sechs Monaten entschieden hat.

Säumig werden kann aber, wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, nicht eine Gemeinde als Gebietskörperschaft, sondern eine Behörde (vgl. VwGH 20. Dezember 1994, Zl. 94/05/0300, 29. August 1996, 96/06/0166). Da der Beschwerdeführer die Marktgemeinde *** als belangte Behörde bezeichnet hat und daher eine Verletzung der Entscheidungspflicht durch diese Gebietskörperschaft, aber nicht etwa durch den Gemeinderat dieser Gemeinde geltend gemacht hat, war die Beschwerde schon aus diesem Grund unzulässig. Da somit die Beschwerde keine belangte Behörde bezeichnet, kam eine Weiterleitung an eine solche (gemäß § 12 VwGVG iVm § 6 AVG) jedenfalls nicht in Betracht.

Die Beschwerde war jedoch bereits aus einem anderen Grund zurückzuweisen:

Mit der Eingabe vom 23. Februar 2017, auf die sich die Säumnisbeschwerde bezieht, hat der Beschwerdeführer an die Marktgemeinde *** folgenden Antrag gestellt:

"Ich beantrage die Umwidmung der Parzelle Nr. ***, KG *** von Grünland Grüngürtel auf Bauland Agrar".

Damit hat der Beschwerdeführer die Änderung des Flächenwidmungsplanes beantragt.

Die Änderung eines Flächenwidmungsplanes stellt eine Verordnung im Sinne des Art. 18 Abs. 2 B-VG dar; es konnte somit die Gemeinde nicht etwa hinsichtlich eines zu erlassenden Bescheides, sondern nach den Behauptungen des Beschwerdeführers nur als Verordnungsgeber säumig gewesen sein.

Jede Gemeinde hat gemäß § 13 NÖ Raumordnungsgesetz 2014 ausgehend von den Zielen dieses Gesetzes und den Ergebnissen aufbereiteter Entscheidungsgrundlagen ein örtliches Raumordnungsprogramm aufzustellen und zu verordnen. Die Verordnung des örtlichen Raumordnungsprogrammes muss jedenfalls einen Flächenwidmungsplan enthalten.

Ein Flächenwidmungsplan gemäß § 14 NÖ Raumordnungsgesetz 2014 hat das Gemeindegebiet entsprechend den angestrebten Zielen zu gliedern und die Widmungsarten für alle Flächen festzulegen. Die begehrte Änderung der Widmung erfordert dementsprechend eine Änderung des bestehenden Flächenwidmungsplanes.

Die Erlassung der Verordnung über das örtliche Raumordnungsprogramm – somit auch des Flächenwidmungsplanes – obliegt gemäß § 24 Abs. 9 NÖ Raumordnungsgesetz 2014 dem Gemeinderat.

Im Verfahren zur Erlassung bzw. Änderung eines örtlichen Raumordnungsprogrammes sind betroffene Grundeigentümer zu verständigen bzw. ist jedermann berechtigt, schriftlich Stellung zu nehmen. Das NÖ Raumordnungsgesetz 2014 räumt einem Grundeigentümer jedoch nicht das Recht ein, einen Antrag auf Änderung eines Flächenwidmungsplanes zu stellen, auf dessen bescheidmäßige Erledigung der Einschreiter einen Rechtsanspruch haben soll. Ein Grundstückseigentümer besitzt daher kein subjektives Recht auf behördliche (bescheidmäßige) Entscheidung und auch kein Rechtschutzbedürfnis, gegen Untätigbleiben der Behörde einzuschreiten. Der Grundeigentümer hat in dem die Erlassung der Verordnung betreffenden Verfahren keine Parteistellung und daher nicht einmal einen Rechtsanspruch auf eine allfällige Zurückweisung seiner bloßen Anregung.

Formellrechtlich ist die Berechtigung zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht an die Voraussetzung geknüpft, dass die Partei an die Behörde einen Antrag gestellt hatte. Materiellrechtlich muss ein subjektiv-öffentliches Recht auf einen diesbezüglichen Abspruch der Behörde bestehen (VwSlg 14.151 A/1994; VwGH 23.10.1997, 97/07/0058; 29.10.1998, 98/07/0113).

Als „Anträge von Parteien“, welche eine Entscheidungspflicht zur Folge haben, kommen alle Begehren in Betracht, über die durch Bescheid abzusprechen ist, d.h. die ihrem Inhalt nach abstrakt dazu geeignet sind, durch die angerufene Behörde mittels Bescheides erledigt zu werden. Die Entscheidungspflicht wird nur durch Anträge begründet, die auf Erlassung eines Bescheides gerichtet sind (VwGH 23.10.1997, 97/07/0058; 29.3.2004, 2004/17/0024).

Ein Antrag auf Änderung eines Flächenwidmungsplanes, somit auf Änderung einer Verordnung, erfüllt diese Voraussetzung nicht. Unter den Begriff der der Behörde obliegenden Entscheidungspflicht fällt nicht die Verpflichtung zur Erlassung genereller Normen. Keine Entscheidungspflicht wird nach der Judikatur des VwGH ausgelöst durch auf Änderungen von Flächenwidmungsplänen gerichtete Anträge (VwGH 20.3.1986, 86/06/0038; 29.8.1996, 96/06/0166).

Nach Art. 130 Abs. 1 Z. 3 B-VG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht erheben, wer im Verwaltungsverfahren als Partei zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht berechtigt war. Unter diesen Begriff fällt jedoch nicht die Verpflichtung zur Erlassung (Änderung) genereller Normen (vgl. VwGH 7. November 1956, Zl. 1871/56, 28. Juni 1962, Zl. 973/62, 2. Mai 1969, Zl. 435/69), denn der Gemeinderat hat über den Antrag des Beschwerdeführers keineswegs mit Bescheid abzusprechen (den im Säumnisfall gegebenenfalls auch das Verwaltungsgericht erlassen könnte).

Die als Devolutionsantrag bezeichnete Beschwerde war daher spruchgemäß zurückzuweisen.

3.2. Zu Spruchpunkt 2 – Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß
Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG (iVm Art. 133 Abs. 9 B-VG) ist die Revision gegen eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtes zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im Hinblick auf die obigen Ausführungen liegen jedoch keine Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor.

Schlagworte

Baurecht; Verfahrensrecht; Antrag; Entscheidungspflicht;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2018:LVwG.AV.137.001.2018

Zuletzt aktualisiert am

16.04.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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