TE Bvwg Erkenntnis 2018/3/29 W196 2144463-1

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Veröffentlicht am 29.03.2018
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Entscheidungsdatum

29.03.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34 Abs2
AsylG 2005 §34 Abs4
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W196 2144463-1/6E

W196 2144459-1/4E

W196 2144460-1/5E

W196 2144461-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ursula SAHLING als Einzelrichterin über die Beschwerden von 1) XXXX , geb. XXXX , 2) XXXX , geb. XXXX , 3) XXXX , geb. XXXX 4) XXXX , geb. XXXX , alle StA. Somalia, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.12.2016 1) Zl.1076433004-150790071, 2) Zl. 1076433200-150790165, 3) Zl. 1076433102-150790101, 4) 1076433309-150790195, zu Recht erkannt:

A)

Den Beschwerden wird stattgegeben und 1) XXXX , 2) XXXX , 3) XXXX , gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 und 4 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, idgF, und 4) XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX , XXXX , XXXX , und XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Erstbeschwerdeführerin ist die Mutter und gesetzliche Vertreterin ihrer bei Antragstellung minderjährigen Kinder, des Zweit bis Viertbeschwerdeführers. Alle sind Staatsangehörige Somalias.

Die Erstbeschwerdeführerin reiste im Juli 2011 mit ihren drei Kindern aus Somalia aus und stellte nach illegaler Einreise am 04.07.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

Bei der Erstbefragung durch Landespolizeidirektion Wien am 04.07.2015 gab die Erstbeschwerdeführerin an, Somalia aufgrund der unsicheren Lage verlassen zu haben. Sie hätte mit ihrem Mann und den Kindern jahrelang in Dubai gelebt und nach der Abschiebung von dort nach Somalia hätte sie eineinhalb Jahre in ihrer Heimat gelebt und hätte viele Probleme gehabt. Ihr Sohn wäre getötet worden und sie wäre mehrmals von Al-Shabaab Milizen angegriffen worden. Sie sei dann nach Syrien geflüchtet wo sie aufgrund des jetzt herrschenden Bürgerkrieges wieder flüchten habe müssen. Bei einer Rückkehr nach Somalia befürchte sie dass sie aufgrund des Krieges getötet würde.

Am 16.09.2017 wurde die Erstbeschwerdeführerin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl in Anwesenheit eines Dolmetschers für die somalische Sprache niederschriftlich einvernommen. Sie gab dabei ihren Fluchtgrund betreffend an, dass einer ihrer Söhne in der Heimat durch Familienmitglieder der Ehefrau auf Grund einer anderen Clanzugehörigkeit getötet worden sei. Einige Monate später sei dann bei einem nächtlichen Überfall die Tochter nach einer versuchten Vergewaltigung durch drei vermummte Männer getötet worden. Der Drittbeschwerdeführer und sie hätten helfen wollen, seien aber geschlagen worden und sie sei dabei ohnmächtig geworden und erst im Krankenhaus wieder aufgewacht. Der Ehemann der getöteten Tochter habe dann ihre jüngste Tochter, die Viertbeschwerdeführerin zur Frau wollen, worauf sie das Land verlassen hätten um das zu verhindern, da diese erst zehn Jahre alt gewesen sei.

Am 06.10.2016 gab der Zweitbeschwerdeführer zu seinem Fluchtgrund an, dass nachdem er mit seiner Familie die Vereinigten Arabischen Emirate verlassen hätte es in Somalia zu Problemen mit seiner Abstammung gekommen sei. Die anderen Kinder hätten mit ihnen nicht Fußball spielen wollen und so habe er lediglich mit seinem Geschwistern zu Hause sitzen und PlayStation spielen können. Sie hätten das Haus nie verlassen. Sein älterer Bruder sei getötet worden, weil er eine Frau aus einem anderen Stamm geheiratet hätte. Sie hätten dann Drohbriefe bekommen und gerade als die Mutter in einen anderen Stadtteil umziehen habe wollen, sei die Schwester umgebracht worden. Der Anlass der Flucht sei gewesen, dass der Ehemann der verstorbenen Schwester die kleine Schwester habe heiraten wollen.

Der Drittbeschwerdeführer und jüngere Bruder des Zweitbeschwerdeführers gab zu seinem Fluchtgrund an, dass er, nachdem die Familie in Dubai gelebt habe, von dort nach Somalia abgeschoben worden sei und sie in eineinhalb Jahren viele Kriege in Somalia erlebt hätten. Der Bruder sei getötet worden und die Familie sei mehrmals von Al-Shabaab Milizen angegriffen worden wegen der schlechten Sicherheitslage habe die Mutter ihn und die Geschwister mitgenommen sie seien nach Syrien geflüchtet, wo sie über ein Jahr gelebt hätten. Aufgrund des Bürgerkrieges hätten sie auch von Syrien flüchten müssen. Am 10.09.2016 gab er beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl auf die Frage nach seinem Fluchtgrund an, dass für ihn dieselben Fluchtgründe wie für seine Mutter gelten würden.

Die Viertbeschwerdeführerin und jüngste Tochter der Erstbeschwerdeführerin gab am 04.07.2015 an, dass für sie die gleichen Fluchtgründe gelten würden wie für ihre Mutter.

Mit den im Spruch genannten Bescheiden vom 07.12.2016 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Anträge aller Beschwerdeführer auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.), erkannte jedoch gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 den Status der subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihnen gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 07.12.2017 (Spruchpunkt III.).

Die belangte Behörde stellte fest, dass weder die Identität der Beschwerdeführer feststehe noch die Fluchtgründe der Beschwerdeführer glaubhaft wären.

Der Erstbeschwerdeführerin werde zwar geglaubt, dass die Tochter Fatima und der Sohn Farhan gestorben seien, nicht festgestellt werden könne aber aus welchen Gründen ihr Sohn und ihre Tochter ums Leben gekommen seien. Weiters sei der Überfall bei dem unbekannte Männer in das Haus eingedrungen seien und die Tochter erschossen hätten nicht glaubhaft. Auch die Bedrohung vom Ehemann der erschossenen Tochter sei nicht glaubhaft und es könne daher keine asylrelevante Verfolgung festgestellt werden.

Auch dem Zweitbeschwerdeführer wurde geglaubt dass seine Schwester und sein Bruder gestorben seien, allerdings nicht aus welchen Gründen sie ums Leben gekommen seien. Nicht glaubhaft sei weiters eine ernsthafte Bedrohung vom Ehemann der verstorbenen Schwester gewesen und es konnte auch beim Zweitbeschwerdeführer daher keine asylrelevante Verfolgung festgestellt werden.

Bezüglich der Drittbeschwerdeführerin und der Viertbeschwerdeführerin wurde auf die den Akteninhalt der Mutter verwiesen.

Mit Verfahrensanordnung vom 09.12.2016 wurde den Beschwerdeführern gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.

Gegen die Spruchpunkte I. der oben genannten Bescheide erhoben die Beschwerdeführer fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde, in welcher sie im hier Wesentlichen genauer ausführten wie die jüngste Tochter und Viertbeschwerdeführerin durch die Ehemann der ermordeten Tochter der diese unbedingt heiraten habe wollen, bedroht worden sei.

Bezogen auf die Glaubwürdigkeit der Ermordung des Sohnes habe sich die Behörde nicht ausreichend mit der Behandlung von Mischehen in Somalia auseinandergesetzt. Auch sei die belangte Behörde gehalten gewesen hinsichtlich der Zwangsverheiratung der Tochter der Erstbeschwerdeführerin und der damit einhergehenden Bedrohung ein entsprechendes Ermittlungsverfahren durchzuführen.

In einer Ergänzung zur Beschwerde vom 20.3.2018 wird auch darauf hingewiesen das sich die belangte Behörde nicht ausreichend mit der Lage von Frauen in Somalia, insbesondere im Hinblick auf Zwangsverheiratung und Genitalverstümmelungen auseinander gesetzt habe.

In Somalia seien nahezu alle Frauen und Mädchen von weiblicher Genitalverstümmelung betroffen. In den meisten Fällen wird die besonders schwerwiegende Form der Infibulation (Typ III) angewandt. Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 12.01.2017 dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.

Für die Viertbeschwerdeführerin wurde am 21.03.2018 eine ärztliche Bestätigung vorgelegt, dass sich bei ihr kein Hinweis auf eine bereits erfolgte Genitalverstümmelung findet.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Aufgrund der Asylanträge vom 03.07.2015, der Einvernahmen der Erstbeschwerdeführerin durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, der Beschwerden gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der Einsichtnahme in die bezughabenden Verwaltungsakten, der Einsichtnahmen in das zentrale Melderegister, in das Fremden- sowie das Grundversorgungs-Informationssystem und in das Strafregister werden die folgenden Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

Die Beschwerdeführer sind alle Staatsangehörige Somalias. Die Erstbeschwerdeführerin ist die Mutter des Zweit, Dritt-, und der Viertbeschwerdeführerin. Im gegenständlichen Fall liegt somit ein Familienverfahren iSd § 34 AsylG 2005 vor.

Alle Beschwerdeführer sind in Österreich subsidiär schutzberechtigt und verfügen über eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 07.12.2017.

Die Beschwerdeführer sind strafrechtlich unbescholten.

An der Viertbeschwerdeführerin wurde bisher keine Beschneidung durchgeführt.

Festgestellt wird bezüglich der Erst- des Zweit- und des Drittbeschwerdeführers, dass diese aufgrund der Gefahr der Zwangsverehelichung der Viertbeschwerdeführerin das Heimatland verlassen haben.

Festgestellt wird, dass der Viertbeschwerdeführerin in Somalia mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit landesweit eine an ihre Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe anknüpfende aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität in Form der Gefahr einer Genitalverstümmelung droht, wogegen sie vom somalischen Staat keinen effektiven Schutz erwarten können. Aufgrund der landesweit üblichen Praxis der weiblichen Genitalverstümmelung kommt der Viertbeschwerdeführerin auch keine innerstaatliche Fluchtalternative zu.

2. Relevante Länderberichte zur Situation in Somalia

Die aktuelle politische und menschenrechtliche Situation in Somalia stellte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl bereits in den gegenständlich angefochtenen Bescheiden umfassend fest. Zur Situation von Frauen und Kindern, der weiblichen Genitalverstümmelung und dagegen bestehenden staatlichen Schutz wird zudem Folgendes festgestellt:

2.1. Frauen und Kinder/ Weibliche Genitalverstümmelung

Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl: Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Somalia, 25.04.2016

Die Übergangsverfassung verbietet zwar weibliche Genitalverstümmelung (FGM) (USDOS 25.6.2015), diese ist in Somalia aber weit verbreitet (USDOS 13.4.2016; vgl. LI 11.6.2015; AA 1.12.2015). Betroffen sind mehr als 90% aller Mädchen (LI 11.6.2015; vgl. UNHRC 28.10.2015). In der Regel erleiden FGM dabei Mädchen im Alter von zehn bis 13 Jahren (AA 1.12.2015); nach anderen Angaben findet die Verstümmelung bei mehr als 80% im Alter zwischen fünf und neun Jahren statt; bei 10% zwischen neun und vierzehn Jahren; und bei 7% zwischen null und vier Jahren (EASO 8.2014). Nach wieder anderen Angaben wurde die Verstümmelung bei 80% der Mädchen im Alter zwischen fünf und 14 Jahren vorgenommen (USDOS 13.4.2016). Quellen im jüngsten Bericht des Danish Immigration Service (DIS) erklären wiederum, dass die große Mehrheit vor dem achten Geburtstag einer Verstümmelung unterzogen wird. Eine Quelle des DIS gab an, dass Mädchen, welche die Pubertät erreicht haben, nicht mehr beschnitten werden. Dies wäre gesundheitlich zu riskant. Hat ein Mädchen die Pubertät erreicht, fällt auch der Druck durch die Verwandtschaft weg (DIS 1.2016).

63% der Beschnittenen erlitten die weitreichendsten Form (pharaonische Beschneidung/Infibulation/WHO Typ III) (EASO 8.2014). Eine andere Quelle schätzt die Zahl von Infibulationen auf 80% (DIS 1.2016). Verbreitet sind die hieraus resultierenden Gesundheitsprobleme der Betroffenen. Viele überleben die Verstümmelung nicht (AA 1.12.2015).

Bei den Bendiri und den arabischen Gemeinden in Somalia ist nicht die Infibulation sondern die Sunna (WHO Typen I und II) verbreitet. Bei diesen Gruppen scheint die Beschneidung bei der Geburt stattzufinden, möglicherweise auch nur als symbolischer Schnitt. Auch in anderen Teilen Somalias wird zunehmend die Sunna verwendet (DIS 1.2016).

Landesweit bemühen sich die Regierungen, diese Praxis einzuschränken (AA 1.12.2015). UNICEF arbeitet mit der somalischen Regierung, mit Puntland und anderen Akteuren zusammen, um die Menschen gegen FGM zu mobilisieren und die Praktik auszurotten (UNHRC 28.10.2015). In Puntland ist FGM verboten und es gibt Zeichen einer Reduzierung. Laut einer Untersuchung von UNICEF in Zusammenarbeit mit den Regierungen von Somaliland und Puntland sind in Nordsomalia 25% der Mädchen zwischen 1-14 Jahren von FGM betroffen. Im Gegensatz dazu sind es bei den über 15jährigen 99% (UKHO 3.2.2015).

In den Gebieten der al Shabaab ist FGM verboten (LIFOS 24.1.2014). Auch die Gruppe al Islah und andere Islamisten setzen sich gegen FGM ein (C 18.6.2014). Es gibt allerdings keine Behörden oder Organisationen für Mütter, die hinsichtlich der Verhinderung einer FGM Unterstützung oder Schutz bieten (DIS 1.2016).

Um eine Verstümmelung zu vermeiden, kommt es auf die Standhaftigkeit der Mutter an. Auch der Bildungshintergrund, der soziale Status sowie die kulturelle und geographische Zugehörigkeit spielen eine Rolle. Es gibt sowohl in urbanen als auch in ländlichen Gebieten Eltern, die ihre Töchter nicht verstümmeln lassen. Leichter ist es aber in den Städten, wo die Anonymität eher gegeben bzw. die enge soziale Interaktion geringer ist (DIS 1.2016).

Generell stößt eine Mutter, die ihre Tochter nicht beschneiden lassen will, in ländlichen Gebieten auf erhebliche Probleme. Auch in urbanen Gebieten kann es zu großem sozialen (LIFOS 24.1.2014) und psychischem Druck kommen, damit die Tochter beschnitten wird. Der psychische Druck kann auch extreme Formen annehmen, derartige Fälle sind aber außergewöhnlich. Spricht sich auch der Kindesvater gegen eine Verstümmelung aus, und bleibt dieser standhaft, dann ist es leichter, dem psychischen Druck standzuhalten (DIS 1.2016).

Dass Mädchen ohne Einwilligung der Mutter von Verwandten einer FGM unterzogen werden, ist zwar nicht auszuschließen, aber unwahrscheinlich. Keine Quelle des Danish Immigration Service konnte einen derartigen Fall berichten. Ohne das Wissen der Mutter kann eine FGM aufgrund der gesundheitlichen Folgen nicht von statten gehen (DIS 1.2016).

Unbeschnittene Frauen sind in der somalischen Gesellschaft sozial stigmatisiert (EASO 8.2014). Allerdings kommt es zu keinen körperlichen Untersuchungen, um den Status hinsichtlich einer vollzogenen Verstümmelung bei einem Mädchen festzustellen. Dies gilt auch für Rückkehrer aus dem Westen. In ländlichen Gebieten wird wahrscheinlich schneller herausgefunden, dass ein Mädchen nicht verstümmelt ist. Eine Möglichkeit ist, dass eine Mutter vorgibt, dass ihre Tochter einer Sunna unterzogen worden ist (DIS 1.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (1.12.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia

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C - Experte C (18.6.2014): Dieser Experte arbeitet seit mehreren Jahren zu Somalia.

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DIS - Danish Immigration Service (1.2016): South Central Somalia - Female Genital Mutilation/Cutting, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1455786226_fgmnotat2016.pdf, Zugriff 4.4.2016

-

EASO - European Asylum Support Office (8.2014): South and Central Somalia: Country Overview,

http://www.ecoi.net/file_upload/90_1412334993_easo-2014-08-coi-report-somalia.pdf, Zugriff 14.4.2016

-

LI - Landinfo (11.6.2015): Barn og unge , http://www.ecoi.net/file_upload/1788_1436864948_3151-1.pdf, Zugriff 4.4.2016

-

LIFOS - Lifos/Migrationsverket (24.1.2014): Kvinnor i Somalia. Rapport från utredningsresa till Nairobi, Kenya i oktober 2013, http://lifos.migrationsverket.se/dokument?documentSummaryId=31539, Zugriff 4.4.2016

-

UKHO - UK Home Office (3.2.2015): Country Information and Guidance

-

Somalia: Women fearing gender-based harm / violence, http://www.refworld.org/docid/54d1daef4.html, Zugriff 14.4.2016

-

UNHRC - UN Human Rights Council (28.10.2015): Report of the independent expert on the situation of human rights in Somalia, Bahame Tom Nyanduga,

http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1451399567_a-hrc-30-57-en.docx, Zugriff 23.3.2016

-

USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Somalia, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2015&dlid=252727, Zugriff 14.4.20161.1.3. United Kingdom Home Office, Country Information and Guidance - Somalia (April 2014)

2.1.2. United Kingdom Home Office: Country Information and Guidance, Somalia: Women fearing gender-based harm and violence, 2. August 2016

In den Policy Summeries des Berichts wird zusammengefasst ausgeführt, dass es eine sehr weite Verbreitung von FGM in ganz Somalia gebe und einen starken kulturellen Rückhalt dieser Praxis. Unverheiratete Frauen jünger als 39 Jahre, die nicht beschnitten sind, die ein Risiko nachweisen können, Opfer dieser Praxis zu werden und die der Bedrohung nicht durch eine innerstaatliche Fluchtalternative entfliehen können, soll auf der Basis ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe Asyl gewährt werden. Die Praxis der FGM ist in Somaliland und Puntland rückläufig; eine Frau könnte dort einem weniger großen Risiko ausgesetzt sein, einer solchen Praxis ausgesetzt zu werden.

Laut einer UNICEF Studie über die weltweite Praxis von FGM, ist FGM allgemein gültig in Somalia; es kann keine signifikante Veränderung dieser Praxis erkannt werden. Eine andere UNICEF Studie strich hervor, dass FGM in der somalischen Gesellschaft eine anerkannte Tradition sei. Jene, die sich dieser Tradition entgegenstellen, tun dies gegen den Strom der öffentlichen Meinung. Aktuelle Statistiken zeigen eine Verbreitung von FGM in Somalia von ca. 97,9% für Frauen zwischen 15 bis 49 Jahren. Die in Somaliland, Puntland sowie Süd- und Zentralsomalia befragten Gemeinden hätten angegeben, dass in nahezu allen Haushalten Frauen und Mädchen FGM unterzogen worden seien (siehe Seite 24).

2.1.3. EASO, Country of Origin Information Report, South and Central Somalia, Country Overview, August 2014, online abrufbar:

Somalia sei einer der schlimmsten Orte der Welt für Frauen (178. Stelle). Während die vorläufige Verfassung gleiche Rechte von Männern und Frauen vorsähe, würden Frauen schwerwiegende Ungleichheiten und Diskriminierung erfahren. Nach traditionellem Somali Recht bleibe sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt häufig unbestraft.

Auch dieser Bericht führt aus, dass die weibliche Beschneidung in der Verfassung verboten sei. Dennoch werde diese Bestimmung nicht umgesetzt. Nach UNICEF Daten aus 2013 seien 98% der Frauen und Mädchen in Somalia beschnitten, wobei eine Mehrheit von 63% der Infibulation unterworfen gewesen seien, die die weitreichendste Form der FGM (Female Genital Mutilation) darstelle. In 80% der Fälle werde die Beschneidung bei Mädchen zwischen fünf und neun Jahren vorgenommen, in 10% der Fälle im Alter zwischen 9 und 14 und bei 7% der Mädchen, wenn sie 0 bis 4 Jahre alt seien. (Seiten 110, 111).

2.2. Staatlicher Schutz:

United Kingdom Home Office: Country Information and Guidance,

Somalia: Women fearing gender-based harm and violence, 2. August 2016

In Süd- und Zentralsomalia, einschließlich Mogadischu, ist effektiver staatlicher Schutz für Frauen, die geschlechtsspezifische und/oder sexuelle Gewalt fürchten, nicht zugänglich (siehe Seite 7).

3. Beweiswürdigung:

Die Feststellung zur Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführer ergibt sich aus den diesbezüglich glaubhaften Angaben der Beschwerdeführer sowie aus deren Sprachkenntnissen.

Aufgrund der im Verfahren unterlassenen Vorlage unbedenklicher nationaler Identitätsdokumente bzw. sonstiger Bescheinigungsmittel konnte die Identität der Beschwerdeführer nicht festgestellt werden. Soweit diese namentlich genannt werden, dient dies lediglich der Identifizierung der Beschwerdeführer als Verfahrenspartei.

Das Datum der Antragstellungen und die Ausführungen zum Verfahrenslauf ergeben sich aus dem Akteninhalt.

Die Feststellungen zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführer ergibt sich aus deren eigenen Angaben, und den Ausführungen in der Beschwerde.

Die Feststellung, dass an der Viertbeschwerdeführerin noch keine Beschneidung durchgeführt wurde, ergibt sich aus der am 21.03.2018 vorgelegten ärztlichen Bestätigung.

Die Feststellung zur Unbescholtenheit der Beschwerdeführer fußt auf den Auszügen aus dem Strafregister vom 26.03.2018.

Die Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.

4. Rechtliche Beurteilung:

4.1. Allgemeine Rechtsgrundlagen

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Normen (VwGVG, BFA-VG, AsylG) nicht getroffen, weswegen gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vorliegt.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl.I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A) Asylgewährung:

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einer Fremden, die in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status der Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihr im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

Flüchtling im Sinne der Bestimmung ist demnach, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Zentraler Aspekt des Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. VwGH vom 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; vom 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Es kommt mithin nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde.

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre der Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen.

Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; vom 25.01.2003, Zl. 2001/20/0011).

Für eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (vgl. VwGH vom 26.02.1997, Zl. 95/01/0454; vom 09.04.1997, Zl. 95/01/0555), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH vom 18.04.1996, Zl. 95/20/0239; vom 16.02.2000, Zl. 99/01/0097), sondern erfordert eine Prognose. Verfolgungshandlungen, die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können jedoch im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. VwGH vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318).

Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; vom 19.10.2000, Zl. 98/20/0233).

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (vgl. VwGH vom 09.09.1993, Zl. 93/01/0284; vom 15.03.2001, Zl. 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes befindet.

Besteht für den Asylwerber die Möglichkeit, in einem Gebiet seines Heimatstaates, in dem er keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, so liegt eine inländische Fluchtalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt (vgl. VwGH vom 24.03.1999, Zl. 98/01/0352).

Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat zurechenbar sein (vgl. VwGH vom 16.06.1994, Zl. 94/19/0183; vom 18.02.1999, Zl. 98/20/0468).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH vom 28.03.1995, Zl. 95/19/0041; VwGH vom 27.06.1995, Zl. 94/20/0836; VwGH vom 23.07.1999, Zl. 99/20/0208; VwGH vom 21.09.2000, Zl. 99/20/0373; VwGH vom 26.02.2002, Zl. 99/20/0509 mwN; VwGH vom 12.09.2002, Zl. 99/20/0505 sowie VwGH vom 17.09.2003, Zl. 2001/20/0177) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären. In beiden Fällen ist es der Verfolgten nicht möglich bzw. im Hinblick auf ihre wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes ihres Heimatlandes zu bedienen (vgl. VwGH vom 22.03.2000, Zl. 99/01/0256). Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann mithin nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (vgl. VwGH vom 22.03.2003, Zl. 99/01/0256 mwN).

Gemäß § 34 Abs. 4 AsylG 2005 hat die Behörde Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status der Asylberechtigten oder der subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Diese Bestimmungen gelten sinngemäß auch für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht (§ 34 Abs. 5 AsylG 2005).

Gemäß § 2 Abs. 1 Z. 22 AsylG 2005 ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegattin oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat, sowie der gesetzliche Vertreter der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, wenn diese minderjährig und nicht verheiratet ist, sofern dieses rechtserhebliche Verhältnis bereits im Herkunftsland (richtig: Herkunftsstaat) bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partnerinnen, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits im Herkunftsstaat bestanden hat.

Anwendung der Rechtsgrundlagen auf die gegenständliche Beschwerde:

Die Erst, der Zweit und der Drittbeschwerdeführer gaben übereinstimmend an, ihre Heimat wegen der Bedrohung der Viertbeschwerdeführerin verlassen zu haben und sie haben somit keine eigenen Fluchtgründe glaubwürdig geltend gemacht. Zu den Fluchtgründen der Viertbeschwerdeführerin ist zu sagen, dass sowohl die Bedrohung durch eine Zwangsheirat als auch die potentielle Gefahr beschnitten zu werden glaubwürdig ist.

Die Länderinformationen stellen fest, dass 90-98% der Mädchen und Frauen in Somalia Opfer einer weiblichen Genitalverstümmelung geworden sind, wobei 80% der Frauen und Mädchen der weitreichendsten Beschneidung, der Infibulation (Typ III), unterzogen werden.

Daher geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass in Somalia aktuell und landesweit mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit (siehe VwGH, 24.06.2010, 2007/01/1199) die Gefahr für unbeschnittene Mädchen und Frauen gegeben ist, Opfer eines Eingriffs von massiver Intensität in ihre körperliche und sexuelle Integrität, nämlich einer weiblichen Genitalverstümmelung, zu werden.

Dass weibliche Genitalverstümmelung an Mädchen in Somalia sogar ohne Einverständnis der Eltern vorgenommen werden kann, wurde in der mündlichen Verhandlung in einem hg. anhängigen Verfahren bestätigt (siehe BVwG, 05.06.2015, Zl. W221 1425725-1).

Erst kürzlich führte der Generalsekretär des Europarates, Thorbjørn Jagland, in einem Aufruf zur Unterzeichnung und Ratifizierung der sog. "Istanbul Konvention" ("The Council of Europe's Convention on Preventing and Combatting Violence Against Women and Domestic Violence") an, dass "harming girls in the way of FGM is an act of terrible violence and a serious abuse of a child¿s right to control her own body" (30.07.2015, http://www.coe.int/en/web/portal/-/thorbj-rn-jagland-women-s-safety-in-europe-has-been-strengthened-by-the-success-of-the-istanbul-convention-).

Die zuständige Richterin wertet eine FGM als eine schwere Misshandlung und schwere Körperverletzung mit lebenslangen Folgen für die betroffenen Mädchen und Frauen.

Die Viertbeschwerdeführerin ist eine weibliche Staatsangehörige Somalias, die in Somalia geboren wurden und noch nicht beschnitten ist. Sie fallen daher in jene bestimmte soziale Gruppe von Frauen und Mädchen, die in Somalia einem entsprechend hohen Risiko ausgesetzt sind, Opfer dieser Misshandlung zu werden.

Eine innerstaatliche Fluchtalternative besteht nicht, da diese Praxis der weiblichen Genitalverstümmelung landesweit praktiziert wird. Selbst wenn man davon ausginge, dass die Praxis in Somaliland oder Puntland weniger weit verbreitet sei, geht aus den Berichten nicht ausreichend klar hervor, dass die Erst und die Dritt-Beschwerdeführerin dort tatsächlich keinem maßgeblichen Risiko ausgesetzt wäre, Opfer einer solchen Misshandlung zu werden. Eine abschließende Prüfung der innerstaatlichen Fluchtalternative kann jedoch insbesondere vor dem Hintergrund entfallen, dass die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative im Widerspruch zum gewährten subsidiären Schutz stehen würde, weil § 11 die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative nur erlaubt, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht gegeben sind (vgl. VwGH 13.11.2014, RA 2014/18/0011 bis 0016).

Das Bundesverwaltungsgericht geht im Einklang mit den Länderberichten außerdem nicht davon aus, dass zur Vermeidung einer solchen Misshandlung auf die Schutzwilligkeit oder -fähigkeit der somalischen Regierungskräfte zurückgegriffen werden könnte.

Da sich im Verfahren auch keine Hinweise auf Ausschlussgründe des § 6 AsylG 2005 ergeben haben, ist der Viertbeschwerdeführerin nach dem oben Gesagten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuzuerkennen. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG ist diese Entscheidung mit der Aussage zu verbinden, dass ihr damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Im Einklang mit der Bestimmungen des § 34 Abs. 2 und 4 AsylG 2005 ist der Erst-, dem Zweit- und dem Drittbeschwerdeführer gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ebenfalls der Status der Asylberechtigten zuzuerkennen und gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 auch für diese auszusprechen, dass ihnen damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG unterbleiben, weil der entscheidungsrelevante Sachverhalt aus der Aktenlage geklärt ist. Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt, so insbesondere zur Person der Erst-Beschwerdeführerin, ergibt sich aus dem Akteninhalt und weist die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit in Bezug auf den Entscheidungszeitpunkt des Bundesverwaltungsgerichtes auf (vgl. VwGH, 28.05.2014, Ra 2014/20/0017).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei der erheblichen Rechtsfrage betreffend die Zuerkennung des Status einer Asylberechtigten auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu Spruchpunkt A. wiedergegeben. Insoweit die dort angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Asylgewährung von Familienangehörigen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W196.2144463.1.00

Zuletzt aktualisiert am

16.04.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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