TE Vwgh Erkenntnis 2000/3/29 98/08/0063

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Veröffentlicht am 29.03.2000
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Index

62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §12;
AlVG 1977 §7 Abs3 Z1;
AlVG 1977 §9;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Nowakowski und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde der J in K, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in G, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Steiermark vom 22. Jänner 1998, Zl. LGS600/LA2/1218/1998-Mag.Ed/S, betreffend Einstellung der Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin steht seit 28. April 1994 im Bezug von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung, zunächst des Arbeitslosengeldes und seit 24. November 1994 der Notstandshilfe. Mit ihr wurde am 21. November 1997 bei der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice eine Niederschrift über die "Feststellung der Anspruchsvoraussetzungen gemäß § 7" AlVG aufgenommen. Das hiefür verwendete Formblatt wies folgenden vorgedruckten Text auf:

"Als Partei einvernommen, gebe ich Folgendes an:

Ich wurde im Rahmen eines Beratungsgespräches über die maßgebende Sach- und Rechtslage belehrt, und zwar insbesondere dahingehend, dass eine der Anspruchsvoraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld/Notstandshilfe ist, dass ich der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehe.

(Ankreuzen) Ich erkläre mich ausdrücklich zur Aufnahme und Ausübung einer am Arbeitsmarkt üblicherweise angebotenen, den gesetzlichen und kollektivvertraglichen Vorschriften entsprechenden, zumutbaren versicherungspflichtigen Tagesbeschäftigung im Ausmaß von 35 bis 40 Wochenstunden bereit.

(Ankreuzen) Ich stehe für die Aufnahme und Ausübung einer solchen Beschäftigung nicht zur Verfügung, weil ..."

Dieser Vordruck wurde dadurch bearbeitet, dass die zweite Alternative, wonach die Partei für die Aufnahme und Ausübung "einer solchen Beschäftigung nicht zur Verfügung" stehe, angekreuzt wurde und die Begründung hiefür wie folgt ergänzt wurde:

"(weil) ich derzeit keine Betreuungsperson für mein behindertes Kind habe. Ich möchte festhalten, dass ich grundsätzlich gerne eine Arbeitsstelle antreten würde oder an einer Maßnahme seitens des AMS teilnehmen würde."

Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle vom 26. November 1997 wurde der Anspruch der Beschwerdeführerin auf Notstandshilfe gemäß § 7 i.V.m. § 24 Abs. 1 und § 38 AlVG mangels Verfügbarkeit am Arbeitsmarkt ab 21. November 1997 eingestellt.

In der Begründung wird dazu ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe in der Niederschrift vom 21. November 1997 angegeben, dass sie nicht in der Lage sei, eine den gesetzlichen und kollektivvertraglichen Vorschriften entsprechende, zumutbare versicherungspflichtige Tagesbeschäftigung im Ausmaß von 35 bis 40 Wochenstunden anzunehmen, weil sie keine Betreuungsperson für ihr behindertes Kind habe.

Die Beschwerdeführerin erhob Berufung. Darin führte sie aus, sie habe stets erklärt, dass sie selbstverständlich bereit sei, einer Beschäftigung nachzugehen, wenn eine Betreuung für ihr schwer behindertes Kind gefunden werden könne. Sie habe - vergeblich - sämtliche dafür in Betracht kommende Institutionen aufgesucht, um entsprechende Betreuung zu erlangen. Sie habe auch erklärt, einem Job mit einer geringeren Stundenanzahl in ihrer derzeitigen Situation jederzeit nachzukommen, wenn ihr ein solcher angeboten werde.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung nicht statt und bestätigte den bekämpften Bescheid. In der Begründung führte die belangte Behörde nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens und auszugsweiser Wiedergabe der angewendeten Gesetzesbestimmungen aus, nach den Bestimmungen des Arbeitslosenversicherungsgesetzes sei es klar, dass Personen Anspruch auf Notstandshilfe nur dann haben, wenn sie der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehen. Für Personen, die wegen Betreuungspflichten keine bzw. nur eine Teilzeitbeschäftigung aufnehmen könnten, könne Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe nicht gewährt werden, weil es sich bei diesen Leistungen nicht um familienpolitische Leistungen handle.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 7 Abs. 3 Z. 1 AlVG, i.d.F. BGBl. Nr. 201/1996, kann eine Beschäftigung aufnehmen, wer sich zur Aufnahme und Ausübung einer auf dem Arbeitsmarkt üblicherweise angebotenen, den gesetzlichen und kollektivvertraglichen Vorschriften entsprechenden zumutbaren versicherungspflichtigen Beschäftigung bereithält. Wie der Verwaltungsgerichtshof in den Erkenntnissen vom 22. Dezember 1998, 97/08/0106, vom 16. Februar 1999, 97/08/0584 und 98/08/0057, sowie vom 13. April 1999, 99/08/0005, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, näher dargestellt und begründet hat, erfordert die Verfügbarkeit des Arbeitslosen im Sinne des § 7 Abs. 3 Z. 1 AlVG nicht dessen Vermittelbarkeit für eine "Vollbeschäftigung". Die Bereitschaft des Arbeitslosen, nicht nur eine die Arbeitslosigkeit ausschließende Beschäftigung, sondern im Falle einer entsprechenden Vermittlung auch eine "Vollbeschäftigung" anzunehmen, ist erst im Zusammenhang mit der Voraussetzung der Arbeitswilligkeit im Sinne des § 9 AlVG im Falle einer konkreten Zuweisung, nicht aber schon bei der Prüfung der Verfügbarkeit im Sinne des § 7 Abs. 3 Z. 1 AlVG zu beurteilen. Die mangelnde Verfügbarkeit knüpft an Umstände an, bei deren Vorliegen die unwiderlegliche Vermutung des Gesetzes gerechtfertigt ist, dass die betreffende Person während dieser Zeit nicht an einer neuen Beschäftigung im Sinne des § 12 Abs. 1 AlVG, sondern an anderen Zielen interessiert ist.

Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist die Rechtsauffassung der belangten Behörde, dass die Beschwerdeführerin für eine "Vollbeschäftigung" zur Verfügung stehen müsse, um verfügbar im Sinne des § 7 Abs. 3 Z. 1 AlVG zu sein, rechtsirrig. Maßgebend ist vielmehr, ob die Betreuung des Kindes auch der Aufnahme einer die Arbeitslosigkeit beendenden Teilzeitbeschäftigung im Wege stand.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung war gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG abzusehen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 29. März 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1998080063.X00

Im RIS seit

18.10.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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