TE Vwgh Erkenntnis 2000/3/29 98/08/0015

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Veröffentlicht am 29.03.2000
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASVG §413 Abs1 Z1;
ASVG §67 Abs10;
AVG §66 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Nowakowski und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde der B in K, vertreten durch Dr. M und Dr. C, Rechtsanwälte in K, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 26. November 1997, Zl. 3/01-7/13.108/5-1997, betreffend Haftung für Sozialversicherungsbeiträge nach § 67 Abs. 10 ASVG (mitbeteiligte Partei: Salzburger Gebietskrankenkasse, 5024 Salzburg, Faberstraße 19), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin und Hans Rudolf M. schlossen am 26. September 1990 in Form eines Notariatsaktes einen Gesellschaftsvertrag über die Errichtung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Die Beschwerdeführerin übernahm vom Stammkapital der Gesellschaft von S 500.000,-- einen Anteil von S 1.000,--. Mit Gesellschafterbeschluss vom selben Tag bestellten die Beschwerdeführerin und der genannte Gesellschafter den Andreas P. zum Geschäftsführer der Gesellschaft mit selbstständigem Zeichnungs- und Vertretungsrecht.

Mit Schreiben vom 21. November 1990 teilte die Beschwerdeführerin dem vertragserrichtenden Notar mit, dass sie mit der Eintragung der gegründeten Gesellschaft mbH in das Handelsregister nicht mehr einverstanden sei, und ersuchte ihn, keinerlei diesbezügliche Schritte zu veranlassen. Die Bevollmächtigung zur Registrierung der Gesellschaft werde entzogen.

Die Beschwerdeführerin richtete mit Datum 21. November 1990 an den bestellten Geschäftsführer Andreas P. ein Schreiben, worin sie ausführte, sie sei bei der Gesellschaft mbH angestellt. Auf Grund näher umschriebener Umstände trete sie berechtigterweise vorzeitig aus dem Dienstverhältnis aus und ersuche die Gehaltsabrechnung und Auszahlungen an sie vorzunehmen.

Die Salzburger Gebietskrankenkasse erließ den an die Beschwerdeführerin gerichteten Bescheid vom 10. Jänner 1995, dessen Spruch wie folgt lautet:

"Die Salzburger Gebietskrankenkasse, als der für die Abfuhr der Sozialversicherungsbeiträge zuständige Versicherungsträger berichtigt hiermit ihre Rückstandsausweise zu Konto Nr. ... vom 5.5.1994 über S 182.981,18 inkl. Nebengebühren, vom 10.6.1994 über S 184.437,39 inkl. Nebengebühren und vom 26.7.1994 über S 186.380,69 inkl. Nebengebühren. Der berichtigte Rückstandsausweis gemäß § 64 Abs. 2 ASVG bildet einen integrierenden Bestandteil dieses Bescheides und beläuft sich über den Betrag von S 54.650,26 inkl. Nebengebühren per 2.1.1995.

Zusätzlich sind Sie verpflichtet, ab 3.1.1995 täglich

Verzugszinsen im Ausmaß von S 10,59 zu entrichten.

Rechtsgrundlagen für diese Entscheidung:

     für die Haftung:               § 2 Abs. 1 GmbHG

     für die Nebenforderung:        § 83 ASVG

     für die Verzugszinsen:         § 59 ASVG

     für den Beitragszuschlag:      § 113 Abs. 1 ASVG

     für die Einbringung:           § 3 Abs. 3 VVG

     für den Rückstandsausweis:     § 64 Abs. 2 ASVG

     für den Bescheid:              § 410 ASVG"

In der Begründung wird ausgeführt, die Beschwerdeführerin und M. seien "Gründungsmitglieder" einer näher umschriebenen Gesellschaft mbH. Mit Gesellschafterbeschluss vom 26. September 1994 sei Andreas P. zum Geschäftsführer bestellt und in der Folge ein Dienstnehmer zur Sozialversicherung angemeldet worden. Da keine Eintragung in das Handelsregister erfolgt sei, sei das Dienstgeberkonto mit dem Beisatz "... Gesellschaft mbH in Gründung" angelegt worden. Weitere Dienstnehmer seien in der Folge zur gesetzlichen Sozialversicherung angemeldet und die dafür vorgeschriebenen Beiträge von der Gesellschaft in Gründung eingefordert worden.

Mit "Arbeitsgerichtsurteil vom 15. November 1991 zu 16 Cga 21/91 bzw. 16 Cga 22/91" sei der Beginn der Dienstverhältnisse und damit die Versicherungspflicht für die Dienstnehmer V.Z. und M.H. mit 4. Oktober 1990 festgestellt worden. In der Sachverhaltsdarstellung dieser Urteile werde die Beschwerdeführerin als handelndes Gründungsmitglied bezeichnet. Ebenso werde in der rechtlichen Beurteilung dieses Urteiles die Tatsache der persönlichen Haftung der Gründungsmitglieder wie das Faktum der "Nichteintragung" der Gesellschaft mbH festgehalten. Im Urteil sei ausgeführt worden, dass Beiträge für die Zeiträume ab 4. Oktober 1990 bzw. die nicht gemeldeten aliquoten Sonderzahlungen in Form einer Beitragsnachbelastung hätten vorgeschrieben werden müssen. Die Beträge seien nach Einmahnung - leider erfolglos - exekutiv betrieben worden. Nach "Bekanntwerden" der Anschrift der Beschwerdeführerin als Gründungsmitglied seien Eintreibungsmaßnahmen gegen sie erfolgt, wobei sie Einwendungen gegen den Rückstandsausweis vom 10. Juni 1994 erhoben habe. Die damit vorgelegten Schriftstücke hätten den eindeutigen Hinweis auf die Mitgesellschaftertätigkeit der Beschwerdeführerin enthalten. Ein meldepflichtiges Dienstverhältnis der Beschwerdeführerin habe nicht festgestellt werden können und liege auch keine Anmeldung vor. Auf Grund der vorgebrachten Einwendungen sei jedoch die ursprüngliche Haftungssumme auf den Zeitraum vom 4. Oktober 1990 bis 21. November 1990 sowie auf den aliquoten Sonderzahlungsanspruch für die Dauer der Beschäftigung und dabei wieder auf den Haftungszeitraum bis 21. November 1990 bezogen einzuschränken.

In der rechtlichen Beurteilung führte die Gebietskrankenkasse aus, die Haftung der handelnden Gründerin sei nach § 2 Abs. 1 GesmbH-Gesetz zu beurteilen.

Der Rückstandsausweis der Salzburger Gebietskrankenkasse vom 10. Jänner 1995 weist im Adressfeld die Anschrift auf:

"Gemeinschuldner: (Beschwerdeführerin), Gesellschafterin der nicht protokollierten Firma ... GmbH ... ."

Die Beschwerdeführerin erhob Einspruch. Darin führte sie aus, dem angefochtenen Bescheid lägen Sozialversicherungsbeiträge und Nebengebühren für ehemalige Dienstnehmer der GmbH in Gründung zu Grunde. Die Gebietskrankenkasse habe auf Grund ein und des selben Sachverhaltes vor Erlassung des nunmehr angefochtenen Bescheides bereits drei verschiedene Rückstandsausweise ausgefertigt und auf Grund dieser Rückstandsausweise Exekution geführt. Unabhängig davon, dass die Geltendmachung der Forderung gegenüber der Beschwerdeführerin ohne Rechtsgrundlage erfolgt sei, sei die Ausstellung mehrerer Rückstandsausweise und deren Verwendung als Exekutionstitel über ein und den selben Betrag jedenfalls unzulässig.

Mit dem angefochtenen Bescheid würden die im Spruch genannten Rückstandsausweise dahingehend "berichtigt", dass sich der neue Rückstandsausweis auf S 54.650,26 inkl. Nebengebühren per 2. Jänner 1995 belaufe. Tatsächlich handle es sich nicht um eine Berichtigung, sondern um die Ausstellung eines neuen Rückstandsausweises. Teil 1 des Bescheidspruches hätte daher jedenfalls die Aufhebung der Rückstandsausweise vom 5. Mai, 10. Juni und 26. Juli 1994 aussprechen müssen.

Die bescheidmäßige Festsetzung der Beitragspflicht der Beschwerdeführerin sei sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach verfehlt. Die Beschwerdeführerin sei Dienstnehmerin der genannten Gesellschaft im Gründungsstadium gewesen. Sie sei nie als Geschäftsführerin und ab dem 21. November 1990 überhaupt nicht mehr für die Gesellschaft mbH in Gründung tätig geworden. Handelnde im Sinne des § 2 Abs. 1 GesmbH-Gesetz seien die Mitglieder des Vertretungsorganes der Vorgesellschaft, demnach die Geschäftsführer. Es fehle daher an den materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die rechtmäßige Ausstellung eines Rückstandsausweises gegenüber der Beschwerdeführerin für die Verbindlichkeiten der Vorgesellschaft. Der bloße Umstand, dass die Beschwerdeführerin Gründungsmitglied gewesen sei, reiche zur Begründung der Haftung nach § 2 Abs. 1 GesmbH-Gesetz nicht aus.

Die Begründung des angefochtenen Bescheides sei so mangelhaft, dass eine Überprüfung weder dem Grunde noch der Höhe nach möglich sei. Der Entscheidung sei nicht zu entnehmen, weshalb die Beschwerdeführerin als handelnde Gründerin betrachtet werde. In der Sachverhaltsdarstellung werde darauf hingewiesen, dass die Beschwerdeführerin in der Sachverhaltsdarstellung der Arbeitsgerichtsurteile (welchen Gerichtes sei nicht zu entnehmen) vom 15. November 1991 als handelndes Gründungsmitglied genannt werde. Die Beschwerdeführerin sei in den genannten Arbeitsgerichtsverfahren nicht Partei gewesen; die genannten Urteile seien ihr nicht bekannt. Eine ausreichende Begründung, weshalb eine Haftung im Sinne des § 2 Abs. 1 GesmbH-Gesetz angenommen werde, könne in diesem Verweis nicht erblickt werden.

Die Gebietskrankenkasse habe die Begründungspflicht auch insofern verletzt, als der angefochtenen Entscheidung nicht entnommen werden könne, für welchen Zeitraum eine Beitragspflicht angenommen werde und wie sich die angebliche Höhe der Beitragspflicht errechne. Der einen integrierenden Bestandteil des angefochtenen Bescheides bildende Rückstandsausweis enthalte Beträge, die der Vorschreibung mittels Rückstandsausweises nicht zugänglich seien.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid sprach die belangte Behörde über diesen Einspruch ab. Im Betreff ihres Bescheides bezeichnete die belangte Behörde den Gegenstand mit "Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG". Im Vorspruch bezeichnete die belangte Behörde den bekämpften Bescheid wörtlich wie folgt:

"Die Salzburger Gebietskrankenkasse hat mit Bescheid vom 10.1.1995, GZ. ..., festgestellt, dass Frau (Beschwerdeführerin) als persönlich Haftende der in Gründung befindlichen Firma ... GmbH gemäß §§ 67 Abs. 10, 83 und 59 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) für die im Haftungszeitraum vom 4.10.1990 bis 21.11.1990 fälligen und derzeit rückständigen Sozialversicherungsbeiträge der oben genannten Gesellschaft in Gründung haftet und den mit S 54.650,26 ausgewiesenen Betrag zuzüglich Verzugszinsen ab dem 3.1.1995 binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen hat."

Der Spruch des Bescheides der belangten Behörde lautet wörtlich:

"Gemäß § 413 Abs. 1 Ziff. 1 in Verbindung mit §§ 64, 67 Abs. 10, 58 Abs. 1 und 355 Ziff. 3 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) wird dem Einspruch keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid der Salzburger Gebietskrankenkasse mit der Maßgabe vollinhaltlich bestätigt, dass die Einwendungen der Einspuchswerberin vom 12.10.1994 gegen die Rückstandsausweise der Salzburger Gebietskrankenkasse vom 5.5.1994, vom 10.6.1994 und vom 26.7.1994 als unbegründet abgewiesen werden."

In der Begründung gab die belangte Behörde zunächst § 67 Abs. 10 und § 58 Abs. 1 ASVG auszugsweise wieder und führte sodann aus, die Prüfung der Haftungsvoraussetzungen im Sinne des § 67 Abs. 10 und § 58 Abs. 1 ASVG habe im konkreten Fall ergeben, dass die Beschwerdeführerin laut Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 15. November 1991, Zl. 16 Cga 21/91, persönlich Haftende der in Gründung befindlichen GesmbH im Sinne des § 2 GesmbH-Gesetz gewesen sei. Im Haftungszeitraum vom 4. Oktober 1990 bis 21. November 1990 seien die im Rückstandsausweis der Salzburger Gebietskrankenkasse vom 10. Jänner 1995 enthaltenen Beiträge fällig gewesen.

Den Einwendungen der Beschwerdeführerin sei Folgendes entgegenzustellen: Der Behauptung, dass die Ausstellung mehrerer Rückstandsausweise über ein und die selbe Abgabenschuld unzulässig sei, könne nicht gefolgt werden. Rückstandsausweise seien keine anfechtbaren Bescheide, sondern öffentliche Urkunden über den Stand der offenen Zahlungsverbindlichkeiten eines Beitragsschuldners zu einem bestimmten Zeitpunkt.

Dem Einwand, dass die Beschwerdeführerin nicht als Handelnde der Vorgesellschaft der GesmbH in Gründung anzusehen sei, sei die Sachverhaltsfeststellung des Urteiles des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 15. November 1991 entgegenzuhalten. Die belangte Behörde schließe sich der in der Urteilsbegründung enthaltenen Feststellung an, dass die Beschwerdeführerin gegenüber den Dienstnehmern zusammen mit Hans Rudolf M. als Gesellschaftsgründerin und Arbeitgeberin aufgetreten sei.

Zu den von der Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 12. Oktober 1994 erhobenen Einwendungen gegen die Rückstandsausweise der Salzburger Gebietskrankenkasse vom 5. Mai, 10. Juni und 26. Juli 1994 sei festzustellen, dass die Gebietskrankenkasse darüber in dem nunmehr beeinspruchten Bescheid vom 10. Jänner 1995 abgesprochen habe. Dies sei jedoch nicht mit der erforderlichen Unmissverständlichkeit und Deutlichkeit geschehen. Aus diesem Grunde sei der Bescheidspruch der erstinstanzlichen Behörde mit der Anführung der Bestimmungen des § 64 und § 355 Z. 3 ASVG zu ergänzen gewesen.

Zu der Frage der Höhe der vorgeschriebenen Haftungsbeträge sei festzustellen, dass bereits im erstinstanzlichen Verfahren die Vorlage einer Liquiditätsaufstellung für den Haftungszeitraum vergeblich verlangt worden sei. In dem auf Grund des Einspruches durchgeführten Ermittlungsverfahren sei die Beschwerdeführerin neuerlich aufgefordert worden, zum Vorlagebericht der Gebietskrankenkasse Stellung zu nehmen.

In der Stellungnahme der Beschwerdeführerin sei jedoch die Frage unbeantwortet geblieben, ob die Beschwerdeführerin ihrer Verpflichtung, die Verbindlichkeiten gegenüber der Gebietskrankenkasse nicht schlechter zu behandeln als die übrigen aus dem von ihr verwalteten Vermögen zu begleichenden Verbindlichkeiten, nachgekommen sei.

Nach der ständigen Rechtsprechung schließe die Verpflichtung des Haftenden, für die rechtzeitige Entrichtung der Sozialversicherungsbeiträge namens der Beitragsschuldnerin Sorge zu tragen, die Verpflichtung ein, diese Schulden nicht schlechter zu behandeln als die übrigen aus dem von ihr verwalteten Vermögen zu begleichenden Verbindlichkeiten, es sei denn, es bestünde eine rechtliche Grundlage für die bevorzugte Behandlung dieser Verbindlichkeiten. Eine Verpflichtung, die Beitragsschulden zeitlich oder dem Ausmaß nach bevorzugt zu erfüllen, bestehe nicht. Gegen die umschriebene Beitragspflicht verstoße der Haftende, der Beitragsschulden bei Fälligkeit nicht oder nicht vollständig entrichte, auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Beitragsschuldnerin zur Verfügung stehen, hiezu nicht ausreichten, er aber diese Mittel nicht anteilig für die Begleichung aller gleich zu behandelnden Verbindlichkeiten verwendet und dadurch die Beitragsschulden im Verhältnis zu anderen Verbindlichkeiten schlechter behandelt habe. Im sozialversicherungsrechtlichen Haftungsverfahren sei es Sache des Haftungspflichtigen, darzulegen, weshalb er nicht dafür habe Sorge tragen können, dass die Beitragsschulden rechtzeitig entrichtet wurden, und dafür entsprechende Beweisanbote zu erstatten. Da den von den Behörden der ersten und zweiten Instanz an die Einspruchswerberin ergangenen Aufforderungen zur Erstattung entsprechender Beweisanbote sowie zur Präzisierung und Konkretisierung ihres Vorbringens nicht entsprochen worden sei, sei die belangte Behörde zu der Annahme berechtigt, dass die Beschwerdeführerin ihrer Pflicht in schuldhafter Weise nicht nachgekommen sei. Konsequenterweise hafte die Geschäftsführerin somit für die von der Haftung betroffenen Beitragsschulden zur Gänze.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse hat mit dem mit Einspruch bekämpften Bescheid vom 10. Jänner 1995 die Beschwerdeführerin als "Arbeitgeberin" zur Zahlung von Beiträgen verpflichtet. Diese Auffassung, dass die Beschwerdeführerin als "Arbeitgeberin" in Anspruch genommen wird, wird von der Gebietskrankenkasse in ihrem Vorlagebericht vom 9. Oktober 1995 ausdrücklich hervorgehoben. Die Gebietskrankenkasse stützte ihre Auffassung, die Beschwerdeführerin sei Dienstgeberin - ohne allerdings auf § 35 ASVG ausdrücklich hinzuweisen - darauf, dass die Beschwerdeführerin Gesellschafterin der nicht protokollierten Gesellschaft mbH gewesen sei. Darüber hinaus zog sie die Beschwerdeführerin auch als Haftende gemäß § 2 Abs. 1 GmbHG zur Zahlung der Beiträge heran. Als gesetzliche Vertreterin eines Dienstgebers wurde die Beschwerdeführerin jedenfalls nicht in Anspruch genommen. "Sache" des Einspruchsverfahrens ist aber jeweils die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Unterinstanz gebildet hat. Im vorliegenden Fall war daher von der belangten Behörde zu prüfen, ob die Beschwerdeführerin tatsächlich als Dienstgeberin anzusehen war und zur Entrichtung von bestimmt bezeichneten Beiträgen zu verpflichten war.

Die belangte Behörde hat dem gegenüber die Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG bereits im Betreff ihres Bescheides als Gegenstand des Verfahrens bezeichnet. Auch im Vorspruch wurde der bekämpfte Bescheid der Gebietskrankenkasse als solcher gemäß § 67 Abs. 10 ASVG gedeutet. Die belangte Behörde hat im Spruch ihres Bescheides über die Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG abgesprochen. In der Begründung (Seite 2 des Bescheides) übernimmt die belangte Behörde zwar die Feststellung aus einem näher bezeichneten arbeitsgerichtlichen Urteil, dass die Beschwerdeführerin gegenüber den Dienstnehmern zusammen mit Hans Rudolf M. als Gesellschaftsgründerin und Arbeitgeberin aufgetreten sei. In den weiteren Ausführungen (Seite 3 des Bescheides) behandelt die belangte Behörde jedoch die Voraussetzungen der Haftung der Beschwerdeführerin nach § 67 Abs. 10 ASVG.

Die belangte Behörde hat somit in unzulässigerweise im Einspruchsverfahren den Gegenstand des Verfahrens ausgewechselt, indem sie nicht über die Frage der Beitragspflicht der Beschwerdeführerin als Dienstgeberin, sondern über die Haftung der Beschwerdeführerin für Sozialversicherungsbeiträge gemäß § 67 Abs. 10 ASVG abgesprochen hat. Damit erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig. Diese Rechtswidrigkeit war von Amts wegen aufzugreifen und der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne dass auf das Beschwerdevorbringen einzugehen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 29. März 2000

Schlagworte

Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Bindung an den Gegenstand des vorinstanzlichen Verfahrens Allgemein

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1998080015.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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