TE Bvwg Beschluss 2018/3/28 W113 2109708-1

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Veröffentlicht am 28.03.2018
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Entscheidungsdatum

28.03.2018

Norm

B-VG Art.133 Abs4
TKG 2003 §113 Abs5a
TKG 2003 §121
TKG 2003 §121a
TKG 2003 §35
TKG 2003 §36 Abs1
TKG 2003 §36 Abs6
TKG 2003 §37 Abs1
TKG 2003 §38
TKG 2003 §42
TKG 2003 §48
TKG 2003 §49
TKG 2003 §50
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs3 Satz2
VwGVG §31 Abs1

Spruch

W113 2109708/12E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Katharina David als Vorsitzende und die Richter Mag. Ingrid Zehetner und Mag. Walter Tolar als Beisitzer über die Beschwerde der XXXX , vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Norbert Wiesinger, gegen den Bescheid der Telekom-Control-Kommission vom 07.04.2015, Zl. Z 9/14-22, beschlossen:

A)

Der angefochtene Bescheid wird behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Telekom-Control-Kommission zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Die XXXX (im Folgenden Beschwerdeführerin) übermittelte mit Schriftsatz vom 23.12.2014 einen Antrag auf Erlass einer Anordnung gemäß § 50 TKG 2003 gegenüber der XXXX (im Folgenden mitbeteiligte Partei) an die Telekom-Control-Kommission (im Folgenden belangte Behörde), womit sie die Erlassung einer Zusammenschaltungsanordnung gegenüber der mitbeteiligten Partei begehrte.

Nachdem ein von der XXXX geführtes Streitschlichtungsverfahren gemäß § 121 TKG 2003 keine einvernehmliche Lösung zwischen den Parteien ergab, führte die belangte Behörde ein Ermittlungsverfahren durch und erließ den angefochtenen Bescheid.

2. Dagegen erhoben die mitbeteiligte Partei (mit Schriftsatz vom 06.05.2015) und die Beschwerdeführerin (mit Schriftsatz vom 02.05.2015) Beschwerde.

Die Beschwerde der mitbeteiligten Partei wurde am 21.02.2018 zurückgezogen und das diesbezügliche Verfahren mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts (im Folgenden BVwG) vom 23.02.2018, Zl. W113 2109838-1, eingestellt.

Die Beschwerdeführerin brachte im Wesentlichen vor, die Terminierungsentgelte für die Verkehrsarten V9, V10 und V39 seien zu niedrig angesetzt worden (0,137/0,085 Cent pro Minute, Peak/Off-Peak). Die Festlegung dieser Entgelte basiere auf dem Marktanalysebescheid der belangten Behörde vom 30.09.2013, Zl. M 1.8/2012-177, womit zu Unrecht eine marktbeherrschende Stellung der Beschwerdeführerin festgestellt worden sei. Es mögen daher die beantragten Entgelte in der Höhe von 1,28/0,71 Cent pro Minute, Peak/Off-Peak, festgesetzt werden.

Weiters monierte die Beschwerdeführerin die Festsetzung der Originierungsentgelte der mitbeteiligten Partei. Diese würden auf dem Marktanalysebescheid vom 30.09.2013, Zl. M 1.9/12-81, basieren, der rechtswidrig ergangen sei. Es möge ein Originierungsentgelt der mitbeteiligten Partei in der Höhe von nicht mehr als 0,82/0,48 Cent pro Minute, Peak/Off-Peak, festgesetzt werden. Es mögen auch die in der der Beschwerde beigefügten Anlage A dargelegten Entgelte angeordnet werden, in eventu möge der angefochtene Bescheid behoben werden.

3. Mit Schreiben vom 29.06.2015 legte die belangte Behörde die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, merkte an von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung abzusehen und gab eine inhaltliche Stellungnahme ab.

4. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 26.02.2016 verwies die Beschwerdeführerin auf die Behebung des Marktanalysebescheides vom 30.09.2013, Zl. M 1.9/12-81, durch den Verwaltungsgerichtshof (im Folgenden VwGH). Sie führte weiters aus, das BVwG möge inhaltlich entscheiden, und stellte den Eventualantrag auf Anordnung von Originierungsentgelten in der Höhe von 0,52/0,2192 Cent pro Minute, Peak/Off-Peak, wie in der der Stellungnahme beigelegten Anlage B dargelegt.

5. Mit Schreiben des BVwG vom 31.01.2018 wurden die Verfahrensparteien von den Beschwerden und bisherigen Stellungnahmen informiert.

6. Mit Stellungnahme vom 21.02.2018 beantragte die mitbeteiligte Partei die Abweisung der Beschwerde. Sie sprach sich zudem gegen eine Zurückverweisung durch das BVwG sowie die Bestellung eines externen Sachverständigen aus. Wenn, dann möge ein Amtssachverständiger herangezogen werden. Eine Einigung mit der Beschwerdeführerin sei zwischenzeitlich nicht zu Stande gekommen.

Inhaltlich brachte sie zum Beschwerdepunkt der Originierungsentgelte im Wesentlichen vor, der Marktanalysebescheid vom 02.05.2007, M 7/06-58, lebe zwar theoretisch wieder auf, nachdem jener aus 2013 vom VwGH behoben worden sei, er sei aber als Grundlage für einen Zusammenschaltungsbescheid nicht mehr geeignet, weshalb sich eine Orientierung nach der Methode "FL-LRAIC" bei der Bestimmung der Kosten verbieten würde.

7. Die belangte Behörde verwies mit Schreiben vom 06.03.2018 auf aktuelle Entwicklungen im Bereich der Marktanalysen. Betreffend die Behebung des Marktanalysebescheides M 1.9/12-81 wies sie auf die im wiederauflebenden Bescheid vom 05.02.2007, Zl. M 7/06-58, enthaltene Nichtdiskriminierungsverpflichtung durch die mitbeteiligte Partei hin. Sie beantragte erneut, die Beschwerde abzuweisen.

8. Die Beschwerdeführerin erstattete mit Schriftsatz vom 16.03.2018 eine Stellungnahme zu sämtlichen im Beschwerdeverfahren eingebrachten Stellungnahmen. Sie beurteilte das Vorbringen der belangten Behörde sowie der mitbeteiligten Partei als unschlüssig. Insbesondere gelte der Marktanalysebescheid M 7/06 nach Aufhebung jenes aus dem Jahr 2013, M 1.9/12, unbestritten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zwischen der Beschwerdeführerin und der mitbeteiligten Partei liegt ein Zusammenschaltungsvertrag vom 19.05.2003 vor. Anhang 6, der die Entgelte von der mitbeteiligten Partei betrifft, wurde zum 31.12.2009 von der mitbeteiligten Partei gekündigt.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 19.12.2014, Zl. Z 2/10-99, wurden vertragsersetzend Festnetzzusammenschaltungsentgelte betreffend den Anhang 6 und 7 ab 01.01.2010 bis zum 31.10.2013 (Anhang 6 "regulierte Entgelte") und ab 01.01.2010 unbefristet (Anhang 7 "unregulierte Entgelte") angeordnet. Dagegen wurde eine Beschwerde von der Beschwerdeführerin erhoben und war dieses Beschwerdeverfahren zu Zl. 2104139 beim BVwG zum Zeitpunkt dieser Entscheidung noch anhängig.

Mit dem Marktanalysebescheid der belangten Behörde vom 30.09.2013, Zl. M 1.8/2012-177, wurde ausgesprochen, dass die Beschwerdeführerin auf dem Markt für "Anrufzustellung in das öffentliche Festnetz an festen Standorten der XXXX " gemäß §§ 36 Abs. 1 iVm 37 Abs. 1 TKG 2003 über beträchtliche Marktmacht verfügt. Mit dem Marktanalysebescheid der belangten Behörde vom 30.09.2013, Zl. M 1.8/2012-148, wurde festgestellt, dass die mitbeteiligte Partei auf dem Markt für "Anrufzustellung in das öffentliche Telefonnetz an festen Standorten der XXXX " gemäß §§ 36 Abs. 1 iVm 37 Abs. 1 TKG 2003 über beträchtliche Marktmacht verfügt. Gegen die Bescheide wurden Rechtsmittel erhoben. Neben verschiedenen der mitbeteiligten Partei auferlegten Verpflichtungen wurde im Rahmen der Entgeltkontrolle in den beiden Marktanalysebescheiden für die Beschwerdeführerin und die mitbeteiligte Partei ein maximales Terminierungsentgelt in Höhe von 0,137/0,085 Cent pro Minute, Peak/Off-Peak, ab 01.11.2013 angeordnet.

Mit dem Marktanalysebescheid der belangte Behörde vom 30.09.2013, Zl. M 1.9/12-81, wurde ausgesprochen, dass die mitbeteiligte Partei auf dem Markt für "Verbindungsaufbau in öffentlichen Telefonnetzen an festen Standorten" gemäß §§ 36 Abs. 1 iVm 37 Abs. 1 TKG 2003 über beträchtliche Marktmacht verfügt. Die mitbeteiligte Partei wurde gemäß § 42 TKG 2003 unter anderem verpflichtet, für die Zusammenschaltungsleistung ab 01.11.2013 ein maximales Originierungsentgelt pro Minute in der Höhe von 2,135/1,321 Cent pro Minute, Peak/Off-Peak, zu verrechnen. Gegen diesen Bescheid wurde ein Rechtsmittel erhoben.

Während des anhängigen Beschwerdeverfahrens ergingen folgende Entscheidungen des VwGH: Der Marktanalysebescheid der belangten Behörde betreffend Originierung vom 30.09.2013, Zl. M 1.9/12-81, wurde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts in den Spruchpunkten B, C und D mit Entscheidung vom 16.12.2015, Zl. 2013/03/0138, aufgehoben (Spruchpunkt A zur Definition des Marktes "Verbindungsaufbau in öffentlichen Telefonnetzen an festen Standorten" blieb bestehen). Die Rechtsmittel gegen die Marktanalysebescheide vom 30.09.2013, Zl. M 1.8/2012, betreffend Terminierung wurden zurückgewiesen bzw. deren Behandlung abgelehnt (vgl. VwGH vom 20.12.2016, Zl. 2014/03/0050-21; 17.11.2015, Zl. 2013/03/0142-14; vgl. EuGH 15.09.2016, Rs C-28/15), womit die genannten Bescheide endgültig in Rechtskraft erwachsen sind.

1.2. Die Beschwerdeführerin stellte am 23.12.2014 den hier gegenständlichen Antrag auf Erlassung einer Anordnung von Zusammenschaltungsentgelten gegenüber der mitbeteiligten Partei bei der belangten Behörde. Ein von der XXXX geführtes Streitschlichtungsverfahren brachte keine einvernehmliche Lösung.

1.3. Die mitbeteiligte Partei verrechnete die auf Pure LRIC basierenden Terminierungsentgelte in Höhe von 0,137/0,085 Cent pro Minute, Peak/Off-Peak, laut Marktanalysebescheid vom 30.09.2013, Zl. M 1.8/12-148, gegenüber der Beschwerdeführerin, wie auch gegenüber allen anderen Betreibern, bzw. bot diese allen mittels Standardangebot an. Die Beschwerdeführerin beantragte für ihre Terminierungsleistung davon abweichende Entgelte in der Höhe von 1,28/0,71 Cent pro Minute, Peak/Off-Peak.

Die mitbeteiligte Partei verrechnete gegenüber der Beschwerdeführerin für die Verkehrsarten V 23, 24, 41 804 00x die laut Marktanalysebescheid M 1.9/12 vom 30.09.2013 angeordneten Entgelte in der Höhe von 2,135/1,321 Cent pro Minute, Peak/Off-Peak. Für die Verkehrsart V 41 (Originierung lokal) verrechnete die mitbeteiligte Partei allen Betreibern 1,503/0,875 Cent pro Minute, Peak/Off-Peak. Die Beschwerdeführerin beantragte Originierungsentgelte der mitbeteiligten Partei in Höhe von 0,82/0,48 (bzw. später mit Eventualantrag vom 26.02.2016 0,52/0,2192) Cent pro Minute, Peak/Off-Peak.

Seit Jänner 2014 wurden zwischen den Parteien jene Entgelte wechselseitig verrechnet, welche in den Marktanalysebescheiden M 1.8/12 und M 1.9/12 angeordnet wurden. Hinsichtlich der Originierung lokal (V 41) werden konkret jene Entgelte verrechnet, die im Standardangebot der mitbeteiligten Partei veröffentlicht sind.

1.4. Die Festsetzung der Entgelte im angefochtenen Bescheid erfolgte durch die Übernahme der in den Marktanalysebescheiden vom 30.09.2013, Zln. M 1.8/2012-148 sowie M 1.9/12-81, vorgeschriebenen maximal zulässigen Entgelten. Lediglich bei der Originierung wurden teilweise niedrigere Beträge festgelegt, da die mitbeteiligte Partei diese niedrigeren Beträge tatsächlich verrechnete.

Eine Bestellung von Sachverständigen zur Ermittlung einer angemessenen Höhe der festzulegenden Entgelte oder sonstige diesbezügliche Ermittlungsschritte erfolgten nicht, sondern stützte sich die belangte Behörde ausschließlich auf die oben genannten Marktanalysebescheide.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus dem Akt des Verwaltungsverfahrens und den im Zuge des Beschwerdeverfahrens eingebrachten Stellungnahmen.

Die Feststellungen zu den angebotenen, verrechneten bzw. von der Beschwerdeführerin beantragten Entgelten ergeben sich aus dem angefochtenen Bescheid und wurden diese von keiner Partei bestritten.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG iVm § 121a Abs. 2 TKG 2003 entscheidet das BVwG über Beschwerden in jenen Fällen, in denen die Telekom-Control-Kommission belangte Behörde ist, durch Senate. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Zu Spruchpunkt A)

Das Bundesgesetz, mit dem ein Telekommunikationsgesetz erlassen wird (Telekommunikationsgesetz 2003 - TKG 2003), StF BGBl. I Nr. 70/2003 idF BGBl. I Nr. 6/2016, lautet auszugsweise:

"Gleichbehandlungsverpflichtung

§ 38. (1) Die Regulierungsbehörde kann Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht Gleichbehandlungsverpflichtungen in Bezug auf den Zugang auferlegen.

(2) Die Gleichbehandlungsverpflichtungen haben insbesondere sicherzustellen, dass ein Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht anderen Unternehmen, die gleichartige Dienste erbringen, unter den gleichen Umständen gleichwertige Bedingungen anbietet und Dienste und Informationen für Dritte zu den gleichen Bedingungen und mit der gleichen Qualität bereitstellt wie für seine eigenen Dienste, Dienste verbundener oder dritter Unternehmen, wobei der Abschluss von Risikobeteiligungsverträgen ebenso wie Kooperationsvereinbarungen zur Teilung des Investitionsrisikos für neue und verbesserte Infrastruktur dadurch unberührt bleibt, sofern der Wettbewerb dadurch nicht beeinträchtigt wird.

[...]"

"Pflicht zur Zusammenschaltung

§ 48. (1) Jeder Betreiber eines öffentlichen Kommunikationsnetzes ist verpflichtet, anderen Betreibern solcher Netze auf Nachfrage ein Angebot auf Zusammenschaltung zu legen. Alle Beteiligten haben hierbei das Ziel anzustreben, die Kommunikation der Nutzer verschiedener öffentlicher Kommunikationsnetze untereinander zu ermöglichen und zu verbessern.

(2) Informationen, die Betreiber im Zuge von Verhandlungen über den Netzzugang von anderen Betreibern erhalten, dürfen diese nur für den Zweck nutzen, für den sie die Daten erhalten haben. Die Betreiber haben dabei stets die Vertraulichkeit der übermittelten Information zu wahren, und dürfen diese nicht an Dritte, insbesondere andere Abteilungen, Tochterunternehmen oder Geschäftspartner, für die diese Informationen einen Wettbewerbsvorteil darstellen könnten, weitergeben; es sei denn, es besteht eine anderslautende Vereinbarung zwischen den Betreibern.

(3) Standardangebote gemäß § 38 Abs. 3 sind der Regulierungsbehörde vorzulegen. Vereinbarungen über Netzzugang sind der Regulierungsbehörde auf deren begründetes Verlangen vorzulegen.

Umfang der Zusammenschaltung

§ 49. (1) Die Zusammenschaltung hat zumindest folgende Leistungen zu umfassen:

1. Zurverfügungstellung der notwendigen Vermittlungsdaten der jeweiligen Verbindung oder der Routingdaten im Fall paketorientierter Dienste an den zusammenschaltenden Betreiber;

2. Zustellung der Verbindungen oder Datenpakete an den Nutzer des zusammengeschalteten Betreibers;

3. Zurverfügungstellung der für die Verrechnung benötigten Daten in geeigneter Weise an den zusammenschaltenden Betreiber.

(3) Ist für die Zusammenschaltung eine Heranführung über Leitungswege notwendig, so sind die Kosten der Herstellung sowie die laufenden Kosten der Zusammenschaltungsverbindung auf beide Betreiber angemessen aufzuteilen.

Anrufung der Regulierungsbehörde

§ 50. (1) Kommt zwischen einem Betreiber eines öffentlichen Kommunikationsnetzes oder -dienstes, dem von der Regulierungsbehörde spezifische Verpflichtungen nach §§ 38, 41, 42 oder 47 auferlegt worden sind oder der nach § 22 Abs. 3, § 23, § 48 oder § 49 Abs. 3 verpflichtet ist, und einem anderen Betreiber eines öffentlichen Kommunikationsnetzes oder -dienstes oder einem Unternehmen, dem Zugangsverpflichtungen nach diesem Gesetz zugute kommen, eine Vereinbarung über die nach §§ 22 Abs. 3, 23, 38, 41, 42, 47, 47a, 48 oder § 49 Abs. 3 bestehenden Verpflichtungen trotz Verhandlungen binnen einer Frist von sechs Wochen ab dem Einlangen der Nachfrage nicht zustande, kann jeder der Beteiligten die Regulierungsbehörde anrufen.

(2) In begründeten Fällen kann die Regulierungsbehörde auch von Amts wegen ein Verfahren einleiten."

§ 28 Abs. 2 und 3 des Bundesgesetzes über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), StF BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 138/2017, lauten wie folgt:

"(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist."

Daraus ergibt sich in der Sache:

Gemäß § 48 Abs. 1 TKG 2003 ist jeder Betreiber eines öffentlichen Kommunikationsnetzes verpflichtet, anderen Betreibern solcher Netze auf Nachfrage ein Angebot auf Zusammenschaltung zu legen. Kommt zwischen diesen Betreibern eine Vereinbarung über die Zusammenschaltung nach § 48 TKG 2003 nicht zustande, so kann jeder der Beteiligten gemäß § 50 TKG 2003 die Regulierungsbehörde anrufen. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass eine Nachfrage nach einer entsprechenden Zusammenschaltungsleistung gestellt wurde und die Betreiber (zumindest) sechs Wochen über diese Zusammenschaltungsleistung verhandelt haben.

Weiters ist Voraussetzung, dass zwischen den Kommunikationsnetzbetreibern keine aufrechte Vereinbarung über die betreffende Zusammenschaltungsleistung bzw. keine - die nicht zustande gekommene Vereinbarung ersetzende - Anordnung der Regulierungsbehörde vorliegt. Dabei ist grundsätzlich gleichgültig, ob die involvierten Betreiber über beträchtliche Marktmacht iSd § 35 TKG 2003 verfügen oder nicht. Die Anordnung der Regulierungsbehörde, in der Bedingungen für die Zusammenschaltung festgelegt werden, ersetzt die nicht zustande gekommene Vereinbarung (§ 121 Abs. 3 TKG 2003).

Gegenständlich hat die Beschwerdeführerin einen Antrag an die Regulierungsbehörde auf Erlassung einer Zusammenschaltungsanordnung gestellt. Unbestritten ist, dass die beantragten Regelungen eine Zusammenschaltungsleistung iSd §§ 3 Z 25 iVm 48 TKG 2003 betreffen. Unbestritten blieb von den Parteien ebenso, dass die Voraussetzungen für die Erlassung einer solchen Anordnung gemäß § 50 TKG 2003 vorliegen.

Im angefochtenen Bescheid wurde sodann eine Anordnung betreffend die Originierungs- und Terminierungsentgelte mit Wirksamkeit ab 01.11.2013 getroffen. Zum Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde standen die in den Feststellungen genannten Marktanalysebescheide in Geltung. Die Behörde hat diese Bescheide daher als Grundlage für die Festlegung der Entgelte herangezogen.

Jener Marktanalysebescheid betreffend die Originierungsentgelte wurde vom VwGH am 16.12.2015, Zl. 2013/03/0138, mit Wirkung ex tunc aufgehoben, womit die Grundlage für die Anordnung der Originierungsentgelte nachträglich weggefallen ist. Für den angefochtenen Bescheid bedeutet dies nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH: Die Aufhebung eines Marktanalysebescheides entzieht einem darauf aufbauenden Zusammenschaltungsbescheid die Rechtsgrundlage, weshalb dieser in der Folge ebenfalls aufzuheben ist (VwGH 28.02.2007, Zl. 2006/03/0027; 03.09.2008, Zl. 2008/03/0065). Nachdem ein Verwaltungsgericht grundsätzlich meritorisch zu entscheiden hat, wären die festzusetzenden Originierungsentgelte zu ermitteln.

Zur Zurückverweisung:

Die Ermittlung zur Festlegung der Originierungsentgelte ist nach Ansicht des BVwG am besten durch die belangte Behörde selbst vorzunehmen: Die in § 28 Abs. 3 VwGVG normierte Zurückverweisungsmöglichkeit stellt zwar eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. In dem im VwGVG insgesamt normierten System finden insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. die Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck. Nach der Judiaktur des VwGH kann von dieser Entscheidungsart nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden, etwa wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat (VwGH 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063; 14.12.2015, Zl. Ra 2015/09/0057).

Gegenständlich fehlen die zur Festlegung der in Beschwerde gezogenen Originierungsentgelte notwendigen Ermittlungsschritte zur Gänze. Dieses Versäumnis kann hier freilich nicht der belangten Behörde vorgeworfen werden, hat sich diese doch zu Recht auf die zum damaligen Entscheidungszeitpunkt noch geltenden Marktanalysebescheide gestützt. Das ändert jedoch nichts daran, dass durch den Wegfall eines Marktanalysebescheides die Grundlage für die Festlegung der Originierungsentgelte fehlt. Die Ermittlungsschritte der belangten Behörde erwiesen sich somit nachträglich als völlig unzureichend, weshalb eine zurückverweisende Entscheidung geboten erscheint (vgl. etwa VwGH 04.07.2016, Zl. Ra 2016/04/0014; 29.07.2015, Zl. Ra 2015/07/0034).

In Anbetracht der Komplexität und des wirtschaftlichen Charakters der Entscheidung über die aus den zu ermittelnden Sachverhaltselementen erfließenden Berechnungen liegt eine Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das BVwG weder im Interesse der Raschheit noch der Kostenersparnis. Vielmehr dient die Zurückverweisung der Angelegenheit einer raschen und kostensparenden Durchführung des von der belangten Behörde zu ergänzenden Ermittlungsverfahrens, auch unter Zuhilfenahme von Sachverständigen.

Schließlich scheint es in einem Fall wie dem hier vorliegenden trotz der restriktiven Judikatur des VwGH (vgl. VwGH 26.03.2015, Ro 2015/22/0011) auch deshalb geboten, die ausständigen, aber wesentlichen Ermittlungen durch die Behörde vornehmen zu lassen, da eine erstmalige Ermittlung und Entscheidung durch das BVwG die Rechtschutzmöglichkeiten der Parteien unnötig beschneiden würde.

Auch wenn die Marktanalysebescheide betreffend die Terminierungsentgelte in Rechtskraft erwachsen sind und somit nach wie vor als Grundlage diesbezüglich in Betracht kommen, kommt eine bloß teilweise Aufhebung der Zusammenschaltungsanordnung (nur hinsichtlich der Originierung) nicht in Betracht, da die Entgelte einen wesentlichen, das Äquivalenzgefüge bestimmenden Bestandteil der Zusammenschaltungsanordnung darstellen (VwGH 28.04.2004, 2002/03/0319) oder wie es die mitbeteiligte Partei formuliert hat:

es handelt sich bei den Originierungs- und Terminierungsentgelten um miteinander kommunizierende Gefäße. Auch lässt die Anordnung der Terminierungs- und Originierungsentgelte im Bescheidspruch in einer Tabelle keine Trennbarkeit zu (vgl. etwa VwGH 20.12.1994, Zl. 92/07/0118). Auch die übrigen Spruchpunkte, wie die Art der Verrechnung, stehen in untrennbarem Zusammenhang mit der "Haupterledigung" des Antrags, weshalb der gesamte Bescheid zu beheben ist.

Fortgesetztes Verfahren:

Im Rahmen des fortgesetzten Verfahrens wird die belangte Behörde erneut über den gegenständlichen Antrag auf Erlassung einer Teilzusammenschaltungsanordnung für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum zu entscheiden haben. Insbesondere werden Ermittlungsschritte zur Festsetzung der Originierungsentgelte zu setzen sein.

Wie bereits festgestellt, wurde der Marktanalysebescheid betreffend die Originierungsentgelte - mit dem auch der vorher geltende Marktanalysebescheid vom 05.02.2007, Zl. M 7/06-58, behoben wurde - vom VwGH mit Wirkung ex tunc aufgehoben, womit die Grundlage für die Anordnung der Originierungsentgelte nachträglich weggefallen ist. Damit tritt grundsätzlich jener Bescheid der belangten Behörde aus 2007 wieder in Geltung (vgl. zum Wiederaufleben von zuvor behobenen oder ersetzten Bescheiden VwGH 21.06.1989, 89/03/0042; 17.11.2014, 2013/17/0113).

Der vorliegende Sachverhalt ist speziell gelagert, da nicht nur der Marktanalysebescheid betreffend die Originierung aus dem Jahr 2013 weggefallen ist, sondern auch die hier relevanten Marktanalysebescheide des Jahres 2010 (Zl. M 5/09 und M 4/09; behoben mit VwGH 27.02.2013, 2010/03/0129 und 19.03.2013, 2010/03/0125 und 2010/03/0126). Damit stehen ein Marktanalysebescheid aus dem Jahr 2007 hinsichtlich der Originierung und ein Marktanalysebescheid aus dem Jahr 2013 hinsichtlich der Terminierung in Kraft. Der hier relevante Zeitraum für die Festlegung der Originierungsentgelte ab 01.11.2013 liegt somit über 6 Jahre nach dem nunmehr rechtskräftigen Marktanalysebescheid aus 2007 betreffend die Originierung.

Der Marktanalysebescheid aus 2007 sieht keine konkret bestimmten Entgelte vor, sondern ist danach ein Entgelt festzulegen, das sich an zukunftsorientierten langfristigen durchschnittlichen inkrementellen Kosten eines effizienten Betreibers "FL-LRAIC" orientiert. Andererseits enthält dieser Marktanalysebescheid eine Gleichbehandlungsverpflichtung der mitbeteiligten Partei gemäß § 38 TKG 2003, anderen Unternehmen, die gleichartige Leistungen erbringen, die Leistung "Originierung im öffentlichen Telefonnetz an festen Standorten" unter gleichen Umständen zu denselben Bedingungen und mit der gleichen Qualität anzubieten, wie sie diese sich selber, verbundenen oder anderen Unternehmen bereitstellt (die mitbeteiligte Partei hat den anderen Betreibern jene Entgelte im Standardangebot angeboten und auch verrechnet, welche sich aus dem behobenen Marktanalysebescheid ergaben und nicht iSd "FL-LRAIC" ermittelt wurden). Bereits dieser Widerspruch verbietet es nach Ansicht des erkennenden Senates, den Marktanalysebescheid aus dem Jahr 2007 ungeprüft als Grundlage für die Festlegung der Originierungsentgelte heranzuziehen, da eine Änderung der Sachlage, vor allem eine andere Wettbewerbs- bzw. Marktsituation, keine Berücksichtigung finden würde (vgl. auch die nachvollziehbaren Ausführungen der mitbeteiligten Partei in ihrem Schriftsatz im Beschwerdeverfahren vom 21.02.2018, Rz 19-21, OZ 5).

Für diese Ansicht spricht auch, dass die Marktanalyse alle drei Jahre zu wiederholen ist (vgl. § 36 Abs. 6 TKG 2003) und diese Frist nur mit Zustimmung der Kommission ausnahmsweise um maximal drei Jahre verlängert werden kann. Diese Frist ist durch Art. 16 Abs. 6 lit. a der Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 07.03.2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste (Rahmenrichtlinie), ABl L 108 v 24.04.2002, S 33, unionsrechtlich vorgegeben.

Relevant erscheint dabei auch, dass die Zusammenschaltungsanordnung ein Äquivalenzgefüge aufweist, weshalb Originierungs- und Terminierungsentgelte in einem die Interessen ausgleichenden Verhältnis zueinander stehen. Da die Terminierungsentgelte in den rechtskräftigen Marktanalysebescheiden vom 30.09.2013, Zl. M 1.8/2012, Grund gelegt wurden, können sie zu Recht bis zu der dort bestimmten maximalen Höhe festgelegt werden. Eine Nichtberücksichtigung der Terminierungsentgelte bei der Festlegung der Originierungsentgelte würde einem fairen Ausgleich der berechtigten Interessen nicht gerecht werden.

Eine bloße Festsetzung der Entgelte in gleicher Höhe wie im vom VwGH behobenen Marktanalysebescheid vom 30.09.2013, Zl. M 1.9/12-81, mit dem Argument der sonstigen Diskriminierung anderer Marktteilnehmer, denen diese Entgelte tatsächlich verrechnet worden seien, wird aber ebenso wenig ausreichend sein.

Vielmehr wird eine Festlegung angemessener Entgelte für die Erbringung von Zusammenschaltungsleistungen unter Berücksichtigung der Regulierungsziele des TKG 2003 sowie der auferlegten Verpflichtungen - unter Einholung von Gutachten - zu erfolgen haben. Die belangte Behörde wird dabei einen fairen Ausgleich der berechtigten Interessen der beteiligten Parteien herzustellen haben (vgl. VwGH 20.06.2012, 2009/03/0059). Besondere Berücksichtigung wird hierbei das Erkenntnis des VwGH vom 16.12.2015, Zl. 2013/03/0138, zu finden haben.

Zu Spruchpunkt B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Zwar liegt Rechtsprechung zur Frage, wann eine zurückverweisende Entscheidung geboten ist, vor (vgl. VwGH 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063; 14.12.2015, Zl. Ra 2015/09/0057 im Allgemeinen und VwGH 04.07.2016, Zl. Ra 2016/04/0014; 29.07.2015, Zl. Ra 2015/07/0034 im Besonderen).

Es fehlt aber Rechtsprechung zur hier relevanten Rechtsfrage, ob ein Marktanalysebescheid aus einem länger zurückliegenden Zeitraum (hier mehr als 6 Jahre), der nach der Behebung der ihn behebenden Bescheide wieder auflebt, noch bindende Rechtswirkungen für die Festlegung von Originierungsentgelten für einen späteren Zeitraum entfalten kann, ohne dass die aktuelle Marktsituation Berücksichtigung findet.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Entgelt, Entgeltfestlegung,
Ermittlungspflicht, ex tunc, Interessenausgleich, Kassation,
mangelhaftes Ermittlungsverfahren, mangelnde
Sachverhaltsfeststellung, Marktanalyse, Marktmacht, Revision
zulässig, Zurückverweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W113.2109708.1.00

Zuletzt aktualisiert am

13.04.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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