TE Bvwg Erkenntnis 2018/3/28 I406 2190256-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.03.2018
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Entscheidungsdatum

28.03.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §18 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1a

Spruch

I406 2190256-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard KNITEL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb.XXXX, StA. Marokko, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, Alser Straße 20, Top 5, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.03.2018, Zl. 1178726405-180041291, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer gab bei der Erstbefragung durch ein Organ der PI Schwechat am 12.01.2018 in spanischer Sprache den im Spruch genannten Namen an, er sei am dort genannten Datum in Marrakesch, Marokko geboren, marokkanischer Staatsbürgerschaft und Herkunft, ledig, arabischer Muttersprache und Volksgruppenzugehörigkeit sowie Moslem, habe im Geburtsort sechs Jahre die Grundschule sowie sechs Jahre die Hauptschule besucht und eine Berufsausbildung als Tapezierer absolviert; zuletzt habe er in diesem Beruf gearbeitet. Neben seiner Muttersprache spreche er Spanisch und Französisch. Er verneinte die Frage nach Beschwerden oder Krankheiten, die ihn an dieser Einvernahme hinderten oder das Asylverfahren in der Folge beeinträchtigten und gab als Familienangehörige im Herkunftsland vier volljährige Schwestern, alle in Marokko wohnhaft, an; die Eltern seien bereits verstorben. Familienangehörige in Österreich oder einem EU-Staat habe er nicht. Er sei vor ungefähr einem Jahr legal, mit seinem Reisepass, den er jedoch in Griechenland verloren habe, in die Türkei geflogen, habe sich dort ungefähr sechs Monate aufgehalten und sei schlussendlich nach Österreich gelangt. Zum Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer an, er habe im Herkunftsstaat eine Beziehung mit einer Frau geführt, sie sei von ihm schwanger geworden; da er nicht die finanziellen Mittel gehabt habe, um sie zu heiraten, sei er von ihrer Familie bedroht worden. Bei Rückkehr in die Heimat fürchte er, von der Familie der Frau getötet zu werden, die Frage nach konkreten Hinweisen, dass ihm bei Rückkehr unmenschliche Behandlung, Strafe oder die Todesstrafe drohten oder er mit irgendwelchen Sanktionen zu rechnen habe, verneinte er.

In weiterer Folge stellte die belangte Behörde einen Personalausweis des Beschwerdeführers sicher.

Bei der Einvernahme durch die belangte Behörde am 23.02.2018 verneinte der Beschwerdeführer die Frage nach gesundheitlichen Problemen. Die Frage nach der wirtschaftlichen Lage der Familie im Herkunftsstaat beantwortete er mit "normal", er habe mit seinen Angehörigen ein sehr gutes Verhältnis und Kontakt zu ihnen, bei Rückkehr könne er wieder an seiner Wohnadresse wohnen. In Österreich lebe er von der Grundversorgung. Zum Fluchtgrund gab er über sein bisheriges Vorbringen hinaus an, von der Familie der von ihm geschwängerten Frau geschlagen worden zu sein und davon Verletzungen wie das Aufplatzen eines Hodens davongetragen zu haben, er sei infolgedessen eineinhalb Tage bewusstlos gewesen und im Krankenhaus aufgewacht. Die Brüder der Frau hätten ihm gedroht, falls er zur Polizei gehe, würden sie ihn der Vergewaltigung ihrer Schwester bezichtigen. Auf die Frage, wann die Frau schwanger geworden sei, gab der Beschwerdeführer an, dies sei vor fünf Jahren gewesen, auf die Frage, wann die Brüder zu ihm gekommen seien, "vor fünf Jahren, als sie schwanger war. Juni 2015", auf die weitere Frage, wann er im Krankenhaus gewesen sei, "vor zwei Jahren", auf die Frage nach dem Alter des Kindes "zweieinhalb Jahre". Letztmalig seien die Brüder der Frau bei ihm gewesen, als er im Krankenhaus gewesen sei, danach sei er nicht mehr bedroht worden. Der Beschwerdeführer verneinte die Fragen nach Verfolgung aus politischen, religiösen oder ethnischen Gründen. Der Beschwerdeführer erklärte, auf eine Einsichtnahme in die Länderfeststellungen zu seinem Herkunftsstaat zu verzichten.

Mit Bescheid vom 05.03.2018, Zl. 1178726405-180041291/BMI-BFA_BGLD_RD wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 12.01.2018 gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Ziffer 13 AsylG (Spruchpunkt I.) sowie gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Ziffer 13 AsylG in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Marokko (Spruchpunkt II.) ab, erteilte ihm einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht (Spruchpunkt III.), erließ gemäß § 10 Abs. 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Ziffer 2 FPG (Spruchpunkt IV.), stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Marokko zulässig ist (Spruchpunkt V.), stellte fest, dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht (Spruchpunkt VI.) und erkannte einer Beschwerde gemäß § 18 Abs. 1 Ziffer 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt VII.).

Weiters traf die belangte Behörde - unter anderem - folgende im gegenständlichen Fall relevante Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers:

Politische Lage

Laut der Verfassung vom 1.7.2011 ist Marokko eine konstitutionelle, demokratische und soziale Erbmonarchie, mit direkter männlicher Erbfolge und dem Islam als Staatsreligion. Abweichend vom demokratischen Grundprinzip, der Gewaltenteilung kontrolliert der König in letzter Instanz die Exekutive, die Judikative und teilweise die Legislative (GIZ 6.2017a; vgl. OB 9,2015), Im Zusammenhang mit den Protestbewegungen in Nordafrika im Frühjahr 2011 leitete der König im Jahr 2011 eine Verfassungsreform und vorgezogene Neuwahlen ein. Die in Marokko überwiegend auf ökonomisch-soziale Verbesserungen, aber nicht auf "Regimewechsel" gerichteten Proteste wurden so aufgefangen (AA 2.2017a). Die Verfassung vom 1.7.2011 brachte im Grundrechtsbereich einen deutlichen Fortschritt für das Land; in Bezug auf die Königsmacht jedoch nur eine Abschwächung der absolutistischen Stellung. Das Parlament wurde als Gesetzgebungsorgan durch die neue Verfassung

aufgewertet und es ist eine spürbare Verlagerung des politischen Diskurses in die Volksvertretung hinein erkennbar. Die Judikative wird als unabhängige Staatsgewalt gleichberechtigt neben Legislative und Exekutive gestellt. Das System der checks und balances als Ergänzung zur Gewaltenteilung ist jedoch in der Verfassung vergleichsweise wenig ausgebildet (OB 9.2015). Einige Schlüsselministerien sind in Marokko der Kontrolle des Parlamentes und des Premierministers entzogen. Dies betrifft folgenden vier Ressorts: Inneres, Äußeres, Verteidigung, Religiöse Angelegenheiten und Stiftungen. Soziale Reformen während der Regentschaft Mohamed VI sollten mehr Wohlstand für alle bringen - doch faktisch nahm die ohnehin starke Kontrolle der Königsfamilie und ihrer Entourage über die Reichtümer und Ressourcen des Landes weiter zu (GIZ 6.2017a), das marokkanische Parlament besteht aus zwei Kammern, dem Unterhaus (Chambre des Representants, Madschliss an-Nuwwab) und dem Oberhaus (Chambre des conseillers, Madschliss al-Mustascharin). Die Abgeordneten des Unterhauses werden alle fünf Jahre in direkten allgemeinen Wahlen neu gewählt (jüngste Wahl: 7.10.2016). Das Unterhaus besteht aus 395 Abgeordneten. Entsprechend einer gesetzlich festgelegten Quote sind mindestens 12% der Abgeordneten Frauen. Das Oberhaus besteht aus mindestens 90 und maximal 120 Abgeordneten, die in indirekten Wahlen für einen Zeitraum von sechs Jahren bestimmt werden (GIZ 6.2017a), In Marokko haben am 7.10.2016 Wahlen zum Repräsentantenhaus stattgefunden.

Als stärkste Kraft ging die seit 2011 an der Spitze der Regierung stehende Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (PJD - Parti de la Justice et du Developpement) hervor (AA 2.2017a; vgl. GIZ 6.2017a). Sie erreichte 125 Sitze (GIZ 6.2017a). Ihr Vorsitzender, der bisherige Regierungschef Abdelilah Benkirane, wurde von König Mohammed VI. mit der Bildung einer neuen Regierung beauftragt (AA 2.2017a). An zweiter Stelle rangiert mit 102 Sitzen die liberal-konservative Partei für Authentizität und Moderne

(PAM - Parti Authenticite et Modernite). Sie konnte ihre Stimmengewinne mehr als verdoppeln und gilt daher als heimliche Siegerin. Dahinter gereiht ist mit 46 Sitzen die traditionsreiche Unabhängigkeitspartei (Pi - Parti de l'lstiqial), dahinter andere Parteien (GIZ6.2017a).

Auf dem Gipfel der Afrikanischen Union (AU) in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba am 30.1.2017 wurde Marokko wieder in die AU aufgenommen (DS 31.1.2017).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (2,2017a): Marokko - Innenpolitik, htto://www. auswaertigesamt.

de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Marokko/Innenpolitik node.html. Zugriff 30.6.2017

DS - Der Standard (31.1.2017): Marokko wieder in der AU, doch Westsahara-Streit bleibt,

http: //derstandard

.at/2000051784210/Afrikanische-Union-diskutiert-Wiederaufnahme-von-Marokko.

Zugriff

30.6.2017

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH (6.2017a), LIPortal - Marokko -

Geschichte & Staat,

htto://liportal.giz.de/marokko/geschichte-staat/. Zugriff 30.6.2017

OB - österreichische Botschaft Rabat (9.2015): Asylländerbericht Marokko

Sicherheitslage

Marokko ist grundsätzlich ein politisch stabiles Land mit gut ausgebauter Sicherheitspräsenz (BMEIA 5.7.2017). Das französische Aussenministerium rät zu normaler Aufmerksamkeit im Land (das einzige in Nordafrika), ausser in den Grenzregionen zu Algerien, wo zu erhöhter Aufmerksamkeit geraten wird. Die Westsahara bildet natürlich eine Ausnahme, diese darf nur nach Genehmigung durch die marokkanischen Behörden und nur auf genehmigten Strecken bereist werden. Zusätzlich besteht für die Grenzregionen zu Mauretanien in der Westsahara eine Reisewarnung (FD 5.7.2017). Seitens des BMEIA besteht eine partielle Reisewarnung (Sicherheitsstufe 5) für Reisen in das Landesinnere des völkerrechtlich umstrittenen Territoriums der Westsahara und in entlegene Saharazonen Sudmarokkos, insbesondere an der Grenze zu Algerien. Erhöhtes Sicherheitsrisiko (Sicherheitsstufe 2) giltin den übrigen Landesteilen (BMEIA 5.7.2017).

Auch in Marokko besteht jedoch ein Risiko terroristischer Anschläge mit islamistischem Hintergrund, die insbesondere auf ausländische Staatsangehörige abzielen können (AA 5.7.2017, vgl. BMEIA 5.7.2017). Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich die instabile Sicherheitslage in den Regionen Nordafrika, Sahel und Nah/Mittelost auf Marokko auswirkt. Es muss mit Anschlagen durch Kampfer aus diesen Regionen gerechnet werden sowie mit Aktionen von Personen oder Gruppierungen, die innerhalb Marokkos agieren und sich von der Propaganda terroristischer Gruppierungen beeinflussen lassen. So ereignete sich zuletzt im April 2011 in Marrakesch eine Bombenexplosion mit terroristischem Hintergrund, die 17 Todesopfer und mehrere Verletzte - zumeist Touristen - forderte (AA5.7.2017).

Marokko steht im Kampf gegen den Terrorismus im Lager des Westens. Die marokkanischen Dienste gelten als gut unterrichtet und Operationen fähig; die laufende Aushebung von Terrorzellen spricht für deren Effizienz. AQIM und andere islamisch-fundamentalistische Gruppierungen, Salafisten und IS-Kämpfer werden als Staatsfeinde Nummer eins betrachtet. Besondere Sorge gilt seit Ausbruch der Mali-Krise einer vermuteten Verbindung der Polisario mit fundamentalistischen Elementen aus dem Sahel (AQIM, Ansareddine, Mujao) sowie aus Syrien und dem Irak. Die marokkanischen Behörden befürchten einen Rückfluss von Kämpfern nach Marokko aus Syrien und dem Irak und das Entstehen von grenzüberschreitenden Terrornetzwerken. Die - auch im öffentlichen Raum kaum kaschierten - Überwachungsmaßnahmen erstrecken sich auch auf die Überwachung des Internets und elektronischer Kommunikation (OB 9.2015). Demonstrationen, insbesondere in Großstädten, können sich spontan und unerwartet entwickeln, so zum Beispiel aktuell im Norden Marokkos in AI Hoceima und umliegenden Orten. Die Proteste richten sich meist gegen soziale Ungerechtigkeit, Korruption und Behördenwillkür (AA 5.7.2017). Im Oktober 2016 flammten in verschiedenen Landesteilen Proteste gegen soziale und wirtschaftliche Missstände auf. Es kam zu Zusammenstößen zwischen Anwohnern und der Polizei, als die Behörden mit dem Abriss von informellen Siedlungen in Sidi Bibi, einer Stadt in der Nähe von Agadir, begannen. Tausende Menschen gingen in größeren Städten, u.

a. in der Hauptstadt Rabat sowie in Marrakesch, auf die Straße, nachdem der Fischhändler Mouhcine Fikri in Al-Hoceima (Region Tanger-Tetuan-Al Hoceima) getötet worden war. Er hatte versucht, seine von Staatsbediensteten beschlagnahmte Ware zurückzuerhalten. Auch in Al-Hoceima fanden große

Demonstrationen statt (AI 22.2.2017). Seitdem kommt es v.a. in Al-Hoceima immer wieder zu Protesten. Dort ist das Zentrum einer Protestbewegung gegen soziale und wirtschaftliche Missstände entstanden. Ende Mai 2017 wurde der Anführer der Protestbewegung, Nasser Zafzafi, verhaftet (DS 29.5.2017). Dies führte zu weiteren Protesten. Auch Ende des Ramadans, am 27. und 28.6.2017, kam es zu Ausschreitungen, bei denen zahlreiche Polizisten und auch Demonstranten verletzt wurden und Demonstranten verhaftet wurden (DS 28.6.2017).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (5.7.2017): Marokko - Reise- und Sicherheitshinweise, htto:/Avww.auswaertigesamt.

de/DEyLaenderinformationen/OO-SiHi/Modes/MarokkoSicherheit node.html. Zugriff 5.7.2017

Zahl: 1178726405 + 180041291

BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (5.7,2017): Reiseinformation Marokko,

https://www.bmeia.ov.at/reise-aufenthalt/reiseinfonnation/larid/rnarokko/. Zugriff 5.7.2017

DS - Der Standard (29.5.2017): Anführer der Proteste in Marokko festgenommen,

http://derstandard.at/200005S382533/Hunderte-Marokkaner-demonstrierten-in-Protesthochbüro-AIHoceima?

ref-rec. Zugriff 5.7.2017

DS - Der Standard (28.6.2017): Marokko: Fast 80 Polizisten bei Ausschreitungen verletzt,

http://derstandard.at/2000060215022/Marokko-Fast-80-Polizisten-bei-Ausschreitunaen-verletzt?ref=rec,

Zugriff 5.7.2017

FD - France Diplomatie (5.7.2017): Conseils aux Voyageurs - Maroc - Securite,

http://www.diplomatie.oouv.fr/fr/conseiis-aux-vovaoeurs/conseils-par-pays/maroc/. Zugriff 5.7.2017

OB - Österreichische Botschaft Rabat (9.2015): Asylländerbericht Marokko

Rechtsschutz/Justizwesen

Die Justiz ist laut Verfassung unabhängig (USDOS 3.3.2017), In der Praxis wird diese Unabhängigkeit jedoch durch Korruption (USDOS 3.3.2017; vgl. OB 9.2015; AA 10.3.2017) und außergerichtliche Einflüsse unterlaufen. Behörden respektieren Anordnungen der Gerichte fallweise nicht (USDOS 3.3.2017). Rechtsstaatlichkeit ist vorhanden, aber noch nicht ausreichend entwickelt. Unabhängigkeit der Justiz, Verfassungsgerichtsbarkeit, Transparenz durch Digitalisierung, Modernisierung der Justizverwaltung befinden sich noch im Entwicklungsprozess, der, teils von der Verfassung gefordert, teils von der Justizverwaltung angestoßen wurde. Die eher traditionell und konservativ eingestellte

Richterschaft setzt Neuerungen oftmals nur sehr zurückhaltend um. Geltende Gesetze und Vorschriften werden auch aus administrativen Schwachen oft nicht einheitlich und flachendeckend angewandt (AA 10.3.2017). Formal besteht Gleichheit vor dem Gesetz. Das extreme Gefälle in Bildung und Einkommen, die materielle Unterentwicklung ländlicher Gebiete und der allgegenwärtige gesellschaftliche Klientelismus behindern allerdings die Umsetzung des Gleichheitsgrundsatzes (AA 10.3.2017). Gesetzlich gilt die Unschuldsvermutung. Der Rechtsweg ist formal sichergestellt. Angeklagte haben das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren, auf rechtzeitigen Zugang zu ihrem Anwalt und das Recht, Berufung einzulegen. Das marokkanische Recht sieht Pflichtverteidiger für mittellose Angeklagte vor. Der Zugang zu juristischem Beistand ist in der Praxis noch immer unzulänglich (AA 10.3.2017; vgl. USDOS 3.3.2017). NGOs kritisieren, dass die Beschuldigten zu Geständnissen gedrängt werden. Im Rahmen der Strafrechtsreform und der Entwicklung seiner Untersuchungsbehörden bemüht sich Marokko darum, Beschuldigtenrechte besser zu wahren und andere Möglichkeiten des Tatbeweises zu nutzen. Im Bereich der Strafzumessung wird häufig kritisiert, dass bestehende Möglichkeiten zur Vermeidung von Haft bei minderschweren Delikten (z.B. Geldstrafen, Sozialstunden) nicht genutzt werden. Auch die Möglichkeit der Entlassung auf Bewährung (liberation conditionnelle) wird kaum genutzt (AA 10.3.2017).

Seit dem 1.7.2015 ist die Militärgerichtsbarkeit in Verfahren gegen Zivilisten nicht mehr zuständig. Im Juli 2016 wurden durch das Revisionsgericht die Urteile eines Militärgerichts gegen 23 sahrauische Aktivisten im Zusammenhang mit dem Tod von Sicherheitskräften bei der Räumung des Protestlagers Gdim Izik aufgehoben Neue Verfahren finden vor einem Zivilgericht statt (AA 10.3.2017).

Verwaltungsentscheidungen können vor Verwaltungsgerichten appelliert werden, der Instanzenzug führt zum Kassations-Gerichtshof. Die Verfassung sieht eine Reihe von Raten und Kommissionen vor, denen konsultative und überwachende Funktionen zukommt (Oberster Justizrat, Gleichstellungs-Rat, Hohe Rundfunk-Behörde, Wettbewerbsrat, Nationalstelle für korrekte Verwaltung und Korruptionsbekämpfung, Familien- und Jugendbeirat). Diese Gremien stehen aber teilweise noch am Beginn der Tätigkeit bzw. muss ihr rechtlicher Unterbau erst geschaffen werden, sodass noch schwer absehbar ist, inwieweit sie für Rechtsstaatlichkeit, gute Regierungsführung und Achtung der Grundrechte in der Praxis Bedeutung gewinnen (OB 9.2015).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (10.3.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich

Marokko (Stand Marz 2017)

OB - österreichische Botschaft Rabat (9.2015): Asylländerbericht Marokko

USDOS - U.S. Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Morocco,

http://www.ecoi net/local link/337215/479978 de.html. Zugriff 30 6 2017

Sicherheitsbehörden

Der Sicherheitsapparat verfügt über einige Polizei- und paramilitärische Organisationen, deren Zuständigkeitsbereiche sich teilweise überlappen. Die Nationalpolizei (DGSN) ist für die Umsetzung der Gesetze zuständig und untersteht dem Innenministerium. Bei den "Forces auxiliaires" handelt es sich um paramilitärische Hilfskräfte, die dem Innenministerium unterstellt sind und die Arbeit der regulären Sicherheitskräfte unterstutzen. Die Gendarmerie Royale ist zuständig für die Sicherheit in ländlichen Gegenden und patrouilliert auf Autobahnen. Sie untersteht dem Verteidigungsministerium (USDOS 3.3.2017; vgl. AA 10.3.2017). Es gibt zwei Nachrichtendienste: den Auslandsdienst DGED ("Direction Generale des Etudes et de Documentation") und den Inlandsdienst DGST ("Direction Generale de la Surveillance du Territoire") (AA 10.3.2017; vgl. OB 9.2015). Im April 2015 wurde zusätzlich das "Bureau central d'investigations judiciaires" (BCIJ) geschaffen. Es untersteht dem Inlandsdienst DGST. Von der Funktion entspricht es etwa dem deutschen

Bundeskriminalamt mit originären Zuständigkeiten und Ermittlungskompetenzen im Bereich von Staatsschutzdelikten sowie Rauschgift- und Finanzdelikten im Rahmen von Verfahren der Organisierten Kriminalität (AA 10.3.2017).

Die zivile Kontrolle über die Sicherheitskräfte [Anm.: durch den König] ist abgesehen von Einzelfällen effektiv (USDOS 3.3.2017), jedoch sind die Sicherheitskräfte weitgehend der zivilen Kontrolle durch Parlament und Öffentlichkeit entzogen (AA 10.3.2017). Es besteht kein systematischer Mechanismus, Menschenrechtsverletzungen und Korruption wirksam zu untersuchen und zu bestrafen, was Straffreiheit bei Vergehen durch die Sicherheitskräfte begünstigt (USDOS 3.3.2017). Inhaftierte Islamisten werfen dem Sicherheitsapparat, insbesondere dem Inlandsgeheimdienst DGST, vor, Methoden anzuwenden, die rechtsstaatlichen Maßstäben nicht immer genügen (z.B. lange U-Haft unter schlechten Bedingungen, kein Anwaltszugang). Die zivilgesellschaftlichen Organisationen und Medien dokumentieren diese Vorwürfe nur bruchstückhaft (AA 10.3.2017).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (10.3.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich

Marokko (Stand: Marz 2017)

OB - österreichische Botschaft Rabat (9,2015): Asylländerbericht Marokko

USDOS - U.S. Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Morocco,

htto://www.ecoi.net/local link/337215/479978 de.html. Zugriff 30.6.2017

Folter und unmenschliche Behandlung

Folter ist gemäß Verfassung unter Strafe gestellt (USDOS 3.3.2017; vgl. AA 10,3.2017). Marokko ist Vertragsstaat der Anti-Folter-Konvention der Vereinten Nationen und hat auch das Zusatzprotokoll unterzeichnet (AA 10.3.2017). Ein Nationaler Präventionsmechanismus zum Schutz vor Folter ist allerdings noch immer nicht eingerichtet worden (AI 22.2.2017). Die marokkanische Regierung lehnt den Einsatz von Folter ab und bemüht sich um aktive Prävention. Systematische Folter findet nicht statt. Gleichwohl berichten NGOs über Fälle von nicht gesetzeskonformer Gewaltanwendung gegenüber Inhaftierten durch Sicherheitskräfte. Betroffen sind laut Bericht des VN-Menschenrechtsausschusses vom Oktober 2016 vor allem Terrorverdächtige und Personen, die Straftaten verdächtig sind, die die Sicherheit oder die territoriale Integrität des Staats gefährden. Ein Einsatz von systematischer, staatlich angeordneter Folter wird auch von NGOs nicht bestätigt. Die marokkanische Menschenrechtsorganisation OMDH ("Organisation Marocaine des Droits de l'Homme") geht vom Fehlverhalten einzelner Personen aus (AA 10.3.2017). Berichte über Folter sind in den letzten Jahren zurückgegangen, aber dennoch langen immer wieder Berichte über Misshandlungen von Gefangenen durch Sicherheitskräfte bei Regierungsinstitutionen oder NGOs ein (USDOS 3.3.2017).

Wenn auch eine systematische Anwendung von Folter und anderen erniedrigenden Behandlungsweise nicht anzunehmen ist, werden Folter und folterähnliche Methoden punktuell praktiziert. Diese Umstände werden von Menschenrechts-NGOs und von unabhängigen Beobachtern wiederholt angeprangert, wie insbesondere CNDH (Nationaler Rat für Menschenrechte), UN Sonderbeauftragter für Folter Juan Mendez, Arbeitsgruppe über willkürliche Verhaftungen, die frühere UN-HCHR Navi Pillay. Justizminister Ramid hat die Staatsanwälte aufgerufen, Hinweisen und Anzeigen auf Folter rigoros nachzugehen, gleichzeitig aber auch auf den Verleumdungstatbestand hingewiesen, falls sich Anschuldigungen als haltlos erweisen. Marokko hat das Fakultativprotokoll zur Antifolter- Konvention Ende 2014 ratifiziert, eine Durchführungsgesetzgebung (nationaler Mechanismus) muss aber erst erfolgen (OB 9.2015).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (10.3.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich

Marokko (Stand: März 2017)

AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2014/15- Kingdom of Morocco,

http://www.ecoi.net/local link/336547/479222 de.html. Zugriff30.6.2017

OB - österreichische Botschaft Rabat (9.2015): Asylländerbericht Marokko

USDOS - U.S. Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Morocco,

http://www.ecoi.net/iocal link/337215/479978 de.html. Zugriff 30.6.2017

Korruption

Das Gesetz sieht für behördliche Korruption Strafen vor, doch setzt die Regierung die gesetzlichen Regelungen nicht effektiv um. Staatsbedienstete sind häufig in Korruptionsfalle verwickelt und gehen straffrei aus. Korruption stellt bei der Exekutive, inklusive der Polizei, bei der Legislative und in der Justiz ein ernstes Problem dar. Es gibt Berichte von Korruption im Bereich der Regierung, und von deren Untersuchung in einigen Fällen, aber mangelnder strafrechtlicher Verfolgung. Die Antikorruptionsbehörde Instance centrale de prevention de la corruption (ICPC) ist für den Kampf gegen die Korruption zuständig. Sie wird nur in wenigen Fällen tätig, vor allem in mittleren und höheren Ebenen der Verwaltung werden kaum Ermittlungen durchgeführt (USDOS 3.3.2017).

Die Bekämpfung der Korruption wird in Marokko unter anderem durch eine langsame Justiz, Zentralismus und die Verflechtung von Politik und Wirtschaft erschwert. Im Alltag ist Korruption allgegenwärtig. Ob im Krankenhaus, in der Schule, an der Universität oder bei der KFZ-Zulassung - fast überall in Marokko werden Extrazahlungen fällig, wenn man eine Dienstleistung braucht. Da das Steuersystem wenig entwickelt und die öffentliche Hand dementsprechend finanziell schwach ist, betrachten viele Marokkaner - einschließlich der verantwortlichen Politiker - die Bestechungsgelder als eine Art Steuerersatz. Als korruptionsanfällig gilt auch die Armee (GIZ 6.2017a). Marokko belegt im Korruptionswahrnehmungsindex 2016 den

90. von insgesamt 176 Plätzen (TI 25.1.2017).

Quellen:

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH (6.2017a), LIPortal * Marokko -

Geschichte & Staat,

http://liPortal.giz.de/marokko/geschichte-staat/. Zugriff 30.6,2017

TI - Transparency International (25.1.2017): Corruptions Perceptions Index 2016,

https://wvwTransparency.org/news/feature/corruption perceptions index 2016. Zugriff 30.6.2017

USDOS - U.S. Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Morocco.

http://www.ecoi.net/local link/337215/479978 de.html. Zugriff 30.6.2017

NGOs und Menschenrechtsaktivisten

Menschenrechtsorganisationen publizieren Berichte über Menschenrechtsfalle. Die Einstellung der Regierung gegenüber lokalen und internationalen Menschenrechtsorganisationen variiert jedoch, abhängig von der politischen Orientierung der Organisation und der Sensitivität der jeweiligen Angelegenheit. Lokale und internationale NGOs sind immer wieder Einschränkungen bei ihren Aktivitäten ausgesetzt (USDOS 3.3.2017; vgl. AA 10.3.2017). Die Regierung trifft sich gelegentlich mit Vertretern von NGOs und beantwortet Anfragen und Empfehlungen seitens der NGOs (USDOS 3.3.2017).

Der Bereich NGOs/Menschenrechtsverteidiger stellt sich als breit gefächerte Landschaft (ca. 90.000 Vereinigungen) dar, mit einer aktiven und sich artikulierenden Menschenrechts- Verteidigerszene, die mit dem CNDH (Nationaler Rat für Menschenrechte) korreliert und dessen Arbeit ergänzt oder diesem sogar voraneilt. Sichtbarste und mit Veranstaltungen und Berichten hervortretende Protagonisten der Menschenrechtsszene sind die OMDH (Organisation Marocaine des Droits Humains) und die AMDH (Association Marocaine des Droits Humains). Die Zivilcourage der einzelnen Aktivisten verdient Anerkennung, weil nicht nur Gefahr besteht, mit staatlicher Repression in Konflikt zu geraten, sondern auch an die Grenzen des von der Gesellschaft Tolerierten zu stoßen (OB 9.2015).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (10.3.2017): Bericht (Über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich

Marokko (Stand: Marz 2017)

OB - Österreichische Botschaft Rabat (9.2015): Asylländerbericht Marokko

USDOS - U.S. Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Morocco,

http://www.ecoi.net/local link/337215/479978 de.html. Zugriff30.6.2017

Ombudsmann

Zur Kontrolle der Gewährleistung grundlegender Menschenrechte wurde nach der Verabschiedung der neuen Verfassung im Jahr 2011 ein "Nationaler Menschenrechtsrat" (Conseil National des droits de l'homme - CNDH) als besondere Verfassungsinstanz eingerichtet. Seine kritischen Bestandsaufnahmen und Empfehlungen zu Gesetzesentwürfen haben Gewicht und beeinflussen die Politik (AA 10.3.2017).

Menschenrechtsangelegenheiten werden somit durch den CNDH, die interministerielle Abordnung über Menschenrechte (DIDH), und die Institution des Mediateur (Ombudsmann) wahrgenommen. Im Jahr 2014 etablierte der CNDH das Nationale Ausbildungsinstitut für Menschenrechte (INFDH) für Schulungen im Bereich der Menschenrechte (USDOS 3.3.2017).

Der CNDH wurde - nach den Pariser Kriterien - als nationale Grundrechtsinstitution eingerichtet (OB 9.2015; vgl. USDOS 3.3.2017) und ist in der Verfassung direkt verankert Seine Aufgabe liegt in der Beobachtung und Aufzeigung menschenrechtsrelevanter Entwicklungen und Sachverhalte, er kann Wahrnehmungen durch Vorort-Inspektionen machen, ohne dass ihm der Zugang verwehrt werden darf. Eigene Rechtsdurchsetzungsmöglichkeiten stehen allerdings nicht offen. 2014 sprach der Präsident des CNDH, Driss EL Yazami, erstmals vor dem Parlament und übte präzise Kritik an Defiziten im Bereich Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit. 14.000 - ein Drittel - der an den CNDH gerichteten Beschwerden betreffen Justiz, Strafvollzug und behauptete Menschenrechtsverletzungen. Der CNDH ist sichtbar, aktiv und produktiv (Berichte über psychiatrische Anstalten, Strafvollzug, Jugendwohlfahrtseinrichtungen, Situation von Asylsuchenden und Migranten). Er legt jährlich einen Bericht vor, der dem König und dem Parlament zur Kenntnis gebracht wird und nimmt auch zu Individualfällen Stellung, bis hin zur Intervention. Im Wege von Begutachtungsverfahren und durch Stellungnahmen zu einzelnen Gesetzesvorhaben übt der CNDH kraft seines moralischen Gewichts nicht selten Einfluss auf Gesetzesinhalte aus, die Menschenrechtsinteressen betreffen. 13 Außenstellen des CNDH wurden in Provinzstädten eingerichtet, sodass eine stärkere räumliche Nähe zu potentiellen Beschwerdeführern angeboten wird (OB 9.2015).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (10.3.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich

Marokko (Stand: Marz 2017)

OB - österreichische Botschaft Rabat (9.2015): Asylländerbericht Marokko

USDOS - U.S. Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Morocco,

http://www.ecoi.net/local link/337215/479978 de.html, Zugriff 30.6.2017

Wehrdienst und Rekrutierungen

Das Mindestalter für den freiwilligen Militärdienst ist 20 Jahre. Es gibt keine Wehrpflicht, die Mindestverpflichtungsdauer für freiwilligen Militärdienst ist 18 Monate (CIA 15.6.2017). Die allgemeine Wehrpflicht ist seit dem 31.8.2006 ausgesetzt (AA 10.3.2017). Frauen haben Zugang zu den Streitkräften, aber nicht zu allen Truppengattungen. Die Armee ist als Arbeitgeber begehrt. Rund die Hälfte der marokkanischen Streitkräfte befindet sich dauerhaft auf dem Gebiet der Westsahara. Fahnenflucht wird mit Freiheitsstrafe zwischen sechs Monaten und drei Jahren bestraft. Bestrafungen aufgrund von Wehrdienstverweigerung und Desertion sind dem Auswärtigen Amt nicht bekannt geworden (AA 10.3.2017).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (10.3.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich

Marokko (Stand: März 2017)

CIA - Central Intelligence Agency (15.6.2017): The World Factbook - Morocco,

httDS://www.cia.oov/librarv/oublications/the-world-factbook/qeos/mo.htm1. Zugriff 30.6.2017

Allgemeine Menschenrechtslage

Der Grundrechtskatalog (Kapitel I und II) der Verfassung ist substantiell; wenn man noch die durch internationale Verpflichtungen übernommenen Grundrechte hinzuzahlt, kann man von einem recht umfassenden Grundrechtsrechtsbestand ausgehen. Als eines der Kerngrundrechte fehlt die Glaubens- und Gewissensfreiheit. Die Verfassung selbst stellt allerdings den Rechtsbestand unter den Vorbehalt der traditionellen "roten Linien" (Monarchie, islamischer Charakter von Staat und Gesellschaft, territoriale Integrität (i.e. Annexion der Westsahara) quasi als "Baugesetze" des Rechtsgebäudes. Der vorhandene Rechtsbestand, der mit der neuen Verfassungslage, v. a. in Bereichen wie Familien- und Erbrecht, Medienrecht und Strafrecht, teilweise nicht mehr konform ist, gilt weiterhin (OB 9.2015).

Staatliche Repressionsmaßnahmen gegen bestimmte Personen oder Personengruppen wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sind nicht festzustellen. Gewichtige Ausnahme: wer die Vorrangstellung der Religion des Islam in Frage stellt, die Person des Königs antastet oder die Zugehörigkeit der Westsahara zu Marokko anzweifelt. Obwohl Kritik an den Staatsdoktrinen strafrechtlich sanktioniert wird, werden entsprechende Verurteilungen eher selten bekannt (z.B. wegen Missionierung). Marokkanische NGOs sind der Auffassung, dass administrative Schikanen eingesetzt und Strafverfahren zu anderen Tatbestanden (z. B. Ehebruch oder Steuervergehen) angestoßen oder auch konstruiert werden, um politisch Andersdenkende sowie kritische Journalisten einzuschüchtern oder zu verfolgen. Bei einer einstelligen Zahl von Oppositionellen, deren Falle gut dokumentiert sind,

erscheint diese Interpretation überzeugend (AA 10.3.2017).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (10.3.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich

Marokko (Stand: Marz 2017)

OB - österreichische Botschaft Rabat (9.2015): Asylländerbericht Marokko

Meinungs- und Pressefreiheit

Gesetzlich sind Meinungs- und Pressefreiheit garantiert, einige Gesetze schränken die Meinungsfreiheit, vor allem im Bereich der Presse und den sozialen Medien, ein (USDOS 3.3.2017), Meinungs- und Pressefreiheit sind verfassungsrechtlich geschützt, aber hinsichtlich der drei Staatsprinzipien eingeschränkt. Es kommt vereinzelt zur Strafverfolgung von Journalisten. Staatliche Zensur existiert nicht, sie wird durch die Selbstzensur der Medien im Bereich der drei Tabuthemen ersetzt. Ausländische Satellitensender und das Internet sind frei zuganglich (AA 10.3.2017). Gesetzlich unter Strafe gestellt und aktiv verfolgt sind und werden kritische Äußerungen betreffend den Islam, die Institution der Monarchie und die offizielle Position der Regierung zur territorialen Integrität und den Anspruch auf das Gebiet der Westsahara (USDOS 3.3.2017; vgl. HRW 12.1.2017, AA 10,3.2017), sowie Kritik an Staatsinstitutionen oder das Gutheißen von Terrorismus (USDOS 3.3.2017; vgl. HRW 12.1.2017). Für Kritik in diesen Bereich können weiterhin Haftstrafen verhängt werden (HRW 12.1.2017). Für kritische Äußerungen in anderen Bereichen wurden Haftstrafen im Rahmen einer Änderung des Pressegesetzes im Juli 2016 abgeschafft und durch Geldstrafen ersetzt (USDOS 3.3.2017; vgl. HRW 12.1.2017).

Verfolgung wegen politischer Überzeugungen erfolgt zwar nicht systematisch flachendeckend, bleibt aber ein reelles Risiko für politisch aktive Personen außerhalb des politischen Establishments und Freigeister. Parameter des "Wohlverhaltens" sind die "roten Linien" (Monarchie, Islam, territoriale Integrität) sowie der Kampf gegen den Terrorismus. Wer sich dagegen kritisch äußert oder dagegen politisch aktiv wird, muss mit Repression rechnen. Durch Fokussierung auf Einzelfalle, deren Publizierung gar nicht behindert wird, entsteht eine generalpräventive Grundstimmung: die Marokkaner wissen sehr gut abzuschätzen, wann sie mit Äußerungen in tiefes Wasser geraten konnten. Dies hindert aber nicht, dass Jugend, Menschenrechtsaktivisten, Interessensvertreter dennoch laufend ihre Stimme erheben, wobei nicht jede kritische oder freiherzige Äußerung unbedingt Konsequenzen haben muss; insbesondere Medien und Persönlichkeiten mit großer Visibilität wird ein gewisser Freiraum zugestanden. Gegenuber Regierung, Ministern und Parlament etwa kann ganz freimutig Kritik geübt werden. Die "kritische Masse" für das Eingreifen der Obrigkeit scheint erst beim Zusammentreffen mehrerer Faktoren zustande zu kommen: Etwa Infragestellen des Autoritätsgefüges (Königshaus, Sicherheitskräfte) oder Kritik am Günstlingsumfeld des Hofes ("Makhzen") verbunden mit publizitärer Reichweite des Autors (OB 9.2015).

Die - auch im öffentlichen Raum kaum kaschierten - Überwachungsmaßnahmen erstrecken sich auch auf die Überwachung des Internets und elektronischer Kommunikation, wobei Aktivisten, die für eine unabhängige Westsahara eintreten - vor allem im Gebiet der Westsahara selbst - besonders exponiert sind (OB 9.2015).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (10.3.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich

Marokko (Stand: März 2017)

HRW * Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - Morocco and Western Sahara,

http://www.ecoi.net/local link/334712/476546 de.html. Zugriff 30.6.2017

OB - österreichische Botschaft Rabat (9.2015): Asylländerbericht Marokko

USDOS - U.S. Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Morocco,

http://www.ecoi.net/local link/337215/479978 de.html. Zugriff 30.6.2017

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sind in der Verfassung von 2011 verfassungsrechtlich geschützt, werden aber durch die "roten Linien" Glaube, König, Heimatland eingeschränkt (AA 10.3.2017). Versammlungen von mehr als drei Personen sind genehmigungspflichtig (USDOS 3.3.2017). Die Behörden gehen meist nicht gegen öffentliche Ansammlungen und die häufigen politischen Demonstrationen vor (AA 10.3.2017; vgl. HRW 12.1.2017), selbst wenn diese nicht angemeldet sind (AA 10.3.2017). In Einzelfallen kam es jedoch zur gewaltsamen Auflösung von Demonstrationen (AA 10.3.2017; vgl. USDOS 3.3.2017, HRW 12.1.2017). In den Großstädten finden regelmäßig Demonstrationen zu sozialpolitischen Themen (z,B. durch arbeitslose Hochschulabsolventen), aber auch vereinzelte Proteste gegen staatliches Versagen, Korruption und Machtwillkür statt (z. B. nach dem ungeklärten Todesfall eines Fischhandlers in al-Hoceima im Oktober 2016), die in der Regel friedlich ablaufen. Es kommt aber auch zur Verurteilung von Personen, die öffentlich demonstrieren (AA 10.3.2017). V.a. in Al-Hoceima kam es seit Oktober 2016 zu einer regelrechten Protestbewegung und immer wieder zu Demonstrationen gegen die sozialen Missstände, bei denen auch Sicherheitskräfte verletzt und Demonstranten verhaftet wurden. Der Anführer der Protestbewegung wurde Anfang Mai 2017 verhaftet [Anm.: Details siehe Abschnitt 3.Sicherheitslage] (DS 29.5.2017; vgl. DS 28.6.2017).

Obwohl verfassungsgemäß Vereinigungsfreiheit gewährleistet ist, schränkt die Regierung dieses Recht manchmal ein (USDOS 3.3.2017; vgl. HRW 12.1.2017). Vielen Organisationen wird die offizielle Registrierung verweigert (HRW 12.1.2017). Auf diese Weise verbietet die Regierung politische Oppositionsgruppen, indem sie ihnen den NGO-Status nicht zuerkennt.

Der NGO-Status wird auch Organisationen nicht zuerkannt, die den Islam als Staatsreligion, die Monarchie, oder die territoriale Integrität Marokkos infrage stellen (USDOS 3.3.2017).

Quellen:

DS - Der Standard (29.5.2017): Anführer der Proteste in Marokko festgenommen,

http://derstandard.at/2000058382533/Hunderte-Marokkaner-demonstrierten-in-Protesthochbura-AIHocelma?

ref=rec. Zugriff 5.7.2017

DS - Der Standard (28.6.2017): Marokko: Fast 80 Polizisten bei Ausschreitungen verletzt,

htto://derstandard.at/2000060215022/Marokko-Fast-80-Polizisten-bei-AusschreitunQen-verletzt?ref=rec.

Zugriff 5.7.2017

HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - Morocco and Western Sahara,

htto://www.ecoi. net/local link/334712/476546 de.html. Zugriff 30.6.2017

USDOS - U.S, Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Morocco,

htto://www.ecoi.net/local link/337215/479978 de.html. Zugriff 30.6.2017

Opposition

Die Gründung von neuen Parteien wurde mit der Verfassung von 2011 vereinfacht. Verboten bleibt die Gründung von Parteien auf ethnischer, religiöser, sprachlicher oder regionaler Grundlage. Zugelassene Oppositionsparteien sind in ihrer Arbeit nicht wesentlich eingeschränkt. Politische Debatten werden offen und kontrovers geführt. Parteiprogrammatik ist insgesamt schwach ausgeprägt. Eine gewisse Ausnahme stellt die oppositionelle Federation de la gauche democratique dar, die bei den Wahlen am 7.10.2016 zwei Mandate erringen konnte (AA 10.3.2017). Neben der parlamentarischen Opposition sind im außerparlamentarischen Bereich vor allem

folgende Gruppierungen zu nennen:

-

Die Bewegung "20. Februar 1', die Auslöser bzw. Anführer der Protestbewegung im Jahr 2011 war, hat seit der Verfassungsreform und den Parlamentswahlen an Bedeutung verloren. Bei Demonstrationen zu unterschiedlichen Anlässen 2016 und 2017 konnte sie nur noch einige hundert Teilnehmer mobilisieren.

-

"al-Adl wal-lhsan" ist die wichtigste islamistische Massenbewegung und der bedeutendste Gegenspieler der regierenden PJD im islamistischen Lager. Trotz Verbots 1990 wird sie von staatlicher Seite weitgehend geduldet. Die Organisation lehnt die Autorität des Königs als "Amir al-Mouminin" (Führer der Gläubigen) und damit einen der Grundpfeiler des marokkanischen Staates ab. Sie betätigt sich vor allem karitativ, mobilisiert für sozialpolitische Forderungen und kann vermutlich mehrere zehntausend Anhänger hinter sich versammeln.

-

Die Bewegung "al-Tawhid wal-lslah'1 ("Monotheismus und Reform") ist die weltanschauliche Heimat und religiöse Parallelorganisation der Regierungspartei PJD. Sie hat Vorbehalte gegenüber westlichen Demokratie-Modellen und ist in ihren gesellschaftspolitischen Forderungen konservativer als die Partei PJD (AA 10.3.2017). Verfolgung wegen politischer Überzeugungen erfolgt zwar nicht systematisch flachendeckend, bleibt aber ein reelles Risiko für politisch aktive Personen außerhalb des politischen Establishments und Freigeister. Parameter des "Wohlverhaltens" sind die schon zitierten "roten Linien" (Monarchie, Islam, territoriale Integrität) sowie der Kampf gegen den Terrorismus. Wer sich dagegen kritisch äußert oder dagegen politisch aktiv wird, muss mit Repression rechnen (OB 9.2015). Soweit sich die politische Opposition gewaltlos verhalt und die Tabuthemen "König", "Islam" und "territoriale Integrität" nicht berührt, kann sie sich weitgehend frei betätigen (AA 10.3.2017).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (10.3.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich

Marokko (Stand: Marz 2017)

OB - österreichische Botschaft Rabat (9.2015): Asylländerbericht Marokko

Haftbedingungen

Die Zustände in den Gefängnissen haben sich verbessert, entsprechen jedoch in einigen Fällen nicht internationalen Standards. Durch die Errichtung von 26 neuen Haftanstalten in den letzten drei Jahren wurde das Problem der Überbelegung gemäß Gefängnisverwaltung (DGAPR) verbessert. Die neuen Gefängnisse entsprechen internationalen Standards, verurteilte Straftäter und Untersuchungshaftlinge sowie Erwachsene und Jugendliche sind dort getrennt untergebracht, im Gegensatz zu den älteren Gefängnissen. Neue Gefängnisse machen etwa 35% der Gefängnisse in Marokko aus (USDOS 3.3.2017). Die Lage in den 83 Haftanstalten bleibt problematisch. Zwar wurden 2015 zehn neue Haftanstalten eröffnet, die Zahl der Haftlinge steigt jedoch kontinuierlich und lag Ende 2016 bei knapp 79.000, so dass die Neueröffnung von Haftanstalten kaum der Überbelegung entgegenwirkt. Insbesondere in Haftanstalten, die stark von der Überbelegung betroffen sind, müssen Gefangene wegen fehlender Betten auf dem Boden schlafen. Beklagt wird von vielen Häftlingen die schlechte Versorgungslage. Die Mahlzeiten sind unzulänglich und müssen durch gekaufte und durch die Familie mitgebrachte Nahrungsmittel aufgebessert werden. Jugendliche sind oft zusammen mit erwachsenen Straftätern untergebracht. Zwischen Männern und Frauen hingegen herrscht in den Haftanstalten eine strikte Trennung (AA 10.3.2017).

Der Menschenrechtsrat CNDH hat das Mandat, Haftbedingungen auf Anfrage des Inhaftierten zu prüfen. Ob Möglichkeiten der Abhilfe bestehen, wird mit der Gefängnisleitung aufgenommen, ggf. kommt eine Verlegung in eine andere Haftanstalt in Betracht. Der Menschenrechtsrat CNDH hat die Haftbedingungen in Marokko 2012 umfassend überprüft.

In seinem Bericht kritisiert er u.a. die mangelhafte medizinische Versorgung in den Haftanstalten. Es fehlt an ausgebildetem Personal und Medikamenten. Schwerwiegende Erkrankungen wie Krebs und HIV/AIDS sind kaum behandelbar, psychische Erkrankungen ebenfalls nicht (AA 10.3.2017). Die Regierung gestattet NGOs aus dem sozialen, religiösen oder Bildungsbereich den Zutritt zu Gefängnissen. Einigen Menschenrechts-NGOs wird der unbegleitete Zutritt zu Gefängnissen gewahrt. Regulare Gefängnisbesuche erfolgen durch den CNDH (USDOS 3.3.2017).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (10.3.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich

Marokko (Stand: März 2017)

USDOS - U.S. Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Morocco,

http://www.ecoi.net/local link/337215/479978 de.html. Zugriff 30.6.2017

Todesstrafe

Marokko verhängt weiterhin die Todesstrafe. Seit 1993 gilt jedoch ein de-facto-Moratorium, Todesurteile werden nicht mehr vollstreckt (AA 10.3.2017; vgl. AI 22.2.2017; HRW 12.1.2017). Die Regierungspartei PJD sowie konservative gesellschaftliche Kräfte lehnen mit Verweis auf den Koran und islamisches Recht eine vollständige Abschaffung der Todesstrafe ab. Eine breite zivilgesellschaftliche Koalition, der die wichtigsten marokkanischen NGOs und viele Abgeordnete beider Kammern des Parlaments angehören, engagiert sich für die Abschaffung der Todesstrafe. Beobachter halten eine Wiederaufnahme der Vollstreckung von Todesurteilen für unwahrscheinlich (AA 10.3.2017). Im Wege von Begnadigungen durch König Mohammed VI. werden immer wieder Todesstrafen in Haftstrafen umgewandelt (AA 10.3.2017; vgl. AI 22.2.2017).

In Auslieferungsverfahren besteht die Möglichkeit, eine Bestätigung zu erhalten, dass die Todesstrafe nicht vollstreckt wird. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass eine derartige Zusage von marokkanischer Seite nicht eingehalten wird. Die marokkanischen Behörden gewähren der deutschen Botschaft den Zugang zu ausgelieferten marokkanischen Inhaftierten (AA 10.3.2017).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (10.3.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich

Marokko (Stand: März 2017)

AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2014/15 - Kingdom of Morocco,

http://www.ecoi.net/local link/336547/479222 de.html. Zugriff 30,6.2017

HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - Morocco and Western Sahara,

http://www.ecoi.net/local link/334712/476546 de.html. Zugriff 30.6.2017

Religionsfreiheit

Der sunnitische Islam malikitischer Rechtsschule ist die Staatsreligion in Marokko. Die verfassungsmäßige Stellung des Königs als Führer der Gläubigen und Vorsitzender des Ulema Rats (Möglichkeit des Erlassens religiös verbindlicher "fatwas") ist weithin akzeptiert. Das Religionsministerium kontrolliert strikt alle religiösen Einrichtungen und Aktivitäten und gibt das wöchentliche Freitagsgebet vor (AA 10.3.2017; vgl. USDOS 10.8.2016). Zur Prävention von Radikalisierung überwachen die Sicherheitsorgane islamistische Aktivitäten in Moscheen und Schulen (AA 10.3.2017). Art. 3 der Verfassung garantiert Religionsfreiheit (AA 10.3.2017; vgl. USDOS 3.3.2017). Der Artikel zielt auf die Ausübung der Staatsreligion ab, schützt aber auch die Ausübung anderer anerkannter traditioneller Schriftreligionen wie Judentum und Christentum. Neuere Religionsgemeinschaften wie etwa die Baha'i werden ebenso wenig staatlich anerkannt wie abweichende islamische Konfessionen wie zum Beispiel die Schia. Falle staatlicher Verfolgung aufgrund der Ausübung einer anderen als den anerkannten Religionen ist nicht bekannt (AA 10.3.2017). Missionierung ist in Marokko nur Muslimen (de facto ausschließlich den Sunniten der malikitischen Rechtsschule) erlaubt (AA 10.3.2017; vgl. USDOS 10.8.2016). Mit Strafe bedroht ist es, Gottesdienste jeder Art zu behindern, den Glauben eines (sunnitischen) Muslim "zu erschüttern" und zu missionieren (Art 220 Abs. 2 des marokkanischen

Strafgesetzbuches). Dies schließt das Verteilen nicht-islamischer religiöser Schriften ein. Bibeln sind frei verkäuflich, werden jedoch bei Verdacht auf Missionarstätigkeit beschlagnahmt. Ausländische Missionare können unverzüglich des Landes verwiesen werden, wovon die marokkanischen Behörden in Einzelfällen Gebrauch machen (AA 10.3.2017).

Laizismus und Säkularismus sind gesellschaftlich negativ besetzt, der Abfall vom Islam (Apostasie) gilt als eine Art Todsünde, ist aber nicht strafbewehrt. Es gibt einen starken sozialen Druck, die islamischen Glaubensregeln zumindest im öffentlichen Raum zu befolgen. Grundsätzlich ist der freiwillige Religionswechsel Marokkanern nicht verboten, aber in allen Gesellschaftsschichten stark geachtet. Statusrechtlich ist eine Konversion zum Christentum für Marokkaner nicht möglich. Staatliche Stellen behandeln Konvertiten insbesondere familienrechtlich weiter als Muslime (AA 10.3,2017).

Nicht-Muslime mussten zum Islam konvertieren, um die Pflegschaft für ein muslimisches Kind übernehmen zu können. Ein muslimischer Mann darf nach marokkanischem muslimischem Recht eine nicht-muslimische Frau heiraten, eine muslimische Frau kann dagegen in keinem Fall einen nicht-muslimischen Mann heiraten (AA 10.3.2017; vgl. USDOS 10.8.2016).

Im Jahr 2015 inhaftierten die Behörden marokkanische Christen und befragten diese über ihren Kontakt zu anderen Christen. Es gab einige Verhaftung von Muslimen, die während des Ramadans in der Öffentlichkeit Nahrung zu sich nahmen (USDOS 10.8.2016). Es gibt Berichte von gesellschaftlicher Diskriminierung basierend auf Religionszugehörigkeit, Glauben oder Religionsausübung. Christen berichten über sozialen Druck seitens nichtchristlicher Familienangehöriger und Freunde, zum Islam zu konvertieren. Juden leben vorwiegend unbehelligt im Land und können Gottesdienste in Synagogen feiern, es gibt jedoch vereinzelte Falle von Antisemitismus. Baha'i bekennen sich nicht öffentlich zu ihrem Glauben, da ihre Glaubensrichtung als häretisch gilt (USDOS 10.8.2016). Marokkanische Christen und andere Religionsgemeinschaften üben ihren Glauben in der Regel nur im privaten Bereich aus (AA 10.3.2017).

Quellen:

AA - Auswartiges Amt (10.3.2017): Bericht uber die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Konigreich

Marokko (Stand: Marz 2017)

USDOS - U.S. Department of State (10.8.2016): 2015 International Religious Freedom Report - Morocco,

http://www.ecoi.net/local link/328443/469221 de.htmi. Zugriff 3.7.2017

Religiöse Gruppen

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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