TE Vwgh Erkenntnis 2000/3/29 94/08/0109

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Veröffentlicht am 29.03.2000
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Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ABGB §1091;
ASVG §67 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde der J GmbH in W, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 18. März 1994, Zl. 121.056/1-7/94, betreffend Beitragshaftung gemäß § 67 Abs. 4 ASVG (mitbeteiligte Partei: Wiener Gebietskrankenkasse, Wienerbergstraße 15-19, 1101 Wien), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 4. Oktober 1993 sprach der im Devolutionsweg zuständig gewordene Landeshauptmann von Wien aus, dass die beschwerdeführende Gesellschaft als Betriebsnachfolger gemäß § 67 Abs. 4 ASVG verpflichtet sei, die auf dem Beitragskonto des Betriebsvorgängers Georg T. rückständigen Sozialversicherungsbeiträge 2/91, 1. N. 2/91 und 4/91 samt Nebengebühren (Verzugszinsen berechnet bis 15. April 1993) in Höhe von S 27.595,13 zuzüglich Verzugszinsen seit 16. April 1993 in der sich nach § 59 Abs. 1 ASVG jeweils ergebenden Höhe, berechnet von S 22.251,11 zu bezahlen.

Begründend führte der Landeshauptmann im Wesentlichen aus, auf Grund des zwischen Georg T. und der beschwerdeführenden Gesellschaft am 18. April 1991 abgeschlossenen Kaufvertrages stehe fest, dass Georg T. an die beschwerdeführende Gesellschaft den am Standort 1010 Wien, S. Straße 13, situierten Gastgewerbebetrieb, wie dieser liege und stehe, mit allem rechtlichen und faktischen Zubehör, einschließlich der in den Geschäftsräumlichkeiten befindlichen Einrichtungsgegenstände und Mietrechte, verkauft habe. Es sei daher davon auszugehen, dass die nach Betriebsart und Betriebsgegenstand wesentlichen Betriebsmittel im Wege eines Veräußerungsgeschäftes auf die beschwerdeführende Gesellschaft übergegangen seien. Wenn diese vorbringe, es habe sich beim Kaufvertrag um ein Umgehungsgeschäft gehandelt, das dazu hätte dienen sollen, lediglich die Mietrechte an den Geschäftsräumlichkeiten zu erwerben, so werde auf die Angaben der Dienstnehmerin Anna-Maria K. in der Niederschrift vom 3. März 1992 verwiesen. Danach sei das Lokal in der S. Straße 13 im April 1991 mit der gesamten Einrichtung an die beschwerdeführende Gesellschaft verkauft worden. Sowohl die Küche als auch die Schank und die Kaffeehauseinrichtung seien im Lokal verblieben. Georg T. habe nur einige Tische und Sesseln mitgenommen. Die beschwerdeführende Gesellschaft habe hierauf das Lokal im unveränderten Zustand als Kaffeehaus unter dem Namen "Cafe Regenwurm" bis 30. Juni 1991 weiter geführt. Ab diesem Zeitpunkt sei ein Umbau in ein koreanisches Restaurant erfolgt. Ab 1. Oktober 1991 sei das koreanische Lokal eröffnet worden, in dem sie wieder als Serviererin tätig gewesen sei. Nach Auffassung des Landeshauptmannes sei durch diese Angaben die Behauptung des Abschlusses eines Umgehungsgeschäftes widerlegt worden.

Die beschwerdeführende Gesellschaft erhob Berufung. Darin führte sie im Wesentlichen aus, vor der Lokalübernahme sei nicht Georg T., sondern - auf Grund eines Pachtvertrages - die "Cafe Regenwurm GmbH" Betriebsinhaber gewesen. Ferner seien die vorgeschriebenen Sozialversicherungsbeiträge nicht hinreichend spezifiziert. Die beschwerdeführende Gesellschaft müsse befürchten, dass ihr der regresspflichtige Betriebsvorgänger (wer immer dies sei) entgegen halte, eine Forderung befriedigt zu haben, die nicht ausreichend individualisiert sei.

Hinsichtlich des behaupteten Pachtvertrages wurde der Berufung die Kopie eines Schreibens der "Cafe Regenwurm GmbH" an Georg T. (von der beschwerdeführenden Partei als "Korrespondenzvertrag" bezeichnet) beigelegt. Danach erklärte die genannte GmbH unter anderem, das Unternehmen des Georg T. von diesem mit 1. Jänner 1987 gepachtet zu haben.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung keine Folge gegeben und der Bescheid des Landeshauptmannes bestätigt.

Nach der Begründung setzte sich der vorgeschriebene Haftungsbetrag wie folgt zusammen:

"Beiträge

2/91..............................      ...S  17.770,91

1. N.2/91...........       ........      ...S     471,60

4/91 ber.bis 17.4.1991............      ...S   4.008,60

10,5 % Verzugszinsen, berechnet...      ...S   4.553,85

Verwaltungsauslagen.................      .S     755,79

Restl.Verzugszinsen und Kosten für 3/91....S      34,38

     SUMME                                 S   27.595,13"

Danach führte die belangte Behörde aus, die beschwerdeführende Gesellschaft habe mit 18. April 1991 als Käuferin mit Georg T. als Verkäufer einen schriftlichen Kaufvertrag über den im Standort S. Straße 13 von Georg T. unter der nicht protokollierten Firma "Cafe Regenwurm" betriebenen Gastgewerbebetrieb abgeschlossen; der Kaufpreis habe S 840.000,-- betragen. Dem Kaufvertrag sei ein Inventarverzeichnis angeschlossen gewesen. Anna-Maria K. habe dazu am 3. März 1992 vor der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse angegeben, sie habe bei Georg T. sieben Jahre lang als Serviererin gearbeitet. Mitte April 1991 sei das Lokal mit der gesamten Einrichtung an die beschwerdeführende Gesellschaft verkauft und bis 30. Juni 1991 unter dem Namen "Regenwurm GmbH" (richtig: "Regenwurm") in unverändertem Zustand als Kaffeehaus weiter geführt worden. Nach einem Umbau sei am 1. Oktober 1991 ein koreanisches Lokal eröffnet worden. Während der ersten zwei Monate (April bis Juni 1991) sei der Kundenkreis derselbe geblieben; im Wesentlichen sei auch dasselbe angeboten worden wie vorher unter der "Firma Georg T.".

Nach Auffassung der belangten Behörde biete der vorliegende Sachverhalt keinen Anhaltspunkt dafür, dass der im Akt aufliegende Kaufvertrag dem wahren Gehalt nach ein Mietvertrag gewesen sei. Auch der im Sommer 1991 erfolgte Umbau in ein koreanisches Restaurant lasse darauf schließen, dass sich das Lokal zu dieser Zeit im Eigentum des Käufers (der beschwerdeführenden Gesellschaft) befunden habe.

Wenn die beschwerdeführende Gesellschaft nunmehr vorbringe, nicht Georg T., sondern die "Regenwurm GmbH" sei ihr Betriebsvorgänger gewesen, so könne ihr dabei nicht gefolgt werden. Aus einem nicht datierten Schreiben der "Cafe Regenwurm GmbH" an Georg T. gehe hervor, dass die GmbH das Kaffeehaus von Georg T. mit 1. Jänner 1987 gepachtet habe. Die "Regenwurm GmbH" sei allerdings nicht protokolliert gewesen. Eine nicht in das Firmenbuch eingetragene GmbH sei als juristische Person nicht existent. Sie komme daher nicht als Trägerin von Rechten und Pflichten, so auch nicht als Trägerin von sozialversicherungsrechtlichen Rechten und Pflichten, in Betracht. Die "Regenwurm GmbH" könne somit infolge ihrer Nichteintragung nicht als Betriebsvorgängerin der beschwerdeführenden Gesellschaft angesehen werden.

Betriebsvorgänger könne nur der Verkäufer Georg T. sein. Dies sei offenbar auch den Vertragsparteien des Kaufvertrages bewusst gewesen, da im Kaufvertrag unter Punkt I. festgehalten werde: "Herr Georg T. betreibt im Standort 1010 Wien, S. Straße 13, unter der nicht protokollierten Firma 'Cafe Regenwurm' (...) das Gastgewerbe in der Betriebsart eines Kaffeehauses mit den Berechtigungen nach § 189 Abs. 1 GewO 1973." Damit sei auch die Haftung für die durch Georg T. verursachten Beitragsschulden niemals auf die "Regenwurm GmbH" übergegangen, sondern unmittelbar auf den käuflichen Erwerber, nämlich die beschwerdeführende Gesellschaft. Der zu bezahlende Betrag sei im Übrigen bereits durch den Spruch des angefochtenen Bescheides hinreichend spezifiziert.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen.

Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse hat eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Wird ein Betrieb übereignet, so haftet gemäß § 67 Abs. 4 ASVG der Erwerber für Beiträge, die sein Vorgänger zu zahlen gehabt hätte, unbeschadet der fortdauernden Haftung des Vorgängers sowie der Haftung des Betriebsnachfolgers nach § 1409 ABGB unter Bedachtnahme auf § 1409a ABGB und der Haftung des Erwerbers nach § 25 des Handelsgesetzbuches für die Zeit von höchstens zwölf Monaten vom Tag des Erwerbes zurück gerechnet. Im Fall einer Anfrage beim Versicherungsträger haftet er jedoch nur mit dem Betrag, der ihm als Rückstand ausgewiesen worden ist.

Als "Erwerber" gemäß § 67 Abs. 4 ASVG (unter dem Gesichtspunkt der Nachfolge unter Lebenden) ist jene Person zu verstehen, die den Betrieb oder einen organisatorisch selbstständigen Teilbetrieb des Betriebsvorgängers (Beitragsschuldners) auf Grund eines Veräußerungsgeschäftes (von Veräußerungsgeschäften) mit ihm erworben hat; die bloße Bestandnahme eines Betriebes (eines Teilbetriebes) begründet daher keine Haftung nach dieser Gesetzesstelle. Zum Betriebserwerb ist es allerdings nicht erforderlich, dass alle zum Betrieb gehörigen Betriebsmittel erworben werden; es genügt vielmehr der Erwerb jener Betriebsmittel, die die (nach Betriebsart und Betriebsgegenstand) wesentliche Grundlage des Betriebes des Betriebsvorgängers gebildet haben und den Erwerber mit ihrem Erwerb in die Lage versetzen, den Betrieb fortzuführen. Der Erwerb einzelner, nicht die wesentliche Grundlage des Betriebes darstellenden Betriebsmittel von einem Dritten schließt die Betriebsnachfolge nicht aus. Es ist auch nicht entscheidend, ob der Betrieb tatsächlich fortgeführt wird, und ob im Falle der Fortführung der Betriebsgegenstand und die Betriebsart gleich bleiben (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 17. Dezember 1991, Zl. 89/08/0211).

Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist - wie bereits im Verwaltungsverfahren - ausschließlich strittig, ob die beschwerdeführende Gesellschaft den Betrieb von Georg T. als Betriebsvorgänger erworben hat und die im angefochtenen Bescheid vorgeschriebenen Beiträge hinreichend spezifiziert sind.

Auf letzteren Einwand ist zu erwidern, dass die belangte Behörde in der Begründung ihres Bescheides die auf dem Beitragskonto verbuchten, in den Haftungszeitraum des § 67 Abs. 4 ASVG fallenden Sozialversicherungsbeiträge samt Nebengebühren näher aufgeschlüsselt hat. Inwiefern dabei die beschwerdeführende Gesellschaft - wie in der Berufung behauptet - Gefahr laufen könnte, ein etwaiger regresspflichtiger Betriebsvorgänger könnte ihr - wegen einer nicht weiter gehenden Umschreibung der Beiträge - entgegenhalten, eine Forderung bereits befriedigt zu haben, ist nicht ersichtlich.

Auf das im Verwaltungsverfahren erhobene Vorbringen, nicht Georg T. sei vor der Betriebsübernahme der beschwerdeführenden Gesellschaft Betriebsinhaber gewesen, sondern die "Cafe Regenwurm GmbH", hat die belangte Behörde erwidert, dass diese GmbH nicht in das Firmenbuch eingetragen gewesen sei. Die GmbH könne somit infolge ihrer Nichteintragung auch nicht als Betriebsvorgängerin angesehen werden. In der Beschwerde wird diesbezüglich darauf verwiesen, dass die genannte GmbH unter B 25.569a des Firmenbuches des Handelsgerichtes Wien protokolliert sei. Eine entsprechende Eintragung findet sich im Übrigen auch in dem im Jupiter-Verlag erschienenen "Firmenbuch Österreich" (vgl. die für 1994 geltende 47. Ausgabe, S. 250).

Die belangte Behörde hat sich mit dem Vorbringen der beschwerdeführenden Gesellschaft nicht weiter auseinander gesetzt; sie hat insbesondere keinerlei Feststellungen getroffen, ob überhaupt, und wenn ja, bis wann ein etwaiger Pachtvertrag abgeschlossen worden sei. Dies wäre jedoch schon deshalb erforderlich gewesen, da die bloße Bestandnahme eines Betriebes keine Haftung nach § 67 Abs. 4 ASVG begründet (vgl. etwa schon das Erkenntnis vom 22. Dezember 1983, Zl. 83/08/0153).

Da die Rückstellung eines verpachteten Betriebes nach Auflösung des Pachtverhältnisses durch den Pächter an den Eigentümer nicht als Veräußerungsgeschäft zu werten ist, ist auch der Eigentümer eines Betriebes, der nach Auflösung des Pachtverhältnisses den vom Pächter geführten Betrieb weiter führt, nicht als Betriebsnachfolger nach § 67 Abs. 4 ASVG anzusehen (vgl. etwa Teschner/Widlar, Allgemeine Sozialversicherung, Anm. 2 zu § 67 Abs. 4). Hätte daher Georg T. seinen Betrieb unmittelbar nach Auflösung des behaupteten Pachtverhältnisses an die beschwerdeführende Gesellschaft veräußert, so würde diese nicht für Beitragsschulden der GmbH haften. Die beschwerdeführende Gesellschaft hätte den Betrieb des Betriebsvorgängers (GmbH) nämlich nicht auf Grund eines Veräußerungsgeschäftes mit ihm (GmbH) erworben. Anderes hätte allerdings zu gelten, wenn Georg T. seinen Kaffeehausbetrieb nach einer Verpachtung, jedoch vor Veräußerung an die beschwerdeführende Gesellschaft selbst noch betrieben hätte, wobei die offenen Beiträge entstanden wären.

Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die belangte Behörde bei Vermeidung dieses Verfahrensmangels zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Stempelgebührenersatz war wegen der sachlichen Abgabenfreiheit (§ 110 ASVG) nicht zuzusprechen.

Wien, am 29. März 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1994080109.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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