TE Vfgh Erkenntnis 1997/11/28 B1875/96

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Veröffentlicht am 28.11.1997
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Index

L7 Wirtschaftsrecht
L7200 Beschaffung, Vergabe

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
Wr LandesvergabeG §96, §97 ff, §99

Leitsatz

Verletzung im Gleichheitsrecht durch Abweisung eines Antrags auf Nachprüfung einer Zuschlagserteilung für die Lieferung von Schulmöbeln und Zurückweisung des Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung; Willkür durch leichfertige Vorbereitung und Fällung der Entscheidung und durch Widersprüchlichkeit und mangelnde Übereinstimmung der Entscheidungsfindung mit der Entscheidung

Spruch

Die beschwerdeführende Gesellschaft ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Das Land Wien ist schuldig der beschwerdeführenden Partei zu Handen ihres Rechtsvertreters die mit S 18.000,-- bestimmten Prozeßkosten binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.1. a) Aufgrund einer auf Grundlage des Wiener Landesvergabegesetzes (WLVergG), LGBl. 36/1995, im offenen Verfahren durchgeführten Ausschreibung (kundgemacht im Supplement zum Amtsblatt der EG vom 18.1.1996 und im Amtsblatt der Stadt Wien vom 25.1.1996) bewarb sich u.a. die beschwerdeführende Gesellschaft um den Zuschlag zur Lieferung bestimmter Schulmöbel. Der Zuschlag wurde anderen Bietern erteilt, was im Supplement zum Amtsblatt der EG vom 30.3.1996 kundgemacht wurde.

b) Inzwischen hatte die beschwerdeführende Gesellschaft mit einem an den Magistrat der Stadt Wien, MA 54 - Zentraler Einkauf, gerichteten Schriftsatz vom 22. März 1996 unter dem Betreff "... Verfahrenseinleitung gem. §96 Abs1 WLVergG" einen "Antrag auf unverzügliche Behebung einer Rechtswidrigkeit gem. §96 Abs1 WLVergG" und einen "Antrag auf Aussetzung der Vergabe per Einstweiliger Verfügung" gestellt. Der abschließende Absatz dieses Antrages lautet: "Sollte diese Rechtswidrigkeit nicht innerhalb der gesetzlichen Frist gem. §96 Abs2 leg.cit. behoben werden, beabsichtigen wir die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens gem. §97 ff leg.cit."

Die MA 54 leitete noch am selben Tag den Antrag an den Vergabekontrollsenat weiter, wo er ebenfalls noch am selben Tag einlangte. Überdies teilte sie - gemäß §96 Abs2 WLVergG - der einschreitenden Gesellschaft mit, warum nach Ansicht der vergebenden Stelle die behaupteten Rechtswidrigkeiten nicht vorlägen.

c) Einen weiteren Antrag stellte die beschwerdeführende Gesellschaft mit Schriftsatz vom 25. März 1996 an das "Amt der Wiener Landesregierung"; der Betreff bezog sich diesmal auf §99 Abs1 WLVergG, die Anträge entsprachen den oben wiedergegebenen Anträgen im Schriftsatz vom 22. März 1996, jedoch fehlte nunmehr der vorhin zitierte Schlußsatz. Dieser Antrag wurde an den Vergabekontrollsenat weitergeleitet, wo er am 27. März 1996 einlangte. Mit Schriftsatz vom 1. April 1996 ergänzte die beschwerdeführende Gesellschaft ihr Vorbringen.

2. Der Vergabekontrollsenat beim Amt der Wiener Landesregierung erledigte die Anträge mit Bescheid vom 12. April 1996, dessen Spruch folgendermaßen lautet:

"Der Antrag der Antragstellerin vom 25.3.1996 samt Ergänzung vom 1.4.1996 auf Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens betreffend die Auftragsvergabe durch die Antragsgegnerin vom 19.3.1996, kundgemacht am 30.3.1996, wird ebenso abgewiesen wie der damit verbundene Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung."

Begründend wird dazu ausgeführt, daß der Antrag auf Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens zwar zulässig, aber unberechtigt sei. Es sei davon auszugehen, daß die Antragstellerin erkennbar die Zuschlagserteilung anfechte, weshalb sich die Zuständigkeit des Vergabekontrollsenates gemäß §99 Abs1 Z2 WLVergG "nur darin zu beschränken (hat), ob wegen eines Verstoßes gegen das Landesvergabegesetz im Sinne der §§47 und 48 Abs2 der Zuschlag nicht dem Antragsteller als Bestbieter erteilt wurde". In knapper Auseinandersetzung mit den vorgebrachten Argumenten kommt der Vergabekontrollsenat zum Ergebnis, daß die Zuschlagserteilung entgegen dem Vorbringen der Antragstellerin an den Bestbieter erfolgte. Sodann heißt es abschließend:

"Da somit ein Verstoß der Auftraggeberin gegen die Bestimmungen der §§47 und 48 Abs2 WLVergG nicht festgestellt werden konnte, war der Antrag der Antragstellerin auf Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens abzuweisen. Da Voraussetzung für die Erlassung einer einstweiligen Verfügung die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens ist, war der gleichzeitig gestellte Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen."

3. a) Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der eine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte, insbesondere eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes und des Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter gerügt und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides begehrt wird; "in eventu" wird "beantragt", das Verfahren zu unterbrechen und eine Vorabentscheidung beim EuGH einzuholen.

b) Die belangte Behörde hat Verwaltungsakten des Vergabeverfahrens und der Vergabekontrolle vorgelegt und in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II.Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gegen Entscheidungen des Vergabekontrollsenates beim Amt der Wiener Landesregierung ist gemäß §94 Abs2 WLVergG ein Rechtsmittel nicht zulässig. Der Instanzenzug ist daher ausgeschöpft. Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist das Verfahren zulässig.

2. Der Vergabekontrollsenat beim Amt der Wiener Landesregierung ist nach §99 Abs1 WLVergG "zuständig:

1. bis zum Zeitpunkt des erfolgten Zuschlages zur Beseitigung von Rechtsverstößen im Sinne des §101 zur Erlassung von einstweiligen Verfügungen sowie zur Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen der vergebenden Stelle des Auftraggebers;

2. nach erfolgtem Zuschlag zur Feststellung, ob wegen eines Verstoßes gegen dieses Landesgesetz im Sinne der §§47 und 48 Abs2 der Zuschlag nicht dem Antragsteller als Bestbieter erteilt wurde. In einem solchen Verfahren ist der Vergabekontrollsenat ferner zuständig, auf Antrag des Auftraggebers festzustellen, ob einem übergangenen Bewerber oder Bieter auch ohne die festgestellte Rechtsverletzung der Zuschlag nicht erteilt worden wäre".

Ein Antrag auf Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens vor Zuschlagserteilung ist nur zulässig, wenn der Unternehmer vorher den Auftraggeber von der behaupteten Rechtswidrigkeit und der beabsichtigten Antragstellung unterrichtet und der Auftraggeber die behauptete Rechtswidrigkeit nicht behoben hat (§97 Abs1 WLVergG). Dieses vorgeschaltete "Rügeverfahren" ist in §96 leg.cit. geregelt.

3. a) Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz wird nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes auch dann verletzt, wenn die belangte Behörde bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat. Ein willkürliches Verhalten einer Behörde ist unter anderem dann anzunehmen, wenn das Gesamtbild des Verhaltens einer Behörde zeigt, daß sie in einer Reihe von Fragen, die für die Fällung der Entscheidung von grundlegender Bedeutung gewesen wären, leichtfertig vorgegangen ist (vgl. VfSlg. 8808/1980), insbesondere auch, wenn die Behörde ein beachtliches Parteivorbringen schlechthin ignoriert hat (VfGH 27.2.1996, B1651/95).

b) Derartige in die Verfassungssphäre reichende Fehler sind der belangten Behörde hier insbesondere aus folgenden Gründen vorzuwerfen:

aa) Der Vergabekontrollsenat ist in seinem Bescheid ohne nähere Begründung davon ausgegangen, "daß die Antragstellerin erkennbar die Zuschlagserteilung anficht", womit offenbar gemeint sein soll, daß sie ein Feststellungsbegehren nach §99 Abs1 Z2 WLVergG gestellt hat. Dies nimmt der Vergabekontrollsenat ungeachtet des Umstandes an, daß die einschreitende Gesellschaft dem Auftraggeber vor Einbringung des Nachprüfungsantrages gemäß §96 leg.cit. von der behaupteten Rechtswidrigkeit und der beabsichtigten Antragstellung unterrichtet hat, also den Weg des in §96 leg.cit. vorgesehenen Rügeverfahrens gegangen ist, das bloß für Anträge nach §99 Abs1 Z1 WLVergG vorgesehen ist. Auch der Umstand, daß die einschreitende Gesellschaft ihren Antrag auf Nachprüfung mit einem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung gemäß §100 WLVergG verbunden hat, diese aber expressis verbis nur im Verfahren nach §99 Abs1 Z1 des Gesetzes vorgesehen ist, spricht gegen die Deutung des Antrages durch die belangte Behörde.

Der Kontrollbehörde ist vorzuwerfen, daß sie den Antrag in einer bestimmten, aus den genannten Gründen nicht naheliegenden Weise gedeutet hat, ohne vom Einschreiter vorher eine Klarstellung zu verlangen und ohne die Entscheidung auch nur ansatzweise zu begründen.

bb) Für die Deutung des Antrages könnte auch das zeitliche Verhältnis des Nachprüfungsantrages und des Zuschlages bedeutsam sein, weil es von der zeitlichen Lage abhängig ist, ob ein Nachprüfungsverfahren nach §99 Abs1 Z1 (bis zum Zeitpunkt des erfolgten Zuschlages) oder nach §99 Abs1 Z2 (nach erfolgtem Zuschlag) zulässig ist. Die belangte Behörde ist auch in dieser Frage mit großer Leichtfertigkeit vorgegangen:

Soweit sich aus den dem Verfassungsgerichtshof übermittelten Akten entnehmen läßt, leidet das Verfahren am Mangel, daß unterschiedliche Auffassungen darüber bestanden, ob zum Zeitpunkt der Einbringung des Antrages und auch zum Zeitpunkt der Entscheidung des Vergabekontrollsenates die Entscheidung über die Vergabe schon getroffen war. So findet sich im Akt (Teil 1, ON 1 bis 4) ein Antrag der MA 54 vom 12. März 1996 an den Gemeinderatsausschuß zur Genehmigung der Auftragsvergabe an bestimmte Unternehmen (ohne daß in diesem Antrag eine Gegenüberstellung der Angebote enthalten wäre) und ein Vermerk, daß der Gemeinderatsausschuß "für Bürgerdienst, Inneres, Personal" den Magistratsantrag in seiner Sitzung vom 19. März 1996 angenommen habe. Die Erteilung der Auftragsvergabe wurde überdies im Supplement zum Amtsblatt der EG vom 30.3.1996 kundgemacht.

Andererseits findet sich im Akt (Teil 2, ON 64) ein mit 3. April 1996 datiertes Schreiben der MA 56 (Städtische Schulverwaltung) an die MA 54, in dem es u.a. heißt:

"Bezugnehmend auf die Mitteilung vom 2.4.1996, daß eine Auftragsvergabe für die Lieferung der Schülertische und -sessel für Schulneubauten an die Firmen erst nach der Entscheidung durch den Vergabekontrollsenat erfolgt, weist die MA 56 ausdrücklich darauf hin, daß ... die Einrichtung der Klassen unbedingt bis spätestens Mitte August 1996 erforderlich ist. ...

Die MA 56 ersucht daher, alle erforderlichen Schritte zu unternehmen, um eine raschest mögliche Auftragsvergabe an die Firmen zu gewährleisten."

Und im Beratungsprotokoll des Vergabekontrollsenates vom 12. April 1996 heißt es ausdrücklich, daß "noch nicht vergeben" wurde. Ungeachtet dessen ist in dem der beschwerdeführenden Gesellschaft zugestellten Bescheid davon die Rede, daß "der Antrag erst nach Erteilung des Zuschlages gestellt wurde".

Da die Frage des zeitlichen Verhältnisses der Einbringung des Antrages, der Zuschlagserteilung und der Entscheidung des Vergabekontrollsenates nach dem WLVergG von entscheidender Bedeutung ist, sind die im Verfahren aufgetretenen unterschiedlichen Auffassungen zur Frage des zeitlichen Verhältnisses des Nachprüfungsantrages und des Zuschlags von großem Gewicht. Daß die Behörde in einer solch wichtigen Frage mit einer derartigen Leichtfertigkeit vorgegangen ist, stellt einen gravierenden Verfahrensfehler dar.

cc) Ein gravierender Mangel haftet dem Verfahren auch insofern an, als die Willensbildung des Kollegialorgans mit der im Bescheid zum Ausdruck kommenden Auffassung der Behörde nicht übereinstimmt.

Der Beschlußfassung durch den Vergabekontrollsenat lag ein Bericht des Berichterstatters zugrunde, in dem zunächst einige (nicht alle) Phasen des Verfahrens der Auftragsvergabe chronologisch dargestellt werden; dabei berichtet der Berichterstatter, daß am 19. März 1996 die "Vergabegenehmigung" durch den zuständigen Gemeinderatsausschuß erteilt wurde, daß am 21. März 1996 eine Mitteilung der MA 54 an das Amt für Amtliche Veröffentlichungen der EG zur Bekanntmachung bereits vergebener Aufträge erfolgte und daß am 30. März 1996 "im Amtsblatt der EU die Auftragsvergabe der MA 54 an die Auftragnehmer ... erscheint".

Der Bericht leidet generell daran, daß die beiden Anträge auf Durchführung eines Rügeverfahrens nach §96 WLVergG und auf Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens nach §99 dieses Gesetzes nicht auseinandergehalten werden und daß die Frage, ob die einschreitende Gesellschaft einen Antrag auf Aufhebung von Entscheidungen gemäß §99 Abs1 Z1 WLVergG gestellt oder die Erlassung eines Feststellungsbescheides gemäß §99 Abs1 Z2 leg.cit. begehrt hat, überhaupt nicht erörtert wird.

Die von der einschreitenden Gesellschaft erhobenen Einwände werden in der Sache so behandelt, daß der jeweiligen Wiedergabe der Vorhalte die Gegenpositionen der Vergabestelle gegenübergestellt werden, denen sich der Berichterstatter in einem Punkt ohne eigene Begründung, in zwei Punkten mit kurzer Begründung anschließt; in einem Punkt hält auch der Berichterstatter die Rüge für berechtigt, vertritt jedoch die Auffassung, daß die Frist für das Geltendmachen dieses Fehlers bereits abgelaufen gewesen sei, geht also ersichtlich davon aus, daß hier ein Antrag nach §99 Abs1 Z1 WLVergG vorliegt, da nur in einem solchen Fall eine entsprechende Frist vorgesehen ist.

Abschließend wird die Ansicht vertreten, daß eine einstweilige Verfügung gemäß §100 WLVergG nicht zu empfehlen sei, doch ist die Begründung hiefür weder sprachlich noch logisch verständlich. Sie lautet:

"Zum Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung gemäß §100 WLVergG wird in Abs1 Pkt 2 für die Beurteilung der Erforderlichkeit einer solchen u.a. folgender Gesichtspunkte angeführt: 'ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an einer Fortführung des Vergabeverfahrens einschließlich der Gesichtspunkte der zeitgerechten Aufgabenerfüllung ...' Im gegenständlichen Verfahren ist jedoch nach Ansicht des Berichterstatters ein besonderes öffentliches Interesse an einer Fortführung nicht gegeben. Wie aus den Vergabeakten hervorgeht, werden die Schulmöbel u.a. auch für die Ausstattung von Schulneubauten in Wien zum 1. September 1996 dringend benötigt, somit wäre u.a. eine zeitgerechte Aufgabenerfüllung seitens der öffentlichen Hand nicht mehr gegeben."

Der Bericht endet mit dem

"ANTRAG:

der Vergabekontrollsenat möge beschließen, dem Antrag der Fa S vom 22. März 1996 hinsichtlich

1) der unverzüglichen Behebung einer Rechtswidrigkeit gem. §96 Abs1 WLVergG und

2) die Aussetzung der Vergabe per Einstweiliger Verfügung gem. §100 WLVergG nicht stattzugeben".

Diese Formulierung ist nicht nur sprachlich verunglückt, sie leidet auch daran, daß die beiden Anträge auf Einleitung eines Rügeverfahrens und eines Nachprüfungsverfahrens vermischt werden.

Auf Grundlage dieses Berichtes faßte der Vergabekontrollsenat Beschluß. Das Protokoll, das diese Beschlußfassung dokumentiert, ist vom Schriftführer und vom Vorsitzenden gezeichnet und lautet folgendermaßen:

"Beratungsprotokoll:

vom 12.04.1996, Beginn: 8.00 Uhr

ad MD BD - 2038/96 VKS

Teilnehmer laut Einladung

Einhellig ergeht der Beschluß:

Der Antrag der Einschreiterin vom 25.03.1996 auf Einleitung des Nachprüfungsverfahrens wird zurückgewiesen.

Begründung:

Einerseits wurde noch nicht vergeben, andererseits wurden die Fristen versäumt und damit konnten die behaupteten Mängel im Angebot nicht überprüft werden."

Eine Einladung, aus der die Teilnehmer hervorgehen könnten, liegt nicht im Akt. Auch erfolgte keine weitere Begründung; die Annahme, daß sich die Begründung auf den Bericht des Berichterstatters gründet, verbiete sich zum einen, weil sich der Bericht und der Beschluß auf je einen anderen Antrag beziehen, und zum anderen weil der Bericht davon ausgeht, daß schon vergeben wurde, während der Beschluß das Gegenteil behauptet.

Über den Antrag auf einstweilige Verfügung wurde laut Protokoll überhaupt nicht Beschluß gefaßt.

Der aufgrund des Beschlusses ergangene Bescheid weicht aber seinerseits in verschiedenen Punkten vom "einhelligen" Beschluß ab:

So wurde beschlossen, den Antrag auf Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens zurückzuweisen, im Spruch des Bescheides wird aber dieser Antrag ebenso wie der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung abgewiesen; in der Begründung des Bescheides findet sich dann die Formulierung, daß der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen wird.

Laut Beratungsprotokoll ist der Bescheid damit zu begründen, daß eine Vergabe noch nicht stattgefunden hat; im Bescheid selbst heißt es dazu: "Vorliegend ist davon auszugehen, daß die Antragstellerin erkennbar die Zuschlagserteilung anficht und deren Überprüfung begehrt." Ungeachtet dessen wird in weiterer Folge in der Begründung des Bescheides darauf hingewiesen, daß auf die Behauptung des Vorliegens einiger Rechtswidrigkeiten nicht einzugehen war, da derartige Anträge spätestens zwei Wochen vor Ablauf der Bewerbungs- bzw. Angebotsfrist einzubringen seien. Gerade für Feststellungsverfahren gemäß §99 Abs1 Z2 WLVergG gelten aber derartige Fristen nicht.

c) Allein die unter litb hervorgehobenen Umstände zeigen, daß die Fehlerhaftigkeit des Verfahrens und des Bescheides derart gravierend ist, daß der Behörde im Sinn der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes Willkür vorzuwerfen ist. Die Leichtfertigkeit, mit der der Vergabekontrollsenat beim Amt der Wiener Landesregierung seine Entscheidung vorbereitet und getroffen hat, sowie die Widersprüchlichkeit und mangelnde Übereinstimmung der Entscheidungsfindung mit der Entscheidung erreichen ein Ausmaß, das die Entscheidung als qualifiziert rechtswidrig erscheinen läßt: Der Bescheid war daher wegen Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz durch willkürliches Vorgehen der Behörde aufzuheben.

4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von

S 3.000,-- enthalten.

5. Die Entscheidung konnte, da die Rechtsfragen durch die bisherige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes bereits genügend klargestellt sind, ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung getroffen werden (§19 Abs4 Z2 VerfGG).

Schlagworte

Vergabewesen, Kollegialbehörde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1997:B1875.1996

Dokumentnummer

JFT_10028872_96B01875_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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