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37/02 KreditwesenNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Abweisung der Anträge auf Aufhebung (von Teilen) einer Bestimmung des FinanzmarktstabilitätsG betreffend die Haftungsbeschränkung zugunsten des Landes Kärnten bei Erwerb von Schuldtiteln der früheren Kärntner Hypo (nunmehr Heta); Annahme des Rückkaufangebots des Kärntner Ausgleichszahlungs-Fonds für den Erwerb der Schuldtitel durch eine qualifizierte Mehrheit von Gläubigern und gleichzeitige Beschränkung des Haftungsanspruchs auf eine Ausgleichszahlung von 10,97% bei Ablehnung des Angebots ("Außenseiterwirkung") verhältnismäßig und sachlich gerechtfertigt; keine unfaire und unsachliche Verhandlungsposition für Inhaber von Schuldtiteln im Angebotsverfahren; Rechtswirkungen der "Außenseiterwirkung" zur Regelung der zivilrechtlichen Wirksamkeit dieser Forderungen kompetenzrechtlich unbedenklich; mangelnde Überprüfbarkeit der Rechtmäßigkeit eines abzuschließenden Rechtsgeschäfts bzw der Verfassungsmäßigkeit der relevanten gesetzlichen Regelungen vor Abgabe zivilrechtlich bindender rechtsgeschäftlicher Erklärungen nicht verfassungswidrig; kein Verstoß der Regelung gegen das BestimmtheitsgebotSpruch
Die Anträge werden abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Antrag
1. In dem zu G248/2017 protokollierten, auf Art140 Abs1 Z1 litd B-VG gestützten Antrag begehrt die antragstellende Gesellschaft, der Verfassungsgerichtshof möge
"im FinStaG idF BGBl I Nr 69/2016 als verfassungswidrig aufheben:
(a) §2a Abs5 Satz 1 (zur Gänze) sowie in §2a Abs5 Satz 2 die Wortfolge 'und jene Inhaber, die das Angebot abgelehnt haben';
(b) in eventu
? §2a Abs5 FinStaG in seiner Gesamtheit;
? in §2a Abs4 FinStaG die Wortfolge 'und es treten die nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes damit verbundenen Rechtswirkungen ein';
? in §2a Abs6 Z2 FinStaG die Wortfolgen 'zur gesamten Hand' und 'auf die im Angebot nach Abs2 Z2 ausgewiesene Ausgleichszahlung';
sub-eventualiter die Wortfolgen 'und ihnen gegen die unmittelbar auf Grund eines Gesetzes zur Haftung verpflichteten Rechtspersonen zur gesamten Hand ein Anspruch auf die im Angebot nach Abs2 Z2 ausgewiesene Ausgleichszahlung zusteht';
sub-sub-eventualiter §2a Abs6 Z2 FinStaG in seiner Gesamtheit;
? in §2a Abs6 Z3 FinStaG die Wortfolgen 'gleichgültig ob', 'Inhaber' und 'oder abgelehnt';
sub-eventualiter die Wortfolgen 'und allen anderen Inhabern' sowie ', gleichgültig ob die Inhaber das Angebot angenommen oder abgelehnt haben';
sub-sub-eventualiter §2a Abs6 Z3 FinStaG in seiner Gesamtheit aufzuheben.
(c) in eventu
§2a in seiner Gesamtheit und in §9 FinStaG die Wortfolge 'hinsichtlich §2a der Bundesminister für Finanzen und der Bundesminister für Justiz gemeinsam,'" (im Original abweichende Hervorhebungen).
2. In dem zu G2/2018 protokollierten, auf Art140 Abs1 Z1 litd B-VG gestützten Antrag begehrt die antragstellende Gesellschaft, der Verfassungsgerichtshof wolle
"im Finanzmarktstabilitätsgesetz - FinStaG, ArtII des Bundesgesetzes, BGBl I 136/2008,
? §2a idF BGBl I 69/2016 zur Gänze,
? in eventu §2a Abs4 und Abs5, jeweils idF BGBl I 127/2015,
? in eventu §2a Abs5 idF BGBl I 127/2015 sowie den Satzteil 'und es treten die nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes damit verbundenen Rechtswirkungen ein' in §2a Abs4 idF BGBl I 127/2015,
? in eventu §2a Abs5 idF BGBl I 127/2015,
? in eventu §2a Abs5 Satz 1 und Satz 2, jeweils idF BGBl I 127/2015,
als verfassungswidrig aufheben, sowie
dem Bund den Ersatz der regelmäßig anfallenden Kosten im Sinne des §27 VfGG zu Handen der Antragstellervertreter auferlegen" (im Original keine Hervorhebungen).
3. In den zu G55/2018 und G56/2018 protokollierten, auf Art140 Abs1 Z1 litd B-VG gestützten Anträgen werden zu G248/2017 idente Anträge auf Aufhebung von näher bezeichneten (Teilen von) Bestimmungen des FinStaG gestellt.
II. Rechtslage
Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über Maßnahmen zur Sicherung der Stabilität des Finanzmarktes (Finanzmarktstabilitätsgesetz – FinStaG), BGBl I 136/2008 idF BGBl I 69/2016, lauten:
"Grundlagen für Stabilisierungsmaßnahmen
§1. (1) Der Bundesminister für Finanzen ist ermächtigt, zur Behebung einer beträchtlichen Störung im Wirtschaftsleben Österreichs, zur Sicherstellung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts sowie zum Zweck des Schutzes der österreichischen Volkswirtschaft Maßnahmen zur Rekapitalisierung von betroffenen Rechtsträgern zu ergreifen. Betroffene Rechtsträger im Sinne dieses Gesetzes sind:
1. Kreditinstitute gemäß §1 Abs1 Bankwesengesetz (BWG), BGBl Nr 532/1993, auf welche die Bestimmungen des Sanierungs- und Abwicklungsgesetzes (BaSAG), BGBl I Nr 98/2014 nicht anwendbar sind, und
2. Versicherungsunternehmen gemäß §1 Abs1 Z1 des Versicherungsaufsichtsgesetzes 2016 (VAG 2016), BGBl I Nr 34/2015.
(2) Der Bundesminister für Finanzen ist ermächtigt, Maßnahmen gemäß §2 Abs1 Z1 bis 6 für eine Abbaueinheit gemäß §3 des Bundesgesetzes zur Schaffung einer Abbaueinheit (GSA), BGBl I Nr 51/2014, zu ergreifen, wenn dies zur Erreichung der Abbauziele erforderlich ist. Er ist unter dieser Voraussetzung weiters zur Übernahme von Haftungen für vertragliche Zusagen der Hypo Alpe-Adria-Bank International AG ermächtigt.
(3) Der Bundesminister für Finanzen ist weiters ermächtigt, Maßnahmen gemäß §2 Abs1 Z1 bis 6
1. für Rechtsträger, an denen er aufgrund von Maßnahmen gemäß §2 Abs1 Z4 oder 5 Gesellschaftsanteile hält,
2. für Abbaugesellschaften gemäß §2 Abs4 ABBAG-Gesetz, BGBl I Nr 51/2014 oder
3. für die ABBAG – Abbaumanagementgesellschaft des Bundes
zu ergreifen, sofern diese Maßnahmen nach dem Rechtsrahmen der Europäischen Union für staatliche Beihilfen zulässig sind.
(4) Auf Maßnahmen nach diesem Bundesgesetz besteht kein Rechtsanspruch.
[...]
§2a. (1) Der Bundesminister für Finanzen ist ermächtigt, Schuldtitel rechtsgeschäftlich zu erwerben, wenn dies nach den in §1 genannten öffentlichen Interessen geboten ist und dadurch nach Art13 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl Nr 1/1930, zur Herstellung oder Sicherstellung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts sowie zu nachhaltig geordneten Haushalten beigetragen werden kann. Schuldtitel im Sinne dieses Paragraphen sind Forderungsrechte, die eine zumindest nachrangige Verbindlichkeit eines Rechtsträgers nach §1 begründen und unmittelbar durch eine durch Landesgesetz angeordnete Haftung besichert sind.
(2) Der Erwerb ist durch die öffentliche Bekanntmachung der Angebote einzuleiten. Für Schuldtitel, die Verbindlichkeiten gleichen Rangs begründen und für die die identen Rechtspersonen unmittelbar durch Landesgesetz zur Haftung verpflichtet sind, ist jeweils ein Angebot bekanntzumachen. Die Angebote haben die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Rechtsträgers und der gesetzlich zur Haftung verpflichteten Rechtspersonen angemessen zu berücksichtigen. Sofern die dem Schuldtitel zugrundeliegenden vertraglichen Bedingungen eine bestimmte Form der Bekanntmachung vorsehen, hat die öffentliche Bekanntmachung auch dieser zu entsprechen. Der öffentlichen Bekanntmachung müssen nachfolgende Angaben zum Angebot entnommen werden können:
1. Die genaue Bezeichnung der vom Angebot erfassten Schuldtitel und der Rang der dadurch jeweils begründeten Verbindlichkeit samt Bezeichnung der vertraglichen Grundlage,
2. die Gegenleistungen für den Erwerb der Schuldtitel und der darauf entfallende Anteil, der als Ausgleichszahlung für den Übergang der durch Gesetz angeordneten Haftungen geleistet wird,
3. der Zeitpunkt der Fälligkeit der Gegenleistung und der darauf entfallenden Ausgleichszahlung,
4. die Erklärung, dass ein im Angebot festgesetzter angemessener Anteil an der Differenz zwischen der Gegenleistung nach Z2, abzüglich der Ausgleichszahlung, und den Zahlungen aus der Abwicklung des Rechtsträgers nach §1 von dem Erwerber an die Inhaber der Schuldtitel, die das Angebot angenommen haben, binnen vier Wochen nach rechtskräftiger Beendigung der Abwicklung des Rechtsträgers geleistet wird,
5. der Hinweis, dass alle Haftungs- und Sicherungsansprüche, die zwischen dem Inhaber des Schuldtitels und den haftenden Rechtspersonen bestehen, im Erwerbsfall auf den Erwerber übergehen,
6. die Frist nach Abs3, die zur Annahme des Angebotes zur Verfügung steht, und jene Stelle, der die Annahme innerhalb dieser Frist zugehen muss,
7. Angaben, in welcher Weise das Recht zur Verfügung über den Schuldtitel nachzuweisen ist,
8. allfällige weitere Bedingungen, von denen der Erwerb der Schuldtitel zur Sicherstellung der Gleichbehandlung aller Inhaber der Schuldtitel abhängig gemacht wird,
9. die Erklärung der Rechtspersonen, die für die vom Angebot erfassten Schuldtitel unmittelbar auf Grund landesgesetzlicher Anordnungen haften, mit dem Angebot und dem darin festgesetzten Ausgleichsbetrag einverstanden zu sein,
10. die Erklärung der Rechtspersonen, die für die vom Angebot erfassten Schuldtitel unmittelbar auf Grund landesgesetzlicher Anordnungen haften, dass die im Angebot enthaltene Ausgleichszahlung ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit entspricht, und eine Bestätigung des gesetzlich zur Prüfung der Gebarung des Rechtsträgers bestimmten Organs oder eines Wirtschaftsprüfers, dass die Angaben in der Erklärung der Rechtsperson vollständig sind und
11. ein ausdrücklicher Hinweis auf die Bedingung nach Abs4 und die Rechtsfolgen nach Abs5.
(3) Die Inhaber der Schuldtitel können sich nach öffentlicher Bekanntmachung binnen einer in der Bekanntmachung zwischen vier und acht Wochen zu bestimmenden Frist zum Angebot äußern und schriftlich oder in der im Angebot festgelegten Form erklären, ob sie das Angebot annehmen oder ablehnen. Das Beifügen einer Bedingung zur Erklärung der Annahme ist unwirksam und macht die Annahme ungültig. Eine Erklärung kann bis zum Ablauf der Frist zurückgezogen oder geändert werden.
(4) Der Erwerb der Schuldtitel erfordert, dass
1. jedes Angebot jeweils von zumindest einem Viertel des Gesamtnominales der vom Angebot erfassten Schuldtitel angenommen wird und
2. dadurch auch eine qualifizierte Mehrheit von zumindest zwei Drittel des kumulierten Gesamtnominales der von allen Angeboten erfassten Schuldtitel zustimmt.
Schuldtitel, für die keine oder eine ungültige Erklärung innerhalb der Frist des Abs3 abgegeben wurde, sind dabei als Ablehnung des Angebotes zu berücksichtigen. Die Annahme der Angebote durch eine qualifizierte Mehrheit ist nach Abs2 öffentlich bekanntzumachen. Mit dem Zeitpunkt der Bekanntmachung erfolgt der Erwerb der Schuldtitel der qualifizierten Mehrheit und es treten die nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes damit verbundenen Rechtswirkungen ein.
(5) Nach Eintritt der Bedingungen des Abs4 können die Inhaber von Schuldtiteln von den unmittelbar aufgrund eines Gesetzes zur Haftung verpflichteten Rechtspersonen den die Ausgleichszahlung übersteigende Ausfall, den die Inhaber von Schuldtiteln beim Rechtsträger nach §1 erleiden, nicht mehr fordern. Eine Zwangsvollstreckung durch den Erwerber und jene Inhaber, die das Angebot abgelehnt haben, ist gegen die unmittelbar auf Grund eines Gesetzes zur Haftung verpflichteten Rechtspersonen nur mehr bis zur Höhe der Ausgleichszahlung zulässig, die nach Abs2 Z2 im Angebot ausgewiesen wurde. Die Rechtswirkungen treten auch ein, wenn eine Rechtsperson durch Bundes- oder Landesgesetz zum Erwerb der Schuldtitel ermächtigt wird und der Erwerb der Schuldtitel durch diese nach den vorstehenden Bestimmungen erfolgt.
(6) Auf Antrag des Erwerbers der Schuldtitel, eines Inhabers eines Schuldtitels oder einer zur Haftung verpflichteten Rechtsperson hat das für die unmittelbar gesetzlich haftende Rechtsperson örtlich zuständige Gericht nach dem Bundesgesetz über das gerichtliche Verfahren in Rechtsangelegenheiten außer Streitsachen (Außerstreitgesetz – AußStrG), BGBl I Nr 111/2003, mit nach Abs2 auch öffentlich bekanntzumachendem Beschluss festzustellen, dass
1. die nach dem Gesetz erforderliche qualifizierte Mehrheit der Inhaber das Angebot zum Erwerb der Schuldtitel angenommen hat,
2. den Inhabern, die das Angebot abgelehnt haben, weiterhin gegen den Rechtsträger, der aus dem jeweiligen Schuldtitel vertraglich verpflichtet ist, ein Anspruch in Höhe dieses Schuldtitels zukommt und ihnen gegen die unmittelbar auf Grund eines Gesetzes zur Haftung verpflichteten Rechtspersonen zur gesamten Hand ein Anspruch auf die im Angebot nach Abs2 Z2 ausgewiesene Ausgleichszahlung zusteht und
3. in Bezug auf die Schuldtitel, für die das Angebot zum Erwerb von der qualifizierten Mehrheit angenommen wurde, die unmittelbar auf Grund eines Gesetzes zur Haftung verpflichteten Rechtspersonen von ihren Verbindlichkeiten gegenüber dem Erwerber und allen anderen Inhabern befreit sind, für einen die Ausgleichszahlung übersteigenden Ausfall aus den Schuldtiteln zu haften, gleichgültig ob die Inhaber das Angebot angenommen oder abgelehnt haben.
[...]
Vollziehung
§9. Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes ist hinsichtlich der Befreiung von Gebühren nach dem GGG 1984 sowie hinsichtlich §2 Abs2 betreffend der Durchführung des gerichtlichen Neufestsetzungsverfahrens der Bundesminister für Justiz, hinsichtlich der Erlassung einer Verordnung gemäß §2 Abs2 der Bundesminister für Finanzen im Einvernehmen mit dem Bundeskanzler, hinsichtlich §2a der Bundesminister für Finanzen und der Bundesminister für Justiz gemeinsam, mit der Vollziehung der übrigen Bestimmungen der Bundesminister für Finanzen betraut."
III. Sachverhalt, Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Der Antrag zu G248/2017
1.1. Die antragstellende Gesellschaft ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Deutschland und institutioneller Krankenversicherer. Sie ist Inhaberin eines nachrangigen Schuldscheins der HETA ASSET RESOLUTION AG (vormals u.a. "Hypo Alpe-Adria-Bank International AG"; im Folgenden: HETA) vom 8. August 2005, zur Rückzahlung fällig gewesen am 8. August 2017.
Die antragstellende Gesellschaft ist klagende Partei in einem Verfahren vor dem Landesgericht Klagenfurt. Mit der erstbeklagten Partei, der HETA, wurde im Laufe des Verfahrens Ruhen vereinbart. Mit Urteil vom 29. August 2017, berichtigt mit Beschlüssen vom 4. September 2017 sowie 12. September 2017, stellte das Landesgericht Klagenfurt fest, dass die zweitbeklagte Partei, das Land Kärnten, und die drittbeklagte Partei, die Nachtragsverteilungsmasse (vormals u.a. "Sondervermögen Kärnten Fonds in Abwicklung" und "Kärntner Landes- und Hypothekenbank-Holding – Kärntner Landesholding"), als Ausfallsbürgen gemäß §1356 ABGB für sämtliche Verbindlichkeiten der HETA gegenüber der Klägerin aus dem genannten Schuldschein bis zur Höhe der Ausgleichszahlung im Sinne des §2a FinStaG solidarisch haften. Das darüber hinausgehende Feststellungsbegehren, das Land Kärnten und die Nachtragsverteilungsmasse haften über die Ausgleichszahlung hinaus unbeschränkt, wies das Landesgericht Klagenfurt ab.
1.2. Das Landesgericht Klagenfurt begründet sein Urteil im Wesentlichen damit, dass die Ausfallshaftung des Landes Kärnten und der Nachtragsverteilungsmasse nicht erloschen, sondern durch Herabsetzung reduziert worden sei. Das Prozesshindernis der rechtskräftig entschiedenen Sache auf Grund des rechtskräftigen Beschlusses des Außerstreitgerichtes vom 10. Oktober 2016 bestehe nicht, weil dieser Beschluss nicht dieselbe Rechtssache betreffe, die einer neuerlichen Entscheidung entgegenstünde. Bindungswirkung sei nicht mit rechtskräftig entschiedener Rechtssache gleichzusetzen.
Die Ausfallsbürgschaft des Landes Kärnten und der Nachtragsverteilungsmasse sei durch das Kärntner Landesholding-Gesetz (im Folgenden: K-LHG) gesetzlich begründet. Ein durch Gesetzesänderung allfällig eintretender Entfall der Ausfallsbürgschaft nach §5 Abs3 K-LHG iVm §95 Abs3 BaSAG könne nur pro futuro wirken, eine rückwirkende Entwertung der Ausfallsbürgschaft liege nicht vor.
Auf Grund der rechtswirksamen Bekanntmachung der Annahme der Angebote durch die die erforderlichen Zustimmungsquoren weit übersteigenden Mehrheiten seien die Rechtswirkungen des §2a Abs5 FinStaG ex lege eingetreten. Die klagende Partei könne daher mit der rechtskräftigen Bekanntmachung der Annahmeergebnisse vom Land Kärnten und der Nachtragsverteilungsmasse nach Eintritt aller Angebotsbedingungen über die Ausgleichszahlung aus dem Angebot hinaus keine Beträge aus der Ausfallshaftung einfordern. Die im Urteilsspruch zugesprochene Haftung nur bis zur Höhe der Ausgleichszahlung stelle kein aliud, sondern ein Minus gegenüber der geltend gemachten unbeschränkten Haftung dar.
Das Landesgericht Klagenfurt führt weiters aus, dass eine Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof unterbleiben habe können, weil keine Bedenken gegen die Bestimmungen des FinStaG bestünden. Gerichtsnotorisch sei, dass im Falle der unbeschränkten Haftungen des Landes Kärnten und der Nachtragsverteilungsmasse für alle nicht nachrangigen und nachrangigen Gläubiger im vollen Umfang die Zahlungsunfähigkeit des Landes Kärnten gedroht hätte. Im Falle einer Insolvenz eines österreichischen Bundeslandes könne die österreichische Finanzmarktstabilität gefährdet sein.
1.3. Die antragstellende Gesellschaft begründet ihren auf Art140 Abs1 Z1 litd B-VG gestützten Antrag im Wesentlichen wie folgt:
1.3.1. Die Prozessvoraussetzungen lägen vor. Der antragstellenden Gesellschaft komme zweifelsfrei Parteistellung im Anlassverfahren vor dem Landesgericht Klagenfurt zu. Das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt in der Fassung der zwei berichtigenden Beschlüsse stelle eine erstinstanzliche Entscheidung eines ordentlichen Gerichts dar. Die antragstellende Gesellschaft habe außerdem am selben Tag wie dem der Einbringung des Antrags gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B-VG an den Verfassungsgerichtshof Berufung gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt erhoben. Sowohl die Berufung als auch der Antrag an den Verfassungsgerichtshof seien binnen der Berufungsfrist von vier Wochen gemäß §464 Abs1 ZPO und damit rechtzeitig eingebracht worden. Das vorliegende Verfahren sei auch nicht von einem Ausnahmetatbestand nach §62a Abs1 Z1 bis 10 VfGG erfasst.
Das Landesgericht Klagenfurt begründe sein Urteil im Wesentlichen damit, dass die Kärntner Landeshaftung zwar grundsätzlich aufrecht bestehe, die Forderung der antragstellenden Gesellschaft jedoch zufolge des Erreichens der Annahmequoren nach §2a Abs4 FinStaG gemäß §2a Abs5 FinStaG auf die Höhe der Ausgleichszahlung reduziert worden sei. Das Landesgericht Klagenfurt habe demnach der Klage der antragstellenden Gesellschaft nur auf Grund der Rechtswirkungen des §2a Abs5 FinStaG bloß teilweise stattgegeben. Die Anwendung des §2a Abs5 FinStaG führe, insbesondere auf Grund der angefochtenen Wortfolgen, zu einer gegenüber dem geltend gemachten Anspruch geringeren Anspruchshöhe. Nach einer Aufhebung der angefochtenen Wortfolgen in §2a FinStaG (in eventu des gesamten §2a FinStaG) hätten die ordentlichen Gerichte der Klage im fortgesetzten Verfahren zur Gänze stattzugeben.
1.3.2. In der Sache macht die antragstellende Gesellschaft geltend, dass die angefochtenen Wortfolgen auf Grund einer Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Eigentumsgrundrechts (Art5 StGG, Art1 1. ZPEMRK, Art17 GRC), des Gleichheitsgrundsatzes (Art2 StGG, Art7 B-VG, Art14 EMRK), des Rechts auf ein faires Verfahren (Art6 EMRK) und eine wirksame Beschwerde (Art13 EMRK), weiters auf Grund eines Verstoßes gegen das Legalitätsprinzip (Art18 B-VG), die Kompetenzverteilung der Bundesverfassung sowie das Rechtsstaatsprinzip verfassungswidrig seien. Sie begründet dies wie folgt (im Original Hervorhebungen):
"2. Verletzung des Grundrechts auf Eigentum
2.1 Schutzbereich und Eingriff
Dieses verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht beruht sowohl auf Art5 des Staatsgrundgesetzes über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger (StGG) als auch auf Art1 des Ersten Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention (1. ZP-EMRK) sowie Art17 der Europäischen Grundrechtecharta (GRC[...]).
'Eigentum' im verfassungsrechtlichen Sinn und damit vom Schutzbereich des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes umfasst sind alle vermögenswerten Privatrechte. Die Landeshaftung des §5 Abs2 und §4 K-LHG stellt für die Antragstellerin ein solches vermögenswertes Privatrecht und einen hohen vermögensrechtlichen Wert dar, bietet sie ihr doch eine rechtliche Sicherheit bei Ausfall der Erstantragsgegnerin als Hauptschuldnerin[...]. Sie fällt somit in den Bereich des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes.
Durch den in §2a Abs5 FinStaG vorgesehenen Haftungsschnitt auch gegenüber der Antragstellerin, obwohl diese das Rückkaufangebot des KAF nicht angenommen hat, statuiert der Gesetzgeber per se einen Eingriff in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Eigentumsrecht und verletzt dieses auch (wie in der Folge gezeigt wird; der Haftungsschnitt ist auch der zentrale Zweck des §2a FinStaG, weshalb diese Regelung in den Medien auch als 'Holdout-Gesetz' bezeichnet wurde).[...]
Der Eingriff ist im vorliegenden Fall insbesondere für nachrangige Gläubiger, die nichts aus dem Erlös der Abwicklung der Erstantragsgegnerin erhalten, gravierend.
? Aus Sicht eines das Angebot vom 6.9.2016 ablehnenden Nachranggläubigers – wie der Antragstellerin – reduziert sich dessen Forderung gegenüber dem Zweit- und Drittantragsgegner aus der landesgesetzlichen Ausfallshaftung um 89,03% auf eine Ausgleichszahlung von 10,97% des Barwerts der Forderung (Nominale zuzüglich vertragliche Zinsen bis 1.3.2015).
? Ein das Angebot annehmender Nachranggläubiger verlor je nachdem, welches Angebot er annahm, rund 55% oder gar 70% seiner Forderung. Diese Vermögenseinbuße beruht zwar auf einer privatrechtlichen Verzichtserklärung des Gläubigers. Die Entscheidung des Gläubigers wird aber entscheidend vom Risiko des im Fall des Erreichens der Quoren nach §2a Abs4 FinStaG drohenden Haftungsschnitts beeinflusst. Denn ein Gläubiger, der das Angebot seinerseits nicht angenommen hat, wird auf die mit 10,97% bezifferte Ausgleichszahlung verwiesen, erhält also nochmals um rund drei Viertel weniger als den Angebotspreis.
Es liegt ein gesetzlich angeordneter Eigentumseingriff vor, da das Erlöschen von 89,03% der Landeshaftung zu Lasten der das Angebot nicht annehmenden Gläubiger zu einer korrespondierenden Schuldbefreiung und damit zu einer Vermögensverschiebung zugunsten des Zweit- und Drittantragsgegners (also aufgrund Gesetzes konstituierten juristischen Personen des öffentlichen Rechts) führt. Gleichzeitig handelt es sich im Sinne des Art1 Abs1 1. ZP-EMRK um eine 'Eigentumsentziehung'.
Bemerkenswert ist, dass die gegenständliche Enteignung bzw Eigentumsentziehung im vorliegenden Fall eine besondere Eingriffsintensität erreicht. Die antragsgegenständlichen Verbindlichkeiten wurden nämlich gerade wegen ihrer bisherigen gesetzlichen Einstufung als 'mündelsicher' gemäß §217 Z1 ABGB[...] erworben. Diese Mündelsicherheit folgte aus der durch das K-LHG gesetzlich statuierten Kärntner Landeshaftung. Diese wird nun durch das FinStaG konterkariert. Mit anderen Worten: Derselbe Gesetzgeber hat diese Mündelsicherheit der antragsgegenständlichen Verbindlichkeiten einerseits geschaffen, andererseits nachträglich völlig entwertet (gemessen am konkreten [zweiten] Rückkaufangebot entspricht die Entwertung 89,03%).
Der vorliegende Eingriff in den Schutzbereich des Grundrechts durch Statuierung eines Haftungsschnitts betreffend die Kärntner Landeshaftung begründet somit einen Eingriff, der letztendlich eine (verfassungswidrige) Verletzung des Grundrechts darstellt. Dies ist das Ergebnis der in der Folge dargestellten Verhältnismäßigkeitsprüfung[...].
2.2 Der Eingriff liegt nicht im öffentlichen Interesse
Das 'gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht' Österreichs ist jetzt und wäre auch in der Vergangenheit durch die Haftung des Landes Kärnten nicht bedroht gewesen.
Nach Art13 Abs2 Satz 1 B-VG haben Bund, Länder und Gemeinden bei ihrer Haushaltsführung die Sicherstellung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes und nachhaltig geordnete Haushalte anzustreben. Die Sicherstellung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes und nachhaltig geordneter Haushalte können zwar für sich betrachtet ein öffentliches Interesse sein, das die gesetzliche Schaffung eines Schuldenregulierungsverfahrens unter Gleichbehandlung aller Gläubiger sachlich rechtfertigen kann So hat der VfGH in Rz 315 des Erk VfSlg 20.000 ausgesprochen ([...]): [...]
Nicht im öffentlichen Interesse liegt aber ein als 'Schuldenregulierungsverfahren' getarnter, selektiver Haftungsschnitt, der – wie vom Gesetzgeber mit §2a FinStaG vorgesehen – einer bestimmten Gruppe von Gläubigern im Vergleich zur Gesamtheit aller Gläubiger ein Sonderopfer auferlegt und daher das zentrale, vom VfGH aufgestellte Erfordernis der Gleichbehandlung aller Gläubiger konkret verletzt. Erschwerend kommt dazu das Fehlen jeglicher Rechtsschutzgarantien für die betroffenen Gläubiger.
2.3 Das gewählte Mittel ist nicht zur Zielerreichung geeignet
Selbst wenn (was die Antragstellerin bestreitet) ein legitimes öffentliches Interesse – etwa in Gestalt des Schutzes des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts – vorliegen würde, wäre das gewählte Mittel eines Haftungsschnitts, der vorwiegend internationale Finanzinstitutionen (einschließlich der IBRD – International Bank for Reconstruction and Development), darunter weit überwiegend deutsche Gläubiger[…] trifft, nicht zu dessen Erreichung geeignet. Insgesamt führt der gesetzlich angeordnete Haftungsschnitt nämlich zu einem massiven Verlust von Vertrauen von Investoren in die Leistungswilligkeit und -fähigkeit österreichischer Gebietskörperschaften an den internationalen Finanzmärkten, wodurch deren Refinanzierungsfähigkeit und -konditionen in Mitleidenschaft gezogen werden.
Dadurch kommt es aber auch zu Kollateralschäden bei Refinanzierungsfähigkeit und -konditionen anderer österreichischer Institutionen. Die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) hielt dazu in ihren Financial Stability Reports 30 und 31 fest:[…]
Damit wird das in den Gesetzesmaterialien zur Rechtfertigung des Haftungsschnitts ausgewiesene, angebliche 'öffentliche Interesse' an der Finanzmarktstabilität und an den verfassungsrechtlichen Zielen des Art13 B-VG zunichte gemacht, wenn nicht sogar ins Gegenteil verkehrt, da die öffentlichen Haushalte durch erhöhte Refinanzierungskosten sogar noch höher belastet werden und auch anderen österreichischen Institutionen höhere Refinanzierungskosten entstehen (womit eine höhere volkswirtschaftliche Belastung entsteht).
Auch die zwischenzeitige Rating-Verbesserung des Zweitantragsgegners darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass der internationale Finanzmarkt die Bonität österreichischer Bundesländer auf lange Sicht anders beurteilen wird als in der älteren Vergangenheit. Der Finanzplatz Österreich hat durch den Fall 'Hypo Alpe Adria' gelitten und es wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen, bis er sich davon erholt haben wird.[…]
Zuzugestehen ist: Zwar könnte ein Schuldenregulierungsverfahren für Bundesländer (ungeachtet der soeben dargestellten Ansicht der Antragstellerin) nach dem Vorbild der Insolvenzordnung grundsätzlich geeignet sein, zur Restrukturierung von Schulden eines Bundeslandes beizutragen, die es nicht aus eigener Kraft tragen kann. Diese Voraussetzung wäre aber nur dann erfüllt, wenn es sich dabei im Einklang mit der Rechtsprechung des VfGH um ein die Gläubigergleichbehandlung wahrendes Verfahren handeln würde, bei dem alle Gläubiger gleichermaßen zum Ausgleich der Schuldensituation beitragen. Dies ist jedoch aus weiter unten näher genannten Gründen hier nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen selektiven Haftungsschnitt, der bestimmten (nicht allen) Gläubigern gegen ihren Willen und ohne jegliche Rechtsschutzgarantien aufgezwungen wird.
Der stärkste Kritikpunkt an der Eignung der vom Gesetzgeber ergriffenen Maßnahmen ist jedoch aus rechtsstaatlicher Sicht anzubringen. Weder Bund noch die Zweitantragsgegnerin haben sich – obwohl an die Grundrechte direkt gebunden – um die Wahrung der Interessen der Minderheit der Gläubiger der Erstantragsgegnerin bemüht, nämlich der Halter von nachrangigen Schuldtiteln. Statt seit langem bestehende insolvenzrechtliche Grundsätze eines den Rechtsschutz wahrenden Schuldenregulierungsverfahrens zu beachten zogen sie es vor, dieselben unter dem Deckmantel eines (angeblichen) Schuldenregulierungsverfahrens 'sui generis' über Bord zu werfen und mit §2a FinStaG eine Regelung zu schaffen, die gegen die Vorgaben des VfGH im Erk VfSlg 20.000 verstößt und obendrein keinerlei verfahrensrechtliche Vorkehrungen zur Sicherstellung der Gläubigergleichbehandlung enthält. Diese Defizite der angefochtenen Regelung machen die Bestimmung aus rechtsstaatlicher Sicht ungeeignet zur Erreichung der vom Gesetzgeber verfolgten Ziele.
2.4 Das gewählte Mittel ist nicht das gelindeste zur Erreichung des Ziels
Selbst wenn man im konkreten Fall das Vorliegen eines öffentlichen Interesses bejahen würde, kann eine Herabsetzung von rechtswirksam bestehenden Forderungen nur dann das gelindeste Mittel zur Zielerreichung sein, wenn erstens dem Gleichbehandlungsgrundsatz aller Gläubiger des betroffenen Bundeslandes voll Rechnung getragen wird und zweitens die Rechte der Gläubiger durch ein nach rechtsstaatlichen Grundsätzen geführtes Verfahren mit wirksamen Rechtsbehelfen gewahrt werden.
Auch diese Voraussetzungen erfüllt §2a FinStaG im konkreten Fall nicht. Denn wie unten noch zu zeigen sein wird, wirkt ein Haftungsschnitt gemäß §2a Abs5 FinStaG ausschließlich zu Lasten der Gläubiger des Zweit- und Drittantragsgegners, die aus einer landesgesetzlich begründeten Haftung berechtigt sind, während alle anderen Gläubiger des Zweit- und Drittantragsgegners davon unberührt bleiben und Aussicht auf volle Befriedigung ihrer Forderungen haben. Besonders drastisch ist diese Ungleichbehandlung im Vergleich zu nicht geschnittenen Gläubigern von Schuldtiteln, die erst 2014 begeben wurden, als die Probleme rund um die Landeshaftung bereits bekannt waren, womit deren Schutzwürdigkeit weit niedriger ist als jene der Antragstellerin ([...]). Damit müssen die vom Haftungsschnitt des §2a Abs5 FinStaG betroffenen Gläubiger aber übermäßig zur 'Restrukturierung' des Zweit- und Drittantragsgegners beitragen, sodass ihnen gegenüber kein geringstmöglicher Eingriff in das Grundrecht auf Eigentum vorliegen kann, sondern umgekehrt werden sie verpflichtet, ein 'Sonderopfer' zu erbringen.
2.5 Interessenabwägung schlägt zugunsten der Antragstellerin aus (Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn)
Selbst wenn – was die Antragstellerin wiederum bestreitet – alle vorangegangenen Kriterien erfüllt wären, müssten die angefochtenen Regelungen der Prüfung im Rahmen der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn (Adäquanz) standhalten. Dies ist nicht der Fall, da zwischen dem proklamierten öffentlichen Interesse an der – vordergründigen – Sicherung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts und an der – hintergründigen – Schonung öffentlicher Mittel und der durch den Eingriff verkürzten Grundrechtsposition der Antragstellerin keine angemessene Relation besteht. Die diesem Befund zugrunde liegende Güterabwägung schlägt deutlich zu Gunsten der Antragstellerin aus, wie die folgenden Punkte zeigen.
2.5.1 Die besicherten Schuldtitel waren 'mündelsicher' gemäß §217 Z1 ABGB
Die HBInt-Schuldscheindarlehen wurden von der Antragstellerin gerade wegen ihrer bisherigen gesetzlichen Einstufung als 'mündelsicher' gemäß §217 Z1 ABGB erworben, um ihren Verpflichtungen gemäß §66 dVAG zur besonders sicheren Anlage ('Sicherungsvermögen') nachzukommen. Selbst der Gesetzgeber ging bisher 'von einer erhöhten Sicherheit solcher mit Landeshaftung besicherter Forderungen' aus.[…] Diese Besicherung folgte bisher aus der gesetzlich statuierten Kärntner Landeshaftung, die (einmal schon durch das HaaSanG und die in dessen Umsetzung ergangene HaaSanV vernichtet und mit Hilfe des VfGH wieder hergestellt wurde und) nun durch einen selektiven Haftungsschnitt erneut aufgrund der Wirkungen des §2a Abs5 FinStaG zum größten Teil vernichtet werden soll.
Mit anderen Worten: Die Gläubiger konnten zum Zeitpunkt des Entstehens der Haftung und seitdem im Grundsatz unverändert davon ausgehen, dass die gegenüber der HETA eingegangenen Forderungen zur Deckung von Verbindlichkeiten herangezogen werden können, die wie Ansprüche von Versicherungsnehmern, von Pfandbriefgläubigern oder auch des Mündels gegen seinen Vermögensverwalter von der Rechtsordnung als qualifiziert sicherungsbedürftig eingestuft werden. Dazu kommt, dass den aus einer Haftung Anspruchsberechtigten vielfach gerade auch solche besonders sicherungsbedürftigen Anspruchsberechtigten gegenüberstehen, weshalb bei der Prüfung der Sachlichkeit und Verhältnismäßigkeit des durch das FinStaG intendierten Haftungsschnitts ein besonders strenger Maßstab anzulegen ist. Gemessen an diesem Maßstab ist
'ein alleiniger 'Haftungsschnitt' gegenüber … aus einer Haftung Anspruchsberechtigten, für die der Kärntner Landesgesetzgeber auf der Grundlage eines bestehenden Regelungssystems, das solche Haftungen als qualifiziert sicherungsbegründend ausweist, einen Anreiz zur Zeichnung haftungsbegründender Verbindlichkeiten gesetzt hat ...,
unsachlich und unverhältnismäßig'.[VfSlg 20.000/2015, Rz 316]
Derselbe Gesetzgeber hat die Mündelsicherheit der gegenständlichen Schuldtitel einerseits geschaffen und damit bei der Antragstellerin das Vertrauen hervorgerufen, dass die Anlage eine vergleichsweise hohe Sicherheit bietet, und so die Antragstellerin zur Investition veranlasst. Andererseits hat er das geschaffene Vertrauen in die Sicherheit der Anlage nachträglich wieder durch Gesetz entwertet (und zwar je nachdem, ob aus Sicht eines das Angebot annehmenden oder ablehnenden Gläubigers betrachtet, um 55 / 70% oder gar 89%), um im Nachhinein die Verfehlungen eines Bundeslandes zu korrigieren, das Verpflichtungen übernommen hat, die es nun nicht erfüllen kann. Folgerichtig müsste der Bundesgesetzgeber als nächstes §217 Z1 ABGB dahingehend ändern, dass das bloße Bestehen einer Bundes- oder Landeshaftung nicht mehr automatisch die Mündelsicherheit zur Folge hat, denn das Bestehen einer Landeshaftung bringt offenbar doch nicht jene Sicherheit, die der Gesetzgeber des ABGB noch vor Augen hatte. Der darin liegende gesetzgeberische Wertungswiderspruch ist offenkundig. Wie unten noch näher ausgeführt wird, liegt darin auch eine Verletzung des Vertrauensgrundsatzes, der ebenfalls zur Verfassungswidrigkeit von §2a Abs5 FinStaG führt.
Aus der Ausgestaltung der Landeshaftung ergibt sich auch nicht, dass manche Gläubiger von vornherein damit rechnen mussten, dass ihre Haftungsansprüche und damit ihre Forderungen aus der Landeshaftung als 'unsicher' bzw – in Anbetracht des Ausmaßes des Haftungsschnitts – als derart unsicher anzusehen sind. Vielmehr hat – so der VfGH – der Kärntner Landesgesetzgeber unter Bezugnahme auf die Mündelsicherheit
[Zitat aus VfSlg 20.000/2015, Rz 305]
Der Umstand, dass der Gesetzgeber mit §2a Abs5 FinStaG (auch) mündelsichere Anlagen zum großen Teil nachträglich entwertet hat, ist im Einklang mit der Rechtsprechung des VfGH im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung zu berücksichtigen und führt zu einer besonders strengen Prüfung der Vertretbarkeit des Eigentumseingriffs. Diese Interessenabwägung führt zum Ergebnis, dass die Interessen des Gläubigers, der im Vertrauen auf die gesetzlich statuierte Mündelsicherheit disponiert hat, schwerer wiegen als das Interesse des Landes Kärnten.
2.5.2 Keine Gleichbehandlung aller Gläubiger des Zweit- und Drittantragsgegners, sondern 'selektiver Haftungsschnitt' zu Lasten einer besonders geschützten Gläubigergruppe
Der VfGH hat im Erk VfSlg 20.000 (Rz 315) ua ausgeführt ([...]): [...]
Wenngleich der VfGH damit dem Gesetzgeber insofern eine klare auf die konkrete Fallkonstellation bezogene Richtlinie an die Hand gegeben hat, zog es dieser vor, in §2a FinStaG wieder eine Ungleichbehandlung von Gläubigern festzuschreiben. Denn §2a FinStaG unternimmt keine gleichmäßige Herabschreibung aller Forderungen gegen den Zweit- und Drittantragsgegner unter Wahrung der Gläubigergleichbehandlung. Hingegen bezieht sich §2a FinStaG nur auf den Schnitt von Forderungen von Gläubigern, die aus einer landesgesetzlich angeordneten Haftung berechtigt sind. Demgegenüber belastet das FinStaG andere Gläubiger als die, denen der Zweit- und Drittantragsgegner als Ausfallsbürge nach dem K-LHG haften, offenbar bewusst nicht und stellt sie (mangels sie betreffenden Haftungsschnitts) damit (wesentlich) besser als die Inhaber von Schuldtiteln iSd §2a Abs1 FinStaG. Deren Haftungsansprüche aus der Ausfallsbürgschaft werden durch den vorgesehenen Haftungsschnitt – was mit der Abwicklung der Erstantragsgegnerin nichts mehr zu tun hat – zum größten Teil beseitigt, obwohl es sich um eine besonders schützenswerte Gruppe von aus der Haftung Anspruchsberechtigten handelt. Im Ergebnis legt §2a FinStaG den Haltern von HETA-Schuldtiteln im Verhältnis zu allen anderen Gläubigern des Zweit- und Drittantragsgegners ein Sonderopfer auf.[…] Besonders drastisch ist diese Ungleichbehandlung ([...]) im Vergleich zu nicht geschnittenen Gläubigern von Schuldtiteln, die erst 2014 begeben wurden, als die Probleme rund um die Landeshaftung bereits bekannt waren, womit deren Schutzwürdigkeit weit niedriger ist als jene der Antragstellerin ([...]). Damit verstößt der Gesetzgeber gegen das Grundrecht auf Eigentum. Denn durch eine derartige einseitige Belastung einer bestimmten Gläubigergruppe wird kein angemessener Ausgleich herbeigeführt, weil nicht alle Gläubiger gleichermaßen zur Strukturbereinigung beitragen.[…]
Dass es dem Gesetzgeber letztendlich nicht um die Schaffung eines die Gläubigergleichbehandlung gewährleisteten Schuldenregulierungsverfahrens für Bundesländer, sondern um die gezielte, weitgehende Beseitigung der Kärntner Landeshaftung (Haftungsschnitt) im Zusammenhang mit der HETA-Krise ausschließlich zu Lasten der Gläubiger der HETA ging, wird auch aus der gesetzlichen Einordnung der betreffenden Regelung in das FinStaG deutlich. Dieses trifft nämlich ausschließlich Regelungen betreffend österreichische Finanzunternehmen (wie die HETA). Dies ergibt sich insbesondere aus den EB zur RV betreffend die Stammfassung (682 BlgNR XXIII. GP, S 2[...]): [...]
Aufgrund der schon beschriebenen, vom VfGH erkannten, besonderen Schutzwürdigkeit der durch den Haftungsschnitt betroffenen Gläubiger käme nur eine (angemessene) Reduktion der Landeshaftung im selben Ausmaß wie (zumindest) auch alle anderen Forderungen von Gläubigern des Zweit- und Drittantragsgegners durch ein die – verfassungsrechtlich gebotene – Gleichbehandlung sicherstellendes Schuldenregulierungsverfahren in Frage. Es stellt also einen besonders bedenklichen und letztendlich unverhältnismäßigen Eingriff dar, dass der Gesetzgeber nun nicht bloß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung aller Gläubiger an sich verstoßen hat, sondern auch noch zu Lasten von Gläubigern, die im Besitz von als 'mündelsicher' bezeichneten Schuldtiteln sind, zu deren Erwerb der Kärntner Landesgesetzgeber im K-LHG noch besondere Anreize durch Schaffung der Kärntner Landeshaftung gesetzt hatte.
2.5.3 Unsachliche Diskriminierung von Minderheitsgläubigern durch Abstimmungsverfahren des §2a Abs4 FinStaG
Gemäß §2a Abs4 FinStaG erfordert der Erwerb der Schuldtitel im Sinne der Bestimmung (und damit der Eintritt der Rechtswirkungen des §2a Abs5 FinStaG), dass
(a) jedes Angebot jeweils von zumindest einem Viertel des Gesamtnominales der vom Angebot erfassten Schuldtitel angenommen wird und
(b) dadurch auch eine qualifizierte Mehrheit von zumindest zwei Drittel des kumulierten Gesamtnominales der von allen Angeboten erfassten Schuldtitel zustimmt.
Sowohl anlässlich des ersten (gescheiterten) Angebots vom 21.1.2016 als auch des Angebots vom 6.9.2016 wurden zwei Angebotsklassen gebildet, betreffend einerseits die nicht nachrangigen und andererseits die nachrangigen landesbesicherten Schuldtiteln. Das gesamte Forderungsvolumen der nicht nachrangigen Gläubiger betrug laut Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt vom 10.10.2016 ([...]) rund EUR 9,92 Mrd. Das gesamte Forderungsvolumen der nachrangigen Gläubiger betrug bloß rund EUR 893 Mio. Die nachrangigen Gläubiger machten damit nur etwa 9% des Gesamtforderungsvolumens beider Angebotsklassen aus.
Daher konnte einerseits eine Minderheit von einem Viertel des Gesamtvolumens der nachrangigen Gläubiger, dh rund EUR 224 Mio., über das Zustandekommen der ersten Bedingung des §2a Abs4 FinStaG bestimmen. Andererseits konnten aufgrund der zweiten Bedingung des §2a Abs4 FinStaG letztlich die bei weitem in der Überzahl befindlichen nicht nachrangigen Gläubiger (die jedoch über ein anderes (!) Angebot abstimmten, nämlich ein solches auf Ablöse von 90% des Barwerts ihrer Schuldtitel), über das Zustandekommen des gesamten Angebots, dh auch hinsichtlich der nachrangigen Gläubiger bestimmen.
Es darf in dem Zusammenhang nicht vergessen werden, dass aufgrund der vorliegenden Verhältnisse das besagte 25%-Quorum nur zu Lasten der Nachranggläubiger wirkt. Denn das Gesamtnominale der nicht nachrangigen Schuldtitel überstieg dasjenige der nachrangigen Schuldtitel um mehr als das Zehnfache. Ohne eine überwältigende Mehrheit der nicht nachrangigen Gläubiger konnte daher kein Angebot erfolgreich zustande kommen und faktisch werden zwei Gläubigergruppen mit unterschiedlichen Zustimmungsquoren behandelt (absolute Mehrheit der nicht nachrangigen Gläubiger und 25%-Minderheit der Nachranggläubiger). Diese Verhältnisse waren dem Gesetzgeber auch bekannt, zumal §2a FinStaG nur aus Anlass der HETA-Krise entstanden ist.
Eine Regelung, die es
? einer Minderheit von Gläubigern (hier Nachranggläubigern) erlaubt, über einen zu Lasten der Gesamtheit einer Gläubigergruppe wirkenden Haftungsschnitt zu entscheiden, und
? einer anderen Gruppe von Gläubigern (hier nicht nachrangigen Gläubigern) erlaubt, über ein Angebot abzustimmen, das sie gar nicht wirtschaftlich betrifft (die nicht nachrangigen Gläubiger stimmten über ein Angebot über 90% ab, den Nachranggläubigern waren aber bloß 45% angeboten worden),
läuft auf eine de facto-Enteignung hinaus und entbehrt jeglicher sachlichen Rechtfertigung. Als Argument für eine solche absolut unübliche und mit Grundsätzen der insolvenzrechtlichen Gleichbehandlung unvereinbare Regelung wurde in den Erläuterungen zu §2a FinStaG ins Treffen geführt, dass 'die Mehrheit durch eine Minderheit nicht unangemessen bestimmt werden soll' (Erläuterungen zur RV, 796 BlgNR XXV. GP, S. 10). Dies kann für einen derart wichtigen Abstimmungsgegenstand wie die Herabschreibung einer Forderung gegen den Willen eines einzelnen Gläubigers kein Quorum unter der Hälfte der zustimmenden Gläubiger rechtfertigen. Außerdem kann es nicht richtig sein, dass es einer überwältigenden Mehrzahl an nicht nachrangigen Gläubigern erlaubt sein darf, über das für sie selbst gelegte Angebot (über 90% des Barwerts der offenen Forderung) zu entscheiden, damit aber zugleich auch über die Annahme des Angebots für die nachrangigen Gläubiger 'mitabzustimmen', denen – trotz gleicher Landeshaftung – jedoch nur die Hälfte des Barwerts ihrer offenen Forderung angeboten wurde. Hier wurden die nachrangigen Gläubiger durch die Stimmen der nicht nachrangigen Gläubiger fremdbestimmt.
Das 25%-Quorum in §2a Abs4 Z1 FinStaG widerspricht somit seit langem gesetzlich anerkannten Standards der Sachlichkeit und Gleichbehandlung gemäß seit langem etablierten insolvenzrechtlichen Standards, ebenso aber auch nationalen und europäischen Regeln für 'Collective Action' (CAC)-Instrumenten. Dazu in der Folge:
(a) Vergleich mit Abstimmungserfordernissen im österreichischen und deutschen Insolvenzrecht
Die üblichen Zustimmungserfordernisse für einen Sanierungsplan im österreichischen Insolvenzrecht bzw einen Insolvenzplan im deutschen Insolvenzrecht liegen immer zumindest über 50% und damit weit jenseits des 25%-Quorums in §2a Abs4 Z1 FinStaG:
? Betrachtet man die Zustimmungserfordernisse für den Sanierungsplan nach der IO, so normiert §147 Abs1 IO, dass zur Annahme eines Sanierungsplans die Zustimmung von mehr als der Hälfte der anwesenden stimmberechtigten Insolvenzgläubiger erforderlich ist, wobei die Gesamtsumme ihrer Forderungen mehr als die Hälfte der Gesamtsumme aller Forderungen der bei der Tagsatzung anwesenden stimmberechtigten Insolvenzgläubiger betragen muss.
? Das deutsche Insolvenzrecht sieht für die Abstimmung über einen Insolvenzplan gemäß §244 dInsO folgende Mehrheitserfordernisse vor: In jeder Gläubigergruppe ist die Mehrheit der abstimmenden Gläubiger erforderlich. Dabei muss die Summe der zustimmenden Gläubiger mehr als die Hälfte der Summe der Ansprüche der abstimmenden Gläubiger betragen. Dh, es hätte sowohl in der 'Gruppe der nicht nachrangigen Gläubiger' als auch in der 'Gruppe der nachrangigen Gläubiger' eine absolute Mehrheit erreicht werden müssen, sodass ein Insolvenzplan wirksam angenommen wird.
Es zeigt sich, dass dem Insolvenzrecht eine Regelung fremd ist, die es einer Minderheit von nachrangigen Gläubigern erlaubt, über eine Herabsetzung der Forderungen zu Lasten aller Nachranggläubiger zu entscheiden. Dies gilt auch dann, wenn zur Herabschreibung der Forderungen zwar noch ein Zweidrittelquorum erforderlich ist, dieses aber maßgeblich von einer anderen Gläubigergruppe bestimmt wird (hier: den Inhabern nicht nachrangiger Schuldtitel, die mehr als das Zehnfache Forderungsvolumen der Nachranggläubiger auf sich vereinen und über ein ganz anderes Angebot abstimmen).
(b) Verstoß gegen Gleichbehandlungsregeln in international üblichen 'Collective Action'-Instrumenten
In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zu §2a FinStaG (796 BlgNR XXV. GP, S 7) wird die Rechtsfolge des Haftungsschnitts bei Erreichen der Quoren nach §2a Abs4 FinStaG mit dem Erreichen der qualifizierten Mehrheiten in Abstimmungen über 'Collective Action'-Clauses ('CAC') von Anleihegläubigern verglichen. Dort wird festgehalten, dass die in §2a Abs4 Z2 FinStaG festgelegte qualifizierte Mehrheit von zwei Dritteln den international anerkannten Vergleichswerten für Mehrheitsentscheidungen zu Schuldtiteln, die auf den Finanzmärkten gehandelt werden, entspreche. Im europäischen Muster zu CAC für Staatsanleihen sei vorgesehen, dass für die Zustimmung zu 'wesentlichen Änderungen' die Anwesenheit von mindestens zwei Drittel der Inhaber der Staatsanleihen und einer Zustimmung von drei Viertel bzw ohne Versammlung schriftlich zwei Drittel erforderlich sind. Das deutsche Bundesschuldenwesengesetz und die Emissionsbedingungen für österreichische Staatsanleihen würden Mehrheitsentscheidungen an eine Mehrheit von drei Viertel des in der Abstimmung mindestens zu zwei Drittel repräsentierten Nominales vorsehen. Das deutsche Schuldverschreibungsgesetz ermögliche dagegen eine Entscheidung gegen die Minderheit bereits, wenn nur die Hälfte des von der Entscheidung betroffenen Nominales bei der Abstimmung repräsentiert ist und hiervon drei Viertel der Anwesenden zustimmen.
Hinsichtlich §2a Abs4 Z1 FinStaG wird jedoch nur ausgeführt, dass damit der Gedanke einer Sperrminorität bei der Willensbildung durch Mehrheiten, die mit Rechtswirkungen für die überstimmte Minderheit verbunden seien, aufgegriffen werde. Es entspreche den im Gesellschafts-, Insolvenz-, Staats- und Europarecht gleichermaßen anerkannten Grundsätzen für eine Mehrheitsentscheidung, dass die Mehrheit durch eine Minderheit nicht unangemessen bestimmt werden solle.
Das Zustimmungserfordernis von nur 25% gemäß §2a Abs4 Z1 FinStaG, das für die Annahme eines jeden Angebots erforderlich ist, entspricht aber keineswegs international anerkannten Vergleichswerten hinsichtlich Abstimmungserfordernissen in CAC-Instrumenten in Anleihebedingungen, wie anhand der folgenden Beispiele gezeigt wird:
? Die Emissionsbedingungen für österreichische Staatsanleihen ('Allgemeine Bedingungen für die Ausstattung von fix verzinslichen Bundesanleihen, deren ursprüngliche Tranche ab dem 1.3.2015 begeben wurde'; [...]) regeln in §13 Z2.2 die Zustimmungserfordernisse für emissionsübergreifende Änderungen. Dabei sind ein Gesamtzustimmungserfordernis von 75% (bei schriftlicher Abstimmung 66 2/3%) und hinsichtlich der einzelnen Emission ein Zustimmungserfordernis von 66 2/3% (bei schriftlicher Abstimmung 50%) bei einem Präsenzquorum von 66 2/3% erforderlich.
? In den Erläuterungen zum Gesetzentwurf zum deutschen Bundesschuldenwesengesetz (Gesetz zur Regelung des Schuldenwesens des Bundes – dBSchuWG; [...]) wird ausgeführt:
'Die zwischen den Staaten des Euro-Währungsgebietes ausgehandelten Musterbestimmungen für Umschuldungsklauseln stellen ein Kompendium von standardisierten Klauseln dar, die von allen Eurostaaten mit jeweils gleichartigem Inhalt zur Anwendung zu bringen sind. Sie verwenden harmonisierte Begriffe und Bedingungen und sind in ihrer Gesamtheit auf gleiche Marktbedingungen für alle Eurozonenstaaten ausgerichtet.'
Einerseits stützt man sich in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum FinStaG (796 der Beilagen XXV. GP) darauf, dass sich die Mehrheit von zwei Drittel iSd §2a Abs4 Z2 FinStaG nach 'international anerkannten Vergleichswerten für Mehrheitsentscheidungen zu Schuldtiteln' richtet (ErlRV, S 10), und verweist dabei insbesondere auf die europäischen Musterbestimmungen (ErlRV, S 7), andererseits werden die harmonisierten Bedingungen nur hinsichtlich §2a Abs4 Z2 FinStaG übernommen. Ignoriert wird, dass eine so niedrige Schwelle wie 25% in keiner der herangezogenen Rechtsquellen zu finden ist.
? In den erwähnten Erläuterungen zu §2a FinStaG wird auf die Zustimmungserfordernisse des deutschen dBSchuWG als auch auf die des deutschen Schuldverschreibungsgesetzes aus Gesamtemissionen (dSchVG; [...]) verwiesen. In den Erläuterungen zum dBSchuWG ([...]) heißt es zu den Zustimmungserfordernissen bezüglich wesentlicher anleiheübergreifenden Änderungen:
'Bei einer anleiheübergreifenden Änderung ist eine bestimmte Gläubigermehrheit bezogen auf alle von der Änderung betroffenen Anleihen sowie eine (etwas geringere) Gläubigermehrheit bei jeder einzelnen Anleihe erforderlich.'
Das dSchVG ermöglicht zwar Entscheidungen gegen die Minderheit bereits, wenn nur die Hälfte des von der Entscheidung betroffenen Nominales bei der Abstimmung repräsentiert ist und hiervon drei Viertel der Anwesenden zustimmen. Dies betrifft jedoch nicht die Abstimmung über wesentliche Beschlüsse. Für das Präsenzquorum gilt:
'Sollen wesentliche Beschlüsse gefasst werden, ist die Gläubigerversammlung beschlussfähig, wenn die Anwesenden mindestens 66 2/3 Prozent des Nennwertes d