TE Vwgh Erkenntnis 2018/3/8 Ra 2015/12/0015

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Veröffentlicht am 08.03.2018
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Index

000;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
63/02 Gehaltsgesetz;
63/05 Reisegebührenvorschrift;

Norm

AVG §56;
BudgetbegleitG 2011;
B-VG Art137;
GehG 1956 §13a Abs3;
GehG 1956 §13a;
RGV 1955 §22 Abs8 idF 2010/I/111;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens, Hofrätin Mag.a Nussbaumer-Hinterauer, Hofrat Mag. Feiel sowie die Hofrätinnen MMag. Ginthör und Dr. Koprivnikar als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kratschmayr, über die außerordentliche Revision des K I in L, vertreten durch Dr. Martin Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz Josefs Kai 5, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. Februar 2015, GZ W106 2011368-1/2E, betreffend Übergenuss gemäß § 13a GehG iA einer Zuteilungsgebühr gem. § 22 Abs. 1 und 8 RGV, zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Der Revisionswerber wurde mit Befehl der Landespolizeidirektion Vorarlberg (LPD) vom 22. Mai 2013 mit Wirkung vom 3. Juni 2013 bis 3. September 2013 von der Polizeiinspektion L zum Bezirkspolizeikommando D (Koordinierter Kriminaldienst - KKD) dienstzugeteilt. Diese Dienstzuteilung wurde zunächst bis einschließlich 31. Dezember 2013, dann 31. März 2014 und schließlich bis 30. Juni 2014 verlängert.

2 Über Antrag des Revisionswerbers wurde ihm für den Zeitraum bis einschließlich Jänner 2014 die Zuteilungsgebühr angewiesen. Der Revisionswerber wurde schließlich mündlich darüber informiert, dass der Anspruch auf Zuteilungsgebühr wegen Überschreitung der 180 Tage-Frist gemäß § 22 Abs. 8 Reisegebührenvorschrift 1955 (RGV) nicht zustehe und die bereits angewiesenen Zuteilungsgebühren für die Monate Dezember 2013 und Jänner 2014 in Höhe von EUR 477,40 mit dem Monatsbezug April 2014 einbehalten würden.

3 Der Revisionswerber stellte am 22. Mai 2014 den Antrag auf "Anweisung der einbehaltenen Gebühren der Monate Dezember 2013 und Jänner 2014. Im Falle der Ablehnung bitte ich um bescheidmäßige Feststellung dieser Ablehnung."

4 Daraufhin wurde dem Revisionswerber Parteiengehör gewährt. Es wurde der Standpunkt vertreten, gemäß § 22 Abs. 1 RGV ende die Zuteilungsverrechnung spätestens nach Ablauf des 180. Tages der Dienstzuteilung. § 22 Abs. 8 RGV enthalte eine Ausnahmeregelung für Dienstbereiche, in denen es in der Natur des Dienstes liege, dass die Dauer der vorübergehenden Dienstzuteilung 180 Tage überschreite. Mit einem bestimmt bezeichneten LPK-Befehl vom 29. Juni 2011 sei der Erlass des Bundesministeriums für Inneres (BMI) vom 17. Juni 2011 betreffend die Ausnahmeregelung des § 22 Abs. 8 RGV an alle Polizeidienststellen im Lande verlautbart worden. Darin sei eine Aufzählung jener Bereiche enthalten, die unter § 22 Abs. 8 RGV zu subsumieren seien und in denen der Anspruch auf Zuteilungsgebühren über die Frist vom 180 Tagen hinaus erhalten bleibe. Aus dieser Aufzählung gehe eindeutig hervor, dass im Bereich der LPD nur die Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität (EGS) unter die Ausnahmeregelung des § 22 Abs. 8 RGV falle. Dadurch sei klargestellt, dass die Ausnahmeregelung nicht für den KKD gelte. Dem Ersuchen um Rückerstattung der einbehaltenen Gebühren für die Monate Dezember 2013 und Jänner 2014 könne nicht entsprochen werden, weil gemäß § 13a Gehaltsgesetz 1956 (GehG) zu Unrecht empfangene Leistungen (Übergenüsse), soweit sie nicht in gutem Glauben empfangen worden seien, dem Bund zu ersetzen seien.

5 Dazu nahm der Revisionswerber, vertreten durch einen Sekretär der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst, mit Schreiben vom 23. Juni 2014 Stellung. Er führte im Wesentlichen aus, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellten behördeninterne Erlässe schlicht Weisungen an einen generalisierten Personenkreis, nicht aber normative Rechtsquellen dar. Seine Dienstzuteilung vom 3. Juni 2013 bis zum Ablauf des Jänners 2014 sei "in der Natur des Dienstes" gelegen, sodass sie unter den Ausnahmetatbestand des § 22 Abs. 8 RGV zu subsumieren sei. Hätte die Dienstbehörde in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren die konkreten Tätigkeiten des Revisionswerbers sowie sonstige relevante Sachverhaltselemente wie z. B. Personalstand, Qualifikationsprofile, etc. für diesen Zeitraum ermittelt, so wäre hervorgekommen, dass ein Abbruch der Dienstzuteilung nach 180 Tagen unmöglich bzw. untunlich gewesen wäre, weil ein Wechsel in der Person des Dienstzugeteilten nicht möglich gewesen wäre bzw. die Verrichtung der vorzunehmenden Tätigkeiten untunlich erschwert hätte. Selbst wenn aber tatsächlich die Zuteilungsgebühr für die beiden Monate zu Unrecht bezogen worden wäre, hätte es sich um einen Empfang in gutem Glauben gehandelt. Dies deswegen, weil nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes guter Glaube immer dann angenommen werden müsse, wenn es sich um eine auslegungsbedürftige Rechtsnorm handle, die erst durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes geklärt werden müsse. Bei dem Terminus "in der Natur des Dienstes" handle es sich um einen sogenannten unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Sinngehalt erst durch eine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes erschlossen werden müsse. Es werde daher beantragt, die einbehaltene Gebühr wiederum zur Auszahlung zu bringen. Sollte die Dienstbehörde dieser Rechtsansicht nicht beitreten, so werde der Antrag auf bescheidmäßige Absprache über die Gebührlichkeit bzw. die Rückersatzpflicht unter Berufung auf rechtmäßigen Bezug sowie den guten Glauben aufrecht erhalten.

6 Mit Bescheid vom 14. Juli 2014 wies die LPD den Antrag des Revisionswerbers auf Anweisung des Zuteilungszuschusses für seine Zuteilung zum KKD D für die Monate Dezember 2013 und Jänner 2014 gemäß § 13a GehG iVm § 22 Abs. 8 RGV als unbegründet ab. Nach Darstellung des Verfahrensganges wurde ausgeführt, § 22 Abs. 8 RGV normiere als Ausnahmeregelung zu § 22 Abs. 1 RGV, wann eine Zuteilungsgebühr auch über den 180. Tag einer Dienstzuteilung hinaus gebühre. Diese Bestimmung könne auf die Zuteilung des Revisionswerbers zum KKD aber nicht herangezogen werden, weil die Tätigkeit beim KKD im Zuständigkeitsbereich der LPD eben üblicherweise nicht über einen Zeitraum vom 180 Tagen erfolge und es auch nicht in der Natur des Dienstes liege, eine Zuteilung über diesen Zeitraum hinaus aufrecht bestehen zu lassen.

7 In bestimmten Bereichen der Bundesverwaltung könne es in der Natur der Dienstleistung liegen, dass eine Zuweisung an einen bestimmten Ort einen vorübergehenden Bedarf über 180 Tage hinaus abdecke, so etwa "das Einsatzkommando Cobra" als Sondereinheit gemäß § 6 Abs. 3 Sicherheitspolizeigesetz (SPG), das über das "klassische" Anti-Terror-Segment hinaus vor allem zur Unterstützung beim Einschreiten bei erhöhten oder hohen Gefährdungslagen herangezogen werde. Auch in ausgesuchten, schwierigen Kriminalfällen könnten die Ermittlungsverfahren durch dienstzugeteilte Staatsanwältinnen und Staatsanwälte über 180 Tage hinaus andauern. Dies gelte auch für die in diesem Zusammenhang dienstzugeteilten Exekutivbeamtinnen und Exekutivbeamten.

8 Im Zuständigkeitsbereich der LPD zeichne sich das System des KKD durch einen üblicherweise nicht über sechs Monate hinausgehenden, rotierenden Mitarbeiterwechsel aus, bei dem BeamtInnen der Polizeiinspektionen beim örtlich zuständigen KKD Dienst im Rahmen der Spurensicherung und des Erkennungsdienstes ableisteten. Durch diese Rotation werde ein Wissenstransfer von der Spurensicherung auf die Dienststellen sowie über Straftaten und taktische Gegebenheiten zu den KKD ermöglicht. Auch die Bildung von kurzfristigen Ermittlungsgruppen oder schlagkräftigen Einheiten zur Bekämpfung von Seriendelikten sei möglich. Die Eingrenzung auf Zuteilungen von üblicherweise maximal sechs Monaten ermögliche den betroffenen Dienststellen eine hohe Rotationsquote, wodurch eine hohe Anzahl von BeamtInnen die Möglichkeit erhalte, diesen Dienst bei der Spurensicherung abzuleisten. Auch werde dadurch sowohl bei den Inspektionen als auch beim KKD die Flexibilität gewährleistet, auf kurzfristige kriminalitätsrelevante Phänomene zu reagieren, Zuteilungen kurzfristig abzuändern oder aufzunehmen und so bestehende Ressourcen bestmöglich und effizient einzusetzen. Der Dienst zeichne sich somit durch eine hohe Flexibilität der Personalfluktuation aus, die nur durch Zuteilungen und keinesfalls durch Versetzungen von BeamtInnen ermöglicht werden könne.

9 Somit sei durch die starke Einbeziehung von Personal der Inspektionen beim KKD eben kein Zwang gegeben, es bei Zuteilungen zum KKD als "in der Natur des Dienstes" zu betrachten, dass diese über 180 Tage gingen. Dies möge natürlich nicht, wie auch im gegenständlichen Fall, ausschließen, dass in Einzelfällen eine solche Zuteilung über die 180 Tage andauere. Es sei auch nicht von Anfang an eine Zuteilung des Revisionswerbers über den Zeitraum von 180 Tagen hinaus intendiert gewesen. Die Tätigkeit des Revisionswerbers beim KKD sei unter Berücksichtigung des Personalstandes seiner Stammdienststelle und seines Qualifikationsprofiles nicht als unersetzbar einzustufen. Ein Abbruch seiner Dienstzuteilung nach 180 Tagen wäre mit keinerlei Reduzierung von Qualität oder Quantität der Tätigkeit des KKD einhergegangen, weil ohne jegliches Problem eine neuerliche Rotation von Personal hätte stattfinden können. Es wäre daher ein Wechsel der Person möglich gewesen und hätte die Tätigkeit des KKD keinesfalls untunlich erschwert.

10 Die Zuteilung über 180 Tage hinaus sei nach den Bestimmungen des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 (BDG 1979) auch nicht zwangsweise, sondern nur mit Zustimmung des Revisionswerbers erfolgt. Die Dienstzuteilung habe somit bereits im Jahr 2013 mehr als 90 Tage gedauert, sodass es sich nicht um eine Dienstzuteilung gemäß § 39 Abs. 3 BDG 1979 gehandelt habe, die zur Aufrechterhaltung des Dienstbetriebes oder zum Zwecke der Ausbildung nötig gewesen wäre. Schon daraus ergebe sich, dass die Dienstzuteilung ab 3. Juni 2013 nicht zwingend auf längere Zeit angelegt gewesen sei, habe es doch eine Vielzahl von BeamtInnen gegeben, die diesen Dienst beim KKD auch hätten leisten können.

11 Die Dienstverrichtung beim KKD falle keinesfalls unter die Bestimmung des § 22 Abs. 8 RGV. Ein Vergleich mit dem Einsatzkommando Cobra, das auch als Beispiel in der Regierungsvorlage zu finden sei, oder mit anderen Ermittlungsgruppen lege dies klar offen. Denn für das Einsatzkommando Cobra sei bereits der Ausbildungsblock so lange anzusetzen, dass mit 180 Tagen Zuteilung nicht das Auslangen gefunden werden könne, sodass von Vornherein eine Zuteilung von über 180 Tagen ins Auge gefasst werden müsse.

12 Bei der Dienstverrichtung beim KKD hingegen sei ein Dienst von über 180 Tagen weder dienstlich notwendig noch üblich. Die zu Unrecht empfangenen Leistungen (Übergenüsse) seien durch Einbehaltung des entsprechenden Betrages vom Monatsbezug April 2014 dem Bund ersetzt worden. Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, nach welcher guter Glaube im Sinne des § 13a GehG angenommen werden müsse, wenn eine auslegungsbedürftige Rechtsnorm vorliege, die erst näher geklärt werden müsse, sei nicht einschlägig. An der Eindeutigkeit einer Berechnungsfrist von 180 Tagen sei nichts zu bemängeln, und dass § 22 Abs. 8 RGV nur einschränkend zu interpretieren sei, sei ebenfalls klar. Die Zuteilungen beim KKD hätten auch schon bei der Erlassung des § 22 Abs. 8 RGV durch BGBl. I Nr. 111/2010 über Jahre bestanden. Während vom Gesetzgeber aber seine Intention in der Regierungsvorlage zu Ermittlungsgruppen in Sonderfällen und dem Einsatzkommando Cobra ausgesprochen worden sei, seien koordinierte Kriminaldienste nicht angeführt worden. Bereits daraus lasse sich eindeutig aus der Gesetzesbestimmung herauslesen, dass der KKD kein Dienst sei, in dessen Natur es liege, Zuteilungen über 180 Tage andauern zu lassen. Würde man § 13a GehG im Sinne der Ausführungen des Revisionswerbers auslegen, wäre er "über große Teile" ohne Anwendungsbereich.

13 In der dagegen erhobenen Beschwerde vertrat der Revisionswerber im Wesentlichen denselben Standpunkt wie in der zuvor erstatteten Stellungnahme.

14 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde keine Folge.

15 Nach Darstellung des Verfahrensganges und der Rechtslage sowie des Erlasses des BMI zu § 22 Abs. 8 RGV 1955 wurde ausgeführt, die nach den Ausführungen der belangten Behörde auf dem Rotationssystem basierenden Dienstzuteilungen der BeamtInnen im KKD seien von der Natur des Dienstes her gerade nicht darauf ausgerichtet, die Dauer der Dienstzuteilung von 180 Tagen zu überschreiten. Dass in Einzelfällen - wie auch im Revisionsfall - Dienstzuteilungen auf freiwilliger Basis über die 180 Tage hinaus verlängert würden, bewirke nicht, den in Rede stehenden Dienstbereich im KKD als einen im Verständnis des § 22 Abs. 8 RGV "in der Natur des Dienstes liegenden" zu qualifizieren, bei welchem die Dauer die vorübergehende Dienstzuteilung in der Regel 180 Tage überschreite.

16 Dass die Verlängerungen der Dienstzuteilungen gegen den Willen des Revisionswerbers erfolgt seien, habe dieser nicht behauptet. Mit der Argumentation, ein Abbruch der Dienstzuteilung nach 180 Tagen wäre unmöglich bzw. untunlich gewesen, weil ein Wechsel in der Person des Dienstzugeteilten nicht möglich gewesen wäre bzw. die Verrichtung der vorzunehmenden Tätigkeiten untunlich erschwert hätte, vermöge der Revisionswerber nicht durchzudringen, zumal die Bestimmung des § 22 Abs. 8 RGV nicht auf den konkreten Einzelfall, sondern auf bestimmte "Dienstbereiche" abstelle. Es könne nach dieser Bestimmung keinesfalls auf die subjektive Einschätzung des Beamten ankommen, ob eine Beendigung der Dienstzuteilung die Verrichtung der vorzunehmenden Tätigkeiten untunlich erschwert hätte. Eine Ermittlung der konkreten Tätigkeiten des Revisionswerbers im relevanten Zeitraum könne daher unterbleiben. Die belangte Behörde habe daher den Anspruch des Revisionswerbers auf eine Zuteilungsgebühr für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum gemäß § 22 Abs. 1 und 8 RGV zu Recht verneint.

17 Wenn vorgebracht werde, dass der Terminus "in der Natur des Dienstes" ein unbestimmter Rechtsbegriff sei, dessen Sinngehalt erst durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes erschlossen werden müsse, sei der Revisionswerber nicht im Recht. Die Auslegung der Ausnahmebestimmung des § 22 Abs. 8 RGV bedürfe weder eines erheblichen Aufwandes noch erweise sie sich als besonders schwierig. Aus dieser Bestimmung ergebe sich klar, dass die Zuteilungsgebühr über die 180 Tage hinaus lediglich ausnahmsweise für bestimmte Dienstbereiche gebühre. In Verbindung mit dem auch an alle Dienststellen ergangenen Erlass zu § 22 Abs. 8 RGV, welcher diese Dienstbereiche aufliste, und für temporär eingerichtete Arbeitsplätze (z.B. Projektarbeitsplätze) die Beurteilung, inwieweit über 180 Tage hinausgehende Dienstzuteilungen in der "Natur des Dienstes" gelegen seien, in jedem Fall dem BMI vorbehalte, könne von einem verständigen Beamten wie auch vom Revisionswerber die Kenntnis der mit dem Budgetbegleitgesetz 2011 eingeführten neuen Rechtslage erwartet werden. Es wäre für den Revisionswerber aber auch ein Leichtes gewesen, sich vor einer (freiwilligen) Verlängerung der Dienstzuteilung(en) bei seiner Dienstbehörde über seinen (weiteren) Anspruch auf Zuteilungsgebühr zu informieren. Es habe daher nach objektiver Betrachtung keines Übermaßes an Sorgfalt bedurft, Zweifel an der Rechtmäßigkeit der ausbezahlten Zuteilungsgebühr zu haben und den Irrtum der auszuzahlenden Stelle zu erkennen. Der Revisionswerber könne sich daher nicht auf Gutgläubigkeit im Verständnis des § 13a GehG berufen.

18 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision mit dem Antrag, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

19 Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung. 20 Der Revisionswerber erstattete eine Replik. 21 § 22 Abs. 1 und 8 Reisegebührenvorschrift 1955 (RGV), BGBl. Nr. 133/1955 idF BGBl. I Nr. 111/2010 lautet:

"Dienstzuteilung

§ 22. (1) Bei einer Dienstzuteilung erhält der Beamte eine Zuteilungsgebühr; sie umfaßt die Tagesgebühr und die Nächtigungsgebühr. Der Anspruch auf die Zuteilungsgebühr beginnt mit der Ankunft im Zuteilungsort und endet mit der Abreise vom Zuteilungsort oder, wenn der Beamte in den Zuteilungsort versetzt wird, mit dem Ablauf des letzten Tages der Dienstzuteilung, spätestens aber nach Ablauf des 180. Tages der Dienstzuteilung.

§ 17 findet sinngemäß Anwendung.

...

(8) In Dienstbereichen, in denen es in der Natur des Dienstes liegt, dass die Dauer der vorübergehenden Dienstzuteilung 180 Tage überschreitet, gebührt der Beamtin oder dem Beamten die Zuteilungsgebühr gemäß Abs. 2 während der gesamten Dauer der Dienstzuteilung."

22 In den erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage des Budgetbegleitgesetzes 2011 (RV 981 BlgNR 24. GP 221) lautet es auszugsweise:

"...

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes muss für die Frage der Abgrenzung zwischen Versetzung und Dienstzuteilung im Sinne der RGV insbesondere festgestellt werden, ob der für die Zuweisung einer Beamtin oder eines Beamten zur Dienstleistung an einem bestimmten Ort maßgebende Bedarf im Zeitpunkt der Zuweisung nur ein vorübergehender war oder schon damals die Dienstleistung auf nicht absehbare Zeit geplant gewesen ist. Die gesetzlichen Regelungen über die Dienstzuteilung, und zwar sowohl im Dienstrecht als auch im Reisegebührenrecht sind ersichtlicherweise nicht auf jahrelange Dauerzuteilungen abgestellt (siehe E 30.01.2006, Zl. 2004/09/0221 und die dort zitierte Vorjudikatur). Dieser Judikatur soll nun Rechnung getragen werden und ein Anspruch auf Zuteilungsgebühr nach insgesamt 180 Tagen enden.

In bestimmten Bereichen der Bundesverwaltung kann es in der Natur der Dienstleistung liegen, dass eine Zuweisung an einen bestimmten Ort einen vorübergehenden Bedarf über 180 Tage hinaus abdeckt, so etwa das Einsatzkommando Cobra als Sondereinheit gemäß § 6 Abs. 3 SPG, das über das ‚klassische' Antiterrorsegment hinaus vor allem zur Unterstützung beim Einschreiten bei erhöhten oder hohen Gefährdungslagen herangezogen wird. Auch in ausgesuchten schwierigen Kriminalfällen können die Ermittlungsverfahren durch dienstzugeteilte Staatsanwältinnen und Staatsanwälte über 180 Tage hinaus andauern. Dies gilt auch für die in diesem Zusammenhang dienstzugeteilten Exekutivbeamtinnen und Exekutivbeamten. Der über 180 Tage hinausgehende Bezug der Zuteilungsgebühr soll nur in jenen Bereichen Anwendung finden, in denen eine Versetzung keinesfalls zweckmäßig ist. Daher fallen beispielsweise Dienstzuteilungen auf systemisierte Arbeitsplätze in Zentralleitungen keinesfalls unter diesen Tatbestand.

..."

23 Zur Zulässigkeit der Revision wird u.a. ausgeführt, in der Sache gehe es um eine Zuteilungsgebühr nach § 22 Abs. 8 RGV im Falle einer Dienstzuteilung von mehr als 180 Tagen. Das entscheidende Kriterium sei, ob die längere Dauer "in der Natur des Dienstes" begründet sei. Der Verwaltungsgerichtshof habe sich mit dieser Thematik (soweit feststellbar) nur im Erkenntnis Ro 2014/12/0006 befasst, allerdings eingeschränkt auf die Spezialfrage, was es für den Begriff der Natur des Dienstes im vorangeführten Sinn besage, dass die Überschreitung der Grenze von 180 Tagen Dienstzuteilung auf ein Ressortübereinkommen zurückgehe. Dass er ein solches als nicht relevant bezeichnet habe, besage für die gegenständliche Sache nichts. Hier gehe es darum, dass es ein "System des KKD" für einen "rotierenden Mitarbeiterwechsel" gebe, wobei die in diesem Rahmen stattfindenden Dienstzuteilungen im Allgemeinen auf 180 Tage beschränkt seien. Es gebe also eine Regel in diesem Sinn, die an sich noch keine Überschreitung der 180 Tage inkludiere. Es sei aber andererseits auch zu beachten, was die Anforderungen des Dienstes im Einzelfalle seien. Wenn die 180 Tage systemimmanent ausgeschöpft würden, gehöre es auch zum System, dass für konkrete dienstliche Erfordernisse kein Spielraum innerhalb dieser 180 Tage zur Verfügung stehe und daher eine Überschreitung regelmäßig dann stattfinden müsse, wenn die Entwicklung der dienstlichen Erfordernisse nicht so sei, dass gerade oder spätestens mit Erreichen der 180 Tage die Dienstverrichtung am Dienstort abgebrochen werden könne, ohne dass ein Schaden für den Dienst entstehe.

24 Schon mit dieser zu § 22 Abs. 8 RGV aufgeworfenen Auslegungsfrage wird mangels Vorliegen von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes die Zulässigkeit der Revision aufgezeigt. Sie ist auch berechtigt.

25 Festzuhalten ist, dass der mehrfach angeführte Erlass des BMI zu § 22 Abs. 8 RGV weder Rechte von Beamtinnen und Beamten zu begründen noch nach der RGV bestehende Rechte einzuschränken vermag (vgl. zum LDG 1984 VwGH 17.4.2013, 2012/12/0160, mwN). Der genannte Erlass stellt keine verbindliche Rechtsquelle dar (vgl. z.B. VwGH 22.12.2006, 2006/12/0089).

26 Nach den oben wiedergegebenen Gesetzesmaterialien kann es in bestimmten Bereichen der Bundesverwaltung in der Natur der Dienstleistung liegen, dass eine Zuweisung an einen bestimmten Ort einen vorübergehenden Bedarf über 180 Tage hinaus abdeckt. Der über 180 Tage hinausgehende Bezug der Zuteilungsgebühr soll nur in jenen Bereichen Anwendung finden, in denen eine Versetzung keinesfalls zweckmäßig ist. Nach den Feststellungen im Bescheid der vor dem Bundesverwaltungsgericht belangten Behörde kann die hohe Flexibilität der Personalfluktuation des Dienstes beim KKD nur durch Zuteilung und keinesfalls durch Versetzungen von Beamtinnen und Beamten ermöglicht werden. Nach den Gesetzesmaterialien ist zu prüfen, ob die Dauer der konkret vorliegenden, vorübergehenden Dienstzuteilung, aus im betroffenen Dienstbereich in der Natur des Dienstes liegenden Gründen 180 Tage überschreitet. Dies zeigen schon die dort genannten Beispiele des z. B. für die Cobra notwendigen Einschreitens bei erhöhten oder hohen Gefährdungslagen bzw. für Staatsanwältinnen und Staatsanwälte bzw. Exekutivbeamtinnen und Exekutivbeamte nicht generell, sondern in ausgesucht schwierigen Kriminalfällen bei Ermittlungsverfahren, die mehr als 180 Tage andauern. Liegen daher im zu versehenden Dienst wurzelnde Umstände vor, die es zweckmäßig erscheinen lassen, dass ein Wechsel der dienstzugeteilten Person unterbleibt, und die vielmehr dafür sprechen, dass dieselbe Person weiterhin Dienst versieht (z.B. weil das Einarbeiten eines neuen Beamten äußerst zeitaufwändig wäre), ist im Verständnis der Gesetzesmaterialien, das im Gesetzeswortlaut gerade noch Deckung findet, davon auszugehen, dass gemäß § 22 Abs. 8 RGV die Zuteilungsgebühr während der gesamten Dauer der Dienstzuteilung - und somit über 180 Tage hinaus - gebührt.

27 In Verkennung der Rechtslage hat es das Bundesverwaltungsgericht unterlassen, Feststellungen zu treffen, die eine Beurteilung im Sinne dieser Auslegung des § 22 Abs. 8 RGV 1955 dahin zulassen, ob dem Revisionswerber die Zuteilungsgebühr im Zeitraum der Überschreitung der 180 Tage im Dezember 2013 und im Jänner 2014 gebührt. Schon damit hat es sein Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit des Inhalts belastet.

28 Selbst wenn aber ein Sachverhalt vorgelegen sein sollte, der dazu führte, dass die Zuteilungsgebühr nicht gebührt hätte, wäre davon auszugehen, dass der Revisionswerber im Sinne des § 13a GehG beim Empfang des Übergenusses als gutgläubig anzusehen gewesen wäre.

29 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Gutgläubigkeit beim Empfang von Übergenüssen schon dann nicht anzunehmen, wenn der Leistungsempfänger - nicht nach seinem subjektiven Wissen, sondern objektiv beurteilt - bei Anwendung eines durchschnittlichen Maßes an Sorgfalt an der Rechtmäßigkeit der ihm ausbezahlten Leistungen auch nur hätte Zweifel haben müssen. Erfolgt die Leistung deshalb, weil die Anwendung der Norm, aufgrund derer die Leistung erfolgt, auf einem Irrtum der auszahlenden Stelle beruht, den der Leistungsempfänger weder erkannt noch veranlasst hat, so ist dieser Irrtum nur dann im genannten Sinne objektiv erkennbar (und damit eine Rückersatzverpflichtung schon deshalb zu bejahen), wenn der Irrtum in der offensichtlich falschen Anwendung einer Norm, deren Auslegung keine Schwierigkeiten bereitet, besteht. Andernfalls, also bei einer zwar unrichtigen, aber nicht offensichtlich falschen Auslegung der Norm, ist die objektive Erkennbarkeit zu verneinen, sofern sie nicht durch andere Umstände indiziert wird (vgl. z.B. VwGH 25.3.2015, 2013/12/0116, und 5.9.2008, 2005/12/0165). Da hier für die Auslegung der Wortfolge "in der Natur des Dienstes" in § 22 Abs. 8 RGV die Heranziehung der Gesetzesmaterialien erforderlich war, diese Auslegung jedoch keinesfalls die einzigmögliche darstellt, die im Gesetzeswortlaut Deckung findet, kann keinesfalls davon ausgegangen werden, dass die Auslegung des § 22 Abs. 8 RGV keine Schwierigkeiten bereitet.

30 Im Übrigen hat der Revisionswerber im Zulässigkeitsvorbringen auch zutreffend darauf hingewiesen, dass § 13a Abs. 3 GehG den Rechtsbehelf der Beamtin bzw. des Beamten gegen einen unzulässigen, vom Dienstgeber vorgenommenen oder auch nur in Aussicht gestellten Abzug darstellt, der eine Klage nach Art. 137 B-VG beim Verfassungsgerichtshof ausschließt. Erst wenn im Feststellungsverfahren nach § 13a Abs. 3 GehG rechtskräftig geklärt ist, dass ein vorgenommener Abzug rechtswidrig war oder ist, kann der Anspruchsberechtigte die dessen ungeachtet auch weiterhin nicht erfolgende Rückzahlung des Einbehaltenen oder das dennoch im Abzugsweg weiterhin Einbehaltene nach Art. 137 B-VG einklagen (vgl. VwGH 29.3.2000, 94/12/0021 = VwSlg 15385 A/2000, und 7.9.2005, 2004/12/0206). Es wäre - unter Zugrundelegung der von den Vorinstanzen vertretenen Rechtsmeinung - daher der Spruch über den Antrag des Revisionswerbers dahin abzufassen gewesen, dass festzustellen gewesen wäre, dass 1. die Zuteilungsgebühr für die Monate Dezember 2013 und Jänner 2014 nicht gebührte und 2. der Revisionswerber zum Rückersatz verpflichtet war (vgl. auch die Ausführungen des Revisionswerbers zu seinem Antrag in seiner Stellungnahme vom 23. Juni 2014 und nunmehr in der Revision). Sollten Zweifel dahin bestanden haben, dass der Antrag des Revisionswerbers in diese Richtung zu verstehen gewesen sei, wäre dem Revisionswerber die Möglichkeit der Erstattung einer Stellungnahme zur vertretenen Rechtsansicht betreffend die Auslegung seines Antrages einzuräumen gewesen.

31 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

32 Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013.

Wien, am 8. März 2018

Schlagworte

Verwaltungsrecht allgemein Rechtsquellen VwRallg1Besondere RechtsgebieteAuslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung FeststellungsbescheideIndividuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2015120015.L00

Im RIS seit

13.04.2018

Zuletzt aktualisiert am

20.04.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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