Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 14. März 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Pichler als Schriftführerin in der Strafsache gegen Horst S***** wegen des Verbrechens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengericht vom 12. September 2017, GZ 22 Hv 42/17t-25, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Horst S***** eines Verbrechens der geschlechtlichen Nötigung nach §§ 15 Abs 1, 202 Abs 1 StGB (1) und mehrerer Verbrechen der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB (2) schuldig erkannt.
Danach hat er Sabrina E***** mit Gewalt
(1) zur Duldung des Betastens ihrer Brüste und im Genitalbereich zu nötigen versucht, und zwar „zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt im Herbst/Winter 2008/2009“ in R*****, indem er das 14-jährige Mädchen in sein Auto zerrte, sich auf sie legte und ihre Oberbekleidung hochzog, wobei es zufolge ihrer heftigen Gegenwehr und der Störung durch einen Hund beim Versuch blieb;
(2) zur Duldung des festen Drückens ihrer Brüste und des Betastens ihrer Scheide genötigt, und zwar „nach dem Vorfall von Punkt 1.) bis Dezember 2015“ in U***** in zahlreichen Angriffen, etwa einmal pro Monat, indem er das Mädchen infolge seiner überlegenen Körperkraft gegen dessen Willen und Widerstand festhielt.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus Z 5, 5a und 9 (lit ) a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.
Soweit die Mängelrüge diverse Feststellungen als „aktenwidrig“ (Z 5 fünfter Fall) bezeichnet, übersieht sie, dass nur die erheblich unrichtige Wiedergabe des Inhalts eines Beweismittels in den Entscheidungsgründen den behaupteten Begründungsfehler herstellt (RIS-Justiz RS0099431 [insbesondere T15, T16]). Indem sie anhand einer eigenständigen Würdigung von Aussagenpassagen der Zeugin Sabrina E***** lediglich andere, nämlich für den eigenen Prozessstandpunkt günstige, Schlussfolgerungen anstrebt, zeigt sie den behaupteten Begründungsfehler der „Aktenwidrigkeit“ ebenso wenig auf, sondern bekämpft die tatrichterliche Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung.
Die Mängelrüge wendet sich – soweit erkennbar – gegen die Feststellungen, wonach sich Sabrina E***** gegen die Übergriffe „immer“ gewehrt habe, und behauptet diesbezüglich vom Schöffengericht übergangene Widersprüche in den Angaben der Genannten. Solche zeigt aber die Rüge mit ihrem Hinweis auf eine zu Protokoll gegebene (und im Übrigen nicht vollständig referierte) Beobachtung der Irmgard E***** im Sommer 2015 (richtig: ON 2 S 71), die den kurz vor dem Gehen erfolgten Griff des Angeklagten in die Hose ihrer Tochter und deren „schon auch“ lachende Reaktion betraf, nicht auf. Zudem verfehlt das ausschließlich die Gegenwehr und nicht die Willensbeugung betreffende Vorbringen der Mängelrüge auch die gebotene Bezugnahme auf eine entscheidende Tatsache (RIS-Justiz RS0094085, RS0117499). Unter dem Aspekt der Glaubwürdigkeitsbeurteilung (vgl dazu RIS-Justiz RS0119422) handelt es sich bei der vom Beschwerdeführer hervorgehobenen Beobachtung weder um ein im Sinn der Z 5 zweiter Fall erörterungsbedürftiges Beweisergebnis noch wurde dieses vom Erstgericht übergangen (US 5 und 9 f).
Die Mängelrüge behauptet das Übergehen angeblich unterschiedlicher Verfahrensergebnisse dazu, ob die Besuche des Angeklagten, bei denen die sexuellen Übergriffe stattfanden, wie von der Zeugin Sabrina E***** angegeben, „ein Mal pro Monat“ oder, wie vom Zeugen Johann E***** deponiert, „ein paar Mal pro Jahr“ erfolgten. Mangels Verurteilung wegen einer bestimmten Anzahl von Verbrechen nach § 202 Abs 1 StGB spricht sie damit aber keinen für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage entscheidenden Aspekt an (RIS-Justiz RS0117499). Mit der als Schutzbehauptung verworfenen Verantwortung des Angeklagten (US 6) musste sich das Erstgericht nicht im Detail auseinandersetzen (RIS-Justiz RS0098377).
Die Tatsachenrüge (Z 5a) wird mit der Wiederholung des zur Mängelrüge Vorgebrachten nicht prozessordnungskonform zur Darstellung gebracht (RIS-Justiz RS0115902). Indem sie die tatrichterliche
Beweiswürdigung nach Art einer (im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld bekämpft, verfehlt sie ebenso die Anfechtungskriterien.
Gegenstand von Rechts- und Subsumtionsrüge ist ausschließlich der Vergleich des zur Anwendung gebrachten materiellen Rechts, einschließlich prozessualer Verfolgungsvoraussetzungen, mit dem festgestellten Sachverhalt (RIS-Justiz RS0099810).
Soweit die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zu 1 einen „Feststellungsmangel“ (gemeint: Rechtsfehler mangels Feststellungen) zur objektiven Tatseite behauptet, aber nicht darlegt, weshalb die festgestellte Absicht des Angeklagten, Sabrina E***** gegen deren deutlich erklärten Willen durch gezielten Einsatz von Gewalt, und zwar durch Niederdrücken ihres Körpers, zur Duldung des Betastens ihrer Brüste und im Genitalbereich zu nötigen, was ihm aufgrund ihres heftigen Widerstands aber nicht gelang (US 3 f), zur Subsumtion nach § 202 Abs 1 StGB (im Versuchsstadium) allein nicht ausreichend sei, verfehlt sie die prozessordnungskonforme Darstellung des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes (RIS-Justiz
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der
Generalprokuratur – gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.
Da das Erstgericht im Schuldspruch wegen des Verbrechens der geschlechtlichen Nötigung nach §§ 15, 202 Abs 1 StGB (1) keine Gesetzesfassung anführte, sei hinzugefügt, dass insoweit das Tatzeitrecht (BGBl I 2004/15) zufolge nunmehriger Anordnung einer Mindeststrafdrohung günstiger (§ 61 StGB) ist als das Urteilszeitrecht (BGBl I 2013/116). Dies ist aber im konkreten Fall (und zwar mit Blick auf den Schuldspruch 2 und den letzten Tatzeitpunkt im Dezember 2015) – wie auch die Generalprokuratur zutreffend aufzeigt – für die Strafrahmenbildung irrelevant. Daher bestand diesbezüglich kein Anlass zu einem Vorgehen im Sinn des §
290 Abs 1 zweiter Satz StPO.
Die Entscheidung über die Berufungen kommt somit dem Oberlandesgericht zu.
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Schlagworte
Strafrecht;Textnummer
E121128European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2018:0130OS00010.18X.0314.000Im RIS seit
13.04.2018Zuletzt aktualisiert am
13.04.2018