Entscheidungsdatum
02.02.2018Index
90/01 StraßenverkehrsordnungNorm
StVO 1960 §38 Abs1 litaText
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Mag. Cordes über die Beschwerde des Herrn Dipl.-Ing. J. S. vom 22.04.2016 gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien, Polizeikommissariat Fünfhaus für die Bezirke 14 und 15, vom 15.04.2016, Zl. VStV/915301458426/2015, wegen Übertretung des § 38 Abs. 5 StVO iVm § 38 Abs. 1 lit.a StVO nach Durchführung einer Verhandlung am 19.7.2017
zu Recht e r k a n n t:
I. Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben, das Straferkenntnis aufgehoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG eingestellt.
II. Der Beschwerdeführer hat gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Das bekämpfte Straferkenntnis vom 15.04.2016, Zl. VStV/915301458426/2015 lautet wie folgt:
„Sie haben am 31.08.2015 um 15:22 Uhr in Wien, 15., Neubaugürtel Krzg. Felberstr., Richtung Mariahilfer Gürtel als Lenker des Fahrzeuges mit dem Kennzeichen W-... das Rotlicht der Verkehrslichtsignalanlage nicht beachtet, indem das Fahrzeug nicht vor der dort befindlichen Haltelinie angehalten wurde.
Der Beschuldigte hat dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:
§ 38 Abs. 5 StVO i.V.m. § 38 Abs. 1 lit.a StVO
Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:
Geldstrafe von € 140,00 falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von 2 Tagen und 16 Stunden, gemäß § 99 Abs. 3 lit.a StVO.
Ferner hat der Beschuldigte gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 zu zahlen:
€ 14,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10 % der Strafe, jedoch mindestens 10 Euro für jedes Delikt (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich € 100,00 angerechnet).
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher €154,00.“
Gegen dieses Straferkenntnis richtete sich nachstehende rechtzeitig eingebrachte Beschwerde:
„Beschwerde nach Art 130 B-VG
an das Landesverwaltungsgericht Wien. Die Beschwerdefrist beträgt vier Wochen. Die Beschwerde erfolgt somit fristgerecht.
Beschwerdegründe:
• Unrichtige Tatsachenfeststellung,
• Fehlende Tatsachenfeststellung,
• Mangelhaftigkeit des Verfahrens,
• Unrichtigkeit der rechtlichen Beurteilung.
1. Zur unrichtigen bzw fehlenden Tatsachenfeststellung
Die LPD Wien wirft dem Beschuldigten im Straferkenntnis von 15.04.2016 im wesentlichen folgende Verwaltungsübertretung vor:
„Sie haben am 31.08.2015 (...) das Rotlicht der Verkehrslichtsignalanlage nicht beachtet, indem das Fahrzeug nicht vor der dort befindlichen Halteline angehalten wurde."
Diese Tatsachenfeststellung ist unrichtig, da aus den vom LPD Wien vorgelegten Rotlichtfotos klar ersichtlicht ist, dass die Bezug habende Halteline am Tatort nicht existiert (vgl beilagen C, D).
Tatsächlich hätte das LPD Wien im genannten Straferkenntnis aufgrund der vorgelegten Rotlichtfotos das Fehlen der Bezug habenden Haltelinie feststellen müssen.
2. Zur Mangelhaftigkeit des Verfahrens
2.1 Die LPD Wien hat sich in seiner Begründung des Straferkenntnisses vom
15.04.2016 nicht mit gegen die Richtigkeit der Strafverfügung sprechenden Beweisergebnissen auseinandergesetzt. Zur Vermeidung von Wiederholungen darf der Beschwerdeführer auf seine Ausführungen in Abschnitt 1. verweisen.
2.2 Die LPD Wien hat sich in seiner Begründung des Straferkenntnisses vom
15.04.2016 ebenfalls nicht mit den vom Beschuldigten mit Schriftsatz vom 24.03.2016 gestellten Beweisanträgen gemäß Abschnitt 3. auseinandergesetzt. Das Verwaltungsverfahren muss auch in diesem Punkt mangelhaft bleiben.´
3. Beweisanträge
Die Beweisanträge des Beschwerdeführers vom 24.03.2016 werden in der Beschwerde wiederholt gestellt:
i) Die Bezug habende Rotlichtkamera ist eine verkehrsbeschränkende Maßnahme und bedarf daher einer Verordnung gemäß § 43 Abs 1 lit b Z 2 StVO 1986.
Die genannte Verordnung ist präjudiziell für das Verwaltungsverfahren, da sie den Fahrzeuglenkern ein bestimmtes Verhalten vorschreibt und eine Übertretung pönalisiert.
Liegt der Bezug habenden Rotlichtkamera keine Verordnung zugrunde so kann bei ihrer Nichtbeachtung kein strafbarer Tatbestand verwirklicht werden.
Ich beantrage die Überprüfung der korrekten und zum Tatzeitpunkt gültigen Genehmigung der Bezug habenden Rotlichtkamera mittels Verordnung nach § 43 StVO 1986 durch die MA 46 als verordnungserlassende Behörde.
ii) Die Bezug habende Haltelinie bedarf ebenso wie Sperrflächen und Schutzwege einer Verordnung gemäß § 43 Abs 1 lit b Z 2 StVO 1986.
Die genannte Verordnung ist präjudiziell für das Verwaltungsverfahren, da sie den Fahrzeuglenkern ein bestimmtes Verhalten vorschreibt und eine Übertretung pönalisiert (vgl VwGH, 20.01.1986, 85/02/0166 in Beilage A).
Liegt der Bezug habenden Haltelinie keine Verordnung zugrunde so kann bei ihrer Nichtbeachtung kein strafbarer Tatbestand verwirklicht werden. Die Entscheidung VwGH, 16.12.1998, 93/02/0151 ist auf den vorliegende Sachverhalt übertragbar (vgl VwGH, 16.12.1998, 93/02/0151 in Beilage B).
Ich beantrage die Überprüfung der korrekten und zum Tatzeitpunkt gültigen Genehmigung der Bezug habenden Haltelinie mittels Verordnung nach § 43 StVO 1986 durch die MA 46 als verordnungserlassende Behörde.
iii) Die Bezug habende Ampelanlage ist eine verkehrsbeschränkende Maßnahme und bedarf daher einer Verordnung gemäß § 43 Abs 1 lit b Z 2 StVO 1986.
Die genannte Verordnung ist präjudiziell für das Verwaltungsverfahren, da sie den Fahrzeuglenkern ein bestimmtes Verhalten vorschreibt und eine Übertretung pönalisiert.
Liegt der Bezug habenden Ampelanlage keine Verordnung zugrunde so kann bei ihrer Nichtbeachtung kein strafbarer Tatbestand verwirklicht werden.
Ich beantrage die Überprüfung der korrekten und zum Tatzeitpunkt gültigen Genehmigung der Bezug habenden Ampelanlage mittels Verordnung nach § 43 StVO 1986 durch die MA 46 als verordnungserlassende Behörde.
iv) Ich beantrage die Beischaffung des zum Tatzeitpunkt gültigen Ampelablaufplans der Bezug habenden Ampelanlage.
4. Zur unrichtigen rechtlichen Beurteilung
Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte die LPD Wien zum Erkenntnis kommen müssen, dass die Bezug habende Strafverfügung zu beheben ist und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen ist.
5. Begehren
Gemäß § 31 Abs 1 VwGVG iVm § 50 VwGVG ist der Beschwerde insofern Folge zu geben, als das Straferkenntnis zu beheben ist und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG einzustellen ist.
Beweismittelverzeichnis
A VwGH, 20.01.1986, 85/02/0166
B VwGH, 16.12.1998, 93/02/0151
C Rotlichtfoto: Photo 037 A
D Rotlichtfoto: Photo 037 B.“
Auf Grund dieser Beschwerde fand vor dem Verwaltungsgericht Wien eine Verhandlung statt. Im Zuge dieser konkretisierte der Beschwerdeführervertreter das Vorbringen wie folgt:
Gelegenheit, sich zum Gegenstand der Verhandlung zu äußern:
Der BFV erklärt, dass an Hand des beigeschafften Planes der MA 46 die Stelle an der sich die Haltelinie tatsächlich befand. Diese Stelle wird jetzt mit Kugelschreiber auf dem Plan bezeichnet.
Nach Einsichtnahme in den bezughabenden Akt wird festgestellt, dass die Tatortbeschreibung laut Straferkenntnis: „Wien 15., Neubaugürtel/ Felberstraße Richtung Mariahilfer Gürtel“ nicht nur eine mögliche Haltelinie, sondern mehrere mögliche Haltelinien bezeichnet, weshalb die Tatörtlichkeit nicht im Sinne des § 44a StVO ausreichend exakt definiert ist.
Darüber hinaus ist festzuhalten, dass die zuständige MA 33 mit Schreiben vom 1.6.2017 zu den in den Punkten 1) bis 4) des Straferkenntnisses inkriminierten Verwaltungsgeboten/Verboten keine Verordnungen erlassen wurden.
Auf Grund der vom Verwaltungsgericht Wien durchgeführten Ermittlungen geht das Gericht vom vorliegenden folgenden Sachverhalt aus:
Der Beschwerdeführer hat am 31.08.2015 um 15:22 Uhr in Wien, 15., Neubaugürtel Krzg. Felberstr., Richtung Mariahilfer Gürtel das Fahrzeug mit dem Kennzeichen W-... gelenkt.
Zu diesem Beweisergebnis gelangt das Verwaltungsgericht Wien auf Grund folgender Überlegungen:
Die getroffene Feststellung wurde vom Beschwerdeführer im festgestellten Umfang in keinem Stande des Verfahrens bestritten. Bestritten wurde das Vorliegen einer verordneten Haltelinie an der Tatörtlichkeit. Das Verwaltungsgericht Wien hat eine Erhebung durch die Magistratsabteilung 46 durchführen lassen, der zu Folge die dort vorhandenen Verkehrszeichen seitens der Magistratsabteilung 46 nicht verordnet worden seien.
Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:
Gemäß § 43 Abs. 1 lit. b Z. 1 StVO hat die Behörde für bestimmte Straßen oder Straßenstrecken oder für Straßen innerhalb eines bestimmten Gebietes durch Verordnung dauernde oder vorübergehende Verkehrsbeschränkungen oder Verkehrsverbote, insbesondere die Erklärung von Straßen zu Einbahnstraßen, Maß-, Gewichts- oder Geschwindigkeitsbeschränkungen, Halte- oder Parkverbote und dergleichen, zu erlassen, wenn und insoweit es die Sicherheit, Leichtigkeit oder Flüssigkeit des sich bewegenden oder die Ordnung des ruhenden Verkehrs, die Lage, Widmung, Pflege, Reinigung oder Beschaffenheit der Straße, die Lage, Widmung oder Beschaffenheit eines an der Straße gelegenen Gebäudes oder Gebietes oder wenn und insoweit es die Sicherheit eines Gebäudes oder Gebietes und/oder der Personen, die sich dort aufhalten, erfordert.
Ein durch Straßenverkehrszeichen zum Ausdruck gebrachtes Verkehrsverbot oder -gebot bedarf nach ständiger Rechtsprechung des VfGH und VwGH zu seiner verwaltungsstrafrechtlichen Wirksamkeit einer entsprechenden Verordnung der Straßenpolizeibehörde.
Da der verfahrensgegenständlichen Verkehrsbeschränkung keine Verordnung der zuständigen Straßenpolizeibehörde (Magistratsabteilung 46) zu Grund liegt, kommt den ungeachtet dessen angebrachten Straßenverkehrszeichen gemäß § 38 Abs. 1 lit a sowie Abs. 5 keine rechtsverbindliche Kraft zu.
Ein rechtswidriges Verhalten des Bf liegt damit nicht vor. Es war daher spruchgemäß das Straferkenntnis aufzuheben und das verwaltungsverfahren einzustellen.
Zum Ausspruch der Unzulässigkeit einer ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche (über den Einzelfall hinausgehende) Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Tatörtlichkeit nicht exakt definiert; Haltelinie; keine Verordnung erlassen; kein rechtswidriges VerhaltenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2018:VGW.031.030.6928.2016Zuletzt aktualisiert am
12.04.2018